Ein Standpunkt von Anna Zollner.
Wenn Person A beschließt Person B zu töten und diese Tat dann begeht, spricht man von Mord. Mord ist ein kriminelles Delikt und wird von der Justiz verfolgt. Wer mordet, landet in der Regel im Gefängnis, verliert also seine Freiheit. Die Idee dahinter setzt auf Abschreckung und soll Selbstjustiz verhindern. Nur der Staat hat das Recht Person A für ein Delikt zu verurteilen und das entsprechende Strafmaß festzulegen.
Damit die Justiz von Mord sprechen kann, muss Vorsatz nachgewiesen werden. Person A muss den Mord geplant haben. Das gilt als besonders kaltblütig und wird höher bestraft, als die Tötung eines Menschen, die im Affekt geschah. Wenn bei einem Streit, einer Schlägerei die Fetzen fliegen und ein Mensch einen anderen dabei derart schwer verletzt, dass die Person stirbt, spricht man in der Regel von Totschlag. Kam dabei eine Waffe zum Einsatz hat das wiederum Einfluss auf das Strafmaß.
Von fahrlässiger Tötung spricht man in der Regel immer dann, wenn Person A Person B quasi ausversehen tötet. Einem Autofahrer, der während der Fahrt eine SMS schreibt und dabei einen Fahrradfahrer übersieht, der später stirbt, wird nicht Mord vorgeworfen. Fahrlässige Tötung in jedem Fall.
Am 3. Januar 2020 geht ein weißer Mann in sein Büro, um einen Mord zu begehen. Das Opfer hat Migrationshintergrund und ist dem Mann seit langem ein Dorn im Auge. Als er beschließt den Ausländer zu ermorden, ist er nicht allein. Er erhält Hilfe von seine Kollegen. Sie haben das Opfer seit langem ausgespäht, wissen wann der Mann, wo ist. Es kommen modernste Waffen zum Einsatz. Die Tat, der Mord, wurde nicht nur eiskalt geplant, sondern man hat vor sich im Anschluss zu der Tat zu bekennen. Öffentlich. Es geht um ein Exempel, das aller Welt zeigen soll: das Recht ist uns egal. Wir morden, wenn es uns passt. Kurz bevor das Opfer, der Mann mit Migrationshintergrund, ermordet wird, warten die Kollegen im Büro auf das Handzeichen ihres Chefs. Noch könnte er beschließen auf die eiskalte Ermordung zu verzichten. Doch er entschließt sich den seit langem gehegten Wunsch umzusetzen. Ein kurzes Handzeichen und aus mehreren Kilometern Höhe lösen sich Hellfire-Raketen, die unter den Flügeln von insgesamt drei Drohnen aus US-Amerikanischer Produktion stammen und den Namen „Sensenmann“ tragen. Sekunden später ist das Opfer zerfetzt. Es handelt sich um den Iraner Kassem Soleimani. Ein General aus dem Iran, der sich auf einem offiziellen Staatsbesuch im Nachbarland Irak befindet.
Aber nicht nur Soleimani wurde ermordet. Die Raketen haben alles im Umkreis von 100 Metern zerfetzt, als sie in die Wagenkolonne einschlugen, mit der Soleimani unterwegs war. Auch sein Gastgeber, ein hoher Irakischer Beamte sowie der Fahrer des Wagen wurden ermordet. Wenig später tritt der Täter vor die Kameras.
Es ist ein weißer Mann, der aktuell das Amt des amerikanischen Präsident inne hat. Donald Trump. Trump bekennt sich offiziell zu der Ermordung und schließt seine Videobotschaft mit dem Satz „Wir haben ihn erwischt“.
Im Anschluß wird in den westlichen Medien ausführlich über die Tat diskutiert. Dabei wird das Wort Mord oder Rechtsbruch konsequent vermieden. Stattdessen wird der Mord eher verteidigt. Die ZEIT verteidigt unter der Überschrift „Der falsche Held“ den Mörder Donald Trump, da es sich bei dem Opfer um einen iranischen Militärangehörigen gehandelt hätte. Man könnt es einfacher sagen: Wenn ein weisser Mann eine Person mit Migrationshintergrund ermordet, ist das zwar nicht die feine englische Art, aber ab und an müsse es drin sein sich über das Recht zu stellen. Dann sei Mord auch nicht Mord, sondern Verteidigung. Ende der Durchsage.
Es gibt in den deutschen Medien keinen Aufschrei wegen der Ermordung. Es kommt nicht zu Demonstrationen.
Auch wird das Büro des Donald Trump nicht durch eine amerikanische SEK-Truppe gestürmt und der Täter verhaftet. Nein. Stattdessen diskutiert der Westen, ob sich der Mörder durch diesen Mord für die nächste Amtsperiode eher einen Gefallen getan hat oder ob es jetzt schwerer wird als bekennender Mörder noch einmal die USA anzuführen.
Am 19. Februar 2020 geht ein weißer Mann aus seiner Wohnung, um einen Mord zu begehen. Die Opfer werden Migrationshintergrund haben und sind dem Mann seit langem ein Dorn im Auge.
Der Täter wird Waffen zum Einsatz bringen. Die Tat, der Mord, wurde eiskalt geplant und der Mann hat im Vorfeld im Netz ein 24 seitiges Manifest veröffentlicht.
Wenig später fährt der Mann in Hanau mit seinem Wagen eine Shisha-Bar und ein Cafe an, um hier wahllos auf Menschen zu schießen. Neun Menschen werden ermordet. Unter ihnen Afghanen und Kurden.
Nach der Tat fährt der weiße Mann wieder nach Hause.
Als das SEK später eintrifft und die Wohnung stürmt, findet sie den Täter und seine Mutter tot vor.
Offensichtlich hat Tobias R., 43 Jahre alt, im Anschluss an die Morde in Hanau erst seine Mutter und dann sich erschossen.
Wer das Manifest des Mannes liest, kommt nicht umhin an seinem Geisteszustand zu zweifeln. Hätte man ihn lebend gefasst, wäre er ähnlich wie Breivik, auf seinen Geisteszustand untersucht worden, bevor man über ihn geurteilt hätte. Personen, die z.B. unter schizophrenen Störungen leiden, sind nur bedingt für ihr Tun zur Verantwortung zu ziehen. Sie gelten als geistig gestört und werden nicht in ein klassisches Gefängnis verbracht, sondern verbringen in der Regel den Rest ihres Lebens in einer geschlossenen Psychiatrie.
Seit dem Mord von Hanau geht ein Orkan durch den Deutschen Pressewald und die sozialen Medien.
Hier liegt ein Hassverbrechen vor, ist man sich einig. Der Täter wird als rechtsextrem eingestuft. Jetzt müsse jedem klar sein, wie weit wir inzwischen sind, ist die durchgängige Meinung, als hätte es den NSU nie gegeben.
Die Mordserie des NSU wurde staatlich „begleitet“ und zog sich über Jahre hin. Die Täter waren weiße Deutsche, die Opfer hatten in der Regel Migrationshintergrund. Die Akten zum NSU wurden jetzt offiziell für 120 Jahre weggeschlossen.
Sieht so Transparenz aus? Unternimmt der Staat wirklich etwas gegen rechte Gewalttäter? Und ist Mord wirklich gleich Mord in unseren Medien?
Die Antwort kennen wir. Mord wird permanent politisch instrumentalisiert. Mal wird er akzeptiert oder regelrecht gefeiert, als nötig empfunden oder verharmlosend als „Selbstverteidigung“ umdeklariert, mal wird er verurteilt, sorgt für Empörung und wir werden aufgefordert dagegen aufzustehen.
Wer jetzt für Hanau nicht aufsteht, macht sich verdächtig. Wer bei Soleimani wagte aufzustehen machte sich ebenfalls verdächtig. Mord ist eben nicht gleich Mord und das Recht kann, je nach gesellschaftlicher Funktion, auch mal gebrochen oder mit Füssen getreten werden.
Tobias R. ist schuldig. Er hat, ob verwirrt oder nicht, das Recht gebrochen, indem er Selbstjustiz zur Anwendung brachte. Niedere Motive.
Donald Trump ist unschuldig. Er hat, ob verwirrt oder nicht, das Recht gebrochen, indem er Selbstjustiz zur Anwendung brachte. Niedere Motive.
Tobias R. hat wie Donald Trump als weißer Mann Menschen mit Migrationshintergrund ermordet.
Trump ließ morden. Tobias mordete selber. Beide haben sich selber ermächtigt und den Mord beschlossen.
Hätte Tobias R. die Shisha-Bars mit Hellfire-Raketen, aus grosser Höhe angegriffen und dabei im Auftrag von Donald Trump gehandelt, wären die Opfer kein Problem. Auch der Migrationshintergrund würde keine Rolle spielen. Das Bekennerschreiben des Tobias R. wäre dann auch nicht wirr, sondern eine offizielle Erklärung und zur Begründung hieße es „in Hanau hätte man Terroristen neutralisiert“. „Wir haben Sie erledigt“.
Wer dann auf die Strasse gehen würde, um für internationales Recht zu protestieren, wäre ein Terroristenversteher. Die Presse würde ihn kollektiv unter Feuer nehmen.
Mord ist vor allem eine Frage des persönlichen Status und Rechtsbruch ist längt daily Business.
Die nächsten Wochen wird viel über Hanau berichtet werden. Dann ebbt das plötzlich ab und die nächste Story ist für ein paar Tage der grosse Aufreger.
Während wir diese Zeilen lesen, werden Menschen, die nicht so bekannt sind wie Soleimani, von amerikanischen Drohnen ermordet. Sie alle haben Migrationshintergrund und der Mann, der die Morde autorisiert, ist weiß. Er wohnt im Weißen Haus und kann sich darauf verlassen, dass wir von den XXL-Morden nie etwas erfahren werden, aber auch nicht nachfragen.
All diese Ermordungen laufen über das deutsche Ramstein. Ramstein liegt 154 km von Hanau entfernt.
Ob man diese Parallelen ziehen darf?
Nein. Sie führen dazu, zugeben zu müssen, dass wir, wenn es um Mord und Recht geht, auf einer Fahrkarte unterwegs sind, die von Verlogen nach Bigott führt.
In wenigen Tagen ist Hanau raus aus den Medien, während die zukünftigen Ramstein-Opfer es nie bis dorthin schaffen werden.
Fakt ist, wenn es auf politischer Ebene um Selbstjustiz geht, stellen sich Politiker seit Jahren über das Recht und entscheiden willkürlich über Leben und Tod. Sie kommen damit durch. Diese Botschaft ist bei der Bevölkerung, an der Basis, angekommen. Wer kann handelt.
Willkürliche Selbstermächtigung ist längst kein Einzelfall mehr. Das zeigt das tragische Ereignis in Hanau.
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Danke an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung.
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Bildhinweis: screenshot YT WNS
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