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Spektakulärer Korruptionsfall in der Ukraine | Von Thomas Röper

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Kein Wort in deutschen Medien

In der Ukraine ist der bisher spektakulärste Korruptionsfall mit Beteiligung Selenskys bekannt geworden

In der Ukraine beherrscht ein Korruptionsfall die Medien, in den Selensky persönlich involviert ist, bei dem Tonaufnahmen von Gesprächen der Verschwörer veröffentlicht wurden und der darauf hinweist, dass die US-Regierung das Feuer auf Selensky eröffnet hat. Aber in deutschen Medien gibt es bisher keine Meldung darüber.

Ein Standpunkt von Thomas Röper.

Ich habe am Montag eine Kurzmeldung mit der Überschrift Strana: Veröffentlichung der „Minditsch-Bänder“ würde schwere politische Krise in der Ukraine auslösen“ veröffentlicht, die in der Ukraine die Enthüllung des wohl bisher spektakulärsten Korruptionsfalls eingeläutet hat. Das vom Westen gesteuerte Antikorruptionsbüro der Ukraine (NABU) hat am Montag erste Teile von Audiomitschnitten veröffentlicht, die in der Wohnung des engen Selensky-Vertrauten Timur Minditsch aufgenommen wurden, der in der Ukraine als „Selenskys Geldbeutel“ bezeichnet wird, weil es schon lange Meldungen gibt, dass Minditsch der Mann ist, über den Selensky hunderte Millionen Dollar (oder mehr?) an Korruptionsgeldern außer Landes geschafft hat. Während ich diesen Artikel am späten Dienstagabend schreibe, veröffentlicht das NABU immer neue Details des Falles auf seinem Telegram-Kanal.

In dem Fall geht es darum, dass Selensky persönlich zusammen mit anderen in der Wohnung von Minditsch die Unterschlagung von mindestens 100 Millionen Dollar besprochen und organisiert hat, die der Westen für die Reparatur der ukrainischen Energieinfrastruktur überwiesen hat. Dafür sollen sie Fantasieprojekte erfunden und abgerechnet haben, die nie gebaut oder völlig überteuert geplant wurden.

Natürlich waren der staatliche Energieversorger Energoatom und der damalige ukrainische Energieminister (seit kurzem Justizminister) German Galuschtschenko mit eingebunden. In den heimlich vom NABU mitgeschnittenen Gesprächen haben sie sich mit Codenamen angesprochen und das NABU hat bereits Aufnahmen veröffentlicht, auf denen Galuschtschenko zu hören ist.

Angesichts der Tatsache, dass es in der Ukraine derzeit schwere Stromausfällen gibt, ist der Skandal umso wichtiger, weil er bedeutet, dass Selensky und seine Leute Gelder, die für die Instandsetzung und den Schutz der Energieversorgung vorgesehen waren, im großen Stil unterschlagen und außer Landes geschafft haben. Dass die Ukrainer, die nun teilweise frierend und im Dunkeln, weil es keinen Strom und keine Heizung gibt, in ihren Wohnungen sitzen, auf diesen Skandal sehr empfindlich reagieren, ist klar.

In diesem Artikel werde ich die Vorgeschichte des Korruptionsskandals aufzeigen, denn der Skandal kommt keineswegs unerwartet, weil in der Ukraine ein offen ausgetragener Machtkampf zwischen dem NABU und Selensky tobt. Danach zeige ich auf, welche Details über den Skandal bisher bekannt sind, und dann schauen wir uns die Hintergründe an, denn das NABU, das nun offenbar zum Großangriff auf Selensky und seine engsten Mitarbeiter bläst, wird von den USA kontrolliert. Die Veröffentlichungen sind also mindestens in Absprache mit den USA erfolgt, wenn nicht sogar auf deren Anweisung.

Da dies daher einer meiner gefürchteten, sehr langen Artikel wird, ist er nur etwas für Liebhaber komplexer Politthriller. Deren Liebhaber werden dafür aber umso mehr auf ihre Kosten kommen.

Die Vorgeschichte

Im Frühjahr wurde bekannt, dass das NABU Ermittlungen gegen Selenskys engstes Umfeld durchführt. Dabei ging es unter anderem um die Unterschlagung gigantischer Summen, die offiziell für den Bau von Verteidigungsanlagen vorgesehen waren, die aber nie (oder in für den Kampf untauglicher Qualität) gebaut wurden. Je näher diese Ermittlungen Selenskys Präsidialbüro kamen, desto nervöser wurde man dort.

Am 10. Mai führte das NABU mehrere Durchsuchungen bei hochrangigen Führern der ukrainischen Nationalgarde, darunter auch bei ihrem Kommandeur General Alexander Piwnenko, wegen Korruptionsverdachts durch. Ukrainische Medien berichteten unter Berufung auf Quellen in Strafverfolgungsbehörden, dass der Kommandeur der Nationalgarde möglicherweise Bestechungsgelder in Höhe von 190 Millionen Griwna (4,5 Millionen US-Dollar) angenommen habe.

Selenskys Präsidialverwaltung und der Selensky unterstellte Geheimdienst SBU protestierte gegen die Maßnahmen des NABU.

Ende Mai berichteten ukrainische Medien, dass Mitglieder aus dem inneren Kreis von Selensky beim Bau von Verteidigungsanlagen in Korruptionsskandale verwickelt seien. Schon im Frühjahr 2024 hatten Soldaten beklagt, die Verteidigungslinien in der Region Charkow seien nicht gebaut worden und behaupteten, die für die Ausrüstung der Linien bereitgestellte Gelder seien veruntreut worden. Später stellte sich heraus, dass es in der Region Sumy ähnlich gewesen ist.

Der Showdown im Juli

Am 17. Juli gab es einen langen Artikel in der Financial Times mit der Überschrift Wladimir Selensky nach Antikorruptionsrazzien des Abdriftens in den Autortarismus beschuldigt (den ich damals übersetzt habe), in dem Selenskys Korruption erwähnt wurde, in dem der O-Ton aber war, Selensky unterdrücke die Opposition.

Trotzdem konnte man in dem Artikel erstaunlich viel über die Korruption in der Ukraine erfahren, was in westlichen Medien eine große Seltenheit ist und daher sehr ungewöhnlich war. Unter anderen wurde dort berichtet, das NABU würde gegen Alexej Tschernyschow, den damaligen stellvertretenden Ministerpräsidenten und Minister für Nationale Einheit der Ukraine, der als einflussreiche Persönlichkeit in Selenskys Umfeld gilt, wegen korrupten Immobiliengeschäften im zweistelligen Millionenwert ermitteln. Die Vorwürfe waren schon Mitte Juni bekannt geworden und Tschernyschow ist daraufhin aus der Ukraine geflohen.

Als Reaktion auf die Ermittlungen des NABU, die Selensky und seinem engen Kreis damit gefährlich nahe kamen, wurde der von Selensky kontrollierte Geheimdienst SBU aktiv und ging gegen das NABU und vom Westen finanzierte Aktivisten vor. Es gab Hausdurchsuchungen und Verhaftungen.

Zum Verständnis muss man wissen, dass das NABU und die SAP nach dem Maidan auf Druck der USA gegründet wurden. Sie sind von der ukrainischen Regierung unabhängig und arbeiten de facto für die USA, die die Ukraine über NABU und SAP kontrollieren, indem sie gegen jeden Kritiker der von den USA gewollten Politik Korruptionsanklagen konstruieren. Dass das NABU gegen Selenskys Umfeld aktiv wurde, geschah also nicht ohne zumindest ein Wohlwollen aus den USA.

Am 21. Juli, nur vier Tage nach dem Erscheinen des Artikels der Financial Times, führte der Selensky unterstellte ukrainische Geheimdienst SBU 70 Durchsuchungen bei Mitarbeitern des NABU durch und meldete die Festnahme des Leiters der interregionalen Detektivabteilung der Behörde, Ruslan Magomedrasulow, und außerdem erhob das Staatliche Ermittlungsbüro Anklage gegen drei NABU-Mitarbeiter wegen eines Verkehrsunfalls. Später nahm der SBU einen weiteren Mitarbeiter des NABU wegen angeblichen Hochverrats fest. Parallel dazu hat der SBU auch bei der Anti-Korruptionsstaatsanwaltschaft (SAP) eine Überprüfung begonnen.

Das NABU erklärte, die Durchsuchungen seien ohne Gerichtsbeschluss durchgeführt worden und es sei Gewalt gegen Magomedrasulow angewendet worden, obwohl dieser keinen Widerstand geleistet habe.

Selensky versuchte daraufhin, NABU und SAP unter seine Kontrolle zu bringen. Einen Tag später, am 22. Juli, ließ er unter großem Druck ein Gesetz durch das Parlament peitschen, das NABU und SAP seiner Präsidialverwaltung unterstellte.

Der Westen war natürlich nicht bereit, kampflos auf die Kontrolle über das NABU und die SAP zu verzichten, die immerhin die wichtigsten Instrumente des Westens zur Kontrolle der ukrainischen Politik sind. Und so kam es in der Ukraine unmittelbar nach der Annahme des Gesetzes zu vom Westen orchestrierten Protesten und westliche Medien berichteten plötzlich über Korruption in der Ukraine und dass Selensky den Kampf gegen die Korruption verhindere, wenn er die beiden „unabhängigen Antikorruptionsbehörden“ unter seine Kontrolle bringt.

Nach kaum einer Woche gab Selensky auf und ließ die Gesetze zurücknehmen, mit denen er NABU und SAP unter seine Kontrolle gebracht hatte. Aber es war aber absehbar, dass die Geschichte damit nicht beendet sein würde, denn das von den USA kontrollierten NABU kündigte umgehend an, nun erst recht weiter in Selenskys Umfeld ermitteln zu wollen.

Weitere Korruptionsenthüllungen

Am 11. August berichtete die türkische Zeitung Aydınlık, dass Selensky und sein Umfeld monatlich 50 Millionen Dollar an Korruptionsgeldern auf Bankkonten überweisen, die zwei in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässigen Unternehmen gehören. Am gleichen Tag behauptete der ukrainische Abgeordnete Alexej Gontscharenk, dass Mitglieder aus Selenskys Umfeld versucht hätten, durch den Erwerb einer französischen Bank rund fünf Milliarden Euro in Kryptowährungen zu waschen, was jedoch von Regulierungsbehörden blockiert wurde. Die Behauptung, die Gontscharenko auf seinem Telegram-Kanal gepostet hat, soll auf Aufnahmen basieren, die das NABU Berichten zufolge beschlagnahmt hat.

Am 3. September veröffentlichte ein ukrainischer Abgeordneter eine Recherche zu den Unterschlagungen beim Bau von Befestigungsanlagen. Demzufolge wurden in der Region Poltawa rund die Hälfte der 400 Millionen Griwna (9,7 Millionen US-Dollar) unterschlagen, die bis 2024 für den Bau von Befestigungsanlagen in den von Kiew kontrollierten Gebieten des Donbass bereitgestellt wurden. Anstelle von Verteidigungsanlagen wurden „Dekorationen“ errichtet, der Abgeordnete sprach von

„Gruben, Holzpfählen und Materialien von zweifelhafter Qualität, die modernen Waffen nicht standhalten“.

Am 4. September hat das NABU laut dem Abgeordneten die Herausgabe der Unterlagen über den Fall gefordert. Er behauptete, die ukrainische Regierung sei seit langem über das Korruptionssystem in der Regionalverwaltung Poltawa informiert gewesen, sie hätte den Fall jedoch in der Regionalniederlassung des Büros für wirtschaftliche Sicherheit „begraben“.

Mitte September hat die vom Westen bezahlte und gelenkte Anti-Korruptions-NGO, die im Sommer auch schon der wichtigste Player bei den Protesten gegen die Übernahme von NABU und SAP durch Selensky war, berichtet, dass mit dem Chef des ukrainischen Sicherheitsrates und ehemaligem Verteidigungsminister Umerow ein weiterer enger Vertrauter von Selensky Immobilien im zweistelligen Millionenwert in den USA besitzt.

Das war nur ein grober Überblick über die Ereignisse in dem Machtkampf, der keinesfalls vollständig, aber ausreichend ist, um zu zeigen, wie erbittert in der Ukraine um die Macht gekämpft wird, und wo die Frontlinien verlaufen: Sie verlaufen zwischen Selensky und seinem Umfeld inklusive dem Selensky unterstellten Geheimdienst SBU einerseits, während auf der anderen Seite die vom Westen gelenkten NABU und SAP zusammen mit ebenfalls vom Westen finanzierten NGOs und einer Reihe ukrainischer Politiker wie beispielsweise Poroschenko und andere stehen, die Selensky schon lange stürzen wollen.

Der schwarze Montag für Selensky

Diese Woche begann in Kiew mit einem weiteren spektakulären Skandal, denn NABU und SAP haben über einen Korruptionsskandal im Energiesektor berichtet, bei dem mindestens 100 Millionen US-Dollar in den Taschen hochrangiger Beamter und mit ihnen verbundener Geschäftsleute verschwunden sind. Zu den Hauptverdächtigen gehören demnach Justizminister German Galuschtschenko, der bis vor kurzem Energieminister war, und Timur Minditsch, Miteigentümer des Unternehmens Kvartal 95, der in der Ukraine offen als Wladimir Selenskys „Geldbeutel“ bezeichnet wird.

Kvartal 95 war ursprünglich die Produktionsfirma, die Selenskys Show als Comedian und Schauspieler produziert und gemanagt hat und an der Selensky natürlich beteiligt ist. Es wird schon lange vermutet, dass Kvartal 95 inzwischen ein Vehikel zum Verschieben und Waschen von Geldern von Selenskys Clique ins Ausland ist.

Auf die Veröffentlichung des Korrutionsskandals folgten Meldungen über Durchsuchungen der Wohnungen von Galuschtschenko und Minditsch sowie bei Energoatom. Darauf folgte eine kurze Erklärung des NABU, in der eine „großangelegte Operation zur Aufdeckung von Korruption im Energiesektor“ verkündet wurde, deren „Mitglieder ein groß angelegtes Korruptionssystem zur Beeinflussung von strategischen Unternehmen des öffentlichen Sektors aufgebaut“ hätten.

Dann ließ das NABU die Bombe platzen und teilte mit, es verfüge über 1.000 Stunden Audiomaterial. Dazu wurden Fotos veröffentlicht, die die bei den Durchsuchungen beschlagnahmte Taschen zeigen, die bis zum Rand mit Griwna und Fremdwährung gefüllt sind, darunter auch Bündel von US-Dollar in Bankverpackungen.

In der Ukraine wurde sofort vermutet, dass es sich um die „Minditsch-Bänder“ handele, heimlich vom NABU in Minditschs Wohnung mitgeschnitttene Aufnahmen. Es hieß, dass in dieser Wohnung geheime Treffen stattfanden, an denen Selensky selbst, sein Büroleiter Andrej Jermak und andere hochrangige Beamte teilgenommen haben. Dabei sollen Pläne zur Veruntreuung von Haushaltsgeldern und deren Geldtransfer ins Ausland besprochen worden sein – und von all dem hat das NABU Gesprächsmitschnitte.

Später am gleichen Tag, es war immer der Montag dieser Woche, erklärte der Leiter der NABU-Ermittlungseinheit Alexander Abakumow Details der Operation „Midas“. Er erklärte, dass „alle Ermittler des Nationalen Büros beteiligt“ seien und dass die Ermittlungen bereits 15 Monate in Anspruch genommen hätten, in denen „mehr als 70 Durchsuchungen“ durchgeführt wurden. Im Energie- und Verteidigungssektor sei eine hochrangige kriminelle Organisation zur „Geldwäsche und illegalen Bereicherung“ aufgedeckt worden.

Unmittelbar danach hat das NABU Auszüge aus den mitgeschnittenen Gesprächen veröffentlicht, in denen die Teilnehmer den Bau von Vorrichtungen zum Schutz von Energieanlagen für „verrückte“ Summen besprachen. Bemerkenswert ist dabei übrigens, dass alle diese führenden Ukrainer, die sich bei offiziellen Auftritten weigern, Russisch zu sprechen, das sie es als die „Sprache des Aggressorstaates“ bezeichnen, wenn sie unter sich sind, Russisch miteinander reden.

Die Namen der Gesprächsteilnehmer sind in der Veröffentlichung hinter Spitznamen verborgen, doch Experten konnten sie anhand ihrer Stimmen leicht identifizieren. So soll der Spitzname „Carlson“ der Deckname von Minditsch sein, der in einer Aufnahme zugibt, er wolle nicht angeklagt werden. Er wurde vom „Professor“, das ist der ehemalige Energieminister und heutige Justizminister Galuschtschenko, beruhigt.

In dem veröffentlichten Gespräch wurde der Bau von Anlagen zum Schutz von Energieeinrichtungen besprochen, die die Gesprächsteilnehmer selbst als „verrückt“ bezeichneten, aber die ja auch nur den Sinn hatten, Rechnungen zu erstellen, um westliche Hilfsgelder abzuzweigen, gebaut werden sollten die nie.

Die Gesprächsteilnehmer Tenor und Rocket – das sind Dmitri Basow, Direktor für physischen Schutz und besondere Sicherheit bei Energoatom, und Igor Mironjuk, Galuschtschenkos Mitarbeiter – bezeichneten den Bau von Schutzvorrichtungen für Energieanlagen als „Geldverschwendung“.

In anderen Teilen sprach der noch nicht identifizierte Reschik mit den „Sugarmen“ über Möglichkeiten, von Energoatom abgezweigte Gelder zu legalisieren, während einer der Gesprächsteilnehmer eine „Verbindung“ zwischen Timur (offensichtlich Minditsch) und Gera (vermutlich auch German Galuschtschenko) erwähnte. In der Ukraine wird vermutet, dass es sich bei den „Sugarmen“ um die Brüder Michail und Alexander Zuckerman handelt, die seit Langem enge Verbindungen zu Minditsch pflegen und über die demnach in Großteil seiner geheimen Finanztransaktionen abgewickelt wurde.

Überstürzte Fluchten und Panik bei Selensky

Während die Aufdeckung der Korruptionsfälle um Minditsch und Galuschtschenko im Lager der Opposition Jubel auslöste, herrschte Berichten zufolge in Selenskys engstem Umfeld Panik. Selensky dachte angeblich sogar darüber nach, am Montag seine allabendliche Videoansprache abzusagen. Er hielt sie dann aber doch, wobei er die Korruptionsvorwürfe nur kurz erwähnte und sich für die „unvermeidliche Bestrafung“ korrupter Beamter aussprach und alle Beamten aufforderte, „mit dem NABU und den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten“. Das Hauptthema seiner Videoansprache war jedoch der Krieg und die „tapferen Kämpfer“ der Ukraine.

Am Dienstag , dem folgenden Tag, an dem es weitere Veröffentlichungen des NABU gab, gab es übrigens keine abendliche Videoansprache von Selensky. Stattdessen veröffentlichte er den Tag über Videos und Fotos, auf denen zu sehen war, wie er die Stadt Cherson besuchte und von Soldaten und Bewohnern freudig empfangen wurde.

Meldungen zufolge sind Minditsch und die Zuckermann-Brüder unmittelbar vor den Veröffentlichungen des NABU aus der Ukraine geflohen, die Durchsuchungen ihrer Wohnungen erfolgten in deren Abwesenheit.

Es wird vermutet, dass eine undichte Stelle ihnen ihre überstürzte Flucht ermöglicht hat. Jedenfalls hat SAPO-Chef Alexander Klimenko eine interne Untersuchung wegen einer möglichen undichten Stelle angeordnet. Laut ukrainischen Medienberichten könnte der Erste Stellvertretende SAP-Chef Andrej Sinjuk involviert sein, was dieser jedoch bestreitet.

Inzwischen sind die Namen von Minditsch und Galuschtschenko auf der ukrainischen Website „Mirotworets“ aufgetaucht, wo sie als Plünderer, Diebe und Mitglieder einer kriminellen Vereinigung bezeichnet wurden. Die Seite gilt als Todesliste, denn sie listet angebliche Feinde der Ukraine mit Bildern und Adressen auf – und wenn einer der Gelisteten getötet wird, wird das Wort “liquidiert” über sein Foto gestempelt.

Die „Wunderwaffe“ Flamingo

Im August hat Selensky großspurig verkündet, die Ukraine habe eine neue Wunderwaffe, die Langstreckenrakete Flamingo, entwickelt und beginne nun mit der Serienproduktion und schon bald werde sie massenhaft gegen Ziele tief in Russland eingesetzt.

In Russland gab es sofort Zweifel daran, die sich bald bestätigten, denn später räumte Selensky widerwillig gewisse „technologische Schwierigkeiten“ ein und beklagte Verzögerungen bei der Finanzierung aus dem Westen, die die Produktion der Flamingo behinderten. Inzwischen sind Experten sicher, dass die Flamingo keine ukrainische Entwicklung ist, für die beträchtliche Mittel aus der (von der EU finanzierten) ukrainischen Staatskasse bereitgestellt wurden, sondern die von der britischen Milanion Group entwickelte Rakete FP-5. Oder zumindest eine Kopie davon.

Wie es der Zufall will, taucht Minditschs Name auch in einer anderen Ermittlung des NABU wegen der Finanzierung der ukrainischen „Wunderwaffe“ Flamingo auf. Das NABU konzentriert sich bei seinen Ermittlungen auf Fire Point, das Unternehmen, das die „Flamingo“ angeblich entwickelt hat und einer der größten Drohnenhersteller für das ukrainische Militär ist. Die Ermittler interessieren sich dafür, wie sich eine kleine Castingagentur, die zuvor Schauspieler für Film und Fernsehen vermittelt hat, zu einem der größten Auftragnehmer der ukrainischen Streitkräfte entwickeln konnte, denn im vergangenen Jahr hat das Unternehmen fast ein Drittel der im Staatshaushalt für Drohnen vorgesehenen Gelder bekommen, und sein Jahresumsatz stieg von 4 Millionen auf über 100 Millionen US-Dollar.

Interessanterweise haben – wieder so ein seltsamer Zufall – die formellen Eigentümer von Fire Point einst eng mit Kvartal 95 und deren Miteigentümern Selensky und Minditsch zusammengearbeitet, als Selensky noch im Showbusiness war. So wurde eine Castingagentur zum wichtigsten Drohnenlieferanten für das ukrainische Militär und sogar zum Entwickler der angeblich hochmodernen ukrainischen Rakete Flamingo, die auch westliche Medien im August brav als kommende ukrainische „Wunderwaffe“ im Kampf gegen Russland gefeiert haben.

Die ganze Flamingo-Geschichte scheint nichts weiter gewesen zu sein, als eine geschickt inszenierte PR-Kampagne, um weitere Veruntreuungen westlicher Gelder durch Selenskys „Geldbeutel“ Minditsch zu vertuschen.

Naht Selenskys Ende?

In den letzten drei Jahren wurde Selenskys baldiger Sturz schon oft erwartet, aber bisher konnte Selensky sich an der Macht halten und sich die Unterstützung vor allem der EU und ihrer Mitgliedstaaten sichern. Aber diese Geschichte könnte zu groß werden, als dass sie vor der europäischen Öffentlichkeit versteckt werden kann. Das gilt umso mehr, wenn tatsächlich die USA hinter dem Angriff des NABU auf Selensky stecken sollten und nun tatsächlich seinen Sturz erreichen wollen.

Ukrainischen Medienberichten zufolge sucht Selenskys engster Kreis derzeit fieberhaft nach Wegen, ihn aus der Schusslinie zu nehmen. Das ist weitaus schwieriger als in früheren Fällen, denn die übliche Methode, den ihm unterstellten Geheimdienst SBU zu benutzen, um seine Gegner der Zusammenarbeit mit Russland zu beschuldigen, dürfte kaum Erfolg haben, weil jeder weiß, dass NABU und SAP eng mit US-amerikanischen und europäischen Geheimdiensten verbunden sind – und eben ganz sicher nicht mit russischen.

Natürlich sind die Reste der ukrainischen Opposition zum Leben erwacht. Die Parlamentsfraktion „Europäische Solidarität“ des ehemaligen Präsidenten Petro Poroschenko hat die Einleitung des Prozesses zur Entlassung der Regierung und zur Bildung einer „Regierung der nationalen Einheit“ angekündigt. Zwar ist die Opposition in der Werchowna Rada in der Minderheit und die Chancen für die Umsetzung dieser Initiative stehen schlecht, aber sollten die USA hinter den Aktionen des NABU stecken, könnte sich das Blatt schnell wenden, denn ukrainische Abgeordnete und Politiker wechseln ihre Parteizugehörigkeit ständig, wenn sich die Machtverhältnisse ändern.

Dass Abgeordnete ihre Fahne in den Wind halten, um bei einem Regierungswechsel auch weiterhin möglichst nahe an den Futtertrögen zu bleiben, ist in der Ukraine normal, weshalb es nur eines Fingerschnippsens aus Washington bedarf, damit das Lager um Poroschenko in der Rada durch „Überläufer“ aus Selenskys Partei eine Mehrheit bekommt. Die Frage ist nur, ob die USA im Falle eines Sturzes von Selensky auf Poroschenko setzen, oder auf einen anderen Kandidaten.

Das Problem der Europäer

Trump hat die Ukraine als hochgradig korrupt bezeichnet und das als einen der Gründe angeführt, warum die USA die Unterstützung Kiews eingestellt haben. Unter Trump ist offenbar kein US-Dollar mehr nach Kiew geflossen. Sollten westliche Medien beginnen, über die Details der ukrainischen Korruption und Selenskys Rolle dabei zu berichten, kann Trump sich zurücklehnen, die gesamte Vergangenheit Joe Biden anlasten und ansonsten schadenfroh nach Europa schauen.

Die Lage der Europäer ist nämlich deutlich schlechter, schließlich setzen sie weiterhin auf Selensky und die Unterstützung der Ukraine. Was sollen sie tun, wenn der Umfang von Selenskys Korruption bekannt wird? Immerhin hat er, daran gibt es wohl keine Zweifel, zusammen mit seinem Umfeld Milliarden Dollar westlicher Hilfsgelder in seinen Taschen verschwinden lassen.

Sollen die Europäer dann naiv sagen „Wir haben nichts bemerkt“ und sich damit lächerlich machen? Oder sollen sie zugeben, dass sie davon wussten, aber weggesehen haben, weil der korrupte Selensky im Kampf gegen Russland für sie das kleinere Übel war. Und in welchem Licht erscheinen dann all die gemeinsamen Fotos mit Selensky, auf denen sie Selensky umarmt, geküsst und ihm auf die Schulter geklopft haben?

Vielleicht war aber auch das wieder nur ein „Warnschuss“ an Selensky und es gelingt ihm hinter den Kulissen noch einmal, seine Kritiker im Westen zu beschwichtigen. Es wäre nicht das erste Mal. Aber es wird sicher immer schwieriger.

Die Medien

Der Skandal ist nun zwei Tage alt, aber in deutschen Medien gibt es darüber keine Meldungen. Die warten bei so heiklen Themen immer darauf, ob und wie US-Medien berichten und schließen sich deren O-Ton dann an. Das konnte man schon oft erleben.

Die New York Times hat unter der Überschrift „Korruptionsermittlungen erschüttern die ukrainische Regierung schon am 10. November einen ersten, erstaunlich langen Artikel über die Geschichte veröffentlicht, dessen Einleitung wie folgt klang:

„Monate nachdem der ukrainische Präsident versucht hatte, sie zu schwächen, gaben die Korruptionsbehörden bekannt, dass sie einen großen Skandal um das staatliche Atomenergieunternehmen aufgedeckt hätten.“

Nun bleibt abzuwarten, ob und wann deutsche Medien der Meinung sind, dass auch die Menschen in Deutschland davon erfahren sollen, und wie die deutschen Medien diese Geschichte dann präsentieren.

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Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. 

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Dieser Beitrag erschien am 12. November 2025 auf dem Blog anti-spiegel.

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Bild: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel treffen am 27. Juni 2024 zum Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Brüssel ein

Bildquelle: Alexandros Michailidis / shutterstock


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