Neulich in Wien – Querfront gegen zwei jüdische Mitmenschen

Von Stephan Bartunek.

„Wer ist denn dieser Mauschel? Ein Typus, meine lieben Freunde, eine Gestalt, die in den Zeiten immer wiederkehrt, der fürchterliche Begleiter des Juden, und vom Juden so unzertrennlich, dass man beide miteinander stets verwechselt hat. Der Jude ist ein Mensch wie andere, nicht besser, nicht schlechter, höchstens verschüchtert und verbittert durch die Verfolgungen, und von einer großen Standhaftigkeit im Leiden. Mauschel hingegen ist die Verzerrung des menschlichen Charakters, etwas unsagbar Niedriges und Widerwärtiges.“  – Theodor Herzl, „Zionistische Schriften“

Theodor Herzl ist der intellektuelle Vater des Zionismus. Bevor Herzl sich genötigt fühlte, auch den Juden eine Identität im Nationalismus zu schaffen, war er stramm-deutscher Nationalist. Die Burschenschaft, in der er aber verkehrte, war damals schon, entsprechend dem herrschenden Zeitgeist, von Antisemiten durchsetzt und so musste Herzl, eben als Jude, die Verbindung verlassen und wandte sich so ungestört seinem eigenen Wahn, geboren aus einer Kränkung, zu.

Den Weg von Karl Marx wollte er nicht einschlagen, dafür war er zu chauvinistisch und vor allem reaktionär. In seiner Schrift „Der Judenstaat“ schafft er es sogar, Akzeptanz für den Antisemitismus zu finden und spricht von einer Notwehr der Nichtjuden.

Bei dem obig zitierten Text mit dem Titel „Mauschel“ zeigt sich eben, dass auch Herzl der damaligen weißdeutschen Sicht auf die Welt unterwürfig war und sondert eine abstruse Rassentheorie ab, die sich eben gegen Juden richtet, die mit dem Zionismus nicht sympathisieren wollen.

Wir empfehlen unseren Lesern, den ganzen Text zu lesen. Er ist in seiner Absurdität, in seinem Wahn und seinem Hass nicht zu fassen.(1)

Es braucht diesen Text, um die Vorkommnisse zu begreifen, die sich im März 2016 in Wien zugetragen hatten. Es wurde unter zentraler Gestaltung des rechten, israelischen Journalisten und Kriegstreiber Benjamin Weinthal, unterstützt von politischen Institutionen, rechten bis linksliberalen Zeitungen, eine Querfront zusammengezimmert, die es schaffte, zwei jüdischen Menschen in Wien den Mund zu verbieten – ausgerechnet in Wien.

Einmal der Holocaustüberlebenden und ehemaligen Mitarbeiterin der Nürnberger Prozesse Hedy Epstein und dann Ofer Neimann, einem israelischen Staatsbürger. Ihr Vergehen? Sie kritisieren massiv die israelische Politik der Besatzung, Ausbeutung und Unterdrückung der Palästinenser und sind nebenbei noch Kämpfer für eine internationale Solidarität gegen Rassismus, gegen Krieg und Ausbeutung.

Beginnen wir bei Hedy Epstein.
Am 8. März hätte zum Weltfrauentag im österreichischen Parlament eine Veranstaltung unter dem Titel „In Großmutters Worten“ stattfinden sollen. Acht Frauen, allesamt Zeitzeuginnen des weltweiten Faschismus, federführend durch die deutschen Nationalsozialisten, hätten bei dieser Veranstaltung ihre Erlebnisse und Erfahrungen erzählen sollen. Unter anderem zum Atombombenabwurf in Hiroshima, zum Aufstand im Warschauer Ghetto, zum Blitzkrieg in London. Auch zwei Österreicherinnen hätten ihre Geschichte wiedergeben sollen, ebenso eine Frau aus Slowenien, die mehrere Arbeitslager durchleiden musste.

Zu der Veranstaltung kam es aber nicht. Der stramm-chauvinistische Journalist Benjamin Weinthal, der für die englischsprachige Jerusalem-Post schreibt, initiierte eine Denunzierungskampagne unter freudvoller Mithilfe des Simon Wiesenthal Centers. Hedy Epstein wurde kurzerhand ihre Geschichte als Holocaustüberlebende aberkannt und sie wurde als „Israel-Hasserin“ ausgerufen.

Das wurde in Österreich unreflektiert von dem Boulevard-Blatt „Heute“ so weitergegeben und natürlich war sich auch der angeblich linksliberale „Standard“ nicht zu schade, bei dieser Verleumdungskampagne mitzumachen.

Hedy Epstein ist übrigens sehr einfach zu erreichen und hätte ohne weiteres für ein Interview zur Verfügung gestanden. Aber die Journalisten unserer Zeit begnügen sich damit, Meinungen anderer Menschen zu übernehmen. Vermutlich entsprechen sie eben auch deren chauvinistischer Weltsicht.

Die skandalösen Vorgänge rund um die Absage dieser eigentlich wichtigen Veranstaltung sind treffend in dem offenen Brief zusammengefasst, der an die österreichischen Medien ging – natürlich ohne von denen veröffentlicht und beachtet zu werden.(2)

Paula Abrams-Hourani, eine in Österreich eingebürgerte jüdische US-Amerikanerin und Mitglied bei „European Jews for a Just Peace” ist darüber zu recht empört: „Was die Veranstaltung im Parlament betrifft, habe ich dafür wirklich keine Worte: Eine Frau, Hedy Epstein, über 90 Jahre alt, die den Holocaust überlebt hat, aus Nazi-Deutschland fliehen musste, eine Aktivistin für Palästina und auch für soziale Gerechtigkeit in den USA, ist gefährlich für Österreich.

Eine Veranstaltung, nicht nur um sie und andere alte Frauen, die den Weltkrieg erlebt haben, am Internationalen Frauentag zu ehren, wurde vom Österreichischen Parlament abgesagt. Warum? Weil ein Journalist aus dem Ausland, der eine Verbindung zu einem U.S. Neocon Think Tank sowie Kontakte in Wien hat, die Israel voll und ganz unterstützen, egal welche Verbrechen dieser Staat begeht, auf die Politiker Druck gemacht hat, dass diese Veranstaltung nicht stattfindet. Es ist wirklich beschämend und nicht das erste Mal, dass so ein Ereignis stattfindet. Ich bin neugierig, ob nur israelkritische Menschen ausgeladen werden oder ob andere Veranstaltungen dasselbe erleben.

Genauso schlimm war die Tatsache, dass der Offene Brief an die Medien, mit einer Bitte um faire Berichterstattung, was Israel und Palästina betrifft, unterschrieben von ca. 190 Persönlichkeiten und “normalen BürgerInnen” aus 13 Ländern (?), einfach ignoriert wurde. Unterschriften wie Noam Chomsky, Alice Walker, Brian Eno, Graf von Sponeck haben für die Wiener/Österreichischen Medien scheinbar weniger Wert, als jene, die einen Staat, der Kriegsverbrechen begeht, befürworten. Auch die 50 Österreicher, die mitunterschrieben hatten, werden nicht gehört.“

Der tatsächliche Skandal hinter dieser Brüskierung gegenüber Hedy Epstein und der damit verbundenen Verhöhnung ihres Lebenswerkes liegt darin, dass es in der veröffentlichten Meinung dazu kaum einen Diskurs gab.

Wie hat Oskar Deutsch in Zusammenhang mit der Absage dieser Veranstaltung so schön gesagt: „…damit ist die Sache aus der Welt geschafft“.(3)

Chuzpe!

Alleine schon die Vorgänge rund um diese Veranstaltung zum Weltfrauentag und das damit verbundene Schweigen der institutionalisierten, linken Gruppen in Wien sind eigentlich unfassbar – jetzt aber kommen wir zu einem noch spezielleren Bonmot, welches die Querfront zwischen Rechten, Linken, Bildungsbürgertum, besorgter Bourgeoisie und kleinkarierten Medien zeigt. Die Denunzierung von BDS und die öffentliche Denunzierung des Amerlinghauses.

BDS ist angeblich umstritten, es braucht aber nur ein bisschen Internet und noch weniger Recherche, um zu wissen, wofür BDS steht.(4)

Genau diese glasklare Positionierung von BDS ist es, die dafür sorgt, dass gerade an Universitäten rund um die Welt diese Bewegung großen Zulauf bekommt. In den USA gibt es eine sehr große, junge jüdische Community namens „Jewish Voice for Peace“(5) und auch diese beteiligt sich unverblümt an BDS und wollen nicht länger von ihrer älteren, zionistischen Generation vorgeführt werden.

Nur in Deutschland und Österreich ist es wieder einmal ganz anders.
Als Anfang März im Rahmen der „Israeli Apartheid Week“, die eben weltweit von BDS organisiert wird, Ofer Neiman im Kultur- & Kommunikationszentrum Amerlinghaus einen Vortrag halten sollte, kam es zu einer Allianz aus dem Schoße der Bourgeoisie – quer, durch und über alle politischen Ideologien.

Der stramme Trupp aus Kameraden und Kameradinnen, aus Genossinnen und Genossen, aus Freunden und Freundinnen und anderen Opportunisten war sich einig. Das linke Zentrum Amerlinghaus gehört, sollte es sich nicht dem Gehorsam fügen wollen und die Leute von BDS-Austria(6) ausladen, finanziell ausgetrocknet und somit auch vernichtet.

Dass derartige Forderungen aus den konservativen Kreisen wie der ÖVP(7) und aus dem Dunstkreis der FPÖ(8) kommen, ist nicht verwunderlich und auch nicht neu.

Dass aber dann die österreichische Studierendenvertretung im Namen der ÖH(9) mitmacht, das ist gelinde gesagt schon etwas verwunderlich, ganz zu schweigen von anderen angeblich politisch linken Mitunterzeichnern, deren Solidarität aber stramm kulturell, völkisch und nationalistisch begrenzt ist.

Man sollte übrigens auch einmal genauer auf ein paar Professoren Rücksicht nehmen, die ihre Ideologie ungefiltert in die Köpfe von Studenten abladen dürfen, um so eine spätkolonialistische und kulturalistische Sicht auf die Welt erst zu ermöglichen – speziell an der Fakultät für Sozialwissenschaften und der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaften.

Den nötigen Druck konnte diese reaktionäre Vereinigung der besorgten Bourgeoisie dann aufbauen. Im Vorstand des Amerlinghaus lagen die Nerven blank(10) und unter der Drohung der Existenzvernichtung wurde die Veranstaltung kurzerhand abgesagt.

Ofer Neiman hielt seinen Vortrag dann in einem Wiener Hotel(11), auf die Ereignisse rund um seinen Auftritt in Wien meint er: „Das ist doch Ironie pur. Wir müssen eigentlich gemeinsam angestrengt gegen die Besatzung und die damit verbundene Apartheid arbeiten. Vor allem für einen gerechten Frieden zwischen Israel und Palästina. Antisemitismus in Europa hat doch dieses Problem erst erschaffen. Das möchten wohl einige Menschen aus Österreich so nicht wahrhaben.

Die rechten Parteien in Europa betrachten Israel als einen Alliierten im Kampf gegen die Muslime. Israel und der Mainstream innerhalb der zionistischen Bewegung haben kein Problem mit solchen Allianzen – solange sie ihren Interessen dienen.

Wusstest Du, dass Eichmann Palästina als ein Gast der zionistischen Bewegung im Jahr 1930 besuchte?
Kooperationen zwischen den rechten Parteien über die ganze Welt verteilt ist doch natürlich, denn Israel ist begründet auf Nationalismus, Ethnokratie und Militarismus. Und außerdem helfen diese neuen Allianzen den rechten Flügeln doch, um sich historisch „reinzuwaschen“ und somit bekommen sie auch mehr Legitimation für ihre Politik.

In Österreich und Deutschland ist es traurig zu beobachten, dass Teile der Linken die israelische Politik auch unterstützen, aber ich kann zumindest verstehen, woher das kommt: Die Angst vor dem Antisemitismus innerhalb der Rechten und das Gefühl einer historischen Verantwortung.

Ich würde die österreichischen Linken gerne fragen, was jetzt genau gegen BDS und die solidarische Kampagne mit Palästina spricht? Ist es nur falsch in einem Land wie Österreich diese Bewegung zu unterstützen oder gilt das für die ganze Welt? Sollten sie aber behaupten, dass es auf die ganze Welt betrachtet falsch sei, wie können sie mir dann erklären, dass gerade so viele junge, linke Juden, zum Beispiel in den USA, diese Bewegung unterstützen? Oder auch, dass viele Aktivisten die gegen die Apartheid in Südafrika gekämpft haben, eben die BDS Kampagne unterstützen?

Zu denen, die nur gegen die Kampagne in Österreich sind, sage ich folgendes: Ihr habt eine moralische Verantwortung auch gegenüber den Palästinensern, denn sie sind das letzte Opfer der Shoa. Der Kampf für einen gerechten Frieden, für eine völlige Freiheit der Palästinenser ist doch genau die universelle Lektion, die wir alle aus dem Holocaust ziehen sollten, inklusive die Geschichte meiner eigenen Familie die von den Nazis ermordet wurde.“

Ofer Neiman hat die nötige Gelassenheit, um mit einem süffisanten Lächeln aus diesen beschriebenen Ereignissen seine Schlüsse zu ziehen.

Aber es braucht diesen Sarkasmus auch, um angesichts der fehlenden internationalen Solidarität vor allem aus Österreich und Deutschland nicht komplett die Nerven zu verlieren. Den wackeren Kämpfern gegen ein selbstbestimmtes Palästina, gegen die Freiheit und Gerechtigkeit die eben auch den Palästinensern zustehen sollte, wollen wir als Abschluss noch ein Zitat von Anders Breivik mit auf dem Weg geben.

Wenn schon die Ausführungen von zwei jüdischen Menschen nicht reichen, um sie nachdenklich zu stimmen, dann tut es vielleicht die Idee eines Menschen, der über siebzig junge Menschen in seinem Wahn ermordet hatte und sich in seinem Manifest eben auch auf den Zionismus und Israel berufen hatte. Breiviks Worte haben eine grausame Ähnlichkeit mit denen von Theodor Herzl, für Herzl der „Mauschel”, für Breivik der „liberale Jude“ – für beide aber Schädlinge des Volkskörpers.

Alleine das sollte zu denken geben: „Und zu guter Letzt kommen wir zu den sogenannten liberalen Juden, gleichbedeutend zu den liberalen Juden, die sich gegen Nationalismus und Zionismus stellen und Multikulturalismus unterstützen. Juden, die den Multikulturalismus unterstützen, sind genauso eine Bedrohung gegenüber Israel und dem Zionismus, wie sie es auch gegen uns sind. So lasst uns gemeinsam mit Israel, mit unseren zionistischen Brüdern gegen alle Antizionisten, gegen alle kulturellen Marxisten und Multikulturalisten kämpfen.“

Mag. Art Stephan Bartunek
Schauspieler, Autor und politischer Künstler
www.gruppe42.com

 

Quellen:

(1) http://www.lexikus.de/bibliothek/Theodor-Herzls-Zionistische-Schriften/Mauschel
(2) http://www.arendt-art.de/deutsch/palestina/Offener%20Brief-1.pdf
(3) http://derstandard.at/2000031524782/Veranstaltung-im-Parlament-nach-Kritik-aus-Wiesenthal-Center-abgesagt
(4) http://bds-kampagne.de/aufruf/aufruf-der-palstinensischen-zivilgesellschaft/
(5) https://jewishvoiceforpeace.org
(6) http://www.bds-info.at
(7) http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20160307_OTS0156/juraczka-weiterer-skandal-rund-um-das-amerlinghaus?asbox=box1&asboxpos=1
(8) http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20160307_OTS0187/fp-lasar-fordert-klare-positionierung-gegen-antisemitismus-in-wien
(9) http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20160307_OTS0090/offener-brief-an-buergermeister-dr-michael-haeupl-die-stadt-wien-sowie-die-verantwortlichen-im-amerlinghaus
(10) http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20160307_OTS0203/stellungnahme-des-vorstandes-des-vereins-kulturzentrum-spittelberg-amerlinghaus
(11) https://www.youtube.com/watch?v=MBU0C1TMeCk

 

Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.

KenFM bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Meinungsartikel und Gastbeiträge müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.


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