Wie westliche Politik und Medien die reale Kriegsgefahr ausblenden
Ein Standpunkt von Wolfgang Effenberger.
Am Donnerstagmorgen, dem 21. November 2024, feuerte Russland eine Rakete auf die ukrainische Stadt Dnipro ab – im Kriegsalltag zunächst nichts Ungewöhnliches. Doch dieser Vorgang hat ein Potential, dessen Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Eine neue russische Hyperschall-Mittelstreckenrakete mit bisher nicht bekanntem Profil traf die Yuzmash-Raketenfabrik in Dnipro, Ukraine. Diese Rakete könnte die jahrzehntelangen US-Bemühungen, besonders in Europa die Vorherrschaft über Russland zu erlangen, nachhaltig vereiteln. Die Hyperschallwaffe hat eine Reichweite von mehr als 5.500 Kilometern und erreicht laut ukrainischen Angaben elffache Schallgeschwindigkeit. Sie hat eine Nutzlast bis 1,2 Tonnen, die auf mehrere unabhängig ansteuerbare Wiedereintrittskörper verteilt werden kann. Damit wäre das Eindringen in den NATO-Raum für Russland ein Kinderspiel. In seinen Bemerkungen zur Vorstellung des Oreshnik-Raketensystems sprach Präsident Putin von dem "neuesten russischen Mittelstrecken-Raketensystem", welches "unter Kampfbedingungen getestet" worden sei – und zwar äußerst erfolgreich und warnte, dass Moskau sich das Recht vorbehält,
„unsere Waffen gegen Militäreinrichtungen jener Länder einzusetzen, die den Einsatz ihrer Waffen gegen unsere Einrichtungen erlauben“.(1)
Moskau sieht darin eine "Botschaft an den Westen". Der Einsatz sei eine Reaktion auf die unbesonnene westliche Unterstützung für die Ukraine.
Damit spielte Putin auf Bidens Freigabe von weitreichenden westlichen Marschflugkörpern am Sonntag, dem 17. November, an. Auf Bidens Entscheidung, ATACMS-Raketen für Angriffe auf Russland freizugeben, reagierte am 18. November 2024 der designierte US-Präsident Donald Trump mit aller Eindeutigkeit:
„Noch nie waren wir dem Dritten Weltkrieg näher als heute unter Joe Biden. Ein globaler Konflikt zwischen Atommächten würde Tod und Zerstörung in einem Ausmaß bedeuten, das in der Geschichte der Menschheit beispiellos ist“.
Trump befürchtet bei einer weiteren Eskalation ein nukleares Armageddon, da unter allen Umständen verhindert werden muss:
„Wir müssen absolut klarstellen, dass unser Ziel darin besteht, die Feindseligkeiten sofort vollständig einzustellen; alle Kampfhandlungen müssen eingestellt werden. Das ist das zentrale Thema. Wir brauchen unverzüglich Frieden. Darüber hinaus muss es auch ein vollständiges Bekenntnis zur Zerschlagung des gesamten globalistischen Neocon-Establishments geben, das uns ständig in endlose Kriege hineinzieht und vorgibt, im Ausland für Freiheit und Demokratie zu kämpfen, während es uns hier zu Hause in ein Land der Dritten Welt und eine Diktatur der Dritten Welt verwandelt.“(2)
Diesen hehren Worten Trumps stehen jedoch beachtliche Hindernisse entgegen, die in Strategiepapieren und einem US-Gesetz verankert sind: TRADOC 525-3-1 vom September 2014, Nationale Verteidigungsstrategie vom Oktober 2022 und der Resolution 758 vom Dezember 2014. Trump schient bereit zu sein, auf Konfrontation mit den mächtigsten Gruppierungen in den USA zu gehen, die letztendlich auch nicht vor Mord zurückschrecken.
US-Resolution 758: Permanente Kriegserklärung an Russland
Im Juli 2014 trat John F. Tefft den amerikanischen Botschafterposten in Moskau an. Er hatte sich vorher in der Ukraine, in Georgien und Lettland einen Namen als Unruhestifter und Umsturzexperte gemacht. Nun sollte er wohl die russische Bevölkerung gegen Präsident Putin aufwiegeln. Am 4. Dezember 2014 verabschiedete der US-Kongress mit überwältigender Mehrheit die Resolution 758 (411 Ja, 10 NEIN) (3): Auf ein langes Sündenregister der russischen Föderation aus Halbwahrheiten und dreisten Lügen folgen 22 Forderungen, die den Kongress und den Präsidenten zu feindseligen Handlungen zwingen.
Noch am gleichen Tag bezeichnete Ron Paul, Urgestein des Kongresses und zweimaliger Präsidentschaftskandidat der Demokraten, die Resolution als fahrlässige Kriegserklärung an Russland. Das Dokument sei 16 Seiten Kriegspropaganda, die selbst Neocons die Schamröte ins Gesicht treiben würde, wenn sie dazu fähig wären. Ein Auftrag an den US-Präsidenten lautete etwa, die Einsatzbereitschaft der eigenen Streitkräfte und derjenigen der anderen NATO-Staaten zu überprüfen und die aus der Beistandsklausel erwachsene Verpflichtung zur kollektiven Verteidigung ernst zu nehmen.
Das EU-Parlament verabschiedete im Januar 2015 eine gleichlautende Resolution. Damit stand die Europäische Union bereits voll im US-Kriegsgespann — es war aber kein Thema für die öffentlich-rechtlichen Medien. Diese befremdliche Vasallentreue zeigt, wie stark die transatlantische Fessel Europa im Griff hat.
Das west-östliche Raketenduell vom 19. und 21. November 2024
Bereits in der Nacht zum 19. November wurde die russische Region Brjansk dann mit US-amerikanischen ATACMS-Raketen(5) und am Morgen des 19. November die russische Region Kursk laut Medienberichten mit Marschflugkörpern vom britischen Typ "Storm Shadow" beschossen.(4) Für Putin haben diese Angriffe im Stellvertreterkrieg zwischen der NATO und Russland in der Ukraine nun „Elemente globaler Natur angenommen hat“.(6)
Der russische Raketenangriff vom 21. November brachte Olaf Scholz in Rage, der in dem Einsatz eine^sah - die vorangegangene Freigabe und sofortige Anwendung (die ja längst vorbereitet gewesen sein muss) weitreichender westlicher Waffensysteme durch Biden war für ihn natürlich keine Eskalation. Trotzdem, so Scholz, brauche es jetzt Besonnenheit seitens der westlichen Partner und daher auch das Verneinen der Taurus-Frage. Laut Scholz müsse dafür gesorgt werden, dass es nicht zu einem Krieg zwischen Putin und der NATO komme.(7)
Da hätte Kanzler Scholz zu Beginn seiner Amtszeit mit dem offiziellen Segen von Biden ohne Probleme schon viel effektiver darauf hinarbeiten können, wenn er es gewollt hätte.
Für Russland dürfte Deutschland und vor allem Kanzler Scholz inzwischen jeden Vertrauenskredit verspielt haben. In der gemeinsamen Erklärung der USA und Deutschlands vom 21.07.2021 zur “Unterstützung der Ukraine, der europäischen Energiesicherheit und unserer Klimaziele” versicherten die Vereinigten Staaten ihre Unterstützung für die Bemühungen Deutschlands und Frankreichs, Frieden in der Ost-Ukraine im Rahmen des Normandie-Formats zu erreichen. „Deutschland wird seine Anstrengungen innerhalb des Normandie-Formats intensivieren, um die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zu ermöglichen“.(8) Anschließend wurde weder die Regierung Merkel, noch die Regierung Scholz aktiv. Nur Lippenbekenntnisse? Vermutlich ja, denn am 7. Dezember 2022 ließ die ehemalige Kanzlerin im ZEIT-Interview wissen: „Das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben. Sie hat diese Zeit auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht.“(9) Minsk II scheint demnach ein reines Täuschungsmanöver gewesen zu sein, um in aller Ruhe die Ukraine aufzurüsten.
In der jetzigen äußert heiklen Situation mahnt Scholz mit recht Besonnenheit seitens der westlichen Partner an. Hier wäre nun endlich die Besinnung auf die Vorgeschichte des Konflikts angebracht!
Der frühere Berater von Donald Trump zu dessen ersten Amtszeit und pensionierte Oberst der US-Army, Douglas Macgregor, hat in einem Interview mit einem britischen Journalisten auf prägnante Weise die Entstehung und den Verlauf des Krieges in der Ukraine rekapituliert, eine zum Krieg führende Ereigniskette, die in ihrer Übersichtlichkeit für Jedermann verständlich sein sollte.
In seinem Interview ging Macgregor hart mit der westlichen Propaganda und den in den USA und Europa verbreiteten Narrativen ins Gericht, in denen, angeführt von Washington und London, ein in seinem Ausmaß schockierendes Reich der Lügen errichtet wurde:
„Darauf war ich, ehrlich gesagt, völlig unvorbereitet, so etwas habe ich noch nie gesehen. Wir haben systematisch über alles gelogen, was mit Russland und der Ukraine zu tun hat, und das seit Monaten, wenn nicht sogar Jahren.“(10)
Die Wahrheit ist, sagt der pensionierte Oberst weiter, dass Russland keineswegs der "böse Aggressor" sei. Es habe seine militärische Operation gestartet, um sein Land zu sichern. Der Westen habe in den vergangenen 20 Jahren unermüdlich daran gearbeitet, Russland auf jede erdenkliche Weise zu untergraben und zu schwächen. Die Russen hatten sehr deutlich gemacht, dass sie die NATO an ihren Grenzen nicht akzeptieren würden. Sie hatten zwar den Beitritt von Lettland und Estland akzeptiert, aber eine Aufnahme der Ukraine immer als inakzeptabel bezeichnet.
Schon 27 Jahre zuvor hat der damalige US-Senator Joe Biden insbesondere über den möglichen Beitritt Polens, Tschechiens und Ungarns gesprochen (der im April 1999 während des Jugoslawien-Kriegs Realität wurde) und erklärt, daß die Aussicht auf eine Mitgliedschaft für die an Russland grenzenden baltischen Staaten (Estland, Lettland und Litauen – sie wurden 2004 Mitglieder) „real, aber weiter entfernt“ sei.
„Ich denke“, so Biden, „die größte Bestürzung im Hinblick auf die Nato-Russland-Beziehungen, beziehungsweise US-Russland-Beziehungen, würde kurzfristig entstehen, wenn die baltischen Staaten jetzt in die Nato aufgenommen würden … Und wenn es irgendetwas gäbe, das das Gleichgewicht im Sinne einer heftigen und feindseligen Reaktion – ich meine nicht militärisch – in Russland zum Kippen bringen würde, dann wäre es das.“(11)
Macgregor: „Aber sie haben sehr deutlich gemacht, dass die Ukraine, die ungefähr die Größe von Texas hat, niemals Mitglied der NATO werden dürfe. Das stellte einfach eine zu große Gefahr dar. Wir haben es ignoriert." Einer der Hauptgründe, warum Russland 2014 die Krim annektierte, war laut Macgregor, dass Putin verhindern wollte, dass der Marinestützpunkt in Sewastopol in die Hände der NATO fällt: „Und denken Sie daran: Wenn er "NATO" sagt, meint er letztlich die Vereinigten Staaten. Es ist die US-Marine, die in die Häfen der Krim eingelaufen ist. Es sind die US-Streitkräfte, die sich nach Osten an die russische Grenze bewegen. Und wir haben uns entschieden, nicht darüber zu sprechen.“(12)
An dieser Stelle erinnert Macgregor an den vorausgegangenen Staatsstreich in Kiew. Diesen hatten die USA „mitorganisiert und durchgeführt". Der Staatsstreich habe Leute an die Macht gebracht, die sonst nicht an die Macht gekommen wären. Und diese Leute seien gewalttatig, antirussisch und feindlich gegenüber den nationalen Sicherheitsinteressen Russlands. Diese vom Westen unterstützten neuen Machthaber hätten 2014 den Krieg im Osten der Ukraine vom Zaun gebrochen:
„Wir haben sie ermutigt, wir haben sie kultiviert, wir haben angefangen, Geld in dieses Ding namens ukrainische Armee zu stecken. Und 2014 begann diese junge Armee sofort mit Angriffen auf ethnische Russen in der Ostukraine, in den sogenannten Regionen oder Oblasten Donezk und Lugansk. In der Zeit zwischen den ersten Angriffen der Artillerie im Jahr 2014 und der Intervention der Russen im Februar 2022 wurden 14.000 Menschen getötet. Sie feuerten Tausende und Abertausende Artilleriegeschosse ab. In der Tat haben sie in den ein oder zwei Wochen vor dem endgültigen Einmarsch der Russen (im Februar 2022) über 2.000 Schuss Artillerie abgefeuert. Und diese wurden alle auf russische Zivilisten abgefeuert.“(13)
Geopolitischer Wettlauf um die Krim
Die russischsprachige Bevölkerung der Ostukraine reagierte nach dem vom Westen orchestrierten Maidan-Putsch schnell, indem Aktivisten öffentliche Gebäude besetzten. Sie erkannten die aus dem Putsch hervorgegangene Regierung, deren Mitglieder sich zum Teil als russenhassende rechte Nationalisten gebärdet hatten, nicht an. Am 16. März 2014 führten die Behörden der Krim eine Volksbefragung durch, in der die große Mehrheit für einen Anschluss an Russland votierte, und Russland nahm das Aufnahmegesuch an. Während Politiker und Medien im Westen gebetsmühlenartig wiederholen, Russland habe die Halbinsel Krim völkerrechtswidrig "annektiert", vertritt Reinhard Merkel, emeritierter Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Hamburg, eine andere Auffassung. Bei aller Empörung über das russische Vorgehen könne nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass das Referendum den Willen einer großen Mehrheit der Krim-Bevölkerung wiedergab. Somit liege keine Annexion vor, die eine gewaltsame Aneignung gegen den Willen der Bevölkerung voraussetzt, sondern eher eine Sezession. Zweifelsfrei hingegen hatten die Behörden mit der Durchführung der Volksabstimmung und dem Vollzug ihres Ergebnisses gegen die ukrainische Verfassung verstoßen.(14) Aber war die ukrainische Verfassung durch den faschistischen Putsch und die verfassungswidrige Abwahl des rechtmäßigen Präsidenten nicht schon längst außer Kraft gesetzt?
In dem Disput sollte auch die Geschichte der Ukraine und vor allem der Krim im Auge behalten werden. 1954 übertrug der ukrainisch-stämmige sowjetische Staatschef Nikita Chruschtschow die Krim der Ukrainischen Sowjetrepublik. Da dies innerhalb der Sowjetunion geschah, hatte es wenig Auswirkungen. Mit der Auflösung der Sowjetunion 1991 wurde die Halbinsel, die sich kurz zuvor als Autonome Republik innerhalb der Ukrainischen SSR erklärt hatte, Bestandteil der Ukraine.
Russland hatte in der Budapester Erklärung 1994 im Gegenzug für den Verzicht der Ukraine auf die auf ihrem Gebiet befindlichen Atomwaffen aus Sowjetzeiten die Unverletzlichkeit der Grenzen der Ukraine anerkannt. Doch für Russland ist die Krim mit dem Hafen Sewastopol ein geostrategischer Angelpunkt. Nur von hier aus sind Marineoperationen in den Mittelmeerraum möglich. 1997 gab es eine Verständigung mit der Aufteilung der Flotte zwischen beiden Ländern und dem Verbleib auch der russischen Marine auf der Krim bis 2017; 2010 wurde die Vereinbarung durch den im Februar 2014 hinweggeputschten Präsidenten Janukowytsch gegen verbilligte Erdgaslieferung bis 2042 verlängert.
Die Zusammenarbeit zwischen der ukrainischen Regierung und den US-Militärbehörden lief noch im September 2013 erstaunlich gut. Anfang September hatte der US-Navy-Infrastruktur-Stab im Rahmen der Ausschreibung für die Renovierung eines großen Schulgebäudes in Sewastopol — der Maßnahmen-Katalog bis zum letzten Pinkelbecken umfasste ca. einhundert Seiten — von den Anbietern die Vorlage eines technischen Vorschlags und der bisherigen Leistung sowie eines Preisvorschlags zur Bewertung verlangt. Die geschätzten Baukosten lagen zwischen 250.000 und 500.000 Dollar. Der Auftragnehmer musste alle Arbeiten innerhalb von 330 Kalendertagen nach der Auftragsvergabe abschließen. Solche Bauaktivitäten der US-Navy in Nachbarschaft zum Marinearsenal Russlands sind schon merkwürdig. Das konnte natürlich der russischen Seite nicht verborgen bleiben (15) – Absicht?
Dachten die USA daran, den Russen die Basis auf der Krim streitig machen zu können? Jedenfalls rückte diese Option nach dem Referendum erst einmal in weite Ferne. Kein Wunder, dass sich der Westen in der Bewertung für den Terminus "Annexion" entschied und somit die Vorboten des Kriegs aktivieren konnte: Sanktionen. Der damalige Chef des US-Thinktanks STRATFOR, George Friedman:
„Wir wollen die Russische Föderation nicht vernichten, sondern nur etwas verletzen bzw. ihr Schaden zufügen“.
Die sogenannte »Krim-Aggression« war nun also ein willkommener Anlass für die Verhängung der Sanktionen; sie dient noch heute als Begründung für einen beispiellosen Aufmarsch der NATO an der russischen Grenze entgegen den Absprachen von 1990. Es ist nicht auszuschließen, dass der Regimewechsel in Kiew sogar das Ziel hatte, in Konfrontation mit Russland zu geraten. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach bei ihrem wegen der "Krim-Annexion" um einen Tag verschobenen Moskaubesuch anlässlich des 70. Jahrestags des Siegs über den Faschismus am 10. Mai 2015 von einer „verbrecherischen und völkerrechtswidrigen Aggression“ — nicht Hitler-Deutschlands, sondern Russlands!
Wenn hier überhaupt von einer Aggression die Rede sein kann, dann gegenüber Russland bzw. gegen diejenigen Ukrainer, die ihre alte Ordnung verteidigen wollten. Der neu gewählte ukrainische Präsident Poroschenko setzte unter dem irreführenden Motto "Krieg gegen den Terror" im Mai 2014 die Armee gegen Bürger in den Gebieten um Donezk und Slawjansk ein, die sich dem Regime Change widersetzten. Sie hatten als Antwort auf den völkerrechtswidrigen Maidan-Putsch in den Regionen der Ostukraine sogenannte Volksrepubliken ausgerufen. Der IWF machte Druck: Ohne Herrschaft der Zentralregierung über die wirtschaftlich stärker entwickelte Ostukraine sollten keine Mittel fließen.(16)
Dem Ukraine-Kapitel "Rammbock gegen Russland" seines "Schwarzbuches EU & NATO Warum die Welt keinen Frieden findet" stellte Wolfgang Effenberger ein wegweisendes Zitat von Zbigniew Brzezinski voran:
„Die Ukraine, ein neuer und wichtiger Raum auf dem eurasischen Schachbrett, ist ein geopolitischer Dreh- und Angelpunkt, weil ihre bloße Existenz als unabhängiger Staat zur Umwandlung Russlands beiträgt. Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasisches Reich mehr.“(17)
Seit 1904 beherrscht von Mackinder die Weltmachts-Phantasien der Seemächte
Schon die Geostrategen des ausgehenden 19. Jahrhunderts sahen im eurasischen Herzland den Schlüssel für Weltmachtträume – zu einem Zeitpunkt, als niemand die dort lagernden Energiereserven auch nur ahnen konnte. Nachhaltig verstärkt wurden diese Appetenzen durch die geopolitischen Visionen des englischen Geographen Sir Harold Mackinder, Mentor von Generationen britischer Diplomaten. Im April 1904 erschien von ihm im »Geographical Journal« der »Royal Society« in London die folgenschwere Abhandlung über die andauernden, beherrschenden Antriebe in der Weltpolitik. Unter dem Titel »Der geographische Drehpunkt der Geschichte« (The geographical pivot of history) schilderte Mackinder „das uralte, ewig neue Gegenspiel der großen zentralen Steppenmacht der alten Welt, die sich immer wieder erhebt, gegen die meerbestimmten Randländer, die zuerst, wie die Griechen gegenüber den Persern, mittelmeerisch lebten“(18)und heute mit den USA ozeanisch verankert sind.
Mackinder prägte die Begriffe der eurasischen Zentralregion (pivot area) und des ostmitteleuropäischen Herzlandes, Jede dieser Regionen bezeichnete er als Sprungbrett zur Erlangung der Herrschaft über den Kontinent. Zum Durchbruch verhalf er seiner Theorie mit dem berühmten Ausspruch:
„Wer über Osteuropa herrscht, beherrscht das Herzland:
Wer über das Herzland herrscht, beherrscht die Weltinsel (Eurasien).
Wer über die Weltinsel herrscht, beherrscht die Welt“.(18)
Mit der "Weltinsel" (Eurasien) bezeichnete Mackinder die flächenmäßig größte, die bevölkerungsstärkste sowie die in jeder Hinsicht reichste aller möglichen Kombinationen der Länder der Erde. Das im Zentrum der "Weltinsel" liegende "Heartland" (Pivot Area) reicht von der Wolga bis zum Jangtsekiang und vom Himalaya zur Arktik. Zum Zeitpunkt der Analyse Mackinders im Jahr 1904 wurde das Gebiet des "Heartland" ohne die Halbinsel Kamtschatka vom Russischen Reich regiert, später von der Sowjetunion.
Die imperiale Politik des britischen Commonwealth in Anlehnung an die Heartland-Theorie wirkt in Großbritannien fort bis in unsere Tage. Die Vereinigten Staaten von Amerika begründen ihre internationale Politik bis heute auf der Grundlage und dem Geist der geopolitischen Vorstellungen Mackinders.
Demgemäß haben die USA 1981 ihr zentrales Militärkommando CENTCOM direkt unterhalb des Herzlandes platziert, und von den annähernd 800 US-Stützpunkten befinden sich die meisten in Eurasien. (20)
Der anglo-amerikanische Alptraum: Eine neue Kontinentalmacht (und das wird China), die mit den modernsten technischen Errungenschaften ausgestattet und kapitalkräftig genug ist – eine nicht hinnehmbare Gefahr für die angestrebte unipolare Weltordnung und die Verhinderung einer multipolaren Friedensordnung.
Seit Ende des 2. Weltkriegs sind die US-Strategen davon besessen, Russland (vor 1991 die Sowjetunion) zu zerstören. Ein Beispiel dafür ist der US-Kriegsplan DROPSHOT vom 19. Dezember 1949. Diese Einstellung kam auch in der Senatsanhörung zum Ukrainekonflikt vom 28. Februar 2023 zum Vorschein:
Generalleutnant Keith Kellogg zum befragenden Senator Rick Scott:
„Senator, ich glaube, wenn man einen strategischen Gegner besiegen kann und keine US-Truppen einsetzt, ist man auf dem Gipfel der Professionalität, denn wenn man die Ukrainer siegen lässt, ist ein strategischer Gegner vom Tisch und wir können uns auf das konzentrieren, was wir gegen unseren Hauptgegner tun sollten, und das ist im Moment China. … Und wenn wir dabei scheitern, müssen wir vielleicht einen weiteren europäischen Krieg führen, das wäre dann das dritte Mal.“(21)
Das geht einem US-General salopp über die Lippen. Während die USA von beiden Kriegen nur profitierten – Gewinne, Machtausweitung und Aufstieg zur Führungsmacht, wurde Russland bei unvorstellbaren Opferzahlen von 2 Weltkriegen verheert.
Der designierte US-Präsident Donald Trump hat übrigens am 27. November 2024 Ex-General Keith Kellogg als seinen Sondergesandten für die Ukraine und Russland nominiert. Kellogg habe eine herausragende Karriere im Militär und in der Wirtschaft hinter sich „und war in meiner ersten Amtszeit in hochsensiblen Funktionen im Bereich der nationalen Sicherheit tätig“, erklärte Trump auf seiner Onlineplattform Truth Social.
Trumps "Friedenaufruf", „Gemeinsam werden wir Frieden durch Stärke sichern.“ (22) hat bereits in der Times Kolumne des britischen Kriegspropagandisten H.G. Wells vom 5. August 1914 – keinen halben Tag nach der britischen Kriegerklärung an Deutschland – einen Vorläufer. Wells begrüßte den Kriegseintritt mit dem Ausruf:
„Jetzt ist das Schwert für den Frieden gezogen“.
Deutschland, das nun zum Schlag aushole, hätte die Zivilisation in Ketten gelegt und die Hoffnungen der Menschheit seit vierzig Jahren verdunkelt: „Nie war ein Krieg so gerecht, wie der Krieg jetzt gegen Deutschland… Ich glaube, zu diesem Zeitpunkt wird der deutsche Imperialismus zerstört sein, und es ist möglich, das Ende der Rüstungsphase der europäischen Geschichte vorwegzunehmen. Russland wird zu erschöpft sein für weitere 'Abenteuer'. Das zerschlagene Deutschland wird revolutionär sein“.(22a)
Im US-Strategiepapier vom 27. Oktober 2022 nannte US-Präsident Biden als
Hauptziele der Außenpolitik:
- Abbau der wachsenden multidisziplinären Bedrohung durch China
- Abschreckung der von Russland ausgehenden Herausforderung in Europa
- Ausschluss jedes Verzichts auf einen nuklearen Erstschlag
In den Handreichungen des wissenschaftlichen Dienstes des US-Kongresses vom 15. November 2022 ist zu lesen:
„Um regionale Hegemonie in Eurasien zu verhindern sind anscheinend viele militärische Operationen der US im 1. und 2. Weltkrieg, sowie zahlreiche militärische Kriegseinsätze und alltägliche Operationen der USA seit dem 2. Weltkrieg zu einem nicht geringen Teil zur Unterstützung dieses Ziels durchgeführt worden.“(23)
Die Triebkraft für einen derartigen weltumspannenden Einsatz liefert kein Geringerer als der Geopolitiker Halford Mackinder.
Ein Jahr zuvor, am 15. Dezember 2021 hatte Putin die Vereinigten Staaten und die NATO um weitreichende Sicherheitsgarantien gebeten. Die Verhandlungen zogen sich hin und gingen schließlich aus wie das Hornberger Schießen. Das führte wenige Wochen später in den spätestens seit September 2014 (TRADOC 525-3-5 "Win in a Complex World 2020-2040") anvisierten Stellvertreterkrieg mit Russland.
Eskalieren, um zu Deeskalieren?
Mit dem Einsatz des Oreshnik-Raketensystems am 21. November 2024 als Antwort auf die Freigabe weitreichender westlicher Waffensysteme, die dann prompt vom Westen am 19. November im russischen Kursk und Brjansk eingesetzt worden sind (wobei die Ukraine diese russische Region ab dem 3. August 2024 mit NATO- Unterstützung überfallen hat und diese Kräfte Ende November noch große Teile ihres zunächst eroberten Gebiets halten) hat Putin über drei Monaten seine Politik der strategischen Geduld (für viele im Westen überraschend) beendet.(24)
Die neue Hyperschallwaffe mit Mehrfachköpfen (MIRF) und einer Geschwindigkeit von annähernd 11 Mach könnte Russland im Fall eines Atomkonflikts mit dem Westen einsetzen. Der Westen scheint bisher keine Möglichkeiten zu haben, Russlands neueste Waffe abzufangen. Putin hat überzeugend mit Russlands nuklearem Säbel gespielt, was möglich war, ohne einen Atomkonflikt zu forcieren, da die Rakete nur konventionelle Gefechtsköpfe trug. Putin, nach dem 2. Weltkrieg in der fast drei Jahre lang von der deutschen Wehrmacht beschossenen Metropole Leningrad (heute St. Petersburg, eine Million Hungeropfer) aufgewachsen, ist vor dem Erfahrungshorizont seiner Familie sicherlich daran interessiert, einen dritten Weltkrieg zu vermeiden, und so ist es auch verständlich, warum sein Sprecher bestätigt hat, dass Russland die USA etwa eine halbe Stunde im Voraus über den Einsatz der Rakete informiert hat.
Aktualisierte Atomdoktrin soll inakzeptable NATO-Provokationen verhindern
Unter Punkt 11 dieser Doktrin ist zu lesen, „dass eine Aggression gegen die Russische Föderation und oder ihre Verbündeten durch einen nicht-nuklearen Staat unter Beteiligung oder Unterstützung eines nuklearen Staates als gemeinsamer Angriff dieser Staaten betrachtet wird.“(25) Unter Punkt 15f wird festgestellt, „dass die Erweiterung bestehender militärischer Koalitionen, die zu einer Annäherung ihrer militärischen Infrastruktur an die Grenzen der Russischen Föderation führen, eine militärische Bedrohung darstellt, die Russland abzuschrecken gedenkt. Gemeint sind natürlich Schweden und Finnland und ihr Beitritt zur Nato“.(26)
In der Vergangenheit hatte Putin mit dem Einsatz von Nuklearwaffen für den Fall gedroht, dass die von ihm gezogenen roten Linien vom Westen überschritten werden. Als sie dann überschritten wurden, etwa mit der Invasion in Kursk, passierte nichts. Diese Zeiten dürften für den Westen angesichts des neuen russischen Hyperschall Oreshnik-Raketensystems vorbei sein. Während die vom Westen gepriesenen Hyperschallsysteme ATACMS und Strom-Shadow nicht die Rolle des Game-Changers spielten konnten, dürfte das Oreshnik-System die Fähigkeiten dazu haben.(27)
Als Reaktion auf die russische "Eskalation" hat NATO-Chef Generalsekretär Rutte eine Sitzung des NATO-Ukraine-Rats einberufen. Außenministerin Annalena Baerbock sprach am Rande eines EU-Treffens in Brüssel von "chinesischer Drohnenhilfe" für Russland und forderte fordert harte Konsequenzen.(28) Deeskalation scheint vom Westen nicht erwünscht zu sein.
Einen Tag nach dem Ersteinsatz, am Freitagabend, den 22. November 2024, berief der russische Präsident Wladimir Putin die Führung des Verteidigungsministeriums, des militärisch-industriellen Komplexes sowie die Entwickler von Raketensystemen zu sich in den Kreml. Die Eigenschaften der neuen Mittelstreckenrakete beschrieb er wie folgt:
„Das Raketensystem 'Oreschnik' ist nicht nur eine effektive Hyperschallwaffe.
Aufgrund seiner Schlagkraft, insbesondere beim Gruppeneinsatz und in Kombination mit anderen hochpräzisen Langstreckensystemen, die Russland ebenso besitzt, sind die Resultate des Einsatzes gegen Objekte des Gegners vergleichbar mit dem Einsatz strategischer Waffen.“(29) Weiter betonte er:
„Wie Sie wissen, hat niemand sonst in der Welt eine solche Waffe“; und er wies darauf hin, "dass Oreschnik keine strategische Interkontinental- und keine Massenvernichtungswaffe sei, um abschließend festzustellen, dass kein Land der Welt derzeit über eine derartig fortschrittliche Waffe verfüge.
Auch der Kommandeur der strategischen Raketentruppen Sergei Karakajew berichtete und merkte an, dass sich Oreschnik positiv von anderen Präzisionswaffen mit großer Reichweite unterscheidet. Das System verfüge über Eigenschaften, die es ihm ermöglichen, Ziele in ganz Europa zu treffen. Im Wortlaut sagte Karakajew:
"Mit diesem Raketensystem mit Hyperschallblöcken ist es möglich,
beliebige Ziele ‒ von Einzel- über Flächenziele bis hin zu stark verteidigten Zielen ‒ mit hoher Effizienz zu treffen. Aufgrund der gestellten Aufgaben und der Reichweite dieser Waffe kann sie Ziele in ganz Europa treffen, was sie von anderen Präzisionswaffen mit großer Reichweite unterscheidet.“(30)
Der Einsatz der "Oreschnik"-Rakete und die Einbindung der Strategischen Raketentruppen in den Ukraine-Konflikt zeigen die Entschlossenheit Moskaus, seine strategischen Interessen zu verteidigen, während gleichzeitig der Versuch unternommen wird, eine nukleare Eskalation zu vermeiden. Der 21. November 2024 wird zweifellos als Wendepunkt in die russische Militärgeschichte eingehen. Mit dem Einsatz der RVSN in einer aktiven Militäroperation setzte Russland einen Präzedenzfall, der die Dynamik moderner Konflikte neu definieren könnte. Die Entscheidung, zunächst auf konventionelle Raketen zu setzen, zeigt die Strategie des Kremls: Stärke demonstrieren, ohne sofort die schlimmen Konsequenzen eines nuklearen Konflikts zu riskieren. Doch der Einsatz dieser „letzten Warnung“ unterstreicht auch die potenziell katastrophalen Konsequenzen, sollten diplomatische Bemühungen scheitern.(31)
Die Unterzeichnung des INF-Abkommens (Intermediate Range Nuclear Forces –Vertrag) zwischen Michail Gorbatschow und Ronald Reagan 1987 galt als Meilenstein der Abrüstung. Als Grund für ihren Rückzug aus dem Abkommen geben die USA seither angebliche gegen den Vertrag gerichtete russische Raketenentwicklungen an. Doch der eigentliche Grund für den Rückzug aus dem INF-Vertrag lag jedoch woanders: Da China kein Unterzeichner des INF-Vertrags war, hielten die USA es für notwendig, einem chinesischen Waffenaufbau im Pazifik, einschließlich im Südchinesischen Meer, entgegenzuwirken.
Die Aufkündigung des INF-Vertrags hängt jedoch mit dem Rückzug aus dem "Anti-Ballistic Missile Treaty " im Jahr 2002 zusammen, der eine eingeschränkte Raketenabwehr vorsah. Kurz darauf begannen die USA den Bau von "Raketenabwehranlagen" in Osteuropa. Diese Anlagen können leicht offensiv eingesetzt werden, um Marschflugkörper auf Russland abzufeuern.(32)
Im Juli 2024 kündigte die NATO mit Zustimmung von Olaf Scholz an, dass die USA ab 2026 atomfähige Mittelstreckenraketen in Deutschland stationieren würden. Dies wird eine äußerst gefährliche Situation erzeugen, die Europa bereits vor der Einführung des INF-Vertrags mit der Aufstellung der Pershing II-Raketen in Deutschland erlebt hatte – heute sind es jedoch Hyperschallwaffen (Dark Eagle). 2026 dürfte auch New Start auslaufen. Dann befindet sich die Welt wieder in einem Zustand wie im tiefsten Kalten Krieg vor 60 Jahren.
Vor dieser neuen, brandgefährlichen Situation muss der Westen anfangen, Putin endlich ernst zu nehmen, sonst könnte das Szenario eines Dritten Weltkriegs unvermeidlich werden.
Ein Szenario, mit dem sich Thomas Mann bereits 1953 an die Öffentlichkeit gewandt hat. Er hatte im US-Exil die Neigung der Amerikaner erkannt,
„Europa als ökonomische Kolonie, militärische Basis, Glacis im zukünftigen Atom-Kreuzzug gegen Russland zu behandeln, als ein zwar antiquarisch interessantes und bereisenswertes Stück Erde, um dessen vollständigen Ruin man sich aber den Teufel scheren wird, wenn es den Kampf um die Weltherrschaft gilt.“(33)
Dieses Szenario könnte eintreten, wenn es zu einem konzertierten Angriff auf Russland kommt, bei dem ukrainische, britische, französische und amerikanische Systeme eingesetzt werden, „die nur eingesetzt werden können, wenn Briten, Franzosen und Amerikaner beteiligt sind“, so Scott Ritter. Er sieht auch keinen Grund, dies zu tun:
Es wird einen Atomkrieg auslösen. Es wird einen Atomkrieg auslösen – nicht: „es könnte sein“, „es könnte vielleicht sein“, „ich weiß nicht“... Es wird einen Atomkrieg auslösen, so in aller Dringlichkeit Scott Ritter.(34)
Nach Scott Ritter möchte die jetzige US-Regierung Bedingungen schaffen, die es Donald Trump unmöglich machen, sich schnell aus der Ukraine zurückzuziehen. Ähnlich sieht es der legendäre US-Politiker und ehemalige Vizefinanzminister von Ronald Reagan, Paul Craig Roberts., der an seine Warnung erinnerte:
„Ich habe davor gewarnt, dass wir diesen gefährlichen Punkt erreichen würden, weil Putin sich weigerte, den Konflikt mit der Ukraine mit ausreichender Gewalt zu beenden, bevor Washington sich tief einmischen konnte. In dem Versuch, einen größeren Krieg zu vermeiden, produzierte Putin einen.(35) “
Dann gibt Roberts den Rat, sich mit der "russischen Kriegsdoktrin"(36) vertraut zu machen und verweist darauf,
„dass die USA und die NATO bereits gegen diese neue Doktrin verstoßen. So wurde beispielsweise gerade in Polen eine Aegis-Ashore-Anlage eröffnet, die fast identisch ist mit dem Aegis-Kampfsystem zur Abwehr ballistischer Raketen, das von US-Marineschiffen getragen wird. Dies ist die zweite Anlage dieser Art an der russischen Grenze (die erste befindet sich in Rumänien)".(37)
Roberts fällt es schwer, solche provokativen Aktionen Washingtons zu verstehen, die die Welt eindeutig mit einem Atomkrieg bedrohen.
Heute scheint die Vernunft nicht nur bei fast allen westlichen Politikern, sondern auch bei den Wissenschaftlern zu schlafen.
Erinnerung an Bertrand Russell (1872-1970) – Leitfigur des Pazifismus
Als weltweit bekannter vom Ersten Weltkrieg geprägter Aktivist für Frieden und Abrüstung war er eine Leitfigur des Pazifismus, auch wenn er selbst kein strikter Pazifist war.
Ab 1914 stellte Russell seine mathematische Forschung zurück und begann, sich aktiv gegen die Kriegsteilnahme des Vereinigten Königreichs und für Kriegsdienstverweigerung einzusetzen. Als wahrheitsliebender Mensch fühlte sich Russell von der Propaganda aller kriegsführenden Nationen abgestoßen, ebenso wie er sich als zivilisationsliebender Mensch vor dem „Rückfall in die Barbarei“ entsetzte.(38) Für die Welt wäre es seiner Überzeugung nach sehr viel besser gewesen, „wenn Großbritannien neutral geblieben wäre und die Deutschen einen schnellen Sieg errungen“ hätten. Dann hätte es später weder die Nazis noch die Kommunisten gegeben, denn diese seien „beide Produkte des Ersten Weltkrieges“ gewesen.(39)
Im April 1955 verfasste er das "Russell-Einstein-Manifest", welches auf ein Gespräch zwischen Bertrand Russell und Albert Einstein zurückging; Einstein hatte in den letzten Tagen seines Lebens, im April 1955, seine Unterschrift gegeben.(40) Der konkrete zeitliche Bezug auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs zwischen dem westlichen und dem östlichen Bündnissystem waren die vom Februar bis zum Mai 1954 von den USA vorgenommenen fünf Wasserstoffbombenversuche auf dem Bikini-Atoll, die große Gebiete verstrahlt hatten. Radioaktiver Niederschlag wurde in seiner zerstörerischen Wirkung nach den Bravo-Tests im Zuge der Atombombentestserie „Castle“ auf den Marshallinseln und nach der damit bewirkten Verseuchung der Inselbewohner und der Besatzung eines japanischen Fischerboots zu einem weltweit diskutierten Thema.(41) Der jüngste Unterzeichner, Józef Rotblat, hatte am Manhattan-Projekt teilgenommen. Er wurde in den folgenden Jahrzehnten „der aktivste Verfechter der Inhalte des Manifests“.(42)
Das Manifest traf u. a. die folgenden Feststellungen:
- Die Menschheit solle sich bewusst werden, dass mit dem Einsatz von Wasserstoffbomben nicht „nur“ Städte ausgelöscht würden, sondern die Existenz der gesamten Menschheit bedroht werde.
- Die friedliche Lösung internationaler Konflikte sei eine Notwendigkeit.
- Nur durch die Rückbesinnung auf die eigene Menschlichkeit und die bewusste Entscheidung gegen bewaffnete Konflikte könne der Fortbestand der Menschheit gesichert werden.
Wie lange wollen wir beim „Frosch im Kochtopf“-Effekt noch mitmachen?
Auf dem Herd steht ein Kochtopf voller Wasser, darin sitzt ein Frosch. Nun wird die Hitze so langsam erhöht, dass der Frosch darin nicht merkt, dass es immer heißer wird – er bleibt sitzen bis es zu spät ist, rauszuhüpfen.
Ein ähnliches Projekt scheint hier seit dem 24. Februar 2022 zu laufen:
Zuerst waren es die Helme, dann Panzer- und Luftabwehr, dann nach taktischem Hin und Her Leopardpanzer (die wegen ihrer ähnlichen Silhouette mit dem Tiger-Panzer 1943 vor Kursk an das kollektive Gedächtnis der Russen rühren), dann am 16. Februar 2024 der hochgefährliche, vorläufig auf 10 Jahre befristete Sicherheitspakt mit der Ukraine, in dem Deutschland die Souveräntität der Ukraine in den Grenzen von 1991 garantiert, dann das für den Luftwaffeninspekteur Gehartz mit seinen Top-Offizere folgenlose kriminelle Planspiel für einen Terroranschlag mit den Taurus-Marschflugkörpern auf die Krimbrücke und demnächst die Lieferung des Taurus – vermutlich nach der Wahl im Februar durch Kanzler Merz oder nach dem nicht erfolgreichen Mißtrauensantrag dank AfD durch Kanzler Scholz.
Es ist höchste Zeit, aus den Schlaf der Vernunft aufzuwachen!
Schluss mit dem Krieg! Sofortige Wiederaufnahme der von Russland Mitte Dezember 2021 mit dem Schreiben an die USA und die NATO geforderten Sicherheitsabkommen!
Quellen und Anmerkungen
Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete “atomare Gefechtsfeld” in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm „Schwarzbuch EU & NATO“ (2020) sowie “Die unterschätzte Macht” (2022).
2) https://voicefromrussia.ch/putin-setzt-die-nato-schachmatt-grund-zur-hoffnung/
3) H.Res.758 - Strongly condemning the actions of the Russian Federation, under President Vladimir Putin, which has carried out a policy of aggression against neighboring countries aimed at political and economic domination.
https://www.congress.gov/bill/113th-congress/house-resolution/758
5) https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-storm-shadow-100.html
6) https://tkp.at/2024/11/22/putin-laesst-eskalieren/
7) https://www.derwesten.de/politik/putin-krieg-scholz-mittelstreckenrakete-id301231052.html
8) https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/gemeinsame-erklaerung-usa-und-deutschland/2472074
9) https://www.wsws.org/de/articles/2022/12/20/merk-d20.html
10) Colonel Douglas Macgregor Reveals Truth on Ukraine Invasion of Russia
https://www.youtube.com/watch?v=AMEJLpHXfFo
Zitiert wie PAX REPORT Nummer 1-2024, Seite 15
11) Biden wörtlich (ab Minute 01:13:40) https://www.facebook.com/rishibagree/videos/1997-the-only-thing-that-could-provoke-a-vigorous-and-hostile-russian-response-w/1131428724346357/; vgl auch
12) Ebda.
13) PAX REPORT Nummer 1-2024, S. 15/16
14) Wolfgang Effenberger: Scchwarzbuch EU & NATO Warum die Welt keinen Frieden findet. Höhr-Grenzhausen 2020, S. 327
15) https://pavel-shipilin.livejournal.com/266161.html
16) Effenberger 2020 a.a.O., S. 331
17) https://www.thoughtco.com/what-is-mackinders-heartland-theory-4068393
18) Haushofer, Karl: Weltpolitik von heute. Berlin 1934, S. 51
19) Brzezinski, Zbigniew: Die einzige Weltmacht. Frankfurt a.M 1999, S. 63
20) https://www.overseasbases.net/uploads/5/7/1/7/57170837/deutsche_die_fakten_obracc.pdf
21) Alderson Court Reporting: Hearing to receive testemony on the conflict in Ukraine 28-2-23 Washington D.C., S. 85 www.aldersonreporting.com
22a) Walter Millis: Road to War America 1914-1917. Boston/New York 1935, S. 47/48
23) Wolfgang Effenberger. Online-Flyer Nr. 828 vom 27.03.2024 unter https://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=29050
24) Andrew Korybko Putin lässt eskalieren. Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer politischer Analyst, der sich auf den globalen systemischen Übergang zur Multipolarität spezialisiert hat. unter https://tkp.at/2024/11/22/putin-laesst-eskalieren/
26) Ebda.
28) https://www.tagesschau.de/ausland/baerbock-drohnen-china-100.html
29) https://tkp.at/2024/11/23/der-kampf-gegen-trumps-sturm-hat-begonnen/
30) Ebda.
31) https://gegenzensur.rtde.world/europa/227215-botschaft-haselnuss-an-ukraine-und-nato/
32) https://www.moonofalabama.org/2024/11/why-these -new-russian-missiles-are-real-game-changers.htm#mo
33) Quelle: Thomas Mann: Deutsche Hörer!
Europäische Hörer! Darmstadt 1986, Rückseite
https://www.youtube.com/watch?v=ezQ0aY-csFM
35) https://www.paulcraigroberts.org/2024/11/19/the-western-world-has-degenerated-into-idiocy/
36) https://www.rt.com/russia/607857-putin-updates-nuclear-doctrine/
37) Beide Anlagen sind mit dem dualen Mark 41-Startsystem ausgestattet, das sowohl ballistische Raketen als auch Tomahawk-Marschflugkörper, die mit Atomwaffen bestückt werden können, starten kann. Die Raketen kommen an und werden in die Abschussvorrichtungen geladen, die in großen Kisten versteckt sind, so dass es für Beobachter unmöglich ist, festzustellen, welcher Raketentyp gerade verwendet wird.
38) Bertrand Russell – The day the Great War began. https://www.youtube.com/watch?v=vvadYlVT81o
39) Bertrand Russell – Face to Face Interview (BBC, 1959).
https://www.youtube.com/watch?v=a10a5pnex/o&t=13m23s.
40) Den Krieg abschaffen, in: junge Welt, 1. Oktober 2016, S. 3)
41) Vanessa Aufenanger, Nele Friedrichsen, Stephan Koch (Hrsg.), Gerechtigkeit und Verantwortung in der Klima- und Energiepolitik, Münster 2010, S. 77.
42) Ebda., S. 81
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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