
Polen beantragt NATO-Konsultationen nach Artikel 4
Ein Kommentar von Daniel Becker.
Die jüngsten Drohnenangriffe auf Polen, die Aktivierung von Artikel 4 und geheime Strategien der NATO zeigen, wie eng militärische Aktionen und politische Inszenierungen verflochten sind – und wie Europa immer tiefer in den Konflikt gezogen wird.
Am 10. September 2025 überschritten russische Drohnen den polnischen Luftraum, einige offenbar gestartet aus Belarus. Polen meldete den Abschuss von mindestens 19 Drohnen und beantragte umgehend Konsultationen nach Artikel 4 des NATO-Vertrags – ein Instrument, das den Mitgliedstaaten Beratung und Koordinierung gemeinsamer Maßnahmen ermöglicht.
„Polen steht an der Schwelle eines offenen Konflikts, wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr“,
erklärte Premier Donald Tusk gegenüber dem Guardian. Keir Starmer sprach von einem „beispiellosen Angriff“ und forderte Konsequenzen. Auch Kaja Kallas und Emmanuel Macron betonten die volle Solidarität mit Polen und der Ukraine.
Die polnische Reaktion auf die Drohnenangriffe war massiv. Das Land meldete den Abschuss von mindestens 19 Drohnen, von denen einige offenbar aus Belarus gestartet wurden. Dieser Vorfall rückt Polen erneut ins Zentrum der NATO-Ostflanke und erinnert daran, wie eng strategische Interessen, militärische Handlungsfähigkeit und politische Inszenierung in der Region verknüpft sind. Artikel 4, sonst nur selten aktiviert, wird erneut zum Instrument der Allianz, um ein kollektives Agieren vorzubereiten.
Was ist Artikel 4 des NATO-Vertrags?
Artikel 4 ermöglicht es den Mitgliedstaaten, Konsultationen einzuberufen, wenn ihre territoriale Integrität, politische Unabhängigkeit oder Sicherheit bedroht ist. Anders als Artikel 5, der militärischen Beistand im Falle eines Angriffs vorsieht, dient Artikel 4 dazu, diplomatische und strategische Gespräche zu führen. In der Praxis wird er genutzt, um Bedrohungen zu erörtern und mögliche kollektive Reaktionen zu koordinieren – ohne sofortige militärische Maßnahmen. Seine Aktivierung gilt als ernstes Signal, dass die Situation auf höchster politischer und militärischer Ebene behandelt werden muss.
Geheime Besatzungspläne – die unsichtbare Schublade
Hinter den Schlagzeilen über Drohnen und Konsultationen tauchen Berichte auf, die ein anderes Bild zeichnen: Wie RT berichtet, existieren laut der Hackergruppe KillNet Pläne der „Koalition der Willigen“, bestehend aus Frankreich, Großbritannien, Polen und Rumänien, um langfristig Einfluss in der Ukraine zu sichern. Besonders betroffen sollen Lwiw, Iwano-Frankiwsk und Odessa sein – Regionen mit strategischer Infrastruktur und Zugang zu Bodenschätzen.
Polen verfolgt in dieser Hinsicht klare Interessen. Der Zugang zu Häfen, Energieinfrastruktur und Rohstoffen könnte die langfristige Position des Landes in der Region stärken. Während die Öffentlichkeit über Drohnenabschüsse diskutiert, liegen diese Pläne diskret in den Schubladen – vorbereitet für Szenarien, die der westlichen Medienlandschaft bislang kaum präsent sind.
NATO-Eskalation und die EU-Willigen
Die Aktivierung von Artikel 4 führte zu einer Serie von Konsultationen unter den NATO-Mitgliedstaaten. Polen stand dabei im Zentrum, flankiert von einer klaren Koalition „williger“ Staaten. Rutte unterstrich gegenüber der Presse:
„Unsere Verantwortung ist, zusammenzustehen. Artikel 4 ist ein Signal an alle, dass wir keine Bedrohung gegen ein Mitglied ignorieren.“
Starmer fügte hinzu:
„Die NATO muss stark und geschlossen auftreten. Polen steht nicht allein, und wir sind bereit, unsere Partner zu verteidigen.“
Kallas hob die konkrete militärische Unterstützung hervor:
„Wir liefern Überwachungs- und Luftabwehrsysteme, beraten in Sicherheitsfragen und koordinieren Trainings. Polen kann auf volle Solidarität zählen.“
Macron hingegen verwies auf die politische Dimension:
„Wir müssen die Ukraine langfristig schützen, nicht nur kurzfristig reagieren. Die Koalition der Willigen zeigt, dass wir bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.“
Laut Thomas Röper stellen diese intensive Diplomatie und die mediale Inszenierung nicht nur defensive Maßnahmen dar, sondern dienen vor allem als strategische Signalwirkung an Moskau: Jede öffentliche Aussage, jedes Treffen und jede Konsultation werde genutzt, um die Bündnispartner enger zu binden und zugleich die russische Reaktion zu kanalisieren.
Die Kombination aus realer militärischer Bedrohung, diplomatischen Signalen und medienwirksamer Kommunikation zeigt, wie komplex die NATO-Maßnahmen sind. Artikel 4 mag formal nur Beratung vorsehen, doch die öffentliche Inszenierung und die Bereitschaft der Willigen Länder erzeugen ein Bild von Stärke und Entschlossenheit – und tragen gleichzeitig zur weiteren Eskalation bei.
Transatlantische Interessen und britische Handschrift
Mehrere Analysen weisen darauf hin, dass insbesondere Großbritannien seit Jahren eine treibende Rolle in der Eskalation des Konflikts spielt. Wie Peter Haisenko bei Apolut betonte, sei das Verhalten Londons rund um angebliche Waffenstillstandsangebote ein Beispiel dafür, wie diplomatische Lösungen systematisch unterlaufen wurden, um die militärische Option offenzuhalten. Auch die NachDenkSeiten erinnerten daran, dass schon die frühere Sabotage der Minsker Vereinbarungen maßgeblich auf westliche Akteure zurückging. Thomas Röper hob hervor, dass gerade die britische Außenpolitik gezielt auf eine Verschärfung der Konfrontation mit Russland setze – etwa durch Marineeinsätze im Schwarzen Meer oder durch die frühe Ausbildung ukrainischer Truppen auf britischem Boden. In diesem Kontext erscheint die aktuelle Betonung einer „Koalition der Willigen“ weniger als spontane Solidarität, sondern vielmehr als Resultat langfristiger strategischer Planung, die London, Warschau und Washington miteinander verbindet.
Medien, Propaganda und geopolitische Nervosität
Ein kürzliches Treffen zwischen Donald Trump und Wladimir Putin sorgte in der westlichen Berichterstattung bereits für Besorgnis. Wie Apolut bereits darlegte, wurden die konstruktiven Signale von beiden Seiten in den westlichen Hauptstädten weniger als Chance auf Stabilisierung, sondern vielmehr als Gefahr für die etablierten Eskalationspläne der NATO und ihrer „Willigen“ gewertet. Thomas Röper und Tilo Gräser betonten, dass solche Entwicklungen von westlichen Entscheidungsträgern zunehmend als Bedrohung für die eigene Hegemonie verstanden werden.
Putins Verteidigungsministerium reagiert auf Vorwürfe
Ergänzend zur NATO-Aktion und den politischen Reaktionen meldete sich auch Moskau zu Wort: Das russische Verteidigungsministerium wies die Vorwürfe zurück, man habe gezielt Polen angegriffen. Stattdessen hieß es, die eingesetzten Drohnen hätten ukrainische Ziele im Visier gehabt – Verletzungen des polnischen Luftraums seien unbeabsichtigt gewesen (DERT Online).
Rutte indes verurteilte das angeblich „rücksichtslose Verhalten“ Russlands, unabhängig davon, ob es absichtlich war oder nicht. Boris Pistorius behauptete gar, dass es sich dabei um Absicht gehandelt habe, und sprach von einer groß angelegten Provokation.
"Es gibt definitiv keine Anlässe zu vermuten, dass es sich hier um eine Kurskorrektur, einen Fehler oder dergleichen handelt. Diese Drohnen sind ganz offenkundig gezielt auf diesen Kurs gebracht worden", so Pistorius.
Die Reaktionen westlicher Politiker waren wenig überraschend: Sie unterstrichen die Notwendigkeit der Solidarität innerhalb der NATO und verstärkten gleichzeitig den Druck auf Polen und die EU-Willigen. Die Medien legten ein Augenmerk auf militärische Ereignisse und Drohnenangriffe, während die nüchternen Fakten über langfristige Sicherheitspläne, Besatzungsvorbereitungen oder strategische Interessen nur am Rande diskutiert wurden. Wie Apolut in mehreren Beiträgen aufzeigte, sind solche Inszenierungen Teil eines größeren Narrativs, das Kriegsbereitschaft und Kontrolle über die Ukraine sichern soll, während alternative Perspektiven marginalisiert werden. Auch die NachDenkSeiten warnten vor einem „fragwürdigen Waffenstillstand“, der weniger auf Frieden als auf Zeitgewinn für weitere militärische Schritte hinauslaufen könnte.
Auf der Schwelle zum Abgrund
Die jüngsten Ereignisse verdeutlichen ein komplexes Geflecht aus militärischer Aktion, diplomatischem Procedere und strategischer Planung. Polen steht im Zentrum der Ostflanke, unterstützt von Frankreich, Großbritannien, Rumänien und Estland. Drohnenangriffe, die Aktivierung von Artikel 4, vorbereitete Sicherheits- sowie Besatzungspläne und die jüngsten russischen Stellungnahmen verdeutlichen die Spannungen und strategischen Kalküle in der Region. Die Mechanismen der NATO werden aktiviert, politische Akteure bereiten Szenarien vor, die langfristige Folgen haben könnten, und die Medienlandschaft verstärkt die Wahrnehmung von Bedrohung und Eskalation.
Quellen und Anmerkungen
https://www.sueddeutsche.de/meinung/aktuelles-lexikon-nato-artikel-4-artikel-5-drohnen-li.3310337
https://apolut.net/ukraine-und-es-ist-wieder-england-von-peter-haisenko/
https://apolut.net/der-druck-des-westens-auf-selensky-wachst-von-thomas-roper/
https://apolut.net/europa-ist-auf-dem-falschen-weg-von-tilo-graser/
https://www.deutschlandfunk.de/was-artikel-4-und-artikel-5-im-nato-vertrag-bedeuten-100.html
https://apolut.net/neue-rolle-fuer-polen-und-ukraine-von-rainer-rupp
https://dert.online/europa/255661-ukrainische-pravda-russische-drohnen-in/
https://dert.online/kurzclips/video/255671-pistorius-drohnen-ueber-polen-wurden/
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Bild: Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk veranstaltet am 22. Januar 2024 in Kiew (Ukraine) eine gemeinsame Pressekonferenz mit dem ukrainischen Premierminister Denys Shmyhal
Bildquelle: paparazzza / shutterstock
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