Torschüsse und Todesschüsse | Von Roberto J. De Lapuente

Auf der Brust der Dortmunder Borussen prangt nun stolz der Rheinmetall-Schriftzug. Es geht los: Der Krieg und seine Profiteure greifen nach der Zivilgesellschaft.

Kaum war der Deal mit Borussia Dortmund unter Dach und Fach, streckte der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall die Fühler nach einem weiteren Investment aus. Getroffen hat es einen Heimklub — den Eishockey-Verein Düsseldorfer EG. Der soll pro Saison eine sechsstellige Summe erhalten. Dafür erscheint das Firmenlogo auch nicht auf dem Trikot, sondern auf der Eisfläche. Für die Fußballer aus Dortmund ist das Sponsoring mit Rheinmetall indes lukrativer: Ein zweistelliger Millionenbetrag soll Jahr für Jahr überwiesen werden.

Der Jahresumsatz des Rüstungskonzerns beträgt 7,2 Milliarden Euro. Und er bestätigt, dass es wechselseitige Gespräche mit vielen Sportvereinen gab und gibt. Es soll auch ein Gespräch mit dem Vorstand von Borussia Mönchengladbach gegeben haben — 10 Millionen Euro pro Saison wollte Rheinmetall den Rheinländern überweisen. Offenbar hat der Vorstand des Vereines eine Zusammenarbeit ausgeschlossen. Dortmund hingegen nicht, Vereinspräsident Hans-Joachim Watzke rechtfertigt den Deal sogar, gibt ihm eine gesellschaftspolitische Dimension.

Was ist Red Bull gegen Rheinmetall?

„Sicherheit und Verteidigung sind elementare Eckpfeiler unserer Demokratie. Deshalb halten wir es für die richtige Entscheidung, uns sehr intensiv damit zu beschäftigen, wie wir diese Eckpfeiler schützen.“

So lässt sich der Präsident via X zitieren. Das ist Abteilung Attacke, Offensive als Verteidigung — denn es regt sich Widerstand gegen diesen Sponsor. Insbesondere unter jenen Fans, die sich kritisch mit dem gesellschaftlichen Auftrag des Fußballs auseinandersetzen. Ob es diesen Auftrag im Big Business überhaupt gibt, darüber ließe sich trefflich streiten.

Dass der Kick moralisch sein müsse, ist ein frommer Wunsch: Im Fußball herrschen, wie in anderen Branchen auch, kapitalistische Maximen.

Eine solche Erkenntnis kommt innerhalb dieses kritischen Publikums recht häufig zu kurz: Das merkt man speziell immer dann, wenn man sogenannten Traditionsvereinen Retortenklubs gegenüberstellt. Die TSG Hoffenheim oder RB Leipzig bekommen das Moralin in den Stadien dieser Republik dann besonders zu spüren. Bayer Leverkusen mittlerweile nicht mehr, zu lange ist aus dem Werksverein, zumal nach der ersten deutschen Meisterschaft, fast schon ein Traditionsverein geworden. Die moralisch Überlegenen, die als Anhänger einem organisch gewachsenen Klub angehören und nicht der Kreation eines reichen Gönners wie Dietmar Hopp oder eines potenten Investors wie Red Bull, verstricken sich dabei in wirklichkeitsfremder Nostalgie.

Alle Vereine, egal woher sie kommen und welche Geschichte sie pflegen, vereint letztlich eines: Das Geschäft — das Spiel mit Millionen. Dafür geht man nahezu über Leichen — so hätte man das vielleicht vor einigen Tagen noch formuliert. Aber nun muss keiner mehr den Spruch einschränken. Borussia Dortmund hat sich entschlossen, über Leichen zu gehen. Nicht etwa metaphorisch, sondern buchstäblich und ganz real. Watzke begegnet dem konfrontativ. Angriff ist die beste Verteidigung — und Rheinmetall, so sagt er, ist Verteidigung. Und nicht etwa Angriff.

Dortmund ist ein Traditionsklub. Ja, im Ruhrpott würde man sagen: Der Traditionsclub. Dabei nach Gelsenkirchen schielend, um den Schalkern eine Nase zu drehen. Die moralische Selbstüberhöhung dieser Vereine, die verächtlich auf die Kreation des Red Bull-Konzerns in Leipzig schauen, findet spätestens hier ein Ende. Ist es nicht besser, von der Gnade eines Softdrink-Herstellers abhängig zu sein, als von einem Konzern, dessen Kernkompetenz es ist, Menschen möglichst großen körperlichen Schaden zuzufügen? Wirft man nicht lieber mit dem Geld von jemandem um sich, der Brause produziert, die nach Gummibärchen schmeckt, als mit jenem, mit dem man den metallischen Geschmack von Blut assoziiert?

Moralismus ist mal wieder wohlfeil

Natürlich ist Geschäft Geschäft. Und Moral Moral. Erst kommt das Kicken, dann die Moral. Frei nach Brecht. Werder Bremen musste über eine lange Zeit mit dem Widerstand der eigenen Anhänger leben. Grund war der Trikotsponsor: Wiesenhof. Ein Konzern der Massentierhaltung, der mit der Romantik bäuerlicher Idylle warb — ja, noch immer wirbt. „Kein Blut auf Werder-Trikots“, las man in der Fankurve. 2012 war das. Bis 2023 sponsorte Wiesenhof die Hansestädter. Der Protest ebbte mehr und mehr ab.

Das Blut auf Dortmunds Trikot wird nicht tierisch sein — nicht nur. Im Wesentlichen ist es menschlicher Lebenssaft, der Rheinmetall Umsatz beschert.

Moralische Zweifel an dem, was auf der Trikotbrust prangt, gab es auch früher schon. Die Gemüter entzündeten sich an der Frage, ob Kicker Werbung für einen Schokoladenaufstrich machen sollten. Oder für Jägermeister, immerhin ein alkoholisches Getränk. Und dann war da in den Achtzigern auch noch der FC Homburg aus dem Saarland. Der hatte einen Deal mit London ausgehandelt. Der Erzeuger ehehygienischer Artikel, wie es vornehm heißt, wollte auf die Brust des kleinen Bundesligisten. Der DFB war erbost: Kicker, die für Kondome werben, verstoßen gegen die Sittlichkeit. Ob der DFB — oder vielmehr die Deutsche Fußball Liga (DFL), die es damals noch nicht gab — intervenieren wird, weil Rheinmetall der Sittlichkeit widerspricht, die der Sport sich selbst verleiht, bleibt abzuwarten. Immerhin heißt es doch allzu oft: Sport bringe zusammen, vereine die Menschen aus allen Teilen der Welt — und die Sprache des Sportes sei international. Zu optimistisch darf man freilich nicht sein, dass die Funktionäre des deutschen Fußballs Bedenken haben könnten.

Über die Funktionäre von damals spottet man heute. Sie wirken mit zeitlichem Abstand unheimlich provinziell. Wie Duodezfürsten, die in ihrem Reich mit mal leichtem, mal verstärktem Despotismus auftraten. Noch immer lehnten sie sich damals gegen das Profitum auf. Dabei war das längst installiert und die Monetarisierung der Branche schritt voran. Die Granden der Verbände waren noch dem Amateurismus verhaftet. Wo sie konnten, boykottierten sie die Bestrebungen der Klubs, Geld zu machen — einem Kondomproduzenten Raum zu geben: Dagegen stemmten sie sich aus Prinzip, die Moral schien ihnen Recht und einen Hebel zu geben. Die Funktionäre von heute kennen nur einen Profifußball, der alles und jeden zu Geld macht. Was sollten sie also gegen Rheinmetall haben?

Natürlich ist es ein berechtigter Einwand, dass hier ein vermutlich unsittlicher Konzern — unsittlich mit Blick auf das Recht auf Leben und die Menschlichkeit —, den Versuch startet, die Bundesliga als Sprungbrett zu missbrauchen, um dort Verständnis für die Kriegswirtschaft zu generieren.

Aber dem Klub mit Moral zu kommen, lohnt nicht — so arbeitet das Geschäft nicht. Im Fußball werden wahnsinnige Summen bewegt. Wer da noch mitspielen will, wer Global Player bleiben will, verkauft nicht nur seine Großmutter — er tötet sie gewissermaßen auch, wenn das Reibach garantiert.

Schuld daran sind auch die, die jetzt mit Moralismus um die Ecke biegen: Ihnen bleibt als Mittel nur, sich komplett abzuwenden. Keine Trikots mehr zu kaufen, nicht ins Stadion zu gehen, ihrem Klub den Rücken zu kehren. Geht die Empörung über den Deal so tief, dass die Fans diesen Schritt, der seine Seele sicherlich verletzt, auch bereitwillig gehen werden?

Aus allen Rohren schießen

Dieses Prinzip der Empörung der Schlachtenbummler — das Wort bekommt unter den Dortmunder Voraussetzungen nochmal eine völlig neue Bedeutung — ist mittlerweile wohlbekannt. Zunächst sind Fans wütend, dann drehen sie auf der Tribüne den Spielern den Rücken zu. Was aber keiner tut: Sich vom Treiben abzuwenden. Seit Jahren tobt ein Kampf um die Kommerzialisierung. Vielen Fans reichte es, als die DFL einen Investor mit ins Boot holen wollte, damit die Bundesliga einen wohlklingenden Namen bekommt, wie etwa die erste spanische Liga, die auf den hübschen Namen La Liga EA Sports hört, gingen sie in den Widerstand. Und wie sah der aus? Man warf Tennisbälle auf den Platz. Das ist das Höchstmaß an Boykott, das vorstellbar scheint.

Das Publikum ist Teil des Problems. Man kann Borussia Dortmunds Entscheidung, Rheinmetall als Sponsor zuzulassen, nicht isoliert von der Nachfrage betrachten. Ernüchternd muss man wohl konstatieren: Rheinmetall weiß das — das Unternehmen wird wohl damit kalkulieren, dass die erste Entrüstung abebbt und das Engagement des Betriebes aus der Vernichtungsindustrie langsam aber sicher zur Normalität wird. Denn das ist das Prinzip des sportlichen Einsatzes aller Unternehmen: Am Ende feiert man zusammen mit dem Team Titel — und dann wird am Dortmunder Rathaus das Rheinmetall-Logo flattern. Unter dem Jubel der Anhängerschaft. Danke, Rheinmetall — deine Millionen haben uns die Meisterschaft gebracht!

Es sind Millionen, die auf den Schlachtfeldern der Welt generiert werden — aus der Portokasse Rheinmetalls finanziert. Eine Finanzspritze, die sich durch zerrissene Leiber generiert. Durch tausende tote Russen, die tausende tote Ukrainer zur Folge haben — Hunderttausende in letzter Summe gar.

Jeder Schuss aufs Tor ist ein Schuss in die Gedärme — zwischen den Worten Tor und Tod liegt gemeinhin nur ein Buchstabe. Der Tod schießt Tore: Im schwarz-gelben Dress.

Und all das, um es nochmals zu wiederholen, ist die Logik des entfesselten Kapitalismus, wie er sich im Laufe der letzten Jahrzehnte ausgeprägt hat. Weil es um Millionengagen geht, um horrende Ablösesummen, um kaum noch finanzierbare Megadeals, ist jeder Partner recht. Rheinmetall weiß das und dockt in der Zivilgesellschaft an. Der Sport macht Rheinmetall zum Gönner und Mäzen. Das Engagement macht aus dem Unternehmen ein Unternehmen wie jedes andere: Coca-Cola, McDonalds, Ford und Rheinmetall — alles Konsumgüter, alles Wirtschaft und Wohlstand. Sicher, Rheinmetall schafft Tötungswerkzeug. Aber schafft neuerdings auch viel Freude. Auf der Tribüne wird man es zu danken wissen. Vielleicht jetzt noch nicht, aber demnächst sicher. Der gemeine Fußballfan in Deutschland: Er ist in einem Maße vergesslich, wie es sonst nur der Bundeskanzler ist.

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Roberto J. De Lapuente, Jahrgang 1978, ist gelernter Industriemechaniker und betrieb acht Jahre lang den Blog ad sinistram. Seit 2017 ist er Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen. Er war Kolumnist beim Neuen Deutschland und schrieb regelmäßig für Makroskop. Seit 2022 ist er Redakteur bei Overton Magazin. De Lapuente hat eine erwachsene Tochter und wohnt in Frankfurt am Main. Im März 2018 erschien sein Buch „Rechts gewinnt, weil links versagt“.

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 12. Juni 2024 bei manova.news

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Bildquelle: hareluya / shutterstock

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Kommentare (3)

3 Kommentare zu: “Torschüsse und Todesschüsse | Von Roberto J. De Lapuente

  1. TriMartolod sagt:

    "Während die nationale Identität stirbt durch Millionen von Migranten…."
    Die Migranten kamen/kommen in ein Land, was schon längst von Glaube und Kultur entfremdet wurde.

  2. Frueher waren Haeuser lebendig sagt:

    Während das Land abgewirtschaftet, ausgenommen und geplündert wird, steht man im Fußball gut da.
    Während die nationale Identität stirbt durch Millionen von Migranten die seit Jahrzehnten mit offenen Armen empfangen werden, ist der Fußball ein schönes Trostpflaster, was man den Leuten noch lässt.

    Ein großer Mann sagte mal auf die Frage, wie man ein Land nachhaltig zerstören kann, dass man einfach den Glauben und die Kultur entfremdet oder zerstört.
    Das geschieht bei uns, und den Erfolg im Fußball lässt man den Lohn(Sklaven) als Trostpflaster, bis die Zerstörung der Identität abgeschlossen ist.

    • TriMartolod sagt:

      "Während die nationale Identität stirbt durch Millionen von Migranten…."
      Die Migranten kamen/kommen in ein Land, was schon längst von Glaube und Kultur entfremdet wurde.

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