Zeitenwende im Finanzsystem

Ein Kommentar von Rob Kenius in mehreren Folgen.

1. Teil

Systemanalyse und Höchstgeschwindigkeit

Organisatorische Systeme haben, ähnlich wie Maschinen oder Maschinentypen, eine strukturell begrenzte Lebensdauer. Die Dampfmaschine wurde vom Verbrennungsmotor verdrängt und der Verbrennungsmotor hat jetzt ebenfalls seine beste Zeit hinter sich. Die hoch entwickelten Organisationsformen der Römer sind beinahe vergessen, nur die katholische Kirche existiert noch, wird aber seit fünfhundert Jahren stark angezweifelt und im 21. Jahrhundert als äußerst unzeitgemäß empfunden. Päpste und Bischöfe haben die Geburtenkontrolle und dann die Gleichberechtigung der Frauen verschlafen.

Es gibt Organisationsformen, die zwar noch existieren und auch leidlich funktionieren, wie die Kirche, deren Zeit aber, genau besehen, längst abgelaufen ist. Ein Beispiel dafür ist das Organisationssystem der politischen Partei aus dem 19. Jahrhundert. Diese Struktur mit ihren Versammlungen, Vorständen, Delegierten und Wahlverfahren ist älter als das Automobil mit Ottomotor und entspricht nicht mehr der heutigen Kommunikationstechnik. Das Ergebnis: Eine Partei wie die Grünen, kann ihre langjährig verkündeten Ziele völlig verraten und ungeschwächt gegen die Vorstellungen ihrer Wählerinnen zu Gunsten der US-Finanzelite mitregieren. Dies geschieht im Rahmen der repräsentativen Demokratie.

Menschliche Organisationen sind oft auch quantitativ begrenzt. Ein Gesangsverein kann nicht mehrere tausend Mitglieder haben. Eine Wohngemeinschaft nicht einmal hundert und ein Restaurant von mehr als einem Hektar Fläche ist ebenso unmöglich wie ein Kindergarten für zehntausend Kinder. Meistens werden Organisationen mit der Zeit durch Technik überholt oder sie stoßen an quantitative Grenzen. Das gilt auch für sehr große, übergreifende Organisationen. Ein Beispiel ist die repräsentative Demokratie, sie ist ein Modell von etwa 1790, aus der Zeit der Postkutsche und der berittenen Kuriere, heute ist sie kaum noch funktionsfähig. Wir haben inzwischen völlig andere Transportmittel und eine mehrmals revolutionierte Technik der Sprachübertragung.

Wer oder was ist die stärkste Supermacht?

Während die Digitaltechnik im Takt von Monaten neue Organisationsmodelle präsentiert, ist das wichtigste und mächtigste organisatorische System unserer Zeit schon fünfhundert Jahre alt. Was ist gemeint? Welche Struktur beherrscht unser Privatleben, die Arbeitswelt, den Konsum, die Wirtschaft und die Politik am radikalsten?

Es sind die Banken, Versicherungen, die Börse, die Finanzwirtschaft es ist das feudale Finanzsystem aus vordemokratischer Zeit. Trotz seiner Allmacht muss dieses in fünfhundert Jahren gewachsene System jetzt angezweifelt und verändert oder ersetzt werden, weil es seine Grenzen und sein Verfallsdatum schon mehrfach überschritten hat, weil es, grob gesagt, völlig ausgeartet ist.

Das bisher Gesagte hat etwas von Gotteslästerung an sich und wird deshalb als gewagte Behauptung von den äußerst mächtigen Gegnern bestritten und bekämpft, sowohl direkt als auch in Zukunft und bereits in der jüngsten Vergangenheit. Drei Monate lang habe ich versucht, eine wissenschaftlich fundierte Darstellung des Finanzfeudalismus in Buchform bei irgendeinem deutschen Verlag zu veröffentlichen, obwohl ich von Anfang an ahnte, dass es darauf hinaus läuft, dass wir dieses Buch selbst verlegen müssen. Genau das ist durch die Digitaltechnik, mit Buchdruck auf Abruf, ohne besonderen Einsatz von Finanzen, jetzt möglich und ist bereits geschehen.

Mit so einem Projekt ist natürlich kein Geld zu verdienen. Es ist so wie mit der Religion für Kinder: Wer nicht an Gott glaubt, kann nicht in den Himmel kommen. Wer das Finanzsystem angreift, wird ein umstrittener Autor ohne Zugang zu den Finanzquellen von ARD, ZDF, Spiegel, Springer, Mohn, Funcke, Burda usw. Die Aufklärung funktioniert über Online-Medien, die keine Honorare zahlen und froh sind, wenn sie selber durch Spenden der Leserinnen und Leser überleben können.

Geldverdienen schneller als Menschen denken

Das überfällige System der Finanzwelt ist äußerst stark und einflussreich, aber es hat seine Grenzen überschritten und ist daher von vielen Seiten vernichtend angreifbar. Hier soll als erstes eine technische Entartung des Finanzsystems angesprochen werden. Sie beruht darauf, dass Geld ganz überwiegend nur noch eine Zahl auf einem digitalen Speicherplatz ist und mit Lichtgeschwindigkeit in unbegrenzter Höhe um den Globus transferiert werden kann. Geld ist tausendmal schneller als jedes andere Wirtschaftsgut und schneller als jede materielle Aktion, es funktioniert für diejenigen, die es steuern, ähnlich leicht wie reine Gedanken im Kopf von Größenwahnsinnigen. Das zeigt sich deutlich beim sogenannten Hochfrequenzhandel.

Der Begriff Hochfrequenzhandel ist falsch, wie viele Begriffe im Finanzwesen, welche die Dinge verschleiern und das Verständnis erschweren. Ein aktuelles Beispiel aus diesem System der Verwirrung ist das Wort Sondervermögen, ein Falschwort, das genau das Gegenteil von dem behauptet, was es in Wirklichkeit ist: Sondervermögen ist kein Vermögen, sondern im Gegenteil, eine Schuld. Eine besonders hohe, zusätzliche Sonderschuld, die nach der Verfassung nicht einmal erlaubt ist. Die Herren Scholz, Lindner und Habeck haben sich auf dieses Falschwort geeinigt, in der Gewissheit von Herrn Merz, dem Finanzakrobaten der Opposition, bei einer Verfassungsänderung unterstützt zu werden. Die Lüge, die in dem Wort Sondervermögen steckt, gilt nur für das dumme Volk, das mit Kindern und Enkelinnen die Schuld abtragen muss.

Zurück zum Hochfrequenzhandel. Der hat nichts mit dem Begriff einer Frequenz zu tun. Frequenz ist eine Zahl von immer gleichen Vorgängen pro Zeiteinheit, z.B. fünfzig oder tausend Schwingungen pro Sekunde. Das, was beim Hochfrequenzhandel geschieht, sind aber völlig unregelmäßige und unterschiedliche Kauf- und Verkauf-Entscheidungen an der Börse und am Devisenmarkt, die sich im Bereich von Millisekunden und Mikrosekunden abspielen. Die hohe Geschwindigkeit ist möglich geworden, weil Geld heute meist nur noch eine Zahl ist, die wie jede andere digitale Zahl durch Prozessoren gejagt wird und mit Lichtgeschwindigkeit um den Globus schwirrt.

Minimale Kursdifferenzen an verschiedenen Börsen in Singapur, Frankfurt oder an der Wall-Street werden, oft unter Ausnutzung von Devisenschwankungen, blitzschnell durch Kauf und Verkäufe ausgewertet. Dabei entstehen prozentual sehr kleine Gewinne in Millisekunden, die sich aber anhäufen, wenn sie mit Computerprogrammen rund um die Uhr und mit möglichst hohen Geldbeträgen durchgeführt werden.

Ein unhaltbarer Zustand und seine Behebung

Es ist klar, Voraussetzung, um solche Geschäfte zu tätigen, ist eine Großrechenanlage mit ausgetüftelter Software und die sofortige Verfügbarkeit von Geldbeträgen im Milliardenbereich. Genau das sind die Stärken von Black Rock, der Firma mit den höchsten Kundeneinlagen und einer der größten privaten Rechenanlagen. Wenn die Programme einmal laufen, ist kaum noch menschlicher Einsatz erforderlich. Hochfrequenzhandel ist eine digitaler Goldesel, der Unmengen an Daten und sehr viel elektrischen Strom frisst, aber…

Der Nachteil für alle anderen an diesem System ist, dass Hochfrequenzhandel nur unter den beschriebenen Voraussetzungen funktioniert; kein normaler Mensch kann da mitmachen. Wenn die normale Aktionärin und der normale Aktionär am Morgen ihre Computer einschalten, um die Börse zu checken, sind alle Kursschwankungen schon gewinnbringend ausgewertet, es bleibt ihnen nur, auf die Trends in der Zukunft zu spekulieren, wo die Großinvestoren mit ihren Großcomputern ebenfalls kräftig mitmischen.

Der Hochfrequenzhandel ist einer der Mechanismen, welche die Umverteilung von unten nach oben durchsetzen. Gewinner sind die Größten und die am besten Ausgerüsteten. Deshalb wäre es dringend erforderlich, dass Staaten an dieser Stelle einschreiten, wenn sie nicht für die Finanzmacht, sondern im Interesse ihrer Bürgerinnen und Bürger agieren wollen. Dazu gibt es auch eine eindeutige und ziemlich einfache Möglichkeit: Eine Transaktionssteuer, die jede Finanztransaktion, egal wie schnell und kurzfristig sie erfolgt, mit einer Abgabe im Bereich von einem oder zwei Promille belegt.

Im realen Handel gibt es eine Mehrwertsteuer, die jeden Kauf und Verkauf, auch im Zwischenhandel, mit einer Steuer belegt, die um so höher greift, je mehr Gewinn erzielt wird. Dass es bei Finanzgeschäften so eine Steuer nicht gibt, ist eine klare Begünstigung der Finanzwelt gegenüber allen anderen Formen der Wirtschaft und gegenüber allen, die ihr Geld mit Arbeit oder Dienstleistungen verdienen müssen.

Dass die Finanzmacht gegen die Transaktionssteuer Widerstand leistet, ist selbstverständlich, denn das Fehlen einer solchen Steuer ist ein riesiges Privileg. Man argumentiert damit, dass sich diese Abgabe nicht überall durchsetzen ließe. Am besten wäre es also für die Politik, genau wie die feudale Finanzmacht, global zu agieren oder wenigstens auf Ebene der EU. Hier ist politischer Handlungsbedarf, mit Sachverstand und Intelligenz. Eine Transaktionssteuer ist lange schon überfällig.

Im zweiten Teil des Essays soll es um die Zinsforderung gehen und wie dieses Prinzip tiefe Verschuldung und Ausbeutung aller Resspircen bewirkt.

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Rob Kenius ist freier Publizist und betreibt die systemkritische Webseite https://kritlit.de. Das erwähnte Buch des Autors heißt: “Hunderttausend Milliarden zu viel” und wird hier ausführlich sowie mit Leseproben vorgestellt.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: Lemonsoup14 / Shutterstock.com

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