Twitter-Coup für hirngewaschene Gaffer

Die Twitter-Welt ist begeistert von dem neuen politischen Hit des Broadway-Producers und verurteilten Finanzbetrügers Roland Scahill. Der Tweet enthält zwar nur vier Sekunden Videomaterial — von der Beerdigung von John McCain. Aber für Gaffer mit Symptomen einer Gehirnwäsche ist es eine Sensation.

Meinung von Rainer Rupp.

In den USA verbreite sich der Tweet, eine Twitter-Kurzmeldung des Betrügers Scahill, bereits rasend schnell im Internet. Dann schwappte er schließlich rüber nach Europa. Innerhalb weniger Stunden erhielt der Tweet 472.000 „Likes“ und wurde 113.00 Mal geteilt, also an vermeintliche Freunde weitergeleitet. Für Twitter sind das ungewöhnlich hohe Zahlen, denn nur wenige Meldungen erreichen in so kurzer Zeit einen derart großen Verbreitungsgrad. Was war denn nun so besonders an diesem vier Sekunden Videomaterial von der Beerdigung John McCains? Das verrät allerdings schon der verbreitungsförderliche Titel des Tweets: “George W. Bush steckt Michelle Obama heimlich ein Bonbon zu; das erwärmt mein Herz.”

Das war‘s. Mehr brauchte man nicht, um auf Twitter für diesen Tag zu gewinnen, aber nicht nur da. Diese vier Sekunden Filmmaterial wurden anschließend in TV-Nachrichtensendern, so auch in Deutschland zum Beispiel bei n-tv, verbreitet und in Talkshows von den plappernden Sprechpuppen des Establishments mit “Oohs” und “Aahs” begleitet. Zugleich wird die Zeit gefüllt, unablässig darüber zu jammern, wie der Tod des Kriegshelden John McCain uns alle getroffen hat, dass anlässlich seiner Trauerfeier alle politischen Differenzen im Land verschwunden sind und alle zusammengeführt hat, einfach nur noch als Amerikaner.

So viel Aufwand, nur um noch einmal einen Mann zu feiern, der sein ganzes Leben, seine ganze politische Karriere dem Ziel gewidmet hatte, bei jeder Gelegenheit Tod, Leid und Zerstörung über die Menschen anderer Länder zu bringen. Tatsächlich zeigt das Video nur, wie bei der Beerdigung eines Kriegsverbrechers ein anderer Kriegsverbrecher der Frau eines dritten Kriegsverbrechers ein Bonbon gibt. Das ist alles, was die Mainstream Medien in den USA brauchen, um in den Gehirnen amerikanischer Zuschauer Glückshormone auszuschütten. Die folgenden „Like“-Kommentare sind symptomatisch für fast eine halbe Million tief gerührter Zustimmungen:

Republikaner, Demokraten, Liberale, Konservative, was wirklich wichtig ist, wir sind alle Amerikaner und lieben unser Land.

Oder hier, mit einer Spitze gegen Trump: „Wie faszinierend, dass wir vom normalen menschlichen Verhalten der POTUS [der Präsidenten der USA] und ihrer First Ladies so berührt sind. Und das liegt daran, dass wir danach hungern, denn seit fast zwei Jahren haben wir kein normales Verhalten mehr gesehen.“

Oder „Wenn Menschen zusammenkommen und sich über die Politik erheben, dann passiert sowas. Ein unvergesslicher und berührender Moment.“

Zur Ehrenrettung der Amerikaner gab es als Minorität – also weit abgeschlagen – auch kritische Stimmen, hier ein typisches Beispiel:

Was mein Herz nicht erwärmt, sind 2.500.000 tote oder verstümmelte Iraker und Menschen, die dank dieser beiden internationalen Verbrecher in Libyen als Sklaven verkauft werden. Amerikaner, die nicht auf ihre eigene Außenpolitik der Zerstörung achten, sind wirklich beunruhigend.

Man wundert sich immer wieder, warum die große Mehrheit der US-Amerikaner in Bezug auf die zerstörerische Außenpolitik ihres Landes so ahnungslos ist. Der Großteil steht den US-Kriegen bestenfalls gleichgültig gegenüber, aber in der Regel eher enthusiastisch, vor allem wenn Amerika wieder „für das Gute“ und „gegen die Bösen“ kämpft. Das funktioniert nur, weil das amerikanische Volk geografisch bedingt weitgehend von der Realität ihrer Kriege abgeschirmt ist. Kaum jemand nimmt wahr, was Krieg mit den „US-Heldentaten“ für die Menschen der betroffenen Völker wirklich bedeutet:

Die Explosionen, die Schreie, die verkohlten und zerfetzten menschlichen Körper, das Chaos, die Flucht und Vertreibung und der Terrorismus, die Vergewaltigungen, Versklavung, die immer die Begleiterscheinungen eines jeden Krieges sind. Zu Recht wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in Nürnberg der Angriffskrieg als größtes aller Verbrechen geächtet, weil er in sich alle anderen Verbrechen einschließt. Aber das alles, genau wie die Millionen Iraker, die unter Bush getötet wurden, die Hundertausende von Toten und die unvorstellbaren humanitären Katastrophen in Libyen und Syrien, für die Obama verantwortlich ist, all die Verwüstungen infolge der US-Angriffskriege, die McCain persönlich aktiv mitgestaltet hat, all das wird im amerikanischen Bewusstsein nur sehr am Rande wahrgenommen, wenn überhaupt. Und das Wenige, das wahrgenommen wird, wird dann mit einem Bonbon bei der Trauerfeier für McCain vergessen gemacht.

Aber sind die Amerikaner tatsächlich so weltvergessen? Die Mehrheit ja. Aber das ist nicht wirklich ihre persönliche, alleinige Schuld. Es ist schließlich kein Zufall, dass „God’s Own Country“ als Nation mit dem mächtigsten Militärapparat in der Geschichte der Menschheit und den meisten Milliardären in der Geschichte der Menschheit auch das ausgeklügelste Propagandasystem in der Geschichte der Menschheit beheimatet. Und dieses Propagandasystem ist darauf eingestellt, die Amerikaner schon in sehr frühem Kindesalter auf die Kriegsmaschine abzurichten, die dazu da ist, die Interessen der Milliardäre im US-Imperium zu beschützen.

In der imperialistischen Allianz der „liberalen“ Weltordnung sind die Vereinigten Staaten die unverzichtbare Nation und somit „Mannschaftskapitän“. Deshalb müssen die Bürger der USA notwendigerweise auch die meisten hirngewaschenen Menschen auf der Erde sein. Man kann nicht zulassen, dass die Bevölkerung einer so wichtigen Nation plötzlich verlangt, ihre Truppen nach Hause zu bringen oder die für Bomben ausgegebenen Gelder und Ressourcen zuhause für den wirtschaftlichen Aufbau und die soziale Gerechtigkeit aufzuwenden. Vielmehr kann man gar nicht früh genug in die Hirne der Amerikaner eindringen und aggressiv ihre Gedanken manipulieren, wie sie über Krieg zu denken haben.

Alles — vom Fahnengottesdienst über die Verherrlichung von Militär bis hin zu Pentagon-kontrollierten Hollywoodfilmen — wird schon in frühester Kindheit verwendet, um als unumstößliche Wahrheit in die Hirne zu gravieren, dass das aufgeblähte US-Militärbudget immer nur Gutes tut und niemals böse sein kann. Und als junge Erwachsende bis ins hohe Alter werden sie dann von den Medien der Reichen und Superreichen mit Kriegspropaganda „für Demokratie und Menschenrechte“ abgerichtet.

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Bildhinweis: WASHINGTON D.C., USA – Sep. 01, 2018: Memorial service of U.S. Senator John McCain at National Cathedral in Washington, USA on September 1, 2018

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Dieser Beitrag erschien am 05.09.2018 bei RT Deutsch.

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung.

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