Ich will lieben und geliebt werden | Von Franz Ruppert

Ein menschliches Urbedürfnis und die weitereichenden Folgen, wenn die Mutterliebe fehlt.

Ein Standpunkt von Franz Rupert.

Die Sehnsucht nach Liebe – eine conditio humana

Ich will geliebt werden – ich behaupte, dieses Bedürfnis hat jeder Mensch. Eigentlich ist es ein zentrales menschliches Bedürfnis, das ursprünglich lautet: Ich will von meiner Mama geliebt werden.

Die Beziehung zur eigenen Mutter ist die erste Liebesbeziehung eines jeden Kindes. Ein Kind ist von Beginn seines Lebens an, also bereits vorgeburtlich voller Liebe für seine Mutter. Es ist auf den körperlich-emotionalen Kontakt mit ihr ausgerichtet. Für das Kind gibt es nichts Wichtigeres als seine Mutter. Das ist nicht verwunderlich, wächst doch jeder Mensch anfangs im Bauch seiner Mutter heran und ist auf Gedeih und Verderben auf sie angewiesen und ist von ihr existenziell abhängig. Jeder Mensch verfügt daher – und muss das auch – von Anfang an über eine enorme Liebesfähigkeit, die auf seine Mutter ausgerichtet ist, und hat einen ebenso großen Wunsch danach, von seiner Mutter geliebt zu werden.

Daran ist nichts verkehrt. Das gehört zu den Grundbedingungen unseres Menschseins dazu. Wir Menschen vermehren uns sexuell, die Kinder wachsen im Bauch ihrer Mutter heran. Daher gehört die Liebe zur eigenen Mutter und das Verlangen nach ihrer Liebe zur conditio humana. So wie es das Wesen von Vögeln ist, dass sie Flügel haben, um damit fliegen zu können, ist es das Wesen von uns Menschen, dass wir lieben können und geliebt werden wollen. Das sind quasi unsere Flügel.

Liebe und Angst

Liebe und Angst sind innerhalb der Psyche gleichsam Antagonisten. Wo Angst herrscht, ist für die Liebe wenig Raum. Angst aktiviert das Stresssystem in einem menschlichen Organismus. Wo Angst ist, entsteht auch Wut, Aggression und zwanghaftes Denken und Handeln. Diese Gefühle und Lebenshaltungen sind die Saat der Gewalt. Liebe ist das Gegengift zu Angst. Liebe kann Angst neutralisieren. Wo Menschen lieben, können sie auch mit ihren Ängsten gut und angemessen umgehen. Auch zwischenmenschliches Vertrauen ist ohne Liebe nicht zu gewinnen.

Fehlende Mutterliebe

Was also, wenn seitens der eigenen Mutter das Liebesbedürfnis eines Kindes nicht adäquat beantwortet wird? Wenn einen die eigene Mutter gar nicht haben will, einen ablehnt und zurückweist? Wenn sie völlig gleichgültig einem gegenüber ist? Wenn sie ihr Kind sogar bekämpft und körperlich wie emotional quält? Wenn sie aufgrund ihrer eigenen Lebensgeschichte gar nicht fähig ist, ihr Kind aus vollem Herzen und mit ihrem ganzen Körper zu lieben? Wenn sie selbst unter einem Mangel an Mutterliebe leidet, weil sie von ihrer Mutter ihre Liebesbedürfnisse nicht gestillt bekam?

Die Unterdrückung der Liebesbedürfnisse

In all den Fällen, in denen die Mutter das Liebeswerben ihres Kindes nicht beantwortet, gerät eine Kind in eine existenzielle Notlage. Um diesen Schrecken zu überleben, bleibt einem Kind nichts anderes übrig, als sein Urbedürfnis nach mütterlicher Liebe zu unterdrücken. Der Schmerz darüber, von der eigenen Mutter nicht gewollt, nicht geliebt und sogar vor Gewalt nicht geschützt zu werden, die Angst davor, von ihr verlassen und in Stich gelassen zu werden, ist so groß, dass eine kindliche Psyche daran zerbricht. Sie muss ihre Einheit aufgeben und spaltet sich dann kategorisch in drei Teile:

  • Ein Teil bleibt realistisch und erlebt immer wieder den Horror der mütterlichen Gleichgültigkeit, Zurückweisung oder Gewalt.
  • Ein anderer Teil speichert diese sich ständig wiederholenden, unerträglichen Erfahrungen der Ablehnung und Zurückweisung ab.
  • Dieser im Trauma feststeckende Anteil wird von einer dritten psychischen Struktur daran gehindert, dass die Verlassenheitsangst und der Schmerz des Ungeliebtseins immerzu das eigene Erleben prägen.

Daraus entstehen notwendigerweise Trauma-Überlebensstrategien, welche, getrennt von der Realität, eine psychische Eigenwelt erschaffen, in denen die Illusion aufrechterhalten wird, die eigene Mutter würde einen trotz aller gegenteiligen Erfahrung doch lieben und man wäre für immer in Liebe mit ihr zusammen. Man müsse sich dafür nur entsprechend anstrengen und der Mutter alles geben, was diese brauche und von einem verlange. Statt die eigene Not zu erleben, wird die Mutter als bedürftig und belastet erlebt. Das Kind versucht nun, deren Bedürfnissen gerecht zu werden und ihre Leiden zu lindern. Das Kind selbst erlebt sich als unwürdig, geliebt zu werden, schämt sich und hat Schuldgefühle wegen seiner eigenen Existenz. In diesem Anteil zerbricht sich das Kind immerzu den Kopf über seine Mama, warum sie so ist und findet dabei tausenderlei Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe für ihr Verhalten.

Gleichzeitig sieht der Anteil, den ich als den traumatisierten Anteil bezeichne, ohnmächtig, aber auch voller Wut zu, wie sich der Überlebensanteil in seinen Liebesillusionen für die eigene Mutter aufopfert und ihn selbst vernachlässigt und missachtet. Liebesillusionen gehen mit einer Aufgabe des eigenen Ichs und Wollens und damit einem Verrat an sich selbst einher.

Auf diesem Weg wird aus dem kleinen, liebesbedürftigen Wesen, das wir zu Beginn unseres Daseins sind, allmählich ein scheinbar vernünftiger Erwachsener, der sich selbst mit seinen gesunden Urbedürfnissen ablehnt und für so ziemlich alles Verständnis aufbringt, was ihm selbst schadet und von anderen zugemutet wird. So werden die Ablehnung und Zurückweisung, die ursprünglich von der eigenen Mutter kommt, zu einer eigenen stabilen inneren Instanz: „Sei nicht so weinerlich, bedürftig und schwach! Reiß dich zusammen!“ Ich muss stark sein, darf meine Gefühle nicht zeigen und schon gar nicht weinen, heißt deshalb das Motto für den Rest des Lebens.

Manche Menschen meinen sogar, sie wollten von ihrer Mutter noch nie geliebt werden. Sie seien schon immer misstrauisch ihr gegenüber gewesen und auf Abstand zu ihrer Mutter gegangen. Sie hätten vielleicht sogar schon ein Leben lang gegen ihre Mutter gekämpft. Ihren Lebensanfang mit dieser riesigen Sehnsucht nach warmer Mütterlichkeit blenden sie aus bzw. haben dieses Bedürfnis hinter dicken Wänden psychischer Abwehr begraben.

Mit Schmerz, Angst, Wut, Scham und Schuld verbundene Mutterliebe

Wenn eine Mutter, aus welchen Gründen auch immer, die kindlichen Liebesbedürfnisse nicht mit ihrer Liebe erwidert, kann das Kind dennoch nicht einfach damit aufhören, seine Mutter zu lieben. Daher wird für das Kind das Thema Liebe mit negativ erlebten Gefühlen aufgeladen, also mit Angst, Wut, Schmerz, Scham und Schuldgefühlen gekoppelt. Das führt dazu, dass ein Kind immer mehr Abstand nimmt von seinem ursprünglichen Bedürfnis, von seiner Mutter einfach nur geliebt werden zu wollen. Liebe erscheint dann als etwas fürchterlich Kompliziertes und letztlich nicht erreichbar.

Ersatzbedürfnisse, Liebesillusionen und Liebeswahn

Anstelle des ursprünglich konkreten Liebesbedürfnisses treten nun abstrakte Vorstellungen von Liebe, die mit Ersatzbedürfnissen verknüpft werden wie:

  • Ich stelle mir vor, meine Mama denkt genauso oft an mich wie ich an sie.
  • Ich bin ganz ruhig und brav, mache ihr keinerlei Ärger.
  • Ich bin ein gutes Mädchen und ein lieber Junge, dann werde ich von meiner Mama dafür gelobt.
  • Ich helfe ihr im Haushalt, bei der Versorgung meiner Geschwister und bekomme von ihr dafür Anerkennung.
  • Wenn ich in der Schule gute Noten schreibe, dann freut sie sich.
  • Ich will, dass meine Mama stolz auf mich ist.
  • Ich will meine Mutter nicht belasten.
  • Ich bin selbst schuld, wenn ich nicht genug Liebe von ihr bekomme.
  • Ich will eigentlich nur, dass sie glücklich und zufrieden ist.
  • Auch wenn es Probleme gibt, will ich mit ihr meinen Frieden finden.
  • Ich werde ihr schließlich alles verzeihen und am Ende doch einmal mit ihr versöhnt sein.

Je stärker der Mangel an erlebter Mutterliebe ist, desto bescheidener werden die Kinder. Desto mehr geben sie sich auch mit ganz wenig zufrieden. Sie suchen noch nach dem letzten Krümelchen Mutterliebe, an dem sie sich festhalten können. Sie steigern sich in ihre eigenen Vorstellungen von Mutterliebe hinein und finden tausende Gründe, warum ihre Mutter nicht anders konnte, als sie lieblos zu behandeln. Sie idealisieren ihre Mama und heben sie in den Himmel. Solche Vorstellungen werden immer mehr zu Liebesillusionen und schließlich zum Liebeswahn.

Kinder, die sich auf diese Weise mit dem Schmerz und dem Leiden der eigenen Mutter emotional verbinden, sich mit ihren Sorgen und Nöten identifizieren, haben keine eigene Gegenwart und Zukunft. Sie bleiben in der Vergangenheit ihrer Mutter und den Konflikten von deren Vorfahren psychisch hängen. So wiederholen sich menschliche Schicksale über Generationen, ohne dass etwas Neues geschieht. Äußere Veränderungen, z.B. technologische, mehr Bildung und Wissen ändern daran nichts.

Ärger, Wut und Hass auf die Mutter

Die frustrierten Liebesbedürfnisse eines Kindes erzeugen ihn ihm Ärger und Wut. Mit diesen emotionalen Reaktionen versucht ein Kind die Aufmerksamkeit seiner Mutter zu gewinnen und sie darauf aufmerksam zu machen, dass es sich von ihr vernachlässigt und nicht geliebt fühlt. Reagiert eine Mutter entsprechend darauf, kommt der kindliche Ärger wieder zur Ruhe. Falls nicht, steigert sich die Wut bis in den Hass auf die eigene Mutter. Blanker Hass spricht zuweilen aus den Augen von Kindern, weil sie sich ohnmächtig fühlen, die ersehnte mütterliche Zuwendung zu erhalten.

Doch auch dieser Hass muss letztlich in einem Kind unterdrückt abgespalten werden. Er lebt dann im Untergrund der kindlichen Psyche fort und vergiftet sie. Er sucht sich sein Ventil in mannigfacher Weise. Er richtet sich zum Beispiel gegen ein Geschwisterkind, das vermeintlich mehr Liebe und Zuwendung von der Mutter erhält, selbst wenn das nicht stimmt. Dieser Hass kann zur Zerstörung seines Spielzeugs führen, der Lieblingspuppe werden z.B. die Augen ausgedrückt, dem Teddybär Arme und Beine ausgerissen. Auch andere Kinder können leicht ins Visier dieses Hasses kommen. Ebenso Erzieherinnen und später auch Lehrer, Vorgesetzte oder Politiker.

Fatal wird es auch, wenn dieser kindliche Hass auf die eigene Mutter sich dann auf ein eigenes Kind richtet. Im Hass auf ihr eigenes Kind setzen viele Frauen den Kampf gegen ihre eigene Mutter fort.

Bei Männern führt unterdrückter Mutterhass leicht dazu, dass sie diesen Hass auf Frauen im Allgemeinen projizieren. Alle Frauen sind Schlampen, außer Mutti!

Die Suche nach Ersatzmüttern

Weil ihnen die Liebe ihrer Mutter fehlt, suchen Kinder nach einem Liebesersatz. Falls er vorhanden ist, erhoffen sich viele Kinder von ihrem Vater die Liebe, die sie von ihrer Mutter nicht erhalten. Sie geraten auf diesem Wege in der Regel auch mit ihrem Vater in eine emotional verwirrte und verstrickte Beziehung. Weil auf ihn nun alle Hoffnungen ruhen, wird der Vater dann oft idealisiert. Selbst das wenige an Gefühlen, dass er eine Kind gegenüber zeigt, erscheint dem Kind dann überwertig im Vergleich zu einer kalten und unzugänglichen Mutter.

Wie auch immer ein Vater sich liebevoll um sein Kind kümmern mag, er kann ihm die fehlende Mutterliebe nicht ersetzen und den damit verbundenen Schmerz der Zurückweisung, die Angst vor dem Verlassensein und die Wut und den Hass auf die eigene Mutter nicht heilen.

Nach all meinen therapeutischen Erfahrungen weiß ich mittlerweile sicher: Die Mutterliebe ist einzigartig. Sie ist an die eigene Mutter gebunden. Niemand kann daher unsere Mutter und ihre Liebe ersetzen: kein Vater, keine Großmutter, keine Nanny, keine Adoptivmutter, keine Krankenschwester oder Erzieherin.

Die Suche nach einem Ersatz für die Mutterliebe macht Kinder leider auch höchst anfällig für emotionalen wie sexuellen Missbrauch. Wer den Liebeshunger in den Augen eines Kindes lesen kann, für den ist es oft ein leichtes, diesem Kind zu schmeicheln, ihm das Gefühl zu vermitteln, es sei etwas Besonderes. So kann man es dann zu Dingen zu verführen, die das Kind von sich aus mit Sicherheit nicht will. Der weltweit verbreitete Mangel an Mutterliebe ist die Ursache für den ebenso pandemisch verbreiteten sexuellen Missbrauch an Kindern innerhalb und außerhalb von Familien.

Ärger, Wut und Hass auf den Vater

Weil viele Väter einem Kind ebenfalls nicht die Liebe zuteilwerden lassen, die es dringend braucht, bieten sie ihm zusätzlich Anlass für Ärger, Wut und Hass. Den eigenen Vater abzulehnen, fällt psychisch sogar leichter als die eigene Mutter zu hassen. Der Hass auf den Vater verdeckt in vielen Fällen den darunter schwelenden Hass auf die Mutter. So kann sich ein Kind sogar mit der Mutter innerlich verbinden im Kampf gegen einen offensichtlichen Idioten als Vater, der sich früh aus dem Staub gemacht hat, der, wenn er da ist, herumtobt, schlägt, schreit oder trinkt.

Sogar in Psychotherapien wird zwar der offenkundige Vaterhass in seinen zahlreichen Facetten angeschaut und erörtert. Das dient leider jedoch allzu oft dazu, den darunterliegenden Mutterhass weiter zu verleugnen.
Wiederholung der primären Liebesbeziehung

Weil sich die Mutterbeziehung unbewusst in unsere Psyche abspielt, wiederholt sich die Qualität unserer primären Liebesbeziehung in allen weiteren Liebesbeziehungen in unserem Leben. Angst, Ärger, Wut, Hass und tiefer Schmerz aus der Mutterbindung fließen in alle weiteren Beziehungen hinein, in denen wir uns Liebe erhoffen. Das Unterdrücken unserer Gefühle, das grundsätzliche Misstrauen in einen anderen Menschen und die Zurückhaltung, unsere konkreten Liebesbedürfnisse zum Ausdruck zu bringen, werden unter diesen Umständen zum Prinzip der Gestaltung von Liebesbeziehungen.

Ein Mensch, der den Schmerz des von seiner Mutter nicht geliebten Kindes in seinem Herzen trägt, öffnet dieses nie wieder ganz. Er bleibt vorsichtig, weil er nicht noch einmal diesen existenziell bedrohlichen Urschmerz fühlen möchte, der weiterhin unerlöst aus seiner Mutterbeziehung in ihm schlummert. Solche neuen Liebesbeziehungen werden aus Angst, wieder in frühkindliche Traumagefühle abzurutschen, meist zu einem krampfhaften Bemühen, die gedankliche Kontrolle über die eigenen Bedürfnisse und Gefühle zu behalten. Das notwendige Scheitern derartiger Liebesbeziehungen führt jedoch nur dazu, nach immer wieder neuen Liebesbeziehungen Ausschau zu halten. Solange die in der eigenen Psyche unbewusst ablaufenden Prozesse nicht durchschaut werden, geht das ein Leben lang so weiter.

Verliebtsein und Liebe

Geliebt werden wollen ist auf die dauerhafte Bestätigung der eigenen Person gerichtet. Ich will, so wie ich bin, von einem anderen Menschen emotional angenommen sein. Eine partnerschaftliche Liebe zu einem anderen Menschen kann jedoch die Selbstliebe nicht ersetzen. Partnerschaften oder Freundschaften sind kein Ersatz, sondern nur ein Zusatz für die Liebe zu sich selbst.

Eine große Schwierigkeit für viele Menschen, mit dem Thema Liebe zurecht zu kommen, besteht darin, dass sie Liebe und Verliebtheit nicht richtig voneinander unterscheiden können. Verliebtheit ist ein sich aufgrund hormoneller Ausschüttungen periodisch in einem Menschen einstellender Zustand, paarungsbereit zu sein. Mit der Paarung hat dieser Zustand quasi sein Ziel erreicht und flaut daher wieder ab. Menschliche Fortpflanzung kann auch völlig ohne Liebe geschehen. Sexuelle Lust alleine reicht dafür aus. Ja sogar aus einem Gewaltakt können Kinder entstehen.

Für Männer ist mit dem Sexualakt ihr Job in puncto Fortpflanzung getan. Frauen hingegen haben ohne Liebe keine Freude an ihren Kindern. Zu ihrer Fruchtbarkeit als Frau muss Mutterliebe hinzukommen, sonst wird das Muttersein für sie und ihr Kind zum Desaster. Diese Mutterliebe muss auch stärker sein als die Liebe zu irgendeinem anderen Menschen, sei es zur eigenen Mutter, zum Mann oder einem anderen Kind, das sie bereits geboren hat. Wenn eine Frau Angst vor ihrem Mann hat, ist das für sie und ihr Kind eine Katastrophe. Sie kann dann weder sich noch das Kind vor der Zudringlichkeit, Übergriffigkeit und Gewalt ihres Mannes schützen.

Für Männer ist das Vatersein eine Chance, ihre eigene Liebesfähigkeit, die auch jeder Mann qua Menschennatur in sich trägt. weiter zu entwickeln und aus ihrer Konkurrenzorientierung herauszuwachsen. Sie können dann lernen, dass sexuelle Lust kein Ersatz für ihr Bedürfnis ist, als Mann, so wie man ist, geliebt zu werden. Sie können auf diese Weise auch begreifen, dass man einen anderen Menschen nicht besitzen kann – weder eine Frau noch die eigenen Kinder (1).

Als kleiner Tipp am Rande für jene, die sich nach Partnerschaft und Ehe sehnen: Heirate niemanden, der noch nicht mit sich selbst verheiratet ist.

Nach dem Abflauen des Verliebtheitszustandes kommen die darunter liegenden psychischen Realitäten in Bezug auf die Liebe wieder zum Vorschein. Dann gewinnt die psychische Dynamik der enttäuschten kindlichen Bedürfnisse nach Mutter- und Vaterliebe wieder die Oberhand und nimmt in einer Partnerbeziehung Fahrt auf. Mutter- und Vaterhass mischen sich in ein in den Beziehungsalltag, der intime Partner ist dafür nun die stets vorhandene Zielscheibe. Das Beziehungsleben wird dadurch zuweilen zur Wiederholung der Hölle, die man als Kind schon mit Vater und Mutter erlebt hat.

Ist „Narzissmus“ Selbstliebe?

Es gibt eine psychiatrische Diagnose, die sich „narzisstische Persönlichkeitsstörung“ nennt. Als ihre Merkmale werden aufgelistet:

  1. Hat ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit (z. B. übertreibt die eigenen Leistungen und Talente; erwartet, ohne entsprechende Leistungen als überlegen anerkannt zu werden).
  2. Ist stark eingenommen von Fantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Glanz, Schönheit oder idealer Liebe.
  3. Glaubt von sich, „besonders“ und einzigartig zu sein und nur von anderen besonderen oder angesehenen Personen (oder Institutionen) verstanden zu werden oder nur mit diesen verkehren zu können.
  4. Verlangt nach übermäßiger Bewunderung.
  5. Legt ein Anspruchsdenken an den Tag (d. h. übertriebene Erwartungen an eine besonders bevorzugte Behandlung oder automatisches Eingehen auf die eigenen Erwartungen).
  6. Ist in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch (d. h. zieht Nutzen aus anderen, um die eigenen Ziele zu erreichen).
  7. Zeigt einen Mangel an Empathie: Ist nicht willens, die Gefühle und Bedürfnisse anderer zu erkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren.
  8. Ist häufig neidisch auf andere oder glaubt, andere seien neidisch auf ihn/sie.
  9. Zeigt arrogante, überhebliche Verhaltensweisen oder Haltungen (2).

Menschen, die solche Eigenschaften zeigen, wollen offenbar im Mittelpunkt stehen und bewundert werden. Warum? Weil sie es ganz offenbar psychisch nötig haben! Weil sie sich ohne die beständige Bewunderung von anderen Menschen klein und unbedeutend fühlen. Weil sie sich sonst ihres Daseins schämen. Nach meinen Erfahrungen sind das also vor allem Kinder, die von ihrer Mutter nicht gewollt sind und sich daher dafür schämen, dass es sie überhaupt gibt. Diese Daseins-Scham im Verhältnis zur eigenen Mutter soll dann durch Macht, Geld, Ruhm und Glanz kompensiert werden. Auch von ihrem Vater haben sie meist die Botschaft erhalten, klein und dumm zu sein und ihm keinesfalls das Wasser reichen zu können.

„Narzisstisch“ veranlagten Menschen gelingt es durchaus, mitfühlendes Verhalten mit anderen Menschen zu zeigen. Dieses Mitgefühl ist jedoch sehr berechnend und manipulativ. Solange der andere mitspielt und die eigenen narzisstischen Bedürfnisse befriedigt, geht das für eine Weile gut. Aber es kommt mit Sicherheit der Moment, an dem das narzisstische Mitgefühl in Ablehnung und oft blanken Hass umschlägt, sobald der verdrängte Urschmerz aus der Mutterbeziehung wieder nach oben drängt (3).

Wahnsinnsprojekte

Der Grundirrtum einer solchen Überlebensstrategie für eine traumatisierende Elternbeziehung besteht hier in der Vorstellung: Wenn ich nur wichtig genug für andere bin, dann bin ich es auch für Mama und Papa wert, da zu sein und geliebt zu werden. Da auch viele andere nach so etwas streben, werden sie sofort als Konkurrenz erlebt und aus dem Feld zu drängen versucht. So kann eine ganze Gesellschaft leicht ein Haifischbecken narzisstisch gestörter Menschen werden, die ihren Mitmenschen aus ihrer kindlichen Not heraus ihre grandiosen Projekte verkaufen und aufdrängen wollen. Solche Projekte sind meist größenwahnsinnig und übersteigen leicht die Grenzen des noch Vorstellbaren („Heute gehört und Deutschland und morgen die ganze Welt!“).

Bei näherer Betrachtung sind solche dann oft auch schnell wechselnden, scheinbar genialen und grandiosen Ideen oft nichts als heiße Luft, auch wenn sie real Millionen von Menschen ins Verderben reißen können, sofern ein Narzisst nur die Macht- und Geldmittel dafür zur Verfügung hat, seine Wahnsinnspläne zu verwirklichen. Für den „Narzissten“ sind reale Menschen nur die Statisten in seinem Kopfkino. Es kommt ihm nur auf die Masse seiner Bewunderer an, nicht auf deren wirklichen Bedürfnisse.

Nicht nur die Kinder aus Herrscherdynastien, in denen es meist ebenso an echter Mutter- wie Vaterliebe fehlt wie bei den sogenannten kleinen Leuten, toben ihren Narzissmus in vielen Varianten aus. Auch Menschen, die aus ärmlichen Verhältnissen kommen, haben die Vorstellung, es würde ihnen besser gehen, wenn sie zu den Reichen, Mächtigen und Berühmten gehörten. Sie sind daher leicht von denen zu verführen und zu kaufen, die über die entsprechenden Macht- und Finanzmittel verfügen. So kommen immer wieder auch Leute aus einfachen ganz nach oben ins Rampenlicht der Weltpolitik. Sie werden dort zu den gefügigen Marionetten der eigentlich Mächtigen und Reichen.

Auch Tyrannen und Mörder wollen geliebt werden

So werden aus den ehemals liebevollen kleinen Menschenwesen leider viele große Menschen, die nach dem Motto leben: Wenn ich schon nicht geliebt werde, sollen die anderen zumindest in Angst und Schrecken vor mir leben und sich vor mir in Acht nehmen müssen. Sie trainieren sich eine entsprechend feindselige Haltung an und legen sich auch Machtmittel und Waffen zu, mit denen sie andere bedrohen, unter ihre Kontrolle bringen und gegebenenfalls auch töten können. Wollen solche Menschen also nicht geliebt werden?

Auch in solchen Fällen ist das Urbedürfnis, von der eigenen Mutter geliebt zu werden, nur von zahllosen Überlebensstrategien und Verstrickungen mit den mütterlichen Traumata überlagert. Hinzukommen noch die vielen lieblosen und gewalttätigen Väter mit ihren zahllosen psychischen Wunden. Auch die Trumps, Xi Jinpings, Erdogans, Merkels, Putins etc. dieser Welt wollen im Grunde ihres Herzens geliebt werden. Sie wollen deshalb sogar für immer im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen.

Sie wollen bewundert und für ihre vermeintlich großartigen Leistungen für ihr Volk oder sogar die gesamte Menschheit anerkannt werden. Daher können sie sich nur schwer von der Macht wieder trennen, sobald sie sich diese einmal erobert haben. Im Grunde wollen sie Liebe und Zuneigung mit aller ihnen zur Verfügung stehenden Gewalt erzwingen Ähnlich wie Kinder das schon auf dem Pausenhof machen, wenn sie Geschenke an andere Kinder verteilen, um sich beliebt zu machen, müssen sie sich Journalisten, Minister und Berater kaufen, die sich dann wegen ihre Abhängigkeit nicht trauen, ein unschönes Wort über sie zu verlieren. Das ist ein im Grunde ein leicht zu durchschauendes Spiel.

Tyrannen und Diktatoren setzen auf Abhängigkeit. Sie wollen, dass andere Menschen von ihnen politisch, wirtschaftlich, sozial und psychisch abhängig sind. Sie erpressen sie mit den entsprechenden Dossiers, die sie über ihre Kontrahenten anlegen. De facto sind aber auch sie psychisch abhängig von anderen Menschen. Alleine, ohne den Kampf mit anderen, sind sie innerlich leer, weil sie ihre eigenen Urbedürfnisse abgespalten haben, und sich damit selbst nicht mehr fühlen und sich daher beständig mit äußeren Erlebnissen anfüllen müssen (4).

Sie erreichen auf diesem Wege das genaue Gegenteil dessen, was sie sich heimlich eigentlich wünschen. Niemand liebt sie ehrlich. Wenn solche Menschen nur einmal die Erfahrung machen könnten, wie einfach es ist, dass die Herzen der Menschen ihnen zufliegen, wenn sie offen und authentisch ihre Gefühle zeigen! Wenn auch sie ihren Schmerz zum Ausdruck bringen. Dann würden sie merken, dass es all dieses Riesenaufwands, den sie betreiben, gar nicht bedürfte.

Durch den Urschmerz gehen

Einsamkeit ist die Folge unterdrückter Urbedürfnisse und der damit einhergehenden Gefühle. Wer sich von seinen gesunden Bedürfnissen abschneidet, macht u.a. seinen eigenen Körper zum Objekt und wird von anderen wie ein Objekt behandelt. Geheilt werden können all diese geistigen Verirrungen, illusionären bis wahnhaften Vorstellungen, welche unsere Trauma-Überlebensstrategien uns nahelegen, letztlich nur durch das Anerkennen unserer Verlassenheitsängste und die Annahme des eigenen Schmerzes, von unserer Mutter nicht geliebt worden zu sein. Ein Schmerz, der weggedacht und weggedrückt, vielleicht sogar mit Drogen oder Medikamenten überlagert wird, der Versuch, so zu tun, als wäre das, was bereits an Verletzungen geschehen ist, heute noch ungeschehen zu machen, macht einen Menschen unreal, zu einer leeren Hülle, in der ein Kopf unablässig rattert, mit Gedanken zu verstehen, was nur gefühlt werden kann.

Wer den Urschmerz seiner Kindheit, das Nichtgeliebtsein durch die eigene Mutter nicht in sich auflöst, ist dazu gezwungen, ihn in tausend Variationen in seinem Leben zu wiederholen. Wer den eigenen Urschmerz negiert, ist nicht in der Lage, sich selbst zu lieben. Er kann daher auch andere nicht lieben. Eigener nicht erlöster Urschmerz führt im Gegenteil sogar dazu, anderen ebenso solche Schmerzen zuzufügen. Eigene Kinder, Menschen, die von einem abhängig sind, werden für die Illusion missbraucht, man könne den eigenen Schmerz auf jemand anderen abladen. Das mag kurzfristig zu Entlastungen führen, langfristig funktioniert das nicht.

Der durchlebte Urschmerz macht uns hingegen wieder zu einer realen Person. Über diesen Schmerz kommen wir nach Hause in unseren lebendigen Organismus zurück, der wir sind. Emotional in unserem Körper verankert, können wir nicht mehr länger geistig-mental in der Vergangenheit oder in einer fernen Zukunft leben. Im Körper zu sein, bedeutet in der Gegenwart zu leben. Wenn ich in meinem eigenen Körper bin, kann ich mich auch nicht mehr mit einer anderen Person identifizieren. In der Vorstellung geht das, körperlich nicht. Ich und mit sich selbst identisch kann jeder nur in seinem eigenen Körper sein. Ein von den Fesseln der Überlebensstrategien befreites Herz ist jetzt wieder offen für das eigene Leben, die eigene Liebe und alle Gefühle, die dazu gehören, sei dies Angst, Ärger, Wut, Scham oder Schmerz. Auch den Mutter- und Vaterhass kann ich mir dann als etwas eingestehen, was in meiner Kindheit notwendigerweise entstanden ist und mir meine Psyche und meine Beziehungen vergiftet hat. Auch diesen Hass kann ich dann loslassen.

Gesellschaftliche Missachtung von realer Mutterliebe

Die Fähigkeit zu lieben und geliebt zu werden, ist das größte Kapital von uns Menschen. Moderne Gesellschaften untergraben jedoch systematisch die Fähigkeit von Frauen, reale, d.h. vor allem körperliche Mutterliebe zu fühlen und zu zeigen. Bereits während der Schwangerschaft und in den Geburtsprozessen geraten die meisten Frauen unter ein medizinisches System der Überwachung und Kontrolle, das ihre eigen Fähigkeiten gering schätzt und sie und ihren Körper zu Objekten zahlloser medizinischer Interventionen macht. Auch nach der Geburt ihres Kindes wird Frauen oft flächendeckend die frühe Fremdbetreuung ihrer Kinder als moderne Bildungsmaßnahme angeboten. Mütter und Kinder werden einander immer mehr entfremdet (5). Hinzukommt ein hohes Maß an sexualisierter Gewalt, das viele Frauen bereits während ihrer Kindheit und Adoleszenz erleben. Auch das untergräbt und zerstört ihre Fähigkeiten, gut in ihrem Körper verankert zu sein, dessen Urbedürfnisse zu fühlen und ihren lebendigen weiblichen Organismus dann einem Kind als Lebens- und Liebesgrundlage anbieten zu können.

Wie beschrieben führt zudem der in vielen Männern über ihren Mutterhass entstandene Frauenhass zu einem Krieg der Geschlechter.

So entstehen ganze Gesellschaften, in denen die Mutterliebe eher als eine Vorstellung und Liebesillusion denn als real gelebte Mutterliebe existiert. Die Frauen in solchen Gesellschaften haben entsprechend irreale Vorstellungen von einem Traummann, von Wunschkindern und einer heilen Familie. Sie basteln daran mir hohem Eifer und persönlichem Einsatz. Was sie aufgrund ihrer eigenen Lebensgeschichte daran hindert, dass ihre Träume in Erfüllung gehen und mit großer Regelmäßigkeit scheitern, wollen sie nicht so gerne wissen. Das würde ja wieder ihre Urängste und ihren Urschmerz anrühren.

Daher ist es auch ein Tabubruch, wenn ich so direkt den Finger in die Wunde der Mutterliebe lege. Die meisten Menschen reagieren darauf zunächst mit Ärger und Wut und wollen diese für sie schmerzhafte Wahrheit nicht wissen und wehren sie ab. Auch ganze Fraktionen des Feminismus befinden sich in einem Abwehrkampf gegen Mütterlichkeit, die ihnen vermeintlich als zu primitiv und die Frauen diskriminierend erscheint, weil Mutterliebe sie auf das bloße Muttersein festlege und vom sonstigen gesellschaftlichen Leben ausschließe.

Da auch der Mutterhass in solchen Gesellschaften tabuisiert wird, fließt dieser Hass in sämtliche gesellschaftlichen Strukturen hinein. Jeder, der mir nicht passt, mich zurückweist, nicht ausreichend anerkennt, meinen Überlebensstrategien im Wege steht, meine Weltanschauung nicht teile, ist in Gefahr, diesen Hass abzubekommen. Frustrierte Mutterliebe und daraus entstehender Mutterhass führt dazu, die Welt in Gut und Böse, in Freund und Feind einzuteilen.

Politiker als Mutterersatz-Figuren

So kommt es schließlich, dass die meisten Mitglieder in solchen Gesellschaften in ihren realen Liebesbedürfnissen tief frustriert sind. Sie leiden nahezu alle unter einem Mangel an Mutterliebe. In ihren Überlebensstrategien sind sie dadurch fast nur am Außen orientiert, müssen nach permanenten Ablenkungen von ihren psychischen Schmerzen suchen und sind in ihren Verlassenheitsängsten und im Dauerstress ihrer Beziehungsgestaltungen gefangen. Aus ihren Liebesillusionen heraus versteigen sie sich immer wieder in Liebeswahnsysteme – in sämtlichen gesellschaftlichen Sphären. Der Partner, die eigenen Kinder, Freunde, Chefs, Kunden, Wähler … alle werden mehr oder weniger unbewusst durch die Brille der eigenen Mutterliebe-Erfahrung gesehen. Ablehnung, Gleichgültigkeit, Gewalterfahrungen und Hass – alles wird im jeweiligen Kontext unbewusst blind reinszeniert.

Auf Lehrer, Vorgesetzte, Ärzte oder Politiker werden dann ebenso Mutterprojektionen gerichtet statt solche Menschen nur als diejenigen zu sehen, die uns hilfreich durch unser Leben begleiten könnten, wobei die Verantwortung für unser eigenes Glück immer bei uns selbst bleibt. Kein Wunder, dass sich dann gesellschaftliche Führungspersonen, von denen wir wie kleine Kinder unser Glück abhängig machen, auch in die Vorstellung hineinsteigern, sie wären für unser Leben zuständig. Sie werden, entsprechend narzisstisch vorgeprägt durch ihre eigene Kindheit, dann immer dominanter und übergriffiger, je mehr von ihnen erwartet wird. Sie behandeln uns letztlich wie unmündige Kinder, statt sich gemäß ihrer eigentlichen Aufgabe, schlicht dem Allgemeinwohl verpflichtet zu sehen. Was wir schon in unserer Familie an Zurückweisung unserer Bedürfnisse erdulden mussten, erleben wir dann auf gesellschaftlichem Niveau erneut. Wenn Frauen mit einem riesigen Mutterliebe-Defizit Politikerinnen werden und Machtpositionen erobern, sind sie für die Bevölkerung kein Deut anders und besser als liebesfrustrierte Männer. Auch sie beherrschen das Manipulieren, Kontrollieren und „wir müssen uns noch mehr anstrengen und den Gürtel enger schnallen und Opfer bringen“ ebenso gut wie Männer. Auch sie leben ihre Mutterhass verdeckt an der gesamten Bevölkerung aus.

Geld kann Mutterliebe nicht kaufen.

Auch Geld kann zum Mutterliebe-Ersatz werden. Wenn ich Geld habe, kann ich mir alle meine Wünsche erfüllen – auch das ist eine große Illusion. Niemand kann sich mit Geld Mutterliebe kaufen. Wenn man diese nicht in ausreichendem Maße fühlen konnte, ist sie um kein Geld der Welt zu bekommen. Daher wird von vielen Menschen, das meiste Geld, das sie haben, für Trauma-Überlebensstrategien verpulvert. Das geschieht im Kleinen bei jedem Einzelnen von uns und das geschieht auch im großen Stil auf institutioneller und staatlicher Ebene.

Die Welt = die Mama retten

Abgetrennt von unserem Bedürfnis, von unserer Mutter geliebt zu werden, legen wir uns in unserem Kopf eine ideale Welt zurecht. Weil wir uns so das Leben immer schwerer und die reale Welt mit unseren Illusionen immer mehr zerstören, stehen wir dann vor dem nie endenden Problem, diese Welt mit viel Aufwand und scheinbar genialen Ideen immerzu retten müssen. So werden aus den einstmals kindlichen Opfern von Lieblosigkeit erwachsene Täter mit einem guten Gewissen. Sie fordern im Wettbewerb der Weltrettungsideen von sich und allen anderen, alles in die Waagschale zu werfen und das eigene Glück für die Idee einer idealen Welt = Mama zu opfern. Das sind aus meiner Sicht die Wurzeln des Globalismus und der Vorstellung mancher Menschen, sie müssten den Menschen neu erschaffen. Würden Sie es doch nur versuchen, sich selbst erst einmal zu finden, dieses kleine bedürftige Kind in ihnen, das nach der Liebe seiner Mama schreit, dann müssten sie in ihrer Vorstellung nicht Gott spielen und die den gesamten Globus ins Unglück reiten.

Statt die Traumata aufzuarbeiten, die unsere Vorgenerationen durch Gewalt und Kriege bereits geschaffen haben, macht auch die heutige Generation leider munter weiter und erzeugt fortlaufend neue Traumata, die sie unreflektiert an die nächste Generation weiterreicht.

Das System ist alles, du zählst nichts

So entstehen gesellschaftliche Systeme, die sich über dem einzelnen Menschen stellen und scheinbar bedeutsamer und wichtiger sind als er. Der Einzelne muss solchen Systemen dienen, seinen scheinbar „objektiven“ Gesetzmäßigkeiten gehorchen, statt, wie es sinnvolle wäre, dass solche Bildungs-, Gesundheits-, Kultur-, Wissenschafts-, Wirtschafts- oder Politiksysteme für sein gutes Leben sorgen. Ungeliebte Kinder akzeptieren solche Systeme, weil sie ihnen die Wahrheit ersparen, den Schmerz des Ungeliebtseins von der eigenen Mutter zu fühlen. Daher werden solche Systeme von den ursprünglichen Opfern mütterlicher Ablehnung mit viel Einsatz am Leben gehalten. Macher und Mitmacher sitzen hier in einem Boot und sind sich insgeheim einig, nicht am eigenen Schmerz zu rühren. Stattdessen leben wir dann gemeinsam unseren Mutterhass an anderen aus, die nicht zu uns gehören.

In traumatisierten Gesellschaften haben deshalb auch nur wenige Menschen eine Vorstellung davon, wie ein auf Liebe gegründetes Zusammenleben in Beziehungen, Familien oder insgesamt in der Gesellschaft aussehen könnte. Die meisten wissen, was sie nicht wollen und nicht wirklich behagt. Was sie hingegen wollen, dafür fehlt der Mehrheit nach wie vor die Vorstellungen.

In solchen traumatisierten Gesellschaften ist es daher schon ein großer persönlicher Erfolg, diesen nicht im Außen, in Partnerschaft, Familie, Geld und Macht zu suchen, sondern darin, endlich Ich zu werden und stabil Ich zu sein.

Die Grundirrtümer erkennen

Fazit: Liebe lässt sich nicht mit Gewalt erzwingen, weder mit Gewalt gegen andere und noch mit Gewalt gegen sich selbst. Das funktioniert nicht. Solche Versuche bedeuten nur permanente Anspannung, Wut, Aggression, Dauerstress, Krankheit und Tod. Liebe und damit tiefes Lebensglück sind auch nicht käuflich zu erwerben. Wer diese Irrtümer nicht erkennt, macht sich und andere unglücklich. Die Geschichte der Menschheit zeigt diese Fehleinschätzung in tausenden von Facetten und auch unsere Jetzt-Zeit macht dies mit aller Deutlichkeit klar. Wer sein eigenes Lebensglück nicht findet, neidet anderen deren Glück und kann es nicht ertragen, dass sie sich gut und geliebt fühlen. Das kann man schon bei kleinen Kindern im Sandkasten beobachten.

Zurück in die Selbstliebe finden

Seit ich den Schmerz der Ablehnung durch meine Mutter in vielen Wellen durchlebt habe, habe ich zu meinem Urbedürfnis nach geliebt werden zurückgefunden. Dadurch bin ich in Kontakt gekommen mit meinen tiefsten Existenzängsten, meiner Daseins-Scham, meinem Ärger, meiner Wut und auch meinen abgrundtiefen Hass sowohl auf meine Mutter wie auf meinen Vater.

Ich sehe mich und meine Mitwelt nun mit anderen Augen. Ich spüre meine bedingungslose Liebe zu mir selbst. All das, was ich ursprünglich von meiner Mutter haben wollte, kann ich mir nun selbst geben. Und ich fühle, dass auch andere Menschen mir seitdem mit einer viel größeren Offenheit und Liebe begegnen. Auch weil ich sie nicht mit meinen unbewussten Mutterliebe-Sehnsüchten oder meinen Hunger nach väterlicher Zuwendung überfordere.

Ich erinnere mich jetzt bei jedem Konflikt, der mir im Alltag begegnet, an dieses mein Urbedürfnis. Ich will geliebt werden und wünsche es auch jedem anderen, dass er zu diesem seinem Urbedürfnis wieder Zugang findet. Auf dieser Basis lässt sich jeder Konflikt einvernehmlich und konstruktiv-kooperativ lösen. „Die Welt“ = meine Mama muss ich mit meinen Vorstellungen und Anstrengungen nicht mehr retten.

Weil ich für mich selbst wertvoll bin, sehe ich auch andere Menschen als wertvoll an. Auch die Dinge um mich herum sehe ich mit anderen Augen. Ich erkenne nun deutlicher, was für mich einen Wert für mein Leben hat und was nicht.

Lieben und Helfen

Viele Menschen, die nicht bei sich sind, meinen, anderen helfen zu können und zu müssen. Das ist ebenfalls ein großer Irrtum. Was ich einem anderen Menschen anbiete, wenn ich nicht in meiner Selbstliebe bin, können letztlich nur meine eigenen Trauma-Überlebensstrategien sein. Entsprechend enttäuscht oder sogar zornig bin ich, wenn ein anderer Mensch dieses Angebot nicht annimmt. Mit Überlebensstrategien kann man einen anderen Menschen nur dann beglücken, wenn diese auch nicht mehr will, als zu überleben, weil er vor seinem Leben flüchtet, um nicht mit seinem Schmerz des ungeliebten Kindes konfrontiert zu werden.

Überlebenshilfe, sei es von den eigenen Eltern, von Lehrern, vom Staat, wird einem von anderen Menschen daher meist aufgedrängt, oft sogar aufgezwungen. Und man gilt dann als undankbar, vielleicht sogar unsozial, wenn man eine solche Hilfe ablehnt.

Beim Helfen auf der Basis gesunder Selbstliebe weiß ich hingegen, dass jeder Mensch nur sein eigenes Leben leben kann. Keiner kann das für den anderen tun und ihm diese Verantwortung abnehmen.

Was ich will in Zeiten von „Corona“?

Ich will lieben und geliebt werden. Ich will Beziehungen leben, die auf Wahrhaftigkeit beruhen. Ich will mich sicher fühlen vor Gewalt und Repressionen. An alle, die in Zeiten von „Corona“ meinen, sie müssten mir etwas Gutes tun: Ich will Eure Masken, Tests und Spritzen nicht. Ich will, wenn dann reale Liebe, die aus Eurem Herzen kommt. Wenn ihr mir das nicht geben könnt, so lasst mir meine Freiheiten und lasst mich in Frieden.

Quellen und Anmerkungen:

  1. Franz Ruppert (2020). Liebe. Lust und Trauma. Unterwegs zu gesunder sexueller Identität. München: Kösel Verlag.
  2. https://de.wikipedia.org/wiki/Narzisstische_Pers%C3%B6nlichkeitsst%C3%B6rung abgerufen am 15.2.2021
  3. Hans-Joachim Maaz (2012). Die narzisstische Gesellschaft. Ein Psychogramm. München: C.H. Beck.
  4. Franz Ruppert (2018). Wer bin Ich in einer traumatisierten Gesellschaft. Stuttgart: Klett-Cotta Verlag.
  5. Michael Hüter (2018). Kindheit 6.7. Ein Manifest. Norderstedt: Books on Demand.
  6. Franz Ruppert (2021). Ich will Liebe, Wahrheit und Sicherheit. Was geschieht mit unseren Grundbedürfnissen in Zeiten von „Corona“? Chronik meiner Bewusstwerdung. München: Eigenverlag.

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Danke an den Autoren für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle:  Max Ksenofontov/ shutterstock

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