Mögliche Folgen und Konsequenzen
Ein Beitrag von Wolfgang Effenberger.
Auch am 6. März 2022, dem 11. Kriegstag in der Ukraine, versuchen die russischen Truppen immer noch Mariupol, Charkow oder Kiew einzuschließen. Die Lage ist weiterhin verworren, und das Leiden der Bevölkerung geht weiter.
Diese Entwicklung veranlasste den ehemaligen Vier-Sterne-General Hans-Lothar Domröse zu einem nachhaltigen Statement. Der General, zuletzt als Nato-General von Dezember 2012 bis März 2016 Oberbefehlshaber des Allied Joint Force Command Brunssum, zeigt sich überrascht ob des technisch und taktisch veralteten Vorgehens von Putins Armee und kanzelte Russlands Kriegsführung ab: „Was sie dort zeigen, ist 1918“. „Wäre das bei der NATO so gelaufen, wir hätten unsere Kommandeure schon lange abgelöst“(1). Laut dem chinesischen Philosophen Laotse (vermutlich 6. Jh. v. Chr.) gibt es jedoch kein größeres Übel, als den Feind zu unterschätzen.(2) So geschehen vor allem vor dem erfolgreichen militärischen Vorgehen Russlands im Syrienkrieg, hier fanden sich auf der gegnerischen Seite die Türkei, USA, GB und Israel. Auch im Vergleich zu der blitzartigen Niederschlagung des Regime-Change-Versuchs in Kasachstan erscheint das bisherige russische Vorgehen in der Ukraine rätselhaft.
Der tschetschenische Staatschef Ramsan Kadyrow kommt anscheinend ebenso nicht über eine militärische Lagebeurteilung hinaus. Er fordert „angesichts der russischen Opfer Putin auf, sich aus dem Staub zu machen und das Militär eine militärische Operation durchführen zu lassen. Es habe keinen Sinn, ukrainische Menschenleben auf Kosten russischer zu retten.“ Dabei ist der tschetschenische Führer ein treuer Verbündeter Putins. Dass er sich so äußert, ist ein Hinweis darauf, dass Putins Politik die Gefahr birgt, die russische Armee zu demoralisieren und Putins Unterstützung unter den russischen Nationalisten zu untergraben.(3)
Wie konnte sich der kühl denkende Stratege Putin derart verrennen?
Zwei Tage vor dem Internationalen Frauentag erklärte Putin in einem im staatlichen Fernsehen übertragenen Gespräch vor Flugbegleiterinnen bei Tee und lächelnden Gesichtern die Ziele der Militäroperation, nämlich den Schutz der russischsprachigen Bevölkerung und die Sicherung russischer Interessen. Medienwirksam kritisierte er die westlichen Sanktionen, die einer Kriegserklärung gleichkämen, und warnte vor der Einrichtung einer Flugverbotszone durch die NATO oder nur den Versuch durch Andere. Das würde zu katastrophalen Konsequenzen für die ganze Welt führen.
Jeder Schritt in diese Richtung, so Putin, würde als Beteiligung an einem bewaffneten Konflikt seitens eines Landes betrachtet, von dem die territoriale Bedrohung für das russische Militär ausgeht. In diesem Moment würden die Initiatoren als beteiligte Partei in einem militärischen Konflikt betrachtet, und dabei spiele es keine Rolle, welchen Organisationen sie angehören. (4)
Aus diesen knappen Sätzen lassen sich mögliche Kriegsziele herauslesen. Hat Putin sich von dem chinesischen Strategem „Im Osten lärmen, im Westen angreifen“(5) inspirieren lassen? Damit soll der Feind durch einen Scheinangriff dazu gebracht werden, im Osten seine Truppen zu verstärken und im Westen, wo dann tatsächlich der Angriff stattfindet, die Ressourcen abzuziehen. Im Osten der Ukraine und um Kiew läuft der Angriff mit angezogener Handbremse; im Westen, an der ukrainisch-polnischen Grenze, wurden bisher gar keine Kampfhandlungen gemeldet. Diese Grenze hätte jedoch als erstes erobert und gesichert werden müssen, um die Versorgung der ukrainischen Truppen aus dem Westen über Polen zu unterbinden. Und nun sind 1000 Panzerabwehrwaffen sowie 500 Boden-Luft-Raketen vom Typ »Stinger« aus Bundeswehrbeständen auf dem Weg zum ukrainischen Militär. Stolz hatte Bundeskanzler Scholz die Lieferungsabsicht untermauert: „Putin sollte unsere Entschlossenheit nicht unterschätzen.“(6) Sollten diese Waffen erfolgreich gegen das russische Militär eingesetzt werden, könnte der Krieg eine dramatische Wendung bekommen und Putin veranlassen, bis in die deutschen Lande vorzudringen.
Am Ende des Zweiten Weltkriegs kapitulierte Deutschland bedingungslos, und ab dem 9. Mai 1945 schwiegen die Waffen. Ein Friedensvertrag wurde bis heute nicht abgeschlossen. Auch der die Wiedervereinigung von 1990 regelnde Zwei-plus-vier-Vertrag ist nominal kein Friedensvertrag.(7)
Mit der Waffenlieferung an die Kriegspartei Ukraine ist die Bundesrepublik Deutschland nun formal Kriegspartei im Krieg gegen Russland. Das wäre der Bruch des Waffenstillstands von 1945.
Am 1. März 2022 hatte das russische Außenministerium die Konsequenzen des am 27. Februar gefassten EU-Beschlusses aufgezeigt, tödliche Waffen an die Ukraine zu liefern. Die EU würde sich damit über alle acht Kriterien des eigenen „gemeinsamen Standpunkts“ des Europäischen Rats 2008/944/CFSP vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern hinwegsetzen. Dieser gemeinsame Standpunkt sieht ein direktes Verbot für Lieferungen von Waffen und Militärgütern aus der EU in folgenden Fällen vor (Auszug):
-
Nichteinhaltung der internationalen Verpflichtungen durch das Endbestimmungsland (Kiew vernachlässigte seine Verpflichtungen aus dem Minsker Maßnahmenpaket, das durch die Resolution 2202 des Weltsicherheitsrats gebilligt wurde);
-
Bedrohung für Frieden, Sicherheit und Stabilität in einer Region, einschließlich der Wahrscheinlichkeit eines bewaffneten Konflikts zwischen dem Empfängerland und einem anderen Land.
„Die EU-Bürger und -einrichtungen, die an Lieferungen von tödlichen Waffen und Treib- und Schmierstoffen an die ukrainischen Streitkräfte beteiligt sind, werden sich für jegliche Konsequenzen dieser Maßnahmen vor dem Hintergrund der laufenden militärischen Sonderoperation verantworten müssen. Sie müssen sich darüber im Klaren sein, wie gefährlich diese Konsequenzen sind.“(8) Diese Drohung lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig.
Am 16. Mai 2014 kritisierte Helmut Schmidt die Ukraine-Politik des Westens scharf und warf der EU Größenwahn vor. Die EU-Kommissare mischten “sich zu sehr in die Weltpolitik ein, obwohl die meisten Kommissare davon gar nichts verstehen”. Das jüngste Beispiel sei “der Versuch der EU-Kommission, die Ukraine anzugliedern”, sagte er. Falsch sei auch, Georgien an sich zu ziehen. “Das ist Größenwahn, wir haben dort nichts zu suchen.”(9)
Altkanzler Schmidt kritisierte auch die Bundesregierung und sah niemanden, der „konstruktive Vorschläge zur Zukunft der Ukraine vorbringt”. Der Konflikt um die Ukraine erinnere ihn an die Situation 1914 vor dem Ersten Weltkrieg. Er wolle keinen Dritten Weltkrieg herbeireden. “Aber die Gefahr, dass sich die Situation verschärft wie im August 1914, wächst von Tag zu Tag.”(10)
Heute, fast acht Jahre später, warnt auch der erfahrene US-Analyst Paul Craig Roberts angesichts des zögerlichen Vorgehens Russlands eindringlich vor der Gefahr eines neuen Weltkriegs. Dadurch, dass im Westen der Eindruck entstehe, dass „das russische Militär doch nicht so furchterregend ist“, werde „Washington weiterhin das Sagen in Europa haben, und die Provokationen werden weitergehen und schließlich in einem Atomkrieg enden.“(11)
Welches Endziel könnte Russland verfolgen?
Es ist kaum anzunehmen, daß Putins Militäroperation, wie Domröse meint, durch Dilettantismus gekennzeichnet ist. Vielleicht geht es Russland ja darum, die Verhandlungen der 90er Jahre wieder aufzunehmen und den WK II endlich mit einem Friedensvertrag zu beenden.
Anmerkungen:
2) https://www.aphorismen.de/zitat/94456
3) https://www.paulcraigroberts.org/2022/03/05/ukrainian-update-5/
5) Dem chinesischen General Tan Daoji († 436) zugeschrieben.
10) Ebd.
11) https://www.paulcraigroberts.org/2022/03/05/ukrainian-update-5/
12) https://www.amazon.de/Die-unterschätzte-Macht-Plutokraten-transformieren/dp/3943007413
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Demnächst erscheint das neue Buch von Wolfgang Effenberger:
“Die unterschätzte Macht: Von Geo- bis Biopolitik – Plutokraten transformieren die Welt.”(12)
Vorwort von Prof. Dr. Alexander Sosnowski, Gebundene Ausgabe – 28. März 2022
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags
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Bildquelle: zef art / Shutterstock.com
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hier werden Sie geholfen
https://thesaker.is/the-opinion-of-a-professional-about-the-special-operation-in-ukraine-must-read/
Es wäre in der Tat völlig naiv, anzunehmen, dass Putin alleine entscheidet wann was und wo stattzufinden hat. Er hat ein Dutzend kriegserfahrene Offiziere welche ihn beraten um dann zu einer gemeinsamen Entscheidung zu gelangen. Und selbstverständlich hat er auch die möglichen Sanktionen berücksichtigt und entsprechende Vorsorge getroffen; In einer solchen Situation überlässt man nichts dem Zufall.
https://t.me/TheGoldFishReport/30799
https://www.coindesk.com/policy/2022/03/08/credit-suisse-strategist-says-were-witnessing-birth-of-a-new-world-monetary-order/
https://www.thegatewaypundit.com/2019/10/must-read-ukraine-burisma-story-is-massive-involves-billions-of-imf-and-us-funds-looted-and-lost-by-bank-connected-to-burisma-holdings/?utm_source=Gab&utm_medium=PostTopSharingButtons&utm_campaign=websitesharingbuttons
Irgendwo hatte ich gelesen, und leider hab ich die Quelle nicht mehr gefunden, dass Zelensky mit Putin zusammen arbeitet, um von gewissen Kräften befreit zu werden. Vielleicht wollte man ihn dazu drängen, Atomwaffen zu stationierten oder wer weiß was. Natürlich alles nur wilde Spekulationen, irgendwann erfahren wir vielleicht mal, was da wirklich alles passiert ist. Aber wahrscheinlich werden wir, wie bei fast allem, es nie erfahren..
Und ist es nicht aber voll komisch, dass am selben Tag noch Olaf Scholz bei Putin war, und dass der Chef vom BND aus der Ukraine evakuiert werden musste? War doch so, oder? Zufälle gibt's..
https://rairfoundation.com/former-ukrainian-prime-minister-claims-putin-saved-hundreds-of-thousands-of-lives/
Es stimmt wohl, daß die Faschisten am 25. angreifen wollten, darum waren sie auch so relativ bequem einzukesseln und da muß ein deutscher Geh Heim Dienstler vor Ort sein. Und der cum ex- Kanzler kann ein bisschen ablenken.
Selinski bleibt ein Komiker, der von Faschisten und Amis wie Biden und Nuland erpresst wird.