Niveauregulierung – eine Kolumne (5)

Von Bernhard Loyen.

„Ich bin zu müde, um schlafen zu gehen“, ist eine sehr treffende Lied- und Textzeile von Hildegard Knef aus dem Jahre 1966 [1]. Müdigkeit und Erschöpfung sind regelmäßige Begriffe bei Unterhaltungen mit Freunden und Bekannten. Es wird immer seltener die Möglichkeit gefunden, sich zu einem persönlichen Gespräch zu treffen, da die Organisation des täglichen Daseins Zeit & Kraft raubt. Physisch und psychisch ausgelastet in der Tiefe des Routinetunnels.

Was bleibt, sind kurze Mails zum allgemeinen Status und/oder der Hinweis zu Artikeln und/oder Sendungen. Gestern erhielt ich einen Link zur ARD Mediathek. Die Dokumentation heißt: „Wie solidarisch ist Deutschland“ [2] oder hier [3].

Der Beitrag beginnt mit typischen ARD-Sprech, d.h. weiche Fragen und wattige Formulierungen wie z.B.:

  • Aus dem Off wird formuliert: „Obwohl die Wirtschaft boomt, wächst bei uns die Armut.”
  • Eine unbenannte Frau glaubt: „Ich glaube, dass soziale Ungleichheiten ab einem bestimmten Punkt, und der ist kippelig, für eine Gesellschaft nicht mehr verträglich ist.“
  • Eine gefühlte Frage aus dem Off lautet: „Viele arbeiten mehr als früher und haben trotzdem das Gefühl, sich weniger leisten zu können. Dabei sind wir die fünftreichste Nation der Welt. Was ist passiert?“
  • Um dann aus dem Off zu fragen: „Gefährden wir unsere Demokratie?“

Erfreulicher Weise steigert sich der Beitrag, wird informativ und hilfreich für Diskussionen & Argumentationen. Schlüsselposition in einer stabilen funktionierenden Demokratie stellt die sogenannte Mittelschicht. Man erfährt, laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, folgende Statistik. Der Singlehaushalt in der Mittelschicht verdient 1.200 € – 2.350 € und eine vierköpfige Familie 2.300 € – 6.000 € im Monat – bitte abgleichen. Statistisch ist diese Gruppe von 64 % Bevölkerungsanteil im Jahre 1997 auf 58 % im Jahre 2013 geschrumpft. Dem warum wird nachgegangen.

Im Interview formuliert Jürgen Borchert, pensionierter Sozialrichter [4], den sehr schönen Satz: „Die Armut ist gut ausgeleuchtet, was fehlt ist der Blick nach oben zu den Reichen.“ Er erinnert daran, dass der Spitzensteuersatz im Jahre 1958 bei !!95 %!! lag, um dann in der Regierungszeit von Helmut Kohl auf 53 % gesenkt zu werden. Der Rot-Grünen Regierung verdanken wir eine weitere Senkung auf aktuell 42 %. Wie, wo & wann begann doch gleich das Hartz IV-Desaster?

Bezugnehmend auf diese Thematik bemerkt die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann [5] vollkommen richtig: „Es ist kein Zufall, dass es wenige Daten über Reichtum in Deutschland gibt, da dies der entscheidende Hebel sei, um politische Maßnahmen zu verhindern.“

Erwähnenswert sei diesbezüglich (Reichtum) auch der Hinweis auf Artikel 14, Absatz 2 des Grundgesetzes – Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Es kommen zu Wort deutsche und englische Sozialökonomen und Wirtschaftswissenschaftler. Zum Ende hin, nicht überraschend unangenehm, bzw. eklig der Kommentar der Kirche zu den Verhältnissen in unserem Land: „Sich für Benachteiligte stark machen ist die Wurzel tiefen Glaubens, daher fordert(!) die Kirche eine gründliche sozialpolitische Inventur Deutschlands.“ Bitte erst mal vor der eigenen Tür kehren.
Zusammenfassend kam die ARD diesmal ihrem Auftrag, der Öffentlichkeitsinformation und -bildung, nach. Der Beitrag ist noch bis zum 22. Februar in der Mediathek einsehbar (oder [3]), nicht spektakulär, aber sehenswert.

[1] – https://www.youtube.com/watch?v=HkVPQSluUAM
[2] – http://mediathek.daserste.de/Reportage-Dokumentation/Wie-solidarisch-ist-Deutschland/Das-Erste/Video?documentId=33418612&topRessort&bcastId=799280
[3] – https://www.youtube.com/watch?v=khTZgEr87PI
[4] – http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/sozialrichter-juergen-borchert-warum-die-agenda-als-erfolg-begriffen-wird-ist-mir-ein-raetsel-1.1623776
[5] – http://www.nachdenkseiten.de/?p=19182

 

Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.

KenFM bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Meinungsartikel und Gastbeiträge müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.


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