Tag der Arbeit – Feiertag für Bonzen?

von Susan Bonath.

Der 1. Mai ist der Tag der Arbeiterbewegung. Doch wenn der Deutsche Gewerkschaftsbund zum Protest trommelt, klingt das wie Ironie. Forderungen nach Solidarität und sozialer Gerechtigkeit gehören offenbar der Vergangenheit an. Sein diesjähriges Motto: »Wir sind viele, wir sind eins.«

Doch wer ist eigentlich »Wir«? Steht es noch für einen Kampf gegen die Ausbeutung? Oder sind damit doch eher die Interessen einer kleinen Inklusionsgruppe gemeint?

Fakt ist: Es gibt kein »Wir« der Lohnabhängigen in diesen Zeiten einer die Gesellschaft zersetzenden Prekarisierung des Arbeitsmarktes. Nicht nur die Gesellschaft, auch die Arbeitswelt teilt sich zunehmend in oben und unten. Längst ist die Eintrittskarte für privilegierte Jobs nur noch für einen Teil der Arbeiterklasse zugänglich. Es braucht nicht nur die richtige Ausbildung, sondern Beziehungen und einen gewissen Status.

Diesen Status besitzen die acht Millionen Niedriglöhner, die für Stundenlöhne von unter zehn Euro schuften, nicht. Dazu gehören auch die meisten der gut eine Million Leiharbeiter. Sie hat die IG Metall kürzlich gründlich in den Allerwertesten getreten.

Mitte April einigte sie sich mit Unternehmern auf eine maximale Überlassungsdauer von vier Jahren. Damit höhlte sie das ohnehin löchrige neue Gesetz aus. Danach müssen Firmen Leiharbeiter nach spätestens 18 Monaten übernehmen oder austauschen. Es sei denn, eine Gewerkschaft vereinbart etwas anderes.

Die verlässliche Vollzeitstelle der kurzen Episode in der alten Nachkriegs-BRD hat ausgedient. Die jüngst bejubelte »Rekordbeschäftigung« ist bestenfalls Fassade. Laut jüngster Statistik des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat sich die Zahl der Teilzeitstellen in den letzten 25 Jahren auf mehr als 15 Millionen fast verdreifacht. Die Zahl der Vollzeitjobs sank zugleich um fünf auf 24 Millionen.

Das heißt: Nicht einmal die Hälfte der Bundesbürger im erwerbsfähigen Alter arbeiten Vollzeit. Für 15 Millionen gilt derweil: Halbe Arbeit, halber Lohn. Hier zeichnet sich die Zukunft im digitalen Zeitalter ab: Für die Profite der Kapitalbesitzer sorgen weniger Menschen und mehr Maschinen.

Die großen, ins System eingefriedeten Gewerkschaften hängen der Entwicklung hinterher. Mit ihrer avisierten »Sozialpartnerschaft« zwischen Bonzen und Knechten a la SPD können immer weniger Beschäftigte etwas anfangen. Dass diese – wenn sie denn je existierte – längst von oben gekündigt wurde, während Gewerkschafter 34 Cent höhere Mindeststundenlöhne als Erfolg feiern, ist unübersehbar.

Die entscheidenden Fragen stellt der Gewerkschaftsbund weiterhin nicht: Wie teilen wir Arbeit und geschaffene Produkte gerecht auf? Wie verhindern wir, dass 15 Millionen Menschen – Tendenz steigend – auf Hartz-IV-Niveau oder darunter leben müssen, während sich die Profite in den Händen schwerreicher Unternehmer und Aktionäre sammeln?

Längst ist es Zeit, darüber zu debattieren, wem die Produktionsmittel gehören. Und wem sie künftig gehören sollen. Denn der, dem sie gehören, bestimmt, was hergestellt wird und was damit passiert.  Das ist weder der Arbeiter noch eine Bundesregierung. Letztere predigt die Demokratie. Doch keiner der Konzerne, in die sie all die Outgesourcten gerne auch für Hungerlöhne pressen möchte, agiert demokratisch.

Die Gewerkschaften gehen im Politbetrieb ein und aus. Sie sitzen als Experten in Ausschüssen. Sie könnten mindestens die Realitäten auf den Tisch packen, Arbeitszeitverkürzungen bei gleichbleibendem Lohn und Steuern für Maschinen und Kapitalvermögen fordern. Sie könnten zu Massenstreiks aufrufen.

Tun sie aber nicht. In ihre Lobbygruppe reihen sich allenfalls noch privilegierte Arbeiter ein; den gewichtigsten Teil dieser dürften allerdings die Unternehmer stellen. Wer Lohnerhöhungen, die kaum die Inflation ausgleichen, feiert, für Hartz-IV-Sanktionen spricht und mit der Wirtschaftselite Absprachen trifft, ist alles, nur kein Sprachrohr der Unterdrückten.

Es braucht eine neue Organisation. Eine Organisation, in der alle Lohnabhängigen, auch die Erwerbslosen, sowie selbstausbeutende Freiberufler und Soloselbständige zusammenfinden und bereit sind, sich international mit Gleichgesinnten zu verbünden. Eine Organisation, die sich gegen das Großkapital stellt, gegen jene, die von ihrer Arbeitskraft oder ihrer Armut profitieren. Das müssen wir den staatstragenden Gewerkschaften entgegensetzen. Damit der 1. Mai nicht länger ein Feiertag für die Bonzen ist.

Danke an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.

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