Hinweis zum Beitrag: Der vorliegende Text erschien zuerst im „Rubikon – Magazin für die kritische Masse“, in dessen Beirat unter anderem Daniele Ganser und Rainer Mausfeld aktiv sind. Da die Veröffentlichung unter freier Lizenz (Creative Commons) erfolgte, übernimmt KenFM diesen Text in der Zweitverwertung und weist explizit darauf hin, dass auch der Rubikon auf Spenden angewiesen ist und Unterstützung braucht. Wir brauchen viele alternative Medien!
Die Reaktionen auf den Schriftzug „Impfen = Freiheit“ am Düsseldorfer Rheinturm offenbaren eine beunruhigende Mediengläubigkeit.
Von Nicolas Riedl.
„Krieg ist Frieden“, „Freiheit ist Sklaverei“, „Unwissenheit ist Stärke“ lesen wir in George Orwells Roman „1984“. Sprachlich sehr benachbart liegt da der Schriftzug „Impfen = Freiheit“, der Anfang März auf den Rheinturm projiziert wurde.
Der Künstler hinter dieser Kunstinstallation, Leon Löwentraut, bediente sich zwar nicht derselben Formulierung wie in Orwells Roman, sondern setzte beide Begriffe mit einem „=“ in Beziehung zueinander. Die Ähnlichkeit ist dennoch unverkennbar. Statt „X ist X“ spricht sich der Schriftzug ausgesprochen „X ist gleich X“. Durch das kleine Wort „gleich“ wird eine hauchdünne Abgrenzung zur orwellschen Sprache vorgenommen. Ob bewusst oder unbewusst – darüber kann hier nur spekuliert werden.
Ebenso bleibt es Spekulation, ob eine unverfroren identische Formulierung wie in „1984“ — also „Impfen ist Freiheit“ — andere Reaktionen hervorgerufen hätte als diese, die wir uns im Nachfolgenden genauer ansehen möchten. An dieser Stelle sei nur angemerkt, dass in anderen Bereichen der heutigen Politik mittlerweile gar keine Berührungsangst mehr besteht, mit Querverweisen auf dystopische Romane des letzten Jahrhunderts zu hantieren. So hört eine 2018 aus EU-Geldern finanzierte Beobachtungstelle gegen Desinformation auf den Namen Soma. In Aldous Huxleys Dystopie „Schöne neue Welt“ — neben „1984“ einer der einflussreichsten Romane des 20. Jahrhunderts — ist Soma eine Droge, die die Masse der Menschen ruhigstellt und sie ihres kritischen Denkvermögens beraubt. Zufall? Norbert Häring schrieb hierzu:
„Wenn es versehentlich wäre, zeugte es schon von einem beträchtlichen Maß an Ignoranz, ist ‚Schöne neue Welt‘ doch einer der einflussreichsten Romane des 20. Jahrhunderts. Wenn es absichtsvoll geschah, zeugt es von einem gerüttelt Maß an Zynismus, ist Soma doch ein zentrales Element der Bevölkerungskontrolle und -steuerung in einer totalitären Gesellschaft, durch wohlmeinende, diktatorische Technokraten.“
Die Realität holt 2021 die erwähnten Dystopien ein. Bevor wir uns die verstörenden Reaktionen auf das Düsseldorfer Kunstwerk ansehen, betrachten wir es noch einmal genauer.
Next-Level-Propaganda
Mit dieser Aktion setzt die omnipräsente Corona-Propaganda noch mal einen oben drauf, der Coronakult wird hier auf die Spitze getrieben. Im Wortsinn.
Bild-Ebene
„Das Medium ist die Message“, lehrte uns der Kommunikationstheoretiker Marshall McLuhan. Das Medium ist in diesem Falle der Fernsehturm selbst. Warum man ihn als Projektionsfläche auswählte, ist auf den ersten Blick naheliegend: Er ist das höchste Gebäude in Nordrhein-Westfalen (NRW). Was auf diesen Bau projiziert wird, kann selbst von Weitem gesehen werden.
Mit der Wahl eines Fernsehturms für eine solche zentrale Botschaft schwingen auf der Metaebene noch zwei weitere Symboliken mit hinein. Ob das bei der Konzeption des Lichtspiels eine Rolle spielte, auch darüber kann hier nur spekuliert werden. Dennoch lohnt es, sich diese zwei Symbole anzusehen.
Das ist zum einen das Symbol des Fernsehturms an sich.
Ein riesiger Turm, sinnbildlich für die Meinungsmacht der etablierten Medien. Über die rote, spritzenförmige Antenne versendet er in die deutschen Wohnzimmer vermittels unsichtbarer Funkwellen die Herrschaftsmeinung.
Mit der Farbinstallation wird diese sonst unsichtbare Macht sichtbar gemacht. Es ist eine Machtdemonstration. Eine Demonstration, dass die „einzig legitime Meinung“ (Rezo) einen riesigen Machtapparat hinter sich weiß, der die Gedanken der Herrschenden in die Köpfe und Herzen der Untertanen hämmert.
Das zweite Symbol ist die Ähnlichkeit des Fernsehturms mit der Form einer Spritze, die uns allen die Freiheit wieder bescheren soll. Ein längliches Objekt (Turm) mit einer Düse (Turmplattform), welches in den Himmel (unsere heiß ersehnte Freiheit) sticht. Kombiniert mit dem Schriftzug „Impfen = Freiheit“ eine sehr subtile Symbolik.
Abbildung 1: Gegenüberstellung der Silhouetten einer Spritze mit der des Rheinturms. Bildquellen für die Collage: Pixabay.com.
Zu den weiteren Illuminationen heißt es auf der Seite des Landtags NRW:
„Die Illumination besteht aus Foto-Porträts von mehr als 200 Kindern im Alter zwischen 9 und 16 Jahren aus Düsseldorf und Umgebung. Die Bilder entstanden in dem Moment, in dem sie sich die Frage stellten: „Was bedeutet Zukunft für mich?“ Die schwarz-weißen Fotografien wurden von Leon Löwentraut handübermalt. Zudem werden Löwentrauts Bilder #Art4GlobalGoals gezeigt, eine künstlerische Darstellung der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele sowie sein Gemälde ‚Good Health‘, mit dem Leon Löwentraut im Jahr 2018 die Bedeutung des Impfens thematisierte. Zudem werden die 17 Nachhaltigkeitsziele sowie der Schrifzug (sic!) ‚Gemeinsam gegen Corona‘ und ‚Impfen = Freiheit‘ auf Englisch, Chinesisch, Spanisch, Arabisch und Deutsch auf den Turm projiziert.“
Damit wird bereits antizipiert, was als nächstes auf der Agenda steht: der Klimawandel. Hierzu sei dieser sehr treffende Artikel von Karolin Ahrens empfohlen.Inhaltliche Ebene
Impfen bedeutet also Freiheit? Das impliziert das Eingeständnis, dass wir gerade nicht frei sind respektive unserer Freiheit beraubt wurden. In der geläufigen Darstellung sind es natürlich nicht die Politiker oder gar die einflussreichen Philanthropen, die uns die Freiheit nahmen, sondern das Virus. „Das Virus zwingt uns zu X“ ist eine häufig gewählte rhetorische Phrase. Es sei der Zwang zu raschem Handeln, der sich aus der höheren Macht, der Naturkatastrophe Viruspandemie, ergebe. Wir müssten uns also aus dem Zwang befreien, der sich aus der Aggressivität des Virus ergebe. Die Nadel sei die Erlösung aus den virologischen Fängen des Teufels Corona.
So in etwa könnte man das Axiom zusammenfassen, welches dieser Botschaft zugrunde liegt. Die Freiheit wird daran gekoppelt, seinen Körper mittels einer Spritze potentiell genetisch zu modifizieren.
Eine Freiheit, ohne geimpft zu sein, gibt es so nicht mehr. Diese Verkettung soll in den Köpfen der Menschen verlegt werden, wenn dies nicht schon weitreichend geschehen ist.
Mit der Realität hat dies freilich herzlich wenig zu tun. In China etwa, mit einer vergleichsweise niedrigen Impfquote von 4,6 Prozent — Stand 20. März 2021 — sind die Menschen zumindest in gewisser Hinsicht frei. Sie haben die positive Freiheit — die Freiheit für etwas —, können also ihrem normalen Leben nachgehen und Menschen treffen, essen gehen, Urlaub machen und so weiter. Gleichwohl haben sie nicht die negative Freiheit — Freiheit von etwas —, die Gewissheit also, dass dies auch andauernd so bleibt. Mit Corona wurden die sowieso schon beispiellosen Überwachungsstrukturen im Reich der Mitte enorm ausgeweitet, sodass ein bestimmtes Testergebnis der neuen alten Freiheit ein jähes Ende setzen kann. Eine Form der Freiheit, die für den — alten — europäischen Geist freilich alles andere als erstrebenswert ist. Doch sie zeigt, dass ein normales Leben ohne Massenimpfungen geführt werden kann, ohne dass es zu einem Massensterben oder anderweitigen Katastrophen kommt.
Auch andere Länder entlarv(t)en durch ihre grob abweichende Coronapolitik diese zentrale Botschaft als plumpe Lüge, als Propaganda – und wurden entsprechend abgestraft. Da wäre zum einen der schon mehrfach beschriebene schwedische Weg, der von Coronakult-Anhängern massiv und entgegen allen Fakten verurteilt wurde. Weißrussland verweigerte sich konsequent einem Lockdown und wurde im Anschluss von der Weltgemeinschaft mit dem Entzug von Nothilfekrediten erpresst und mit bunten Frühlingsputsch-Demonstrationen überzogen. Und wenn afrikanische Präsidenten nicht spuren und nicht nur vorleben, dass Freiheit ohne Impfungen möglich ist, sondern auch die Test- und Impfstoffhersteller öffentlich kritisieren oder der Lächerlichkeit preisgeben — ja, dann kann es ganz schnell passieren, dass sie so unerwartet wie zufällig den Thomas Sankara machen (ermordeter Präsident von Obervolta).
„Impfen = Freiheit“ bleibt eine der plumpsten und dreistesten Lügen dieses Jahrhunderts.
Und diese Lüge entlarvt sich bereits heute als eine solche, denn auch für Geimpfte gilt weiterhin eine Quarantänepflicht. Welche Freiheit also?
Doch dieser Widerspruch scheint der Eindringlichkeit der Botschaft keinen Abbruch zu tun. Aus dem Einmaleins der Propaganda wissen wir, dass die gewünschte Botschaft nur häufig genug wiederholt werden muss, um Wurzeln in den Köpfen der Beschallten zu schlagen. Das Repetitive schwemmt die Widersprüche peu à peu weg wie Wellen eine Zeichnung im Sandstrand. Dass diese Botschaft also fast widerspruchslos hingenommen wird, zeigt, wie es um das geistig-rationale Immunsystem der Bevölkerung bestellt ist.
Kollektive Regression des rationalen Denkens
In dem Sammelwerk „Corona Angst — Was mit unserer Psyche geschieht“ beschreibt der Psychologe Dietmar Czycholl im Zusammenhang mit Corona den physisch-geistigen Vorgang der Regression (Rückentwicklung) bei den Menschen, die dem offiziellen Corona-Narrativ verfallen. Dabei unterscheidet Czycholl beim Menschen grob zwischen zwei psychischen Funktionsebenen. Die eine Funktionsebene ist die eines erwachsenen, reifen, des rationalen Denkens fähigen Menschen und die andere Funktionsebene eine archaische, unterbewusste, teils infantile, wie man sie bei Kindern kennt. Mit den Coronamaßnahmen sowie der medial-manipulativen Vermittlung würden die Menschen von der ersten Funktionsebene eines Erwachsenen wieder in die kindliche zurückfallen.
Das geschehe zum einen über das Triggern von Urängsten — Stichwort BMI-Panikpapier —, das Verordnen von Regeln, wie man sie in ihrer infantil zubereiteten Aufmache eigentlich nur Kindern auferlegt, und der völlig einseitigen, hochgradig manipulativen Berichterstattung, die nur wenig Deutungsspielraum innerhalb des Narrativs zulässt.
Erwachsene Menschen beginnen sich also wieder vor einer unbekannten Gefahr zu fürchten, wie etwa dereinst Kinder vor dem Monster im Schrank oder unter dem Bett. Das persönliche Verhalten orientiert sich wieder an kindisch aufbereiteten, in Merksätzen verpackten Verhaltensregeln. Die AHA-Regeln klingen ebenso infantil wie „Nach dem Klo und vor dem Essen Händewaschen nicht vergessen“.
Aber die Regression — so beschreibt es Czycholl — beträfe auch jene Menschen, die in Politik und Medien das verzerrte Bild der Gefahrenlage vermitteln (1).
Mit diesem kleinen Exkurs über Regression wollen wir nun eine ganz „prächtige“ Blüte dieser Entwicklung ansehen — einen RTL-Beitrag über die Reaktionen der Passanten auf das eben beschriebene Lichtspiel am Rheinturm ab Minute 01:15.
Die YouTuberin MaiLab sagt ihrem Publikum zu Beginn ihrer Videos immer, es solle sich einen Tee holen: Holen Sie sich für diesen Beitrag einen Beruhigungstee! Oder aber — sollten Sie sich diesen Beitrag nicht zumuten — lesen Sie einfach weiter und belassen es bei den Screenshots und den zitierten Aussagen der befragten Passanten, anhand derer wir das Ganze analysieren wollen:
Abbildung 2. Ab Minute 01:18: „Super!“ „Super!“ „Super!“ „Ganz toll!“ „Fantastisch! Wahnsinnig! Und jetzt dreht sich das Ganze auch noch, Wahnsinn!“ Quelle: Screenshot © RTL.
Abbildungen 3a und b. Ab Minute 01:27 / 01:30: „Ich finde das richtig cool … ja.“ — „Das ist eine top Aktion! Und das sieht doch wirklich richtig cool aus.“ Quelle: Screenshot © RTL.
Abbildung 4. Ab Minute 01:45: „Natürlich! Ich würde mich sofort impfen lassen!“ Quelle: Screenshot © RTL.
Abbildung 5. Ab Minute 01:35. „Wir sind alle froh, wenn die Türen wieder aufgeschlossen werden, wenn man wieder rausgehen kann, sich ganz normal treffen kann — von daher bin ich einer der Ersten, der sich impfen lässt … womit, ist mir eigentlich ziemlich egal.“ Quelle: Screenshot © RTL.
Jetzt muss natürlich dazugesagt werden, dass es sich hier um einen Beitrag des Senders RTL handelt, der nun wirklich nicht für reichhaltige Kost für Geist und Seele bekannt ist. Und höchstwahrscheinlich dürfte dem RTL-Team auch der eine oder andere Passant vor die Linse gelaufen sein, der das vorschnelle Impfen kritisch sieht oder sogar die offensichtliche Verknüpfung zu Orwell herstellt. Selbsterklärend wurde diese Aufnahme dann nicht reingeschnitten, ist der Beitrag doch von Anfang bis Ende der Botschaft gegenüber affirmativ.
Wir wollen uns auch nicht in voyeuristischer Manier über die vorgeführten Menschen lustig machen, um uns dann besser fühlen zu können. Ein unkritischer Geist ist auch keine Frage des Bildungsgrades. Im Gegenteil — niemand ist vor Propaganda gefeit.
Doch sehen wir uns das Ganze aus der Vogelperspektive an:
Da steht ein bunter Turm mit Botschaften in einer Stadt. Unter ihm stehen mikroskopisch kleine Menschen, sie recken ihren Kopf in den Himmel und bewundern die von oben herabgesandte Botschaft, saugen sie unkritisch auf. Sie geraten in einen fast schon hypnotischen Bann, sind passiv.
Wir erinnern uns: Eine der wichtigsten Methoden der Propaganda ist die andauernde Wiederholung. Der Turm allein beeinflusst nicht das Handeln der Menschen, doch stellt er einen wichtigen Baustein für die Manifestation der Botschaft dar. Dem Fernsehturm kommt auch deswegen eine gewichtige Bedeutung zu, weil er in der Tradition der höchsten Bauten aus den unterschiedlichsten Menschheitsepochen steht, die immerzu eine Ausdrucksform der damals aktuellen Macht darstellten. Waren es in den alten Hochkulturen die Pyramiden und Tempel, in der Hochzeit der katholischen Kirche die Kirchentürme, während der ersten industriellen Revolution die Kamine der Fabriken, so sind es in der heutigen Zeit die Banken- und Fernsehtürme. Was von den hohen Bauten herabgesandt wurde, hatte das Fußvolk zu akzeptieren und umzusetzen. Es sind die religiösen Züge, die Corona als Kult kenntlich machen.
Aus der Sicht „der Macht“ gesprochen: „Wir versenden unseren Willen herab zu den Untertanen als Nachrichten, und sie werden sich danach richten.“
Der Triumph der Irrationalität ist der Triumph der Biopolitik
Nahe liegt hier der Vergleich mit den Sims oder einer ganzen SimCity, also einer Lebenssimulation im Großen wie im Kleinen. Bei diesen Spielen unterliegen die Personen — die Sims — dem Willen des Spielers und verfügen über keinen eigenen. Selbst ihre vitalsten Bedürfnisse unterdrücken sie, wenn der Spieler es — bewusst — versäumt, sie diesen nachgehen zu lassen. Ihr gesamter Körper und all ihre Handlungen obliegen dem Willen und der Steuerung des Spielers. Anselm Lenz schrieb in diesem Zusammenhang in einem Essay:
„Social Engineers, meist Pädagogen oder andere Influencer, machen sich daran, Erwachsene auf Staatsräson zu trimmen. Das Computerspiel ‚SimCity‘ lässt seit den frühen 1990er-Jahren in digitalen Scheinwelten das Modellbahnerherz höher schlagen. Als ewiger und allmächtiger Bürgermeister führt man in dem Spiel eine Stadt (…).
In jedem Falle sind die Menschen in der Stadt für den Bürgermeister Algorithmen, die durch die eine oder andere Maßnahme wie dumme Tiere domptiert werden müssen. Das Reiz-Reaktions-Schema entspricht dem von Insekten, vielleicht noch von Reptilien. Das Prinzip: ‚Baust du Kindergärten, kriegen Frauen Babys‘ oder ‚Weist du Gewerbegebiete aus, sprießen die Start-Ups aus dem Boden‘.“
Als Bürgermeister der „SimCity Düsseldorf“ lässt man eine Botschaft auf das höchste Gebäude der Stadt projizieren, um die Handlung der Bürger (Sims) zu beeinflussen. Die Interviewten antworten sogar so abgehackt wie die Sims: „Richtig Cool“, „Super!“, „Wahnsinn“; sie handeln irrational — bei Kälte mit Maske, aber ohne Schal (vgl. Abbildung 3a) — und treten auch die Hoheit über ihren Körper an eine höhere Instanz ab. So sagt der Mann aus Abbildung 5 doch allen Ernstes, er wäre der Erste, der sich impfen lassen würde, und mit was für einem Impfstoff — das wäre ihm vollkommen egal.
Mal ernsthaft! Nicht einmal die kaputtesten (Hero-)Junkies würden eine solche Gleichgültigkeit an den Tag legen, wenn es darum geht, was sie sich in die Venen spritzen! Aber dieser Mann aus Abbildung 5 scheint wohl in einem Endstadium der Selbstentfremdung angelangt zu sein, dass er die Hoheit über seinen eigenen Körper so willfährig aufgibt. Das ist eigentlich nur möglich, wenn man Geist und Körper getrennt, als voneinander abgekoppelt betrachtet, diesen vielleicht sogar weniger gut kennt als das eigene Smartphone oder Auto. Solche Menschen personifizieren den Triumph der Biopolitik, eine Form der Herrschaftsausübung, deren Spielfeld der menschliche Körper eines jeden Einzelnen ist (2). Die Preisgabe der eigenen Physis („Ich lass mich impfen — womit, ist mir eigentlich ziemlich egal“) gegenüber der Macht (den Impf-Allianzen) im Kollektiv ist genau das angestrebte Ziel der transhumanistischen Avantgarde der Kybernetiker.
Dann werden die 99,9 Prozent zu einer beliebig manövrierbaren Verfügungsmasse degradiert, deren einzelne Individuen ganz nach dem jeweilige Gutdünken der Macht gelenkt, verschoben, stillgehalten oder gänzlich ausgeschaltet werden können.
Dies kann nur mit der oben bereits beschrieben Regression von der erwachsenen Funktionsebene der Psyche in die kindliche geschehen. Dass ein Altersheim-Leiter es doch tatsächlich schaffte, die Impfbereitschaft unter seiner Belegschaft zu erhöhen, indem er den Mitarbeitern im Gegenzug eine Flasche Eierlikör — für 3,99 Euro bei Aldi erhältlich — versprach, ist nur ein weiteres Beispiel, das zeigt, wie weit diese Regression mittlerweile vorangeschritten ist.
Schlussbemerkung
Dann wäre in diesem Zusammenhang noch auf eine weitere Form der Regression hinzuweisen — die des Geschichtsbewusstseins. Heute erleben wir, wie eine Meute selbsternannter Faschismus-Gegner vermeintlichen Faschismus und Antisemitismus hinter jedem Busch und in jedem noch so friedfertig querdenkenden Bürger vermutet. Dabei erkennen sie gar nicht, dass in Wahrheit sie selbst diejenigen sind, die sich in ihrer rigorosen Kontrollsucht faschistisch aufführen.
Insofern ist es doch erstaunlich, dass diese Hypermoral-Polizei bei der Aufschrift „Impfen = Freiheit“ nicht laut aufschreit. Denn nicht nur mit Orwell ruft diese Botschaft Assoziationen hervor. Gab es in der deutschen Geschichte nicht mal eine fürchterliche Satzkonstruktion? Das Verklären einer Tätigkeit als Zugang zur Freiheit? Ein „XY macht frei“? Na? Klingelt da etwas? Oder ist das wieder ein unerhörter historischer Vergleich?
Nein, Impfen ist nicht Freiheit! Ich halte es mit Rousseau und anschließend mit Voltaire:
„Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern dass er nicht tun muss, was er nicht will.“
„Wer dich dazu bringt, Absurditäten zu glauben, bringt dich auch dazu, Ungeheuerlichkeiten zu tun.“
Quellen und Anmerkungen:
(1) Czycholl, Aaron; Czycholl, Dietmar; Maaz, Hans-Joachim: Corona Angst Czycholl Was mit unserer Psyche geschieht, Berlin, 2021, Frank & Timme Verlag, S. 93-117.
(2) Agamben, Giorgio: Homo sacer — Die souveräne Macht und das nackte Leben, Frankfurt am Main, 2019, Suhrkamp, S. 127.
Hinweis zum Beitrag: Der vorliegende Text erschien zuerst im „Rubikon – Magazin für die kritische Masse“, in dessen Beirat unter anderem Daniele Ganser und Rainer Mausfeld aktiv sind. Da die Veröffentlichung unter freier Lizenz (Creative Commons) erfolgte, übernimmt KenFM diesen Text in der Zweitverwertung und weist explizit darauf hin, dass auch der Rubikon auf Spenden angewiesen ist und Unterstützung braucht. Wir brauchen viele alternative Medien!
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Dieser Beitrag erschien am 20. April 2021 im Rubikon – Magazin für die kritische Masse
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Bildquelle: saiko3p / shutterstock
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