In die Quere gekommen | Von Roberto J. De Lapuente

Ein Kommentar von Roberto J. De Lapuente.

Was mit Michael Ballweg geschehen ist, sollte auch diejenigen interessieren, die sich nicht als Querdenker verstehen — denn beim nächsten Mal könnten sie selbst dran sein.

Michael Ballweg war 279 Tage in Untersuchungshaft. In dieser Zeit haben sich die Vorwürfe, die sich gegen seine Person richteten, mehrmals verändert. Solcherlei Veränderungen kommen vor, erklärte Ballweg-Anwalt Ralf Ludwig in einem Interview. Gemeinhin würden sie aber schwerwiegender. Im Falle von Michael Ballweg wurden die Tatvorwürfe jedoch immer geringer. Schlussendlich unterstellte man ihm einen versuchten Betrug — mehr blieb nicht übrig. Ob in dieser Republik schon mal jemand so lange in U-Haft saß, weil er einen Betrug nur versucht haben soll?

Der Gründer der Querdenken-Bewegung ist seit Anfang April wieder auf freiem Fuß. Seine Konten sind allerdings noch eingefroren. Vor einigen Wochen hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart ein Verfahren beim zuständigen Landgericht eingereicht — wegen des vermeintlich versuchten Betruges. Das Gericht hat das abgelehnt, hat erhebliche Zweifel an einem zielführenden Prozess. Die Öffentlichkeit nimmt diese Entwicklungen aber kaum noch wahr, denn nur die Verhaftung wurde medial groß präsentiert, die Entlassung und die juristischen Peinlichkeiten werden — wenn überhaupt! — ausschließlich als Randnotizen vermerkt.

Fehlende Kapazitäten und fehlende Verhältnismäßigkeit

Darüber, was ihm widerfahren ist, hat Michael Ballweg zusammen mit seinem Anwalt Ralf Ludwig nun ein Buch herausgebracht. Der Titel des Buches: „Richtigstellung. Es war noch nie falsch, quer zu denken <1>“ . Der Titel verrät, dass es hier etwas zum Geraderücken gibt. Es geht um die Reputation des Michael Ballweg — und um noch mehr: um den Rechtsstaat, der auf Abwege gerät; um eine politische Justiz, die nicht entkoppelt ist von politischen Entscheidungsträgern, die es sich recht einfach machen können, einen lästigen Zeitgenossen aus dem Verkehr zu ziehen. Und final geht es um jeden Bürger im Lande, auch um jene, die Ballweg und seine Querdenker dereinst verachtet haben.

Michael Ballweg sieht sich als politischer U-Häftling; er sollte zum Schweigen gebracht werden, glaubt er.

Sein Anwalt Ludwig ergänzt diese Einschätzung um eine weitere Komponente: Zum Politikum gesellt sich, dass Behörden hierzulande sukzessive in die Mangelverwaltung überführt wurden, sodass wegen fehlender Kapazitäten und Mittel die Arbeit nicht mehr fachgerecht geleistet werden kann. Unter dieser Mischung aus politischem Eifer und neoliberaler Austerität kommt ein in Ungnade gefallener Bürger vermutlich noch schneller unter die Räder.

Rechtsanwalt Ludwig erzählt auch, dass man Michael Ballweg in jenem Moment festnahm, da er mitten in einem Umzug steckte. Die Behörden sahen darin den Beweis eines Fluchtversuchs. Dabei war seit Langem klar, dass der für die Staatsanwaltschaft „Tatverdächtige“ seinen Wohnort wechseln wollte. Vielleicht mag in diesem Augenblick eine Untersuchungshaft noch verhältnismäßig erschienen sein, wie es das Gesetz vorsieht, aber die Verdachtsmomente schmolzen je und je in sich zusammen. Dennoch blieb Ballweg eingesperrt. Neun Monate lang — obgleich der Gesetzgeber sagt, dass eine U-Haft nur sechs Monate dauern soll. Soll wohlgemerkt, nicht darf.

Michael Ballweg und der nackte Kaiser

Als im Rest der Welt relativ schnell die Maßnahmen fielen, hat man hierzulande weitergemacht mit Hygieneplänen und Teststrategien; als man bereits wusste, dass eine Impfpflicht keinen Sinn ergibt, weil das, was man als Impfstoff präsentierte, nicht vor einer Infektion schützte, blieb die Bundesregierung dennoch auf Kurs einer Impfpflicht. Das alles erinnerte fatal an Hans Christian Andersens Märchen „Des Kaisers neue Kleider“: Als ein Kind die Nacktheit des Kaisers ausrief, lachte das versammelte Volk. Und der Kaiser, wie reagierte er?

„Das ergriff den Kaiser, denn es schien ihm, sie hätten recht; aber er dachte bei sich: Nun muss ich die Prozession aushalten. Und die Kammerherren gingen noch straffer und trugen die Schleppe, die gar nicht da war.“

In etwa so schien es auch im Falle Ballwegs zuzugehen. Für ihn wiederholte sich im Kleinen, was im Großen schon zutage trat: Irrt sich die Macht, kann sie in diesen Tagen offenbar nicht mehr heraus aus ihrer Haut — sie fürchtet, wie es in den pandemischen Monaten oftmals Kritiker anmahnten, sonst ihr Gesicht zu verlieren.

Dieser Umstand, diese Furcht verursacht, dass die Regierenden „aushalten“ müssen. Und mit ihnen halten auch die Funktionäre der Macht aus, all die Polizisten, Gesundheitsamtsmitarbeiter oder eben Staatsanwälte.

Ab einem gewissen Zeitpunkt war in der Causa Michael Ballweg klar, dass die Vorwürfe nicht haltbar waren. Es zeichnete sich ab, dass dieser Mann ohne angemessenen Grund in U-Haft saß. Wer glaubt, dass sich ab diesem Moment alles zum Guten wendete, der täuscht sich. Man hat das im Falle Gustl Mollaths gesehen oder auch bei Manfred Genditzki, bei dem recht schnell offenbar wurde, dass er keinen Mord begangen haben kann, der aber dennoch viele Jahre in Haft zubrachte und bis heute nicht rehabilitiert ist. Wenn deutlich wird, dass die Macht geirrt hat, dann wird es gefährlich, denn dann wird alles dafür getan, stur und rücksichtslos auf dem bereits eingeschlagenen Irrweg zu bleiben.

Ein Buch nicht nur für Sympathisanten

Michael Ballweg wusste — anders als Mollath in den ersten Jahren oder der genannte Genditzki — eine große Anzahl von Menschen hinter sich, die seinen Werdegang der letzten Jahre verfolgt hatten. Etwa ein Drittel aller Deutschen, so berichteten die Medien während der Coronazeit, würden Sympathien für die Querdenker hegen. Ob die Zahlen stimmen oder nicht: Es zeichnet sich ab, dass Ballweg viele Unterstützer und Sympathisanten hat, die das ihm widerfahrene Unrecht nicht vergessen ließen. Wäre Ballweg weniger bekannt gewesen: Wer kann sagen, ob er heute bereits wieder frei wäre?

Viele im Lande haben sicherlich auch mit Gleichgültigkeit oder gar mit Freude reagiert, als sie damals hörten, dass der Gründer der Querdenken-Bewegung nun endlich eingesperrt würde. Ballweg wurde schließlich in den Monaten zuvor als Übel dargestellt, als Gefährder, der zudem mit Rechtsradikalen kuschele — er gefährde Großmutter, sorge dafür, dass die Pandemie nie endet, und wiegle Menschen auf. Und nun bekam dieser Mensch seine Rechnung präsentiert: Der Rechtsstaat funktioniert noch, mag sich mancher eingeredet haben. Haltung geht bei vielen letztlich vor Recht in diesen Tagen. Gesinnung wiegt mehr als ein Grundrecht. Und wer kein Bekenntnis ablegt, muss sich am Ende nicht wundern.

Mit „Richtigstellung <1>“ haben Ballweg und Ludwig ein Buch geschrieben, das nicht nur die Sympathisanten beschäftigen sollte, sondern eben auch jene, die sich über Ballwegs Verhaftung gefreut haben mögen. Gestern war es Michael Ballweg, der unter zweifelhaften Vorwürfen strafrechtlich verfolgt und unverhältnismäßig eingesperrt wurde. Und morgen? Morgen ist es vielleicht einer, der Ballweg nicht leiden konnte, der aber jetzt in einer anderen Angelegenheit nicht die Ansichten der Regierenden teilt und sein Gewissen für sich entdeckt. Dann landet er zu Unrecht im Bau. Vielleicht sind es dann ja Querdenker, die genauer hinschauen und diesen Justizmissbrauch immer wieder anmahnen.

Quellen

<1> https://www.buchkomplizen.de/buecher/tigerpress/richtigstellung.html

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 05. Dezember 2023 bei manova.news

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Bildquelle: Skyward Kick Productions / shutterstock

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Kommentare (3)

3 Kommentare zu: “In die Quere gekommen | Von Roberto J. De Lapuente

  1. Sturesel sagt:

    Was genau hat Ballweg nochmal gemacht? Ach ja, richtig, 2 Demos organisiert und auf der 2. Schon angefangen rechts zu framen mit verfassungsgebender Versammlung, danach noch ein Treffen mit dem König von Deutschland, that's it. Auf Montags Spaziergängen hab ich ihn nicht gesehen. Bauen Sie ruhig ein Denkmal für ihn, der Rest der Unangepassten macht alleine weiter.

    • Dhyano sagt:

      Und ich wette, Sie wundern sich auch noch, dass Sie ganz allein auf weiter Flur kämpfen müssen.
      Dass niemand etwas mit Ihnen zu tun haben will.
      Dass keiner Sie mag.
      Und Ihnen kein Denkmal baut.

      Überraschung!!!!

      (Hätte hier beinahe die Überschrift vom neuen Lenz-Artikel angeführt. Lasse es aber lieber.)

  2. tulopa - ich denke selbst sagt:

    Als ich eben Anselm Lenz gehört hatte, wie er auf die Tränendrüse drückte und den Hut aufhielt, dachte ich, das geht nicht schlimmer. Wie immer, wenn ich optimistisch bin, beweist mir das Schicksal:
    "Schlimmer geht immer!"

    Ja – gucken Sie mich nicht so an!
    Die USA sind Schuld daran, dass ich seit 9/11 für jede Behauptung Beweise sehen will und mich bei jeder Nachricht frage, ob sie plausibel ist. Die Geschichte von Michael Ballweg ist mir nicht plausibel und deshalb kaufe ich mir lieber das neue Buch von Gunnar Kaiser: "Philosophy from the crypt"!

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