…oder es ist Schluss mit uns

Ein Kommentar von Dirk C. Fleck.

Ich bin der Tage überdrüssig, ich bin des deutschen Stumpfsinns überdrüssig. Ich ertrage sie nicht mehr, diese ewig gleichen Impressionen, aus denen sich die sogenannte Realität zusammensetzt: ein Mann schlägt den Kofferraumdeckel zu, ein Hund pinkelt dahin oder dorthin, ein Flugzeug am Himmel, „und da sag ich, nee, sag ich…“, ein Bus hält, ein Kind tritt gegen die Litfaßsäule und dann all die anderen, die lustlos auf dem Stück Zeit herum kauen, das man ihnen zugeworfen hat … Überdruss. Ich möchte mir die Tage ausziehen wie ein schmutziges Hemd, ich möchte der Mann sein, der seinen Kopf durch den Himmel steckt und verzückt ins Nichts starrt.“

Dies ist eine Tagebuchaufzeichnung aus dem Jahre 1985, die ich eben wiedergefunden habe. Hinzugefügt hatte ich diesen Zeilen damals folgendes Gedicht:

Ihr, die ihr die Lügen im Nacken der Worte versiegelt

und nun gekommen seid,

um uns zu holen.

Wir sind bereit.

Schweigend.

Wie immer.

Unsere Spezialität werden die Augen sein.

Wie immer.

Augen voller Sehnsucht,

denen ihr nicht gewachsen seid,

ihr Toten.

Einige Seiten weiter lese ich dies hier:

Es ist nur eine Frage der Zeit, wann das faschistische Potential in unserer Gesellschaft so angeschwollen ist, dass es aufbricht, um seine historische Mission in orgastischer Weise zu erfüllen. Für uns, die wir den Homo Sapiens aufgrund einiger Zeugnisse aus dem Bereich der Kunst gerne in einem anderen Zusammenhang als den der selbstverschuldeten Zerstörung gesehen hätten, wird es Zeit, sich der Wahrheit zu stellen.“

Der Rumäne Emile Cioran (1911 – 1995) einer der radikalsten Kulturkritiker der Nachkriegszeit, formulierte einst, was mir seit Jahren als Richtschnur dient:

„Derjenige, der weiß, hat sich von allen Fabeln getrennt, die die Begierde und das Denken schaffen, er hat sich aus dem Stromkreis ausgeschaltet, er willigt nicht mehr in den Trug ein.“

Zu erkennen, dass die konventionelle Welt von monströser Dummheit und Bösartigkeit beherrscht wird, zu begreifen, dass es nutzlos, vergeblich und zwecklos ist, diese mächtigen Herrscher zu bekämpfen, wie der englische Autor Paul Brunton (1898 – 1981) schrieb, hat mir geholfen, stabil zu werden. „Man mag es Egoismus und Eskapismus nennen,“ so Brunton, „aber die Verweigerung der Aufopferung von Energie und Zeit im so genannten Dienst an der Menschheit ist einfach die Erkenntnis, dass der Charakter der Menschheit nicht zu Lebzeiten eines Menschen verändert werden kann, sondern nur durch die langsamen, langen Prozesse der Evolution. Allerdings hat die Zeit bisher keine Tugend entwickelt, sondern nur Dummheit angehäuft.

Eine solche Erkenntnis, die in Zeiten von Corona und einer elitären Kriegslüsternheit überdeutlich bestätigt wird, ist schwer zu ertragen. Aus diesem Grunde hatte ich auf apolut einen Aufruf verfasst, der als Zeugnis meiner Verzweiflung zu verstehen ist, wie sie in den alternativen Medien seit langer Zeit und an vielen Stellen zum Ausdruck kommt. In diesem Aufruf heißt es unter anderem:

Jetzt gilt es, angesichts des globalen Treibens einer durch geknallten Finanz- und Politelite nicht den Verstand zu verlieren. Deshalb ist es dringend notwendig, dass wir uns frei machen von den Narrativen, die der Politik entspringen, dass wir uns wieder unsere eigenen Geschichten erzählen. Schließlich gibt es noch ein Leben außerhalb des politischen Ränkespiels, das unsere Seelen immer mehr zu vergiften droht. Vergessen wir das dämliche Spiel der Mächtigen, bleiben wir bei uns selbst, das lohnt sich. Es ist das einzige, was sich noch lohnt. Vor allem dann, wenn wir füreinander in Liebe da sind. Davon haben die seelenlosen Killer und Psychopathen aus Wirtschaft und Politik nämlich nicht die geringste Ahnung. Arbeiten wir an uns selbst, seien wir uns wichtig, jeder für sich, und sehen wir zu, dass wir die Personen in unserem unmittelbaren Umfeld aus ihrer Bewusstlosigkeit reißen. Machen wir sie vertraut mit sensiblen, mitfühlenden Menschen. Das ist die einzige Chance, die Gesellschaft von Grund auf zu verändern. Eine andere haben wir nicht.“

Es ist nun einmal eine unumstößliche Tatsache, dass nicht nur das was wir tun, sondern auch das was wir denken und fühlen mit allen anderen Taten, Gedanken und Gefühlen sämtlicher Mitwesen auf diesem Planeten in ständiger Verbindung steht und einander bedingt, sodass aus diesem Konglomerat der jeweils augenblickliche Zustand der Welt erwächst. Je mutiger unser Handeln, je klarer und gerechter unsere Gedanken und je tiefer unsere Gefühle, desto mehr tragen wir dazu bei, dass sich die Gesamtlage“ zum positiven verändert. Desto mehr sind wir in der Lage, die Folie des Schreckens zu zerreißen, die eine Bande seelenloser Politverbrecher dem Planeten bis zum Erstickungstod übergestülpt hat. Das gilt es zu verstehen.

Im zweiten Band meiner Maeva-Trilogie lasse ich meine Protagonistin, die quasi als Jeanne d’Arc der Ökologie unterwegs ist, folgerichtig folgendes sagen:

„Wir haben eine besondere Verantwortung für alles, was wir sehen. Wir sollten es mit Liebe betrachten. So schützen wir es vor Schmutz und Missverständnissen. Schließlich sehen wir auf andere immer nur durch die Optik des eigenen Geistes. Wer ein schlechtes Gefühl von sich selbst hat, für den sieht alles hässlich aus. Begreife deine eigene Schönheit. Die Menschen, denen du begegnest, werden sie reflektieren. Auf diese Weise pflanzen wir die Saat des Guten. Es ist ein Zyklus der Gegenseitigkeit: Was von dir ausgeht, kommt wieder zu dir zurück, so wie der Atem. Also: keine Schuldzuweisungen, keine Scham, nur Geschehnisse.“

Es besteht kein Zweifel daran, dass wir trotz aller geistigen Beschränktheit, trotz aller Ängste und Unsicherheiten immer zuhause sind, wo denn auch sonst. Wir müssen nur ein Gefühl dafür entwickeln. Lasst uns das Alltägliche nicht länger als etwas Selbstverständliches nehmen, sondern lasst uns den Sinn für das Wunderbare im Gewöhnlichen wieder entdecken.

Der US-amerikanische Schriftsteller Henry David Thoreau (1817 – 1862) notierte am 19.7.1851 in seinem Tagebuch:

Ich bin vierunddreißig Jahre alt, und dennoch ist mein Leben beinahe ganz unentfaltet. Wie viel liegt da erst im Keim? Zwischen meinem Ideal und der Wirklichkeit herrscht oft ein solcher zeitlicher Abstand, dass ich sagen kann, ich sei noch nicht geboren.

Gilt dies nicht für die Menschheit insgesamt? Sind wir nicht ebenfalls noch ganz unentfaltet? Und tragen wir als Menschenfamilie nicht auch den Keim des Verständnisses in uns, der uns, erst einmal erblüht, wieder eingliedert in die Schöpfung, die wir bisher nur zu beherrschen versuchten? Mit diesem Missverständnis muss Schluss sein. Oder es ist Schluss mit uns.

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Dirk C. Fleck ist ein deutscher Journalist und Buchautor. Er wurde zweimal mit dem Deutschen Science-Fiction-Preis ausgezeichnet. Sein Roman “Go! Die Ökodiktatur” ist eine beklemmend dystoptische Zukunftsvision.

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: Mimma Key / shutterstock.com

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Kommentare (7)

7 Kommentare zu: “…oder es ist Schluss mit uns

  1. Ich habe vor Jahren, das ist wahrlich schon eine Ewigkeit – gefühlt – her, auf einer Wanderung in der Nähe von Bozen ein Gedicht verfasst, eigentlich waren es mehrere, ich war damals sehr produktiv, weil ich eine tiefe Enttäuschung erlebt hatte.
    Das klingt so:

    Im Wald von Girlan

    Was macht doch alles der Mensch,
    um anderen seinen Willen aufzuzwängen?
    Er baut die größte Festung aus Stein,
    er baut die schrecklichste Waffe aus Stahl,
    er sprengt die schönste Natur in die Luft,
    um Bunker zu bauen,
    darin die Waffen zu lagern.

    Doch wie lange zwingt er
    den anderen seinen Willen auf?
    Einen Tag,
    Ein Jahr,
    Ein Leben?

    Irgendwann wird der Zwang gebrochen
    und dann zerfällt die Festung zu Staub,
    die Waffe verrostet,
    der Bunker bricht ein.

    Doch schaue genauer hin,
    vielleicht ist das,
    was Du siehst,
    nur eine Imagination
    Deiner Ängste.

    Und das,
    was da steht,
    ist bloß
    ein Trinkwasserreservoir.

  2. Harry_B sagt:

    "Derjenige, der weiß, hat sich von allen Fabeln getrennt, die die Begierde und das Denken schaffen, er hat sich aus dem Stromkreis ausgeschaltet, er willigt nicht mehr in den Trug ein."

    Das ist ein Irrtum, der an Größenwahn grenzt.

    Beweis:
    Ich habe mal versucht, eine Liste aller großen Lügen/Wahrheiten zu erstellen,
    so dass man wie in einer Checkliste ankreuzen kann, was man glaubt und was nicht,
    um eine Übersicht über sein individuelles Glaubensprofil zu bekommen.
    Nach einer Seite habe ich aufgegeben, weil kein Ende in Sicht war.
    Von den Lügen oder Wahrheiten gibt es ja auch zahlreiche verschiedene Versionen,
    auf die man alle eingehen muss.

    Außerdem hatte diese Liste einen schockierenden Nebeneffekt:
    Jeder, der nicht genau das gleiche Glaubensprofil hat wie man selbst,
    sieht damit plötzlich schrecklich dumm und unverantwortlich aus.

    Sicher kann man im Laufe der Zeit eine gewisse Kreuzimmunität gegen große Lügen entwickeln,
    aber vermutlich reicht das ganze Leben nicht aus, um so viel zu recherchieren,
    dass man zu jeder weit bekannten großen Lüge eine solide Meinung haben kann.

    Das Recherche-Team von apolut ist meiner Erfahrung nach sehr gut,
    aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es an dieser Aufgabe ebenfalls scheitern würde.

    • HallOfFrame sagt:

      Ich verstehe den Text garnicht als Aufforderung fest zu legen, was du weisst und was nicht im Sinne von Faktencheck. und sicher auch nicht, eine vollstaendige liste davon zu machen. Wissen ist begrenzt – ich denke zumindest darueber herrscht Einigkleit, oder?

      "Derjenige, der weiß, …" das steht meiner Meinung nach dem gegenueber, was "der" als Annahme/Glaube/Interpretation/Wuenschen dazu nimmt. "der weiß" erkennt die Grenze dazwischen. "der weiß" findet Ruhe darin, dass er weiss. Denn der Fake ist zu erkennen (innere + aeusserer), die Aufreger prallen ab und du erkennst das schlechte Theater als das, was es ist.

      Das ist ein Weg zur Ent-Taeuschung.

      Also mir hilft das. Es schafft einen neuen Bezugspunk, eine art geistige Eigenstaendigkeit. Fernseher ausschalten hilft ungemein dabei ;-)

  3. FrankRudolf sagt:

    Ja, berechtigte Frage. Fatalismus auf Umwegen? "Hat ja eh Alles keinen Sinn!" Definitiv nein, auf den Zeitgeist plus Entwicklung zu warten, zuzusehen wie der Wahnsinn Oberhand greift, das kann nicht sein.
    Wahrscheinlich hat der Autor grade einen schlechten Tag, generell einen schlechten Zeitabschnitt der Niedergeschlagenheit. Nicht zu verdenken, das scheint grade vielen Aktiven so zu gehen. Das 3. Jahr nun, in dem sich die meisten von uns täglich mit der schmierigsten und kriminellsten Niedertracht und menschlicher Abartigkeit bewusst auseinandersetzen, das hinterlässt Spuren. Eine Ruhephase wäre angedacht. Ansonsten, durchhalten und Kopf hoch!

  4. Nevyn sagt:

    Puh! Wie lebt es sich mit solchen Gedanken im Kopf?

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