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Putin: Wir hatten genug Spaß mit Drohnen | Von Paul Clemente

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Ein Kommentar von Paul Clemente.

Drohnen sind die neuen UFOs. Wie in Amerika und Westeuropa während der fünfziger Jahre: Damalige Politiker versetzten ihre Bürger mit Gruselpropaganda in Schockstarre. Tenor: Russland unterwandert uns, liegt auf der Lauer, plant den atomaren Erstschlag. Hollywood assistierte mit Sci-Fi-Filmen über Aliens, die das Land der unbegrenzten Möglichkeiten einäschern oder versklaven wollten. Selbst ungebildete Zuschauer ahnten, wer mit den Außerirdischen gemeint war.

2025 scheint die Realität diese Film-Szenarien zu wiederholen. Aber in Form einer unfreiwilligen Parodie. Diesmal sind es Drohnen, die der unersättliche Ivan über fremde Länder kreiseln lässt.

Okay, unbemannte Flieger sind fester Bestandteil im Russland-Ukraine-Krieg. Putins Armee soll bis zu 600 Drohnen in umkämpfte Gebiete schießen. Die sorgen für Irritation, Demoralisierung und lenken das Militär ab. So weit, so bekannt. Dann aber, vor drei Wochen, sorgte eine Meldung für mediale Kreischkonzerte: 19 russische Drohen - gesichtet im polnischen Luftraum! Das Militär schoss die Flugobjekte ab. Einige Schrottteile stürzten auf ein Wohnhaus. Auswirkung: Leichte Schäden. Verletzte? Gab es nicht. Also fast nichts passiert. Kein Hinweis, dass die Drohnen einen Angriff versucht hätten.

Dennoch: Für Polens Premierminister Donald Tusk stehen die Flugobjekte für eine Zeitenwende: Ihr Flug habe die politische Situation komplett verändert. O-Ton:

„Ich möchte nachträglich betonen, dass es heute keinen Grund gibt zu behaupten, wir befänden uns im Kriegszustand. Aber es steht außer Frage dass diese Provokation die bisherigen Grenzen überschreitet und einen unvergleichlichen Charakter aufweist.“

Worin dieser „unvergleichlichen Charakter“ besteht? Verrät Tusk leider nicht. Stattdessen holt er den Knüppel aus dem Sack: Dieser UFO-Flug

„bringt uns alle näher an einen offenen Konflikt, näher als jemals nach dem Zweiten Weltkrieg.“

Das ließ sich die NATO nicht zweimal sagen. Deren Generalsekretär, Mark Rutte, bezeichnete die Luftverletzung als „absolut rücksichtslos“. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius ging noch einen Schritt weiter, sprach von einer „ständigen Bedrohung“ . Zumal die russischen Drohnen mit Munition bestückt waren. Auch Moskau meldete sich Wort. Der Kreml versicherte: Polen sei kein Kriegsziel. Falls es Fragen gebe: Das russische Verteidigungsministerium offeriere den polnischen Kollegen ein klärendes Gespräch. 

Ende gut, alles gut? Nein. Ein paar Tage später flogen Drohnen über den Flughafen von Kopenhagen. Das Chaos war perfekt. Die dänischen Behörden sprachen von „hybriden Angriffen mit verschiedenen Typen von Drohnen". Man wisse nicht, ob Russland hinter diesem UFO-Spuk stecke, schließe es aber keinesfalls aus. Vor allem Boris Pistorius nutzte diesen Vorfall, um den langweiligen Frieden endlich zu verabschieden:

„Wir sind nicht im Krieg, aber wir sind auch nicht mehr im kompletten Frieden. Wir werden attackiert, hybrid, in Desinformations-Kampagnen und durch das Eindringen von Drohnen. Das ist die Realität, mit der wir es zu tun haben und mit der wir umgehen.“

Gegenüber dem Handelsblatt ergänzte Pistorius:

„Putin will uns, Putin will die Nato-Mitgliedstaaten provozieren und er will vermeintliche Schwachstellen im Nato-Bündnis identifizieren, offenlegen und ausnutzen.“ 

Pistorius Feststellung, dass man nicht mehr im „kompletten“, sondern nur noch im halben Frieden lebe, wird auch von Bundeskanzler Friedrich Merz geteilt. Gegenüber der Rheinischen Post erklärte Merz: „Wir sind nicht im Krieg, aber wir sind auch nicht mehr im Frieden.“ Da muss das Zwangsgebühren-TV freilich applaudieren: „Kanzler Merz findet deutliche Worte“ – jubelt das ZDF. Tatsächlich ist es Einstimmung der Bürger auf baldigen Krieg.

Der nächste Drohen-Invasion wurde über der US-Militärbasis Ramstein, dem Rüstungskonzern Rheinmetall und einem Terminal zum Umschlag von Flüssiggas gesichtet. Die Medien sind sich sicher: Das waren keine Amateur-Drohnen. Nein, das waren Langstrecken- und Aufklärungsdrohnen. Aber wozu? Wollte Putin auf die Schnelle prüfen, wie viele Waffen die US-Armee in Ramstein geparkt hat? Genaues weiß niemand, denn eine Rückverfolgung der Drohnen zu ihrem Ausgangsort blieb erfolglos.

Wer glaubt, dass die russische Provokations-Lust endlich befriedigt war, der irrt sich: Am Donnerstag und Freitag machte der Münchener Flughafen dicht. 23 Maschinen wurden umgeleitet, 12 weitere annulliert. Grund: Es seien Drohnen umhergeschwirrt. Identifizierung? Fehlanzeige. Sogar der Münchener Merkur räumt ein: Es gibt etwa 300.000 bis 500.000 private Drohnen in Deutschland. Dass es sich um ein Kreml-UFO gehandelt habe, bleibt pure Spekulation. Ebenso gut können es Trittbrettfahrer gewesen sein. Aber Bayerns Ministerpräsident Markus Söder nutzte die Chance zur Wiederholung der neuen Propaganda-Formel: „Wir sind nicht mehr ganz so im Frieden, wie wir waren.“ Ja, wir haben’s verstanden!

Die alternative News-Plattform Jouwatch verglich die Drohnen-Panik mit Nenas Lied von den „99 Luftballons“: Die fliegen am Horizont, sorgen für Verwirrung, bis das Militär sie abschießt. Solche Ironie enthielt auch Wladimir Putins Stellungnahme, die er im Valdai-Diskussionsclub zum Besten gab. Auf die Frage des Moderators: „Haben Sie Drohnen nach Dänemark geschickt?“, antwortete Putin lächelnd: „Ich werde es nicht mehr tun.“ Nein, keine Drohnen mehr. Nicht „nach Frankreich, nicht nach Dänemark, nicht nach Lissabon …“ Und weshalb nicht mehr? O-Ton Putin:

„Och, wissen Sie, ich glaube, wir hatten fürs Erste genug Spaß mit Drohnen. Ich verspreche: keine Drohnenstarts mehr in Dänemark. Wir wollen doch ihre wunderschöne Landschaft nicht zerstören, oder?“

Als Kind des Kalten Krieges verglich auch der Kremlchef die aktuelle Drohnen-Hysterie mit damaliger UFO-Panik. Allerdings vermutet Putin hinter der Panikmache eine Strategie: Die NATO-Staaten phanatsierten Bedrohungs-Szenarien, um Kriegshysterie und Verteidigungsausgaben zu rechtfertigen. In Frankreich lenke der Drohnen-Alarm zudem vom innenpolitischen Desaster ab. Die Grande Nation hatte kürzlich den russische Öltanker „Boracay“ beschlagnahmt. Grund: Es bestehe der Verdacht, dass das Schiff zu Putins Schattenflotte gehöre und irgendwie mit den Drohnen-Flügen in Verbindung stehe. Der Kremlchef bezeichnete diese Beschlagnahmung als „Piraterie“ – und drohte: „Das Risiko einer Konfrontation wird deutlich zunehmen.“

Dass Putin die NATO als „Papiertiger“ bezeichnet, könnte sich allerdings als Fehleinschätzung erweisen. Immerhin will Bundesinnenminister Alexander Dobrindt die russische UFO-Plage militärisch abwehren. Laut Spiegel verkündete er am Freitag: Die Bundeswehr solle am Kampf gegen Drohnen beteiligt werden. Außerdem plane er ein neues Luftsicherheitsgesetz. - Nein, das ist leider keine Ironie.

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bild: selbstbewusster Putin, mit vielen Raketen und Drohnen im Rücken

Bildquelle: Shutterstock AI/Shutterstock


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