Wir sind politische Gefangene – alle!

Ein Meinungsbeitrag von Dirk C. Fleck

„My Heart is heavy, I’m angry and sad.“

So beginnt eine Videobotschaft, die Roger Waters* vor kurzem ins Netz gestellt hat. Er gab ihr den Titel: „To Whom It May Concern: PLEASE STOP!“ Bevor ich mir Rogers fünfminütiges Statement zu den Ereignissen in Gaza anhörte, erschrak ich über sein graues, hager gewordenes Gesicht, in dem sich aller Schmerz der Welt eingenistet zu haben schien. Der Mann war über Nacht um tausend Jahre gealtert. Er schleppte seine Stimme wie eine zerfetzte Scherpe hinter sich her. Von der Vitalität, die seine Reden gegen die Corona-Maßnahmen noch getragen hatte, war nichts mehr zu spüren. Sein Erschöpfungszustand ist authentisch. Millionen Menschen, die dieses Video bisher gesehen haben, dürften sich in ihm wiedererkannt haben. Angesichts des politischen Veitstanzes, der vor unseren Augen so unverblümt aufgeführt wird und angesichts der sich türmenden Leichenberge bei diesem Weltfest des Todes stehen wir ohnmächtig daneben und alle Friedensappelle sind nur noch ein mattes Krächzen. Wir sind heiser geworden, unsere fiebrigen Seelen tragen Trauer und jeder Versuch sich auch nur ansatzweise in das Leid millionenfach zerfetzter Kinderseelen hinein zu fühlen, zerreißt uns.

Kriege fallen nicht vom Himmel, sie werden gemacht. Von Menschen gegen Menschen. Bevor ein Krieg geführt werden kann, muss ein Feindbild kreiert werden. Die Mechanik dabei ist immer dieselbe. Das Gegenüber muss entmenschlicht werden. Warum funktioniert das so reibungslos? Weil wir politische Gefangene sind. In Deutschland ist das besonders auffällig. Deutschland ist ein gefährliches Land geworden, in dem zum Volksverhetzer wird, wer sich gegen Krieg und Gewalt positioniert. Bei uns wird jeder Widerspruch und jedes Aufbegehren zum Anlass genommen, um die Daumenschrauben noch fester anzudrehen. Wie formulierte die prominente Fernsehmoderatorin Dunja Hayali vor kurzem ganz richtig?

„Natürlich gibt es in Deutschland Meinungsfreiheit. Aber man muss auch mit den Konsequenzen rechnen.“

Irgendwann sind wir tatsächlich bei der Allmacht des Staates angelangt.

Man möchte es nicht wahrhaben, man sträubt sich sogar vehement gegen die Erkenntnis, dass dieses Land, dieses Deutschland ein übel riechendes Konstrukt geworden ist. Jedenfalls was seinen Geist angeht. Feige, arrogant und kaltherzig. Als sei es von höherer Macht dazu verdammt, dem wahren Leben fernzubleiben. In seinen teilnahmslosen Augen liegt das Einverständnis einer schrecklichen Solidargemeinschaft. Für all jene, die ihre Sehnsüchte bewahrt haben, denen Friede mehr ist als ein beständiges Zittern vor dem großen Knall, ist die augenblickliche Situation unerträglich geworden. Wie kann es sein, das die Mehrheit unseres Volkes unter der Knute wild gewordener Kriegstreiber begeistert abnickt, dass die Medien ihr propagandistisches Feuerwerk tagtäglich in den Hirnen von Millionen zünden dürfen, ohne dafür von ihren Konsumenten abgestraft zu werden?

Unsere Epoche ist durch und durch pornografisch versifft. Wir müssen den Begriff endlich weiter fassen. Alle Zeitalter hatten pornografische Züge, aber durch und durch? Nein, das bleibt uns vorbehalten. Ob Politik, Wirtschaft, Sport, Unterhaltungs- und Freizeitindustrie, Debattenkultur, Demokratieverständnis, ja selbst große Teile der Kulturszene: hörig, haltlos, brutal, egoistisch, bar jeder Vernunft und bar jedes Wertekanons – pornografisch eben. Und an den Schalthebeln der Macht sitzen Menschen, deren Herz auf die Größe einer vertrockneten Erbse geschrumpft ist. Dem liegt eine Entwicklung zugrunde, die sich in der Menschheitsgeschichte von Anfang an aufgebaut hat und die wie ein reißender Strom über alle humanistischen Ideale hinweg gerauscht ist. An seinen Ufern liegen die Leichen unzähliger Mahnwesen, die der Schlammlawine unserer Zivilisation zum Opfer gefallen sind.

Mir wird speiübel, wenn ich mir das saturierte Grinsen jener frei gewählten Verbrecher an der Spitze unserer Gesellschaft vorstelle, die sich bei jedem ihrer terroristischen Anschläge vor Vergnügen fast in die Hosen machen. Das gilt für die ganze Bagage: für die an den Fäden gieriger Großkonzerne zappelnden Präsidentendarsteller ebenso wie für korrumpierte Wissenschaftler aller Couleur und nicht zuletzt für die arschkriechenden Propagandisten in den Vorstandsetagen und Redaktionsstuben großer Medienhäuser, denen es doch tatsächlich gelungen ist, einen Großteil ihrer GeVolksgenossen wieder kriegsverwendungsfähig zu schreiben. Unter ihrem verheerenden Einfluss sind die Menschen blind geworden für das perfide Spiel der Mächtigen. Die Lügen dieser Bastarde werden den Massen als Manna gereicht.

Schauen wir mit etwas Abstand auf unseren Planeten. Was sehen wir? Wir sehen, dass wir sowohl das Geld als auch die Macht, die medizinischen Mittel, das wissenschaftliches Know-How und genug Liebe zur Verfügung haben, um der Menschheitsfamilie paradiesische Verhältnisse zu bescheren.

„Leider bestimmen die unqualifiziertesten unter uns was läuft,“ schrieb der US-amerikanische Biologe und Bewusstseinsforscher Terrance McKenna (1946 – 2000), „wir werden von den am wenigsten intelligenten, von den am wenigsten edlen Charakteren regiert, die zudem noch ohne jede Vision sind.“

So steht ihrer fürchterlichen Macht unsere furchterregende Ohnmacht gegenüber. Jetzt gilt es, nicht den Verstand zu verlieren. Deshalb ist es dringend notwendig, dass wir uns frei machen von den Narrativen, die der Politik entspringen, schließlich gibt es noch ein Leben außerhalb des politischen Ränkespiels, das unsere Seelen immer mehr zu vergiften droht. Es braucht über den riesigen Misthaufen, den das von Gier gesteuerte System permanent produziert, weder weitere Informationen noch Aufklärung – wir wissen, nach welchen Gesetzen ein menschen- und naturverachtendes System funktioniert. Bleiben wir bei uns, das lohnt sich. Es ist das einzige, was sich noch lohnt. Vor allem dann, wenn wir füreinander in Liebe da sind. Davon haben die seelenlosen Killer und Psychopathen aus Wirtschaft und Politik nämlich nicht die geringste Ahnung. Verschwenden wir unsere Energien nicht in einem aussichtslosen Kampf gegen sie, in dem die Gewalt die einzige Option zu sein scheint. Auf diese Weise werden wir nie gewinnen. Arbeiten wir an uns selbst, seien wir uns wichtig, jeder für sich. Das ist die einzige Chance, die Gesellschaft von Grund auf zu verändern. Eine andere haben wir nicht.

Solange wir unsere wahre Natur verleugnen, solange wir nicht mehr die Sprache des Herzens sprechen und uns stattdessen in mörderischer Konkurrenz gegenseitig die Zeit stehlen, um schließlich als willfährige Erfüllungsgehilfen einer skrupellosen, aber gut organisierten Elite zu enden, werden wir miteinander nie frei sein. Wird sich an dem Höllenritt, der uns vom wahren Leben fortführt, nichts ändern.

* Roger Waters, Jahrgang 1943, Friedensaktivist und Mitbegründer der Rockgruppe Pink Floyd.

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Dirk C. Fleck ist ein deutscher Journalist und Buchautor. Er wurde zweimal mit dem Deutschen Science-Fiction-Preis ausgezeichnet. Sein Roman “Go! Die Ökodiktatur” ist eine beklemmend dystoptische Zukunftsvision. 2023 erschien sein aktuelles Buch „HEROES. Mut, Rückgrat, Visionen“.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: Gts / Shutterstock.com

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Kommentare (1)

Ein Kommentar zu: “Wir sind politische Gefangene – alle!

  1. fredan sagt:

    Die letzte conclusio, wenn keine mehr geht. Ein Stück Hoffnium, nicht mehr.

    Die gleichgültig überwachte KI mischt dann Schlagworte unter, bastelt alles so hin, daß es für Viele paßt. Wenn nicht, arbeitet jedes einzelnen Proxy nur für den Einzelnen; kostet nur etwas mehr Energie und Wasser. Damit es den Lesern nicht an den für Ihren Suizid benötigten Triggern mangelt.

    Das Einzige, was heute bar jeden Mangels bleiben soll. Das Konzert der Vernichtung. Dieses Konzert wird auch, oft sogar besonders dann gespielt, wenn Menschen zueinander finden. Sie sollen sich gegenseitig triggern, manipulieren, atomisieren. Es wird fleißig getestet. Insofern ehren Sie Ihre Bemühungen im Hoffnium, auch das eines Roger Waters – Sie und Viele wissen nicht, was sie erwartet, Sie trifft es wahrscheinlich gar nicht mehr.

    Es gibt zwei Programme: das eine ist vergleichbar mit einem survival of the fittest, das andere ist eine systematische Hinrichtung. Zu Anfang trifft es die Blöden, Blagen und Besoffenen, dann andere Schwächlinge und zum Schluß die Schwächsten unter den Stärksten. Wenn man schaut, welche Menschen dem "Oben" immer näher kommen, paßt es perfekt. Und bei der geringen Bevölkerung sollte auch genug Platz für die Übrigen sein; und ihre Borg-Drohnen, die man mit gezielten Stromstößen, anderen Schmerzen und Erniedrigungen zur (Staats-) Räson zurückführen kann, um sich immer wieder vor Augen und Schweinchen-Schwänzchen führen zu können, wer hier (zurecht) das Sagen hat.

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