Standpunkte

Waffenstillstand oder Eskalation? | Von Jochen Mitschka

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Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.

Ab und zu glimmt Hoffnung auf, wenn die Justiz es wagt, gegen den Willen der Exekutive sehr offensichtliche Sachverhalte zugunsten der Meinungsfreiheit zu entscheiden. So im Fall des Versuchs, den Ruf „From the River to the Sea, Palestine will be free“ mit der Justiz als verbotene Aussage einer angeblichen Terrororganisation zu bestrafen, ein Versuch, der teilweise scheitert. Ich hatte bereits im Mai letzten Jahres erklärt, was dieser Leitspruch aussagen will(1). Inzwischen gab es ein Massaker an Palästinensern, um vier israelische Geiseln zu befreien, was wir uns näher anschauen werden. Und nicht zuletzt versuchen wir zu erkennen, wie sich die Lage während des Gaza-Völkermordes an der Nordgrenze Israels entwickelte.

Meinungsfreiheit in Deutschland

In einem Artikel der Legal Tribune Online erklärt Dr. Max Kolter, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes die „günstigste, nicht fernliegende Deutungsmöglichkeit“ zugrunde legt. Mit anderen Worten: So lange der Ausrufende nicht ausdrücklich die Billigung schwerer Straftaten wie Mord oder Völkermord fordert (auch nicht verschlüsselt), muss davon ausgegangen werden, dass im Zweifel für die Meinungsfreiheit entschieden wird, und der Ausspruch straffrei bleibt.

Der Artikel geht auch darauf ein, dass das Landgericht Mannheim(2) in einem Urteil zu dem Schluss kommt, dass die Justiz nicht auf Idee gekommen wäre, die Parole zu verfolgen, hätte es da nicht die Verfügung des Innenministeriums gegeben. Doch danach waren die meisten auf Linie gebracht:

„Bundesweit gaben einige Generalstaatsanwaltschaften bekannt, die Verwendung der Parole konsequent zu verfolgen – obwohl die Zuordnung des Slogans zur Hamas durch das BMI gerichtlich voll überprüfbar ist.(3)

Auch das LG Mannheim stellte unmissverständlich klar, an die Einschätzung des BMI nicht gebunden zu sein: Die verbotene Organisation müsse sich ein Kennzeichen selbst zu eigen machen; eine "Zuschreibung durch Außenstehende" genüge nicht. Die Strafkammer verwies zudem darauf, dass

"erhebliche Zweifel erhoben worden sind, ob das Verbot mit Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz vereinbar ist und nicht auch gegen die staatliche Neutralitätspflicht und das Diskriminierungsverbot verstößt".

Dabei nahm das Gericht Bezug auf eine – vom hessischen Verwaltungsgerichtshof bestätigte(4) – Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt/Main. Dieses hatte die Hamas-Verbotsverfügung in Bezug auf das Parolenverbot wegen der zu pauschalen Einschränkung der Meinungsfreiheit für teilnichtig gehalten.“(5)

Allerdings, darauf weist der Artikel auch hin, sind andere Gerichte nicht an die Ausführungen des LG gebunden. Insbesondere wenn die Parole in Bezug auf die Taten der Hamas am 7. Oktober 2023 angewandt wird, wird von einer Straftat ausgegangen. Der Grund liegt darin begründet, dass die Richter der allgemeinen Auffassung des deutschen Staates folgen, dass die Hamas eine „Terrororganisation“ ist und es nicht wagen, diesen Status durch Beweiserhebung zu hinterfragen.

Was störend an diesen ganzen Diskussionen über Strafbarkeit von Aussagen ist, sollte zu denken geben: Es gibt sehr große Mengen von Postings in sozialen Medien, welche direkt und indirekt einen Völkermord an Palästinensern befürworten, ohne dass dies m.W. zu einer ähnlichen Strafverfolgung geführt hätte. Im Gegenteil verteidigt die Bundesregierung solche Aussagen von führenden israelischen Politikern vor dem IGH sinngemäß als „war nicht so gemeint“.

Das Befreiungsmassaker

Zunächst sollte man wissen, dass die Hamas bereits 41 Geiseln nach Verhandlungen frei gelassen hatte, und bereit war, alle Geiseln frei zu lassen, sobald das unter einem Waffenstillstand möglich ist. D.h. Verhandlungen führten immer zur Freilassung von Geiseln, welche durch die Hamas wie „rohe Eier“ behandelt worden waren. Wir erinnern uns an Aussagen, dass Geiseln berichteten, wie Hamaskämpfer sie mit ihren Körpern gegen Schüsse der IDF gedeckt hatten. Während Gefangene der IDF misshandelt, erniedrigt(12), gefoltert werden, und einige unter der Folter starben. Dazu kamen nicht nur Amputationen wegen zu eng angezogener Handfesseln, sondern auch deutliche Anzeichen von Schlägen. Manche Foltermethoden, die berichtet wurden, sind so unmenschlich, dass man sie nicht erwähnen möchte. Aber zurück zu der Aktion, die von der Zeitung Haaretz am 9.6. in einer Info-Mail wie folgt zusammengefasst wurde:

„Israelische Geiseln, die bei der Operation am Samstag gerettet wurden, berichten ihren Angehörigen von ihrer Gefangenschaft. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums in Gaza wurden bei israelischen Angriffen auf das Flüchtlingslager Nuseirat am Samstag mindestens 274 Palästinenser getötet und 698 verwundet. (…)“(6)

Die Opferzahlen mussten später noch erhöht werden. Bei dem Angriff der IDF unter offensichtlicher Beteiligung von US-Kräften(7), wurde ein Hilfstransporter missbraucht, um unbemerkt in das Flüchtlingslager einzudringen. Bei dem dann folgenden Massaker von ca. 300 Palästinensern wurden nach verschiedenen Berichten auch der Leiter der Aktion und drei andere Geisel in dem entstehenden Chaos getötet.

Die vier befreiten Geiseln befanden sich Haaretz zufolge in gutem Zustand und „guter Stimmung“. Was sich aber bald für zumindest eine der frei gekommenen Geiseln ändern sollte. Als diese nämlich öffentlich berichtete, wie fürsorglich und zuvorkommend man die Geiseln behandelt hatte, musste sie wüste Beschimpfungen bis Morddrohungen ertragen(10). Nach einer offensichtlichen Gehirnwäsche gab es dann ein Interview, in dem sie Horrer erklärte(11). Dabei kursierten sogar Fotos, welche einen Geburtstagskuchen für Geiseln zeigten. Wie es dagegen Gefangenen der IDF, wenn sie überlebten und entlassen wurden, erging, zeigen Fotos und Videos, welche nicht nur Ernährungsmängel, sondern klare Zeichen von Folter beweisen(8).

Die Spezialberichterstatterin der UN, Francesca Albanese schrieb in einem Tweet über den Vorgang:

„Erleichtert darüber, dass vier Geiseln freigelassen worden sind. Dies hätte nicht auf Kosten von mindestens 200 Palästinensern, darunter Kinder, geschehen dürfen, die von Israel und angeblich ausländischen Soldaten getötet und über 400 verletzt wurden, während sie sich auf perfide Weise in einem Hilfstransporter versteckten. Dies ist „humanitäre Tarnung“ auf einer anderen Ebene.

Israel hat Geiseln benutzt, um das Töten, Verletzen, Verstümmeln, Aushungern und Traumatisieren von Palästinensern in Gaza zu legitimieren. Und gleichzeitig hat es die Gewalt gegen Palästinenser in den übrigen besetzten Gebieten und in Israel verschärft. Israel hätte schon vor 8 Monaten, als der erste Waffenstillstand und Geiselaustausch auf dem Tisch lag, alle Geiseln frei bekommen können, lebend und unversehrt. Doch Israel weigerte sich, um den Gazastreifen und die Palästinenser als Volk weiter zu zerstören. Dies ist die Umsetzung einer völkermörderischen Absicht in die Tat. Glasklar.“(9)

Während der Aktion wurde auch wieder ein Beispiel für jahrzehntelang eingeübte Kriegsverbrechen Israels gezeigt: Das Benutzen von Uniformen des Gegners um ihn zu überrumpeln. Aus Formatgründen mehr dazu in Anhang (15). Außerdem wurde die Funktion der „humanitären Anlegestelle“ der USA als Werkzeug des Völkermordes entlarvt.

Die Entlastungsfront im Norden

Die Huthis setzen trotz der Bomben und Sanktionen der USA und ihrer Verbündeten der Wirtschaft Israels zu. Diese Mückenstiche sind inzwischen zu einer Allergie geworden. Und nun wird auch noch langsam aber deutlich die militärische Fähigkeit der Hisbollah im Libanon bzw. im Norden Israels sichtbar. Jeder Angriff Israels auf Hisbollah Stellungen, Kämpfer oder auch Zivilisten im Libanon wird mit einer empfindlichen Schädigung der israelischen Militäranlagen im Norden Israels beantwortet.

Derweil soll Netanjahu 50.000 Reservisten zu den Waffen gerufen haben, angeblich um den Libanon, ein drittes, dieses Mal vernichtend wie Gaza, anzugreifen. Was aber ohne die USA nicht funktionieren kann. Schauen wir uns an, was Indrajit Samarajiva dazu mit vielen aussagekräftigen Fotos und Videos berichtet(13).

Er schreibt, es sei faszinierend langweilig, wie die Hisbollah die „Augen und Ohren“ Israels dezimiere. Monatelang seien die Videos des libanesischen Widerstands „methodisch banal“: Sie sprengten diesen Kommunikationsturm, jenes Gebäude, diese Abhörstation. Die Hisbollah verfüge über eine Liste der israelischen Abhörstationen im Norden und habe sie monatelang methodisch ins Visier genommen. Jetzt sei das israelische Militär - so groß es auch sein mag - praktisch blind.

Da die Hisbollah immer größere Lücken in die Luftverteidigung des Besatzungsstaates reiße, könne sie immer häufiger größere Raketen auf Israel abfeuern, die besser und tiefer eindringen. Für Israel stelle diese Zermürbung ein zunehmendes Problem dar. Die israelische Luftverteidigung sei ein zusammenhängendes System, und das Netz werde immer mehr durchlöchert. Ein Beispiel dafür sei die Zerstörung des 230 Millionen Dollar teuren SKYDEW-Luftschiffs/Spionageballons.

Dieser Ballon wurde entwickelt, um niedrig fliegende Drohnen und Raketen aufzuspüren, was besonders wichtig sei, da dies das vom Widerstand am häufigsten genutzte Werkzeug sei. SKYDEW könne viel länger in der Luft bleiben - und ist relativ billiger - als Flugzeuge und kann viel weiter „sehen“ als bodengestützte Systeme. Außerdem wurde es in einem strategisch wichtigen Gebiet platziert, das es Israel ermöglichte, Angriffe aus Syrien, dem Irak und - in geringerem Maße - der Hisbollah, insbesondere bei Angriffen auf den Hafen von Haifa, abzudecken. Aber jetzt sei das „Geschichte“.

SKYDEW ist jetzt geschrumpft und nutzlos - ein großer Verlust, der auch ein großes Versagen signalisiere. Wie es auf der SKYDEW-Zielkarte (des Hisbollah-Geheimdienstes) heiße, war es „durch ein elektronisches Überwachungs- und Störsystem gegen Drohnen und UAVs geschützt“ und „durch drei Schichten von Raketenabfangsystemen gesichert“: Iron Dome, David's Sling und Hetz [Pfeil]". Das alles sei wie die Schichten einer Zwiebel durchgeschnitten worden, so dass die israelische Verteidigung nackt dastand.

Die Nordfront sei jetzt durchlässig, meint der Autor, wie die israelischen Siedler besser als andere wüssten. Dann zitiert er Moshe Davidovitz, den Vorsitzenden des Regionalrats von Asher: „Zehn Raketen sind im Zentrum des Landes eingeschlagen und die Medien sind in Aufruhr - das Land ist in Aufruhr. Aber jeden Tag werden Dutzende von Raketen auf die Siedlungen an der Konfrontationslinie und auf Galiläa abgefeuert, darunter Panzerabwehrraketen und Selbstmorddrohnen, und das Land schweigt. Das beweist einmal mehr, dass der Norden vergessen wird."

Natürlich habe die Hisbollah den Norden nicht vergessen. Sie hätte eine Liste mit israelischen Militärzielen und ging diese nach und nach durch, meint der Autor. Als Beispiel erwähnt er den Luftraumüberwachungsstützpunkt Mount Meron, einen der beiden wichtigsten Stützpunkte des Besatzungsstaates. Ein hochrangiger Beamter der israelischen Luftwaffe habe in einem Artikel von Maariv aus dem Jahr 2016 über diesen Stützpunkt gesagt: "Das Luftüberwachungssystem ist entscheidend für die Einsatzfähigkeit der Luftwaffe. Seine Hauptaufgabe ist es, den besetzten Luftraum zu schützen. Über das Kontrollsystem aktivieren wir alle Fähigkeiten zum Schutz des Luftraums, einschließlich Hubschrauber, Flugzeuge, Raketen und andere klassifizierte Systeme."

Und Folgendes veröffentlichte der Hisbollah-Geheimdienst bei der Bombardierung der Anlage:

„Erstens befindet sich der Luftraumüberwachungsstützpunkt Meron auf dem Gipfel des Mount Jarmaq [‚Mount Meron‘] im nördlichen besetzten Palästina, dem höchsten Gipfel im besetzten Palästina. Der Stützpunkt Meron ist das einzige Verwaltungs-, Überwachungs- und Luftüberwachungszentrum im nördlichen Teil des usurpierten Gebiets, und es gibt keine nennenswerte Alternative zu ihm. Sie ist eine von zwei Hauptbasen in der gesamten Besatzungszone: ‚Meron‘ im Norden und ‚Mitzpe Ramon‘ im Süden. Der Stützpunkt Meron ist für die Organisation, Koordinierung und Verwaltung aller Luftoperationen in Richtung Syrien, Libanon, Türkei, Zypern und den nördlichen Teil des östlichen Mittelmeers zuständig. Darüber hinaus ist dieser Stützpunkt ein Hauptzentrum für elektronische Störaktionen in den genannten Richtungen und ist mit einer großen Anzahl von Eliteoffizieren und Soldaten der zionistischen Streitkräfte besetzt. Zweitens haben die Kämpfer des islamischen Widerstands am Samstag, den 6. Januar 2024 um 07:50 Uhr als Teil der vorläufigen Antwort auf das Verbrechen der Ermordung des großen Führers Scheich Saleh Al-Arouri und seiner Märtyrerbrüder im südlichen Vorort [Dahiyeh] von Beirut den Luftraumüberwachungsstützpunkt Meron mit 62 Raketen verschiedener Typen beschossen, die direkte und bestätigte Treffer erzielten.“(13)

Die Hisbollah habe ihre Angriffe auf den Luftwaffenstützpunkt Meron in zahllosen Videos festgehalten, und sie seien „unerbittlich“ gewesen. Jedes Mal, wenn sich eine Lücke in der israelischen Luftverteidigung auftue, werde das Loch größer, denn die Hisbollah beschädige komplexe, miteinander verbundene Systeme. Heute könne der Stützpunkt Meron kaum noch sich selbst verteidigen, geschweige denn die Region.

Tel Aviv habe mit der weiteren Tötungen von Hisbollah- und verbündeten Führern reagiert, aber der Widerstand benenne Raketen einfach nach diesen Märtyrern und schicke weitere. Dies sei eine Zermürbungsschlacht, und die Hisbollah agiere überlegt, während Israel kopflos um sich schlage. Völlig abgelenkt durch seine brutalen militärischen Angriffe auf die Zivilbevölkerung im südlichen Gazastreifen habe Israel die Schlacht um den Norden verloren.

„Nach monatelanger langweiliger Vorbereitungszeit ist die Hisbollah endlich bei den guten Dingen angekommen. Die Luftverteidigung des Besatzungsstaates im Norden ist heute wie ein lumpiges altes Moskitonetz, durch das der Hund die Katze gejagt hat. Es ist voller Löcher, und zwar großer Löcher. Die Hisbollah kann zunehmend nach Belieben und mit immer präziseren Waffen feuern. Hier sieht man zum Beispiel, wie die Hisbollah eine SKYSTAR 330 durch einen Drohnenangriff auf den Operator des Bataillons 869 abschießt. In diesem Fall zielte die Hisbollah nicht auf den Spionageballon selbst, sondern auf die Ballonführer, und zwar an drei Orten gleichzeitig. Nachdem die Bediener ausgeschaltet waren, geriet der Ballon außer Kontrolle und landete im Libanon, wo ihn einige Kinder bargen. Das sind die Augen und Ohren des Staates Israel im Norden. Sie sind auf dem Boden.“(13)

Iron Dome 'Erledigt'

Israel habe im Norden nichts mehr, was man Luftverteidigung nennen könne, so der Bericht weiter. Der Iron Dome sei erledigt. Die Hisbollah könne nach Belieben feuern, und das tue sie nun schon seit sieben Monaten jeden einzelnen Tag. Die Raketen des irakischen Widerstands fliegen direkt über sie hinweg, in Richtung Haifa. Der Iran könne das gesamte nationale System überwältigen, wann immer er wolle. Israel sei jetzt weitgehend schutzlos gegen Raketen. Sogar die Hamas schlage zu, aus dem traumatisierten Gazastreifen heraus. Es sei Jagdsaison, und die Siedler wüssten das.

Überall in der hebräischen Presse beklagen die israelischen Siedler offen ihren Zustand. Einige seien so verärgert gewesen, dass sie damit drohten, sich vom Staat abzuspalten und den neuen Staat Galiläa zu gründen. In der Jerusalem Post habe man lesen können, dass der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, die Antwort des Premierministers bei der Kabinettssitzung auf eine Frage von Benny Gantz war, wie N12 berichte hat.

Gantz wollte wissen, ob die Bewohner am 1. September zum Beginn des Schuljahres in ihre Häuser zurückkehren würden, und Netanjahu antwortete: „Was ist das Schlimmste, was passieren kann, wenn sie ein paar Monate nach dem 1. September zurückkehren?“ Das ist natürlich das Schlimmste, was passieren kann. Israels jahrzehntelanges Bemühen, internationale Akteure dazu zu bringen, „schlechtes Verhalten“ von Tel Aviv zu akzeptieren, beruhe auf der Prämisse, dass sie tun können, was sie wollen. Wenn aber der Iron Dome, die Eisenkuppel nicht funktioniert, funktioniere Israel nicht, und jetzt funktioniere die Eisenkuppel nicht. Jetzt sei die Eiserne Kuppel das Eiserne Sieb. Heilige Krieger hätten es durchlöchert.

Das sei ein großes Problem, denn die Eisenkuppel ist nicht nur Israels physischer Verteidigungsmechanismus, sondern auch sein psychologischer Verteidigungsmechanismus. Sie mache das ganze koloniale Projekt glaubhaft, nämlich dass Israel jeden in der Region tyrannisieren könne, ohne Konsequenzen zu befürchten. Der Glaube an die „Eisenkuppel“ sei der Glaube an „Israel“, und beides sei nun nicht mehr glaubwürdig.

Die jüdischen Siedlungen im Norden haben sich geleert und die Bewohner werden nicht so bald zurückkehren, ist die Aussage des Artikels. Das Resistance News Network (RNN) berichtete (am 29. Mai): „Nach Angaben des zionistischen Kriegsministeriums wurden seit dem 7. Oktober in 86 Siedlungen im Norden des besetzten Palästina 930 Siedlerhäuser durch Hisbollah-Raketen beschädigt. In Al-Manara zum Beispiel wurden 130 von 155 Häusern zerstört. In Metulla leben nur noch 34 Bewohner in der Siedlung. In Kiryat Shmona, einer der größten (nördlichen) Siedlungen, ist die Einwohnerzahl von 24.000 auf unter 4.000 gesunken, und 124 Häuser wurden beschädigt. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass mehr als 200.000 Siedler im Norden durch den Widerstand vertrieben wurden und ihr eigenes Flüchtlingslager errichtet haben.

Verblüffenderweise plane die IDF Berichten zufolge, die Zahl ihrer Soldaten an der Nordgrenze und in den nahegelegenen Siedlungen erheblich zu reduzieren. Was wiederum frühere Berichte der Mobilisierung von 50.000 neuen Soldaten widerspricht, außer es geht zunächst darum, der Hisbollah weniger Angriffsflächen bis zur Invasion des Libanons zu geben.

Der Bericht enthält dann eine Beschreibung des Vorgehens der Hisbollah bei der Ausschaltung der Luftabwehr Israels:

„Betrachten wir ein Beispiel für die Eliminierung eines Ziels durch die Hisbollah: eine Iron-Dome-Batterie. In diesem Bericht wird beschrieben, wie die Hisbollah die Batterie zunächst dazu bringt, sich zu erkennen zu geben, indem sie sie mit ‚Müll‘ beschießt, und sie dann mit Drohnen angreift. Das exklusive Filmmaterial zeigt die Überwachungs- und Aufklärungsoperationen, die es der Hisbollah ermöglichten, die Positionen der ‚Iron Dome‘-Batterien in der Nähe der Siedlung ‚Kfar Blum‘ mit einer Taktik namens ‚Feuerköder‘ aufzudecken. Das Filmmaterial zeigt, wie die Hisbollah auf die Anlagen schießt, und dokumentiert den Abfangvorgang durch die Eisenkuppel, der es der Hisbollah ermöglichte, eine hochpräzise qualitative Operation durchzuführen. Die Szenen um 4:25 Uhr zeigen ein erfolgreiches Anvisieren der Iron-Dome-Batterien, ohne dass diese in der Lage waren, den Angriff zu entdecken, zu verfolgen oder zu vereiteln. Veröffentlichte Fotos zeigen auch, dass die Hisbollah die israelischen Soldaten in diesen neu errichteten Anlagen nachrichtendienstlich überwacht und in der Lage ist, die geografischen Details und die Größe der verwendeten Befestigungen zu dokumentieren.“ (Fotos siehe auch (14))

Die Hisbollah habe dies immer wieder getan und methodisch eine nach der anderen Iron-Dome-Batterie gejagt und aufgespürt. Der Bericht beschreibt dann weitere Angriffe und kommt schließlich zu einer Bewertung.

Das koloniale Projekt werde ohne Luftverteidigung schnell schrumpfen. Wenn die Soldaten gingen, müssten auch die Siedler gehen. Das sei kein strategischer Rückzug, es sei eine strategische Niederlage. Das sei keine Lösung, nur eine Auflösung. Aber mehr könne Israel nicht tun. Es habe nicht nur die Kontrolle über den Norden verloren, sondern auch die Kontrolle über das Tempo dieses Krieges. Die Hisbollah könne die Hitze so lange erhöhen, bis Israel gar sei. Dann folgen Bilder von Kiryat Shmona (das besetzte al-Khalisa), das buchstäblich in Flammen stand. Das liege unmittelbar daran, dass die Eiserne Kuppel keine Drohnen abfange und die Hisbollah die gesamte Region unter Beschuss nehmen könne. Deshalb brenne es.

Da sich Israel immer weiter von seiner Grenze zum Libanon [aus dem besetzten Palästina] zurückziehe, öffne der Zusammenbruch der Nordfront den Besatzungsstaat auch für Angriffe aus Syrien und dem Irak, die direkt durchfliegen könnten. All dies verursache massive psychologische Schäden in Israel, da die „eiserne Kuppel“ der wichtigste Schutzwall war. Berichten zufolge habe die Hisbollah seit dem 8. Oktober 2023 über 1.650 Geräte zur Aufklärung, Überwachung und Zielerfassung (ISR) zerstört. Der libanesische Widerstand habe eine Strategie, während Israel wild Krankenwagen und Häuser ohne militärischen Wert bombardiere. Jetzt habe Israel den Norden Palästinas verloren.

Ob dies ein „Pfeifen im Wald“ von offensichtlichen Sympathisanten der Hisbollah, oder ob es nur die Ruhe vor einem Invasionsversuch durch Israel gegen den Libanon ist, bleibt abzuwarten.

Vorausschau

In der nächsten Woche werde ich über einen Bericht der UNO hinsichtlich Kriegsverbrechen in Gaza berichten, und wir werden sehen, ob der UN-Sicherheitsratsbeschluss über einen Waffenstillstand, der den Menschen in Gaza die Hoffnung bringt, und mit dem der Völkermord an Palästinensern gebremst wird, von Israel umgesetzt wird.

Hinweise und Quellen

  Der Autor twittert zu tagesaktuellen Themen unter https://x.com/jochen_mitschka

(1) https://staging.apolut.net/politik-hoffnung-vs-verzweiflung-von-jochen-mitschka/

(2) https://www.lto.de/gerichte/aktuelle-urteile-und-adresse/landgericht-mannheim/

(3) https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/hamas-parole-river-sea-palaestina-palestine-free-israel-antisemitisch-antisemitismus-billigung/

(4) https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/hessischer-vgh-kassel-8b560-24-versammlung-demonstration-palaestina-from-the-river-to-the-sea-untersagung-auflage/

(5) https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/lg-mannheim-5qs4223-from-the-river-to-sea-straflos-hamas-kennzeichen/

(6) Info-Mail der Zeitung Haaretz vom 9. Juni 2024

(7) https://x.com/timand2037/status/1800003376421515427

(8) https://x.com/ShaykhSulaiman/status/1799487429222502716 und hier: Israelische Gefangene lassen 50 palästinensische Geiseln in schlechtem Gesundheitszustand in den Gazastreifen frei - eindeutige Beweise für Folter, Hunger und menschliche Misshandlungen sind weit verbreitet: https://x.com/swilkinsonbc/status/1800833851935334564

(9) https://x.com/FranceskAlbs/status/1799503174933372999

(10) https://x.com/jochen_mitschka/status/1800148387443958221

(11) https://x.com/Fritt0e/status/1800603914473206235

(12) https://x.com/swilkinsonbc/status/1800209882341327271

(13) https://indi.ca/israel-has-lost-the-north/

(14) https://co/articles/blind-and-deaf-how-israel-lost-the-north

(15) Im Kriegsrecht ist es verboten, sich mit Uniformen des Gegners zu bekleiden, um einen Überraschungsangriff durchzuführen oder die Identität des Gegners zu missbrauchen. Das ist ein klarer Fall von Perfidie, bei dem man verspricht, sich fair zu verhalten (z.B. durch das Tragen einer bestimmten Uniform), um dann diese Versprechen zu brechen und den Gegner zu überfallen. Perfidie ist ein Verstoß gegen die Kriegsgesetze und somit ein Kriegsverbrechen, da sie die Schutzmechanismen und gegenseitigen Einschränkungen untergräbt, die im Interesse aller Parteien, sowohl Kombattanten als auch Zivilisten, entwickelt wurden. Es gibt jedoch einige Ausnahmen, wenn es um List oder Täuschung geht. Für List ist es zulässig, den Feind mit Tarnung, Scheinwerfer, Attrappen, Lockvögel, Scheinangriffen und -rückzügen, Hinterhalten, falschen Nachrichten oder elektronischen Täuschungsmanövern zu überrumpeln. Aber das Tragen der Uniform des Gegners um ihn anzugreifen ist verboten.

+++ Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags. +++ Bildquelle: zmotions/ shutterstock


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