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Putin über Ukraine-Verhandlungen, Sicherheitsgarantien und Selensky | Von Thomas Röper

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Wie Putin über die Ukraine-Verhandlungen, Sicherheitsgarantien und ein Treffen mit Selensky denkt

Auf der letzten Pressekonferenz seiner China-Reise wurde Präsident Putin nach seinen Einschätzungen über eine Einigung im Ukraine-Konflikt, europäische Sicherheitsgarantien und ein Treffen mit Selensky befragt. Hier ist Putins Antwort im O-Ton.

Ein Kommentar von Thomas Röper.

Am Ende von Auslandsreisen stellt sich Präsident Putin traditionell der Presse, so auch am Ende seiner Chinareise. Natürlich wurden ihm dabei auch Fragen zur Ukraine gestellt. Ich habe die Fragen zur Ukraine und Putins Antworten übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Sarubin: Guten Abend! Pavel Sarubin, Fernsehsender Rossiya.

Sie sprechen oft, und übrigens auch gestern, auch über die Ursachen der Ukraine-Krise, als das Land in die NATO hineingezogen werden sollte. Doch jetzt sehen wir, dass sich die europäischen Staats- und Regierungschefs, die über irgendwelche Sicherheitsgarantien sprechen, fast ausschließlich auf die Stationierung ihrer Truppen in der Ukraine konzentrieren. Gleichzeitig bestehen viele weiterhin auf dem Beitritt der Ukraine zur EU.

Wir sehen aber auch, dass sich die EU vor unseren Augen rasant von einer ehemaligen Wirtschaftsunion in einen militärpolitischen Block verwandelt, in dem fast ständig aggressive Entscheidungen getroffen und aggressive Erklärungen abgegeben werden.

Wie können Sie das kommentieren?

Putin: Ich stimme denen zu, die glauben, dass jedes Land das Recht hat, sein eigenes System zur Gewährleistung seiner Sicherheit zu wählen. Das gilt für alle Länder, auch für die Ukraine. Das bedeutet aber auch, dass die Sicherheit einer Partei nicht auf Kosten der Sicherheit der anderen Partei, in diesem Fall der Russischen Föderation, gewährleistet werden darf.

Wir haben die Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO stets abgelehnt, aber ihr Recht auf freie wirtschaftliche und geschäftliche Betätigung, einschließlich ihrer Mitgliedschaft in der EU, nie in Frage gestellt.

Junashev: Darf ich mit der Ukraine weitermachen?

Putin: Ja.

Junashev: Alexander Junashev, Life.

Wenn Russland und die USA über ihre Bemühungen um eine friedliche Lösung des Ukraine-Konflikts sprechen, fällt immer häufiger die Formel „Sicherheitsgarantien im Austausch gegen Gebiete“. Entspricht das dem, was Sie mit Trump in Alaska besprochen haben?

Und was meinen Sie damit, dass Russland bereit ist, sich an der Entwicklung dieser Garantien zu beteiligen? Wer sollte Ihrer Meinung nach der Garant sein?

Und, wenn Sie mir gestatten, zu Selensky: Hat ein Treffen mit ihm unter den gegenwärtigen Bedingungen überhaupt Sinn? Ist es möglich, bei diesem Treffen irgendwelche Vereinbarungen zu treffen?

Danke.

Putin: Noch einmal den ersten Teil.

Junashev: Die US-Bemühungen, es gibt Spekulationen, dass es eine Formel „Sicherheitsgarantien im Austausch gegen Gebiete“ gibt.

Putin: Nein, so haben wir das Thema nie formuliert und auch nie besprochen.

Sicherheitsgarantien sind selbstverständlich, ich spreche oft darüber. Wir gehen davon aus, dass jedes Land diese Garantien, ein Sicherheitssystem haben sollte, und die Ukraine bildet da keine Ausnahme. Aber das ist nicht mit irgendeinem Austausch verbunden, insbesondere nicht mit einem Gebietsaustausch.

Überhaupt kämpfen wir, ehrlich gesagt, und das möchte ich betonen, weniger für Gebiete als für Menschenrechte und für das Recht der Menschen, die in diesen Gebieten leben, ihre eigene Sprache zu sprechen, im Rahmen ihrer Kultur und im Rahmen der Traditionen zu leben, die von früheren Generationen – von ihren Vätern, ihren Großvätern usw. – überliefert wurden. Darum geht es uns in erster Linie.

Und wenn sich diese Menschen im Rahmen demokratischer Wahlverfahren, einschließlich Referenden, für die Zugehörigkeit zur Russischen Föderation ausgesprochen haben, muss diese Meinung respektiert werden. Das ist Demokratie, daran möchte ich diejenigen erinnern, die das vergessen. Und unter anderem steht das in vollem Einklang mit dem Völkerrecht: Ich möchte Sie an die ersten Artikel der Charta der Vereinten Nationen erinnern, in dem das Selbstbestimmungsrecht der Völker ausdrücklich niedergeschrieben ist.

Aber wir verknüpfen das eine nicht mit dem anderen, Gebiete und Sicherheitsgarantien. Natürlich kann man sagen, dass das eng verwandte Themen sind, aber wir verknüpfen sie nicht direkt. Daher wurde diese Frage während der Gespräche in Anchorage nicht gestellt.

Was mögliche Treffen mit Herrn Selensky betrifft, habe ich bereits darüber gesprochen. Generell habe ich die Möglichkeit eines solchen Treffens nie ausgeschlossen. Haben diese Treffen überhaupt einen Sinn? Mal sehen.

Gemäß der ukrainischen Verfassung – manche mögen damit einverstanden sein, manche nicht, man muss den Text nur sorgfältig lesen – gibt es keine Möglichkeit, die Machtbefugnisse des Präsidenten zu verlängern, überhaupt keine. Er wird für fünf Jahre gewählt, und nach Ablauf dieser fünf Jahre enden seine Vollmachten.

Es gibt eine Bestimmung, nach der unter Kriegsrecht keine Wahlen stattfinden. Ja, das stimmt. Aber das bedeutet nicht, dass die Machtbefugnisse des Präsidenten verlängert werden. Es bedeutet, dass seine Machtbefugnisse erlöschen und auf den Präsidenten der Rada übertragen werden, einschließlich seiner Machtbefugnisse als Oberbefehlshaber.

Was muss die derzeitige Regierung also tun, um legitim zu sein und voll am Prozess der Beilegung teilzunehmen? Sie muss zunächst ein Referendum abhalten: Soweit ich mich erinnere, werden gemäß der ukrainischen Verfassung Fragen, die Gebiete betreffen – egal welcher Art – nur in einem Referendum entschieden. Aber ein Referendum kann unter Kriegsrecht nicht abgehalten werden, auch das ist eine Bestimmung der Verfassung selbst. Um ein Referendum abhalten zu können, muss das Kriegsrecht aufgehoben werden. Sobald das geschehen ist, müssen sie zu den Wahlen gehen. Und dieser Prozess wird ewig dauern.

Das Wahlergebnis ist unklar, aber wie auch immer es ausfällt, muss man anschließend die entsprechende Entscheidung des Verfassungsgerichts einholen, so steht es in der Verfassung. Doch wie kann man die Entscheidung des Verfassungsgerichts bekommen, wenn die Regierung, nachdem sie vom ukrainischen Verfassungsgericht die Bestätigung der Verlängerung der Machtbefugnisse des Präsidenten verlangt hat, und dieses sich faktisch geweigert hat – wissen Sie, was in der Ukraine passiert ist? Es ist lustig, aber wahr: Der Wachdienst verweigerte dem Vorsitzenden des Verfassungsgerichts den Zutritt zu seinem Arbeitsplatz.

Das war’s, der Film ist zu Ende. Aber noch nicht ganz, denn soweit ich weiß – ich weiß nicht, wo er jetzt ist – ist er mal ins Ausland gereist. In den letzten Jahren sind die Befugnisse einiger Mitglieder des Verfassungsgerichts erloschen. Es ist nicht beschlussfähig. Daher ist es ein Weg ins Nirgendwo, einfach nur – sagen wir es vorsichtig – Treffen mit dem Chef der amtierenden Regierung abzuhalten.

Die ist möglich, ich habe das nie abgelehnt, wenn dieses Treffen gut vorbereitet ist und zu positiven Ergebnissen führt. Donald hat mich übrigens gebeten, ein solches Treffen zu organisieren, wenn möglich. Ich sagte: Ja, das ist möglich. Wenn Selensky endlich bereit ist, soll er nach Moskau kommen – und ein solches Treffen wird stattfinden.

Ende der Übersetzung

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 4. September 2025 bei anti-spiegel.ru

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Bild: Der russische Präsident Wladimir Putin gab nach seinem Treffen mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban im Kreml-Palast. 05.07.2024

Bildquelle: photoibo / shutterstock


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