Proteste in Georgien wegen des Gesetzes über ausländische Agenten | Von Thomas Röper

Ein Kommentar von Thomas Röper.

In Georgien will das Parlament ein Gesetz über ausländische Agenten annehmen. Am Tag der Parlamentsdebatte kam es in der Hauptstadt erwartungsgemäß zu Unruhen bei Protesten, zu denen die potenziellen ausländischen Agenten aufgerufen hatten.

Bevor wir zum eigentlichen Thema kommen, muss ich noch einmal darauf hinweisen, was Gesetze über ausländische Agenten sind. Dabei handelt es sich um Gesetze, mit denen ein Staat versuchen will, seine Politik vor Einmischungen aus dem Ausland zu schützen, indem er politisch tätige Personen und Organisationen, die aus dem Ausland finanziert werden, zwingt, die Finanzen offenzulegen und ihre Veröffentlichungen als von ausländischen Agenten stammend zu kennzeichnen.

Da es vor allem westliche NGOs sind, die sich in die Politik anderer Staaten einmischen, wären vor allem sie von solchen Gesetzen betroffen, wenn sie in nicht-westlichen Ländern eingeführt werden. Das erklärt den Widerstand des Westens gegen die Einführung solcher Gesetze außerhalb des Westens, während viele westliche Länder selbst solche Gesetze haben oder gerade einführen, um sich selbst vor ausländischer Einmischung (nicht-westlicher) Staaten in ihre Politik zu schützen. Stammlesern des Anti-Spiegel ist bekannt, aber für alle anderen erkläre ich am Ende dieses Artikels noch einmal, woher diese Gesetze stammen und was sie besagen.

Die Proteste am Dienstag

Schon vor einem Jahr wollte die georgische Regierung ein Gesetz über ausländische Agenten einführen, was zu heftigen Protesten vor dem Parlament und aus den westlichen Ländern geführt hat. Am Ende ist die Regierung eingeknickt und hat den Gesetzentwurf zurückgezogen <1>.

Vor zwei Wochen <2> hat die georgische Regierung einen neuen Versuch unternommen, so ein Gesetz ins Parlament zu bringen, was umgehend wieder zu Protesten <3> aus dem Westen und von den betroffenen westlichen NGOs in Georgien geführt hat.

Am Dienstag sollte das Gesetz im Parlament debattiert <4> werden und schon am Montagabend begannen die Proteste <5> vor dem Parlamentsgebäude, die sich ab Dienstagmittag verstärkten. EU-Ratspräsident Michel goss Öl ins Feuer, indem er am Nachmittag erklärte <6>:

„Ich möchte mich klar ausdrücken. Der Gesetzesentwurf ‚Über die Transparenz ausländischer Einflussnahme‘ ist mit den Bestrebungen Georgiens und seiner Aufnahme in die EU unvereinbar.“

Das zeigt die Doppelmoral der EU, denn die hat im Dezember 2023 ihr eigenes Gesetz über ausländische Agenten vorgestellt <7>. Das zeigt, dass es dem Westen bei seinem Widerstand gegen das georgische Gesetz nicht um Demokratie und Menschenrechte geht, sondern nur darum, dass der Westen entscheiden will, wessen Einflussnahme auf die Politik anderer Länder gut und wessen Einflussnahme böse ist.

Ob sie der Grund war oder nicht, ist Spekulation, aber nach der Erklärung von Michel spitzte sich die Lage in der georgischen Hauptstadt zu. Es gab Gewalt vor dem Parlament und die Polizei begann, die Menge mit Tränengas vom Parlamentsgebäude <8> wegzutreiben. Die pro-westliche georgische Präsidentin, eine französische Staatsbürgerin, heizte die Stimmung ihrerseits an, indem sie die Regierung danach auf X beschuldigte, die Demonstranten provoziert zu haben. Sie schrieb <9>:

„Die zweite Nacht einer groß angelegten Protestaktion in Tiflis gegen das russische Gesetz. Die Sturheit der Regierung, dieses Gesetz gegen den Willen der Bevölkerung und trotz des Protestes der Partner zu verabschieden, ist eine direkte Provokation.“

Sie beschuldigte die Regierung außerdem, dass ihr Vorgehen angeblich eine „russische Destabilisierungsstrategie“ sei. Zu der Frage, was an dem Gesetz russisch sein soll, kommen wir in diesem Artikel etwas später.

Am Abend teilte das Parlament mit <10>, dass es die Debatte über das Gesetz am Mittwoch fortsetzen wolle. Der Grund ist, dass die pro-westliche Opposition gegen das Gesetz viel Redezeit hatte und die Parlamentssitzungen in Georgien laut Parlamentsregeln um 21.00 enden. Daher wurde erklärt, dass die Debatte am Mittwoch fortgesetzt wird.

Erst gegen ein Uhr nachts <11> begann sich die Demonstration aufzulösen. Die Fortsetzung dürfte am Mittwoch folgen.

Die Mutter aller Gesetze über ausländische Agenten

Wie versprochen, gehe ich jetzt noch einmal kurz darauf ein, was Gesetze über ausländische Agenten sind und ob sie tatsächlich eine russische Erfindung sind, wie die georgische Präsidentin behauptet.

Westliche Medien kritisieren Russland, weil es 2012 so ein Gesetz eingeführt hat. Was die westlichen Medien dabei immer verschweigen, ist die Tatsache, dass es sich dabei nicht um eine russische Erfindung handelt, sondern um eine US-amerikanische. Die USA haben schon 1938 den FARA-Act <12> (Foreign Agents Registration Act, auf deutsch Gesetz zur Registrierung ausländischer Agenten) eingeführt. Nach dem Gesetz drohen jedem, der in den USA mit ausländischer Finanzierung politisch tätig wird und sich nicht als „ausländischer Agent“ registriert, Geld und/oder Gefängnisstrafen. Außerdem müssen „ausländische Agenten“ ihre Veröffentlichungen als vom „ausländischen Agenten“ stammend kennzeichnen.

Das FARA-Gesetz wird in den USA sehr restriktiv angewendet. Die damalige russische Studentin Maria Butina <13> zum Beispiel wurde in den USA 2018 aufgrund dieses Gesetze zu 18 Monaten Haft verurteilt. Ihr Vergehen bestand darin, als Waffennärrin Kontakte zur US-Waffenlobby geknüpft zu haben. Dass sie mit einigen US-Waffenlobbyisten gesprochen hat, reichte schon aus, um zu über einem Jahr Gefängnis verurteilt zu werden.

Russland hat das FARA-Gesetz der USA im Grunde nur abgeschrieben, wobei jedoch die Strafen in der russischen Kopie des US-Gesetzes weniger streng sind, als im amerikanischen Original. An dem FARA-Gesetz der USA hatten und haben die deutschen „Qualitätsmedien“ nichts zu kritisieren. Sie teilen ihren deutschen Lesern nicht einmal mit, dass es in den USA so ein Gesetz gibt, das sehr streng angewendet wird.

Außerdem verschweigen die deutschen Medien ihren Lesern, dass auch die EU <14> inzwischen an einem solchen Gesetz über ausländische Agenten arbeitet, das sie als Teil eines „Paketes zum Schutz der Demokratie“ bezeichnet. Und ganz aktuell wurde so ein Gesetz auch in Frankreich ins Parlament gebracht <15>.

Quellen

<1> https://www.anti-spiegel.ru/2023/regierung-zieht-gesetz-zurueck-geht-die-farbrevolution-weiter/

<2> https://www.anti-spiegel.ru/2024/georgien-versucht-ein-zweites-mal-ein-gesetz-ueber-auslaendische-agenten-zu-beschliessen/

<3> https://www.spiegel.de/ausland/georgien-tausende-menschen-demonstrieren-in-tiflis-gegen-prorussisches-gesetz-a-3814b9ea-531c-4000-b33d-65239d20e626

<4> https://tass.ru/mezhdunarodnaya-panorama/20552629

<5> https://tass.ru/mezhdunarodnaya-panorama/20559459

<6> https://tass.ru/mezhdunarodnaya-panorama/20564993

<7> https://www.anti-spiegel.ru/2023/die-eu-kommission-hat-die-eu-richtlinie-ueber-auslaendische-agenten-mit-dem-namen-demokratieschutzpaket-verabschiedet/

<8> https://tass.ru/mezhdunarodnaya-panorama/20565549

<9> https://tass.ru/mezhdunarodnaya-panorama/20565883

<10> https://tass.ru/mezhdunarodnaya-panorama/20565133

<11> https://tass.ru/mezhdunarodnaya-panorama/20566473

<12> https://www.justice.gov/nsd-fara

<13> https://www.anti-spiegel.ru/2021/navalny-wurde-von-journalisten-und-aktivisten-im-gefaengnis-besucht/

<14> https://www.anti-spiegel.ru/2023/die-eu-kommission-hat-die-eu-richtlinie-ueber-auslaendische-agenten-mit-dem-namen-demokratieschutzpaket-verabschiedet/

<15> https://www.anti-spiegel.ru/2024/nun-bekommt-auch-frankreich-ein-gesetz-ueber-auslaendische-agenten/

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 17. April 2024 bei anti-spiegel.ru

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Bildquelle: EvaL Miko / shutterstock

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Kommentare (3)

3 Kommentare zu: “Proteste in Georgien wegen des Gesetzes über ausländische Agenten | Von Thomas Röper

  1. Ewald_Mac sagt:

    Die Berichterstattung in den deutschen Mainstream-Medien über die Proteste in Georgien ist katastrophal irreführend. Als wären die paar Demonstranten die Mehrheit der Bevölkerung. Protestieren tun hauptsächlich jene, die sich selber von NGOs bezahlen lassen und denen nach einer Offenlegung der Finanzströme ein Job-Aus droht. Vor fast genau einem Jahr fanden Gegendemos in Tiflis statt, mit wesentlich größeren Menschenmassen. Die meisten Georgier haben einfach keinen Bock auf noch einen Krieg mit Russland, und genau das ist es, was vom Westen jenseits des Demokratiegeschwurbels anvisiert wird. Neutralität im Ukraine-Konflikt wird als Putinismus gedeutet. Unterhalb von Truppenentsendungen in die Ukraine ist Georgien aus Sicht der USA und der EU ein Sympathisant Putins und demzufolge eine Art Feindesland. Daher soll die Regierung weggeputscht werden. Die Regierung tut sich schwer mit ihrem Balanceakt zwischen Russland und dem Westen. Sie müsste ihren Standpunkt aus meiner Sicht noch besser kommunizieren.

  2. Peter_Lustig sagt:

    So ein Gesetz, egal ob in Russland, Georgien oder im Westen, dient vor allem dazu die Meinungsfreiheit einzuschränken. Kritiker mundtot zu machen, sie zu drangsalieren.

  3. "Quod licet Jovi non licet bovi". Dieser lateinische Satz beschreibt dieses gut. Die Herrschenden in Westeuropa bestimmen, was erlaubt ist und was nicht. Mit Demokratie hat derlei aber auch gar nichts zu tun. Im Gegenteil, wer dauernd das Wort "Demokratie" in den Mund nimmt, der meint garantiert nicht Demokratie, sondern Meinungsdiktatur der Herrschenden. Und je penetranter er alles mit Demokratie bewertet, um so weniger hat der Demokratie im Sinn.

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