Zwangsarbeitsmaschine

Bundestag und Bundesrat bringen Hartz-IV-Verschärfungen und »Integrationsgesetz« auf den Weg. Der Druck auf Lohnabhängige wächst.

Von Susan Bonath.

Wie prügelt man in einer automatisierten Industriegesellschaft Menschen in Jobs, die niemand (mehr) bezahlen will? Ganz einfach: Man nimmt ihnen das Existenzminimum weg, wenn sie sich weigern, für wenig oder keinen Lohn zu schuften. Man bezeichnet dies als »Pflichtverletzung« und sanktioniert sie. Die Bundesregierung nennt das »Fordern und Fördern«.

So funktioniert Hartz IV seit fast zwölf Jahren. Jetzt wurde das Gesetz zum neunten mal »reformiert«. Am Freitag drückte der Bundesrat die Novelle durch. Ab August werden Betroffene damit nicht nur noch intensiver rundum überwacht und haben weniger Rechte, sich mit Widersprüchen und Klagen zu wehren. Ihnen drohen auch härtere Sanktionen. Die Bundesregierung führte mit der Novelle ein zweites Strafregime ein.

So können künftig Erwerbslose und Aufstocker zusätzlich zu den Sanktionen belangt werden, wenn sie sich nach Meinung des Jobcenters zu wenig um einen Arbeitsplatz bemüht haben. Verliert etwa eine aufstockende alleinerziehende Mutter ihren Minijob und ein missgünstiger Sachbearbeiter wirft ihr vor, die Kündigung selbst verschuldet zu haben, könnte er ihr vier Jahre lang den nicht mehr verdienten Lohn auf die Hartz-IV-Leistungen anrechnen – Monat für Monat, als »Ersatzanspruch« für »sozialwidriges Verhalten«.

Noch mehr Billigjobber

Doch damit nicht genug: Die Gruppe derjenigen, die zu allen Arbeiten zwangsverpflichtet werden kann, wird weiter vergrößert, und zwar um die Flüchtlinge. Auch das hat der Bundesrat am Freitag mit seiner Zustimmung zum sogenannten »Integrationsgesetz« auf den Weg gebracht. Tags zuvor hatte die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD im Bundestag dafür votiert.

»Integration« heißt für die Bundesregierung: Flüchtlinge sollen in 100.000 neue »Ein-Euro-Jobs« gesteckt werden. Während einheimische Zwangsverpflichtete etwas über einen Euro pro geleisteter Arbeitsstunde als Aufwandsentschädigung erhalten, gibt es für Asylsuchende nur 80 Cent. Arbeiten sie nicht ordentlich genug, können auch ihnen die Sozialleistungen gekürzt werden. Zusätzlich droht ihnen die Abschiebung. Ohnehin erhalten Geduldete weniger als Hartz-IV-Bezieher. So steht Alleinstehenden ein Monatssatz von 354 Euro zu, wenn sie sich selbst versorgen – 50 Euro weniger als deutschen Erwerbslosen. Zusatzleistungen, wie Mehrbedarfszuschläge für Alleinerziehende, gibt es für Flüchtlinge auch nicht.

Wie Hartz.-IV-Bezieher müssen Flüchtlinge dem »Arbeitsmarkt« künftig permanent zur Verfügung stehen. Auch für sie gilt die Ortsanwesenheitspflicht. Heißt: Sie dürfen ungenehmigt ihren Wohnort nicht verlassen. Der kann ihnen nun auch noch vorgeschrieben werden, wenn sie anerkannt sind.

Krieg auf dem Arbeitsmarkt

Mancher mag nun denken: Richtig so. »Die« haben doch noch nichts geleistet hier. Und was Hartz-IV-Bezieher angeht, wird ja schon seit langem das Bild des »faulen Schmarotzers« in die Köpfe gepflanzt. Jedem seine Meinung: Aber wer Ausgrenzung und Versklavung einer oder mehrerer Gruppen befürwortet, könnte am Ende selbst in der (Lohn)Sklaverei enden.

Der Trend geht dahin, immer mehr soziale oder gemeinnützige Arbeiten – von der Landschaftspflege bis hin zur Kinder- und Altenbetreuung – in den zweiten oder dritten Arbeitsmarkt auszugliedern. Es reicht der Stempel »zusätzlich«, um aus regulären Stellen »Ein-Euro-Jobs« zu machen. Hart erkämpfte Arbeitnehmerrechte, wie bezahlte Urlaubs- und Krankentage, gelten für diese nicht.

So wächst der Niedriglohnsektor weiter, während die profitable Produktion zunehmend automatisiert wird. Das wachsende Heer von erpressbaren Erwerbslosen steht schon am Betriebstor, wenn verbliebene Arbeiter nur daran denken, den Chef um mehr Geld oder Urlaub zu bitten. Fliegt einer raus, weil er zu aufmüpfig war, machen die Bittsteller es auch für weniger. Oder besser: Sie müssen es tun, unter Strafandrohung.

Hartz IV hat den riesigen Niedriglohnsektor möglich gemacht. Unzählige Studien belegen: Immer mehr Menschen können nicht von ihrer Arbeit angemessen leben. Und: Über zwölf Millionen Menschen verfügen über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der abhängig Beschäftigten, sind also arm.

Mit dem »Integrationsgesetz« wird diese Gruppe größer werden. Ein wachsendes Millionenheer, dass zu kostenloser Arbeit gezwungen werden kann, das ganz unten um die elementarsten Notwendigkeiten zum Leben kämpft, sorgt nicht nur für rasante Umverteilung von unten nach oben. Der Mehrheit bringt es vor allem eins: die Verschärfung des Krieges auf dem Arbeitsmarkt um Lohnarbeitsplätze.

 

Danke an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.

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