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China legt das US-dominierte globale Finanzsystem still

China legt das US-dominierte globale Finanzsystem still

Ein Meinungsbeitrag von Felix Abt.

Gold, Renminbi und Infrastruktur: die Werkzeuge, um globale Märkte umzugestalten

Die Spannungen zwischen China und den Vereinigten Staaten eskalieren erneut – und diesmal geht es nicht nur um Zölle. Während Handelszölle weiterhin ein wichtiges Schlachtfeld sind, liegt die tiefere Veränderung in Chinas Bestreben, die finanzielle Dominanz der USA auf der globalen Bühne in Frage zu stellen.

Der strategische Druck Washingtons

US-Beamte, allen voran Finanzminister Scott Bessent, haben den Druck auf multilaterale Institutionen erhöht, ihre Unterstützung für China einzuschränken. Bessent argumentiert seit Langem, dass Peking seine Wirtschaft neu ausrichten muss: weniger produzieren, mehr konsumieren und seine Märkte für US-Exporte öffnen. Oberflächlich betrachtet klingt das fair. Aber Peking kann nach seinen eigenen Regeln spielen – und tut dies auch.

In einem subtilen, aber strategischen Schachzug forderte Bessent kürzlich die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) auf, keine Kredite mehr an China zu vergeben, um die Finanzierung von Pekings Auslandsprojekten einzuschränken. Zwar mangelt es China nicht an Geld – sein Handelsüberschuss beträgt über 1 Billion US-Dollar –, doch der Zugang zu globalem Kapital verschafft ihm wesentlich mehr Spielraum und Einfluss.

Dies war keine isolierte Maßnahme. Bessent drängte auch die Weltbank und den IWF, ihre Kreditpolitik gegenüber China zu ändern, und forderte damit faktisch eine Angleichung an die geopolitischen Ziele der USA. Er knüpfte sogar die Zustimmung des Kongresses zu Bidens internationaler Finanzhilfe in Höhe von 4 Milliarden Dollar an diese Reformen und signalisierte damit, dass die finanzielle Unterstützung der USA nun an politische Bedingungen geknüpft ist.

Diese Taktik spiegelt eine umfassendere Strategie wider: den Einfluss der USA in der globalen Finanzwelt zu nutzen, um Chinas Aufstieg zu blockieren. Doch Peking bleibt nicht untätig.

Auftritt der AIIB: Chinas finanzielle Gegenoffensive

Peking schlägt zurück – still, aber effektiv – mit der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB), einer 2016 gegründeten multilateralen Institution. Mit Plänen zur Eröffnung neuer Büros in Singapur und Hongkong erweitert die AIIB ihre Reichweite in die wichtigsten Finanzzentren Asiens.

In der Finanzwelt diktiert oft der Kreditgeber die Bedingungen. China, lange Zeit Kreditnehmer in dem von den USA dominierten System, positioniert sich durch die AIIB als wichtiger Kreditgeber.

Drei Dinge, die man über die AIIB wissen sollte:

  1. Sie ist ein ernstzunehmender Akteur – Mit einem Vermögen von über 57 Milliarden US-Dollar und fast 52 Milliarden US-Dollar, die in 38 Ländern zugesagt sind, ist die AIIB kein Leichtgewicht. Es überrascht nicht, dass die USA kein Mitglied sind – und es wahrscheinlich auch nie sein werden.
  2. China hat die Zügel in der Hand – Mit 26 % der Stimmrechte kann China wichtige Entscheidungen blockieren, ähnlich wie die USA im IWF.
  3. Die Kreditvergabe ist strategisch – Viele von der AIIB unterstützte Projekte stehen im Einklang mit Chinas Belt and Road Initiative (BRI) und lenken Kapital in Sektoren wie Energie und Verkehr, um chinesische Exporte und den Einfluss des Landes zu fördern.

Ein Paradebeispiel ist ein Kredit in Höhe von 75 Millionen US-Dollar an Usbekistan für Windenergie und Batteriespeicher. Von der Beteiligung von PowerChina bis hin zum voraussichtlichen Einsatz chinesischer Turbinen und Batterien von CATL oder BYD dient das Geschäft auch als Vehikel zur Förderung chinesischer Technologie im Ausland.

Kurz gesagt: China nutzt die AIIB, um Einfluss aufzubauen, Industrieexporte anzukurbeln und die finanzielle Vorherrschaft der USA zu untergraben.

Die goldene Absicherung: Chinas Umstellung von Dollar auf Gold

Chinas Strategie geht über Kredite hinaus. Sie verlagert auch ihre Devisenreserven weg von US-Vermögenswerten hin zu Gold. Im vergangenen Jahr hat die People's Bank of China 127 Tonnen Gold hinzugefügt und damit ein Ein-Jahres-Hoch erreicht. Dies ist keine Spekulation, sondern strategisch motiviert.

Gold bietet Schutz vor Sanktionen und westlichen Finanzinstrumenten. Chinas Zentralbank hat die Importquoten erhöht und große Geschäftsbanken dazu ermutigt, ihre Goldreserven aufzustocken.

Unterdessen tun chinesische Bürger, die mit Schwankungen auf dem heimischen Immobilienmarkt konfrontiert sind und US-Vermögenswerten misstrauisch gegenüberstehen, dasselbe.

Während die Mittelschicht in den USA schrumpft und sich zunehmend verschuldet, wächst die Mittelschicht in China und verfügt über beträchtliche Ersparnisse. Bild: voll besetztes Restaurant in Shanghai (Foto; Felix Abt)

Chinas Mittelschicht nimmt weiter zu, und da der Immobiliensektor noch keine klare Bodenbildung erreicht hat, wenden sich viele Haushalte Gold als bevorzugtem Wertspeicher zu. Im Jahr 2024 stiegen die inländischen Goldpreise um 28 Prozent und machten Gold zu einem der Vermögenswerte mit der besten Wertentwicklung im Land. Dieser Anstieg hat eine Welle von Goldinvestitionen in ganz China ausgelöst, auch in kleineren Städten. Um die Nachfrage zu befriedigen, werden neue Goldgeschäfte eröffnet – sogar in Orten wie Hekou, einer kleinen Stadt in der Provinz Yunnan.

Eröffnung eines neuen Goldgeschäfts in Hekou (Bild: Felix Abt)

Parallel dazu hat China seine Bestände an US-Staatsanleihen in den letzten fünf Jahren von über 1,1 Billionen US-Dollar auf nur noch 760 Milliarden US-Dollar reduziert. Die Botschaft ist klar: China will seine Bemühungen zur Eindämmung seines eigenen wirtschaftlichen Aufstiegs nicht länger finanzieren.

Global Finance, Rewired

Durch die AIIB und eine umfassendere Entdollarisierung verfolgt China eine mehrgleisige Strategie:

  1. Aufbau globaler Einflussnahme durch die Finanzierung von Infrastruktur in Partnerländern.
  2. Untergrabung der Dominanz des Dollars durch die Abwicklung eines größeren Teils des Handels in Renminbi (RMB).
  3. Unterstützung der eigenen industriellen Basis durch die Verknüpfung der Entwicklung in Übersee mit chinesischen Lieferketten. Auf dem China-ASEAN-Golf-Gipfel brachte Peking die Idee eines neuen „dynamischen Wirtschaftskreislaufs“ ins Spiel. Das Ziel: Ländern eine Alternative zur von den USA geführten Finanzordnung zu bieten. Während sich Washington mit Zöllen und Protektionismus nach innen wendet, erweitert China seinen Einflussbereich – Kredit für Kredit, Goldbarren für Goldbarren.

Produktionskraft: Pekings überragender Vorteil

Bessents Forderung nach einer Reduzierung der Produktion in China mag in westlichen Hauptstädten gut ankommen, entspricht jedoch nicht der wirtschaftlichen Realität. Die Fertigungsindustrie macht etwa 25 Prozent des chinesischen BIP aus und ist von zentraler Bedeutung für die Wachstumsstrategie des Landes – insbesondere vor dem Hintergrund der US-Sanktionen im Bereich Chips und Technologie.

Pekings Antwort ist klar: expandieren, nicht zurückziehen. Eine neue „Made in China“-Strategie ist in Arbeit, und der nächste Fünfjahresplan, der für März 2026 vorgesehen ist, wird voraussichtlich den Schwerpunkt auf Halbleiter, KI und Robotik legen. Im Gegensatz zu den USA, deren Produktionsbasis von 30 Prozent des BIP im Jahr 1990 auf nur noch 17,2 Prozent geschrumpft ist, hat China seinen industriellen Motor aufrechterhalten. Dies macht das Land unverzichtbar für globale Lieferketten – und widerstandsfähig gegen Isolationsstrategien wie Bessents Vision einer „Festung Amerika“.

Warum schließen sich Länder wie Deutschland oder Japan nicht den Sanktionen der USA gegen China an? Weil dies bedeuten würde, ihre eigenen Lieferketten zu sanktionieren.

Chinas Bildungssystem: eine tragende Säule

Ein weiterer Trumpf im Wirtschaftskrieg der USA gegen China sind die Universitäten. Chinesische Hochschulen agieren in einem hart umkämpften Umfeld und bringen Absolventen hervor, die sich auf dem globalen Markt behaupten können. Dies spiegelt die dynamischen Märkte Chinas wider, die, wie die Harvard Business Review feststellt, kontinuierlich weltweit führende Unternehmen hervorbringen, die im Westen oft beneidet und gefürchtet werden. Der konfuzianische Bildungsansatz bietet einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber westlichen Systemen, auf den ich in einem späteren Artikel näher eingehen werde.

Steigende Exporte, Zölle hin oder her

Selbst nach einer immobilienbedingten Konjunkturabkühlung im Inland verzeichnen Chinas Industrieexporteure im Ausland einen Aufschwung. Chinesische Elektro-Lkw und Schwermaschinen sind deutlich günstiger als westliche Alternativen. Ohne Zölle wären sie um 50 Prozent günstiger, wenn nicht sogar noch mehr.

Der Exportboom hält an, insbesondere in die BRICS-Länder. Im ersten Quartal 2025 erreichte Chinas Handel mit den BRICS-Staaten 1,5 Billionen Yuan (rund 210 Milliarden US-Dollar), was einem Anstieg von über 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die Botschaft: China ist nicht mehr vom US-Verbrauchermarkt abhängig.

Der RMB auf dem Vormarsch: Der Vorstoß zur Entdollarisierung

Die People’s Bank of China treibt die Abwicklung des Handels in RMB aggressiv voran. Der vorgeschriebene Anteil wurde von 25 Prozent auf 40 Prozent erhöht. In China ist dies keine Empfehlung, sondern eine politische Vorgabe.

Derzeit werden nur 30 Prozent des gesamten chinesischen Handels (43,8 Billionen Yuan oder 6,1 Billionen US-Dollar) in RMB abgewickelt. Bis Ende 2025 könnte dieser Anteil auf 40 Prozent steigen. Jeder Prozentpunkt verringert die globale Abhängigkeit vom Dollar – und lenkt Kapital in die chinesischen Märkte um.

Goldman Sachs schätzt, dass eine Aufwertung des RMB um 1 Prozent die chinesischen Aktien um 3 Prozent steigen lassen könnte. Ein steigender RMB bedeutet eine sinkende Nachfrage nach US-Vermögenswerten und einen zunehmenden Druck auf die Renditen von US-Anleihen.

Tesla vs. BYD: Ein Symbol für den Wandel

Im Bereich der Elektrofahrzeuge verliert Tesla rapide an Boden. Der chinesische Gigant BYD hat die Preise um 10 bis 30 Prozent gesenkt und damit einen globalen Preiskampf ausgelöst. Allein im April wurden in China 1,14 Millionen neue Energiefahrzeuge verkauft. Tesla? Nur 60.000.

Selbst in Europa überholt BYD Tesla trotz höherer EU-Zölle. Chinesische Autohersteller sind auf schlanke Margen und Größe ausgelegt, Tesla nicht. Obwohl Tesla Autos in China produziert, ist das Unternehmen nach wie vor von US-Komponenten abhängig – etwa 10 Prozent – und das macht sich bemerkbar.

Konsumenten interessieren sich nicht für die Politik von Elon Musk oder die der chinesischen Regierung – sie legen Wert auf Preis und Leistung. Chinesische Elektrofahrzeuge schlagen Tesla in beiden Bereichen.

Die drohende fiskalische Abrechnung in den USA

Inmitten dieser globalen Neuausrichtung steht die USA vor eigenen Herausforderungen. Jahrelange Steuersenkungen und unkontrollierte Ausgaben haben das Haushaltsdefizit auf durchschnittlich 9 Prozent des BIP erhöht. In einer Rezession könnte es auf 15 Prozent steigen.

Chinas Bemühungen um eine Abkopplung vom Dollar verstärken die Risiken noch. Ein globaler Bärenmarkt für Anleihen könnte bevorstehen. Der letzte große Zyklus dauerte von 1946 bis 1981, wobei die Renditen von 2 Prozent auf über 15 Prozent stiegen. Wir befinden uns seit fünf Jahren in einem neuen Zyklus, und ohne einen Abschwung könnten die 10-jährigen Renditen 5 Prozent übersteigen.

Wenn es China gelingt, Handel und Finanzen vom Dollar weg zu verlagern, werden die politischen Entscheidungsträger in den USA weniger Instrumente und weniger Einfluss haben.

Fazit: Das Kräfteverhältnis verschiebt sich

Chinas Strategie ist koordiniert, kalkuliert und langfristig angelegt. Sie besteht darin,

  • mithilfe der AIIB und der Belt and Road Initiative seinen Einfluss auszuweiten,
  • Staatsanleihen gegen Gold zu tauschen, um seine Reserven zu sichern,
  • den Dollar im Handel durch den Renminbi zu ersetzen
  • und die Produktion zu verdoppeln, um weltweit wettbewerbsfähig zu bleiben.

Während Washington auf Zölle und Kreditbedingungen setzt, baut Peking ein paralleles System auf – finanziell, industriell und geopolitisch. Die USA mögen heute noch die Kommandohöhen der globalen Finanzwelt innehaben – doch dieser Vorsprung schwindet.

Die Welt schaut zu. Und zunehmend ist es Peking – nicht Washington –, das das Tempo vorgibt.

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Felix Abt ist ein in Vietnam ansässiger Unternehmer, Autor (felixabt.substack.com) und Reiseblogger (youtube.com/@lixplore).

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bild: brennende Ein-Dollar-Note
Bildquelle: Ruslan Lytvyn / shutterstock


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