Menschlichkeit – das, was wirklich zählt!

Ein Interview von Doris Schröder mit Iwana Steinigk.

Seit 2016 schickt der Verein “Aktionsbündnis Zukunft Donbass” aus Thüringen Hilfstransporte an die Frontlinie. Im Gegensatz zu den Millionenzahlungen der Bundesregierung an die Ukraine kommt diese Hilfe direkt bei den Menschen vor Ort an – in Schulen und Krankenhäusern, bei Kindern und Kranken. Mitinitiatorin dieser Hilfstransporte ist Iwana Steinigk. Doris Schröder hat sie anlässlich des Internationalen Frauentages interviewt.

Schröder: Seit wann und warum engagieren Sie sich für den Donbass?

Steinigk: 2016 haben wir unseren ersten LKW dorthin geschickt. Das waren achtzehn Tonnen Kindernahrung. Trockenbrei. Wir wollten konkret etwas gegen das Elend tun.

Auslöser dafür war eine gewisse Diskrepanz in der Darstellung der Ereignisse rund um den Maidan in Kiew 2013/14 und dem Ergebnis daraus: die sogenannte ATO, die Antiterroristische Operation. Da wir russischsprachig sind, konnten wir feststellen, dass die deutsche Berichterstattung etwas anderes erzählte als die russische Seite. Dadurch haben wir genauer hingeschaut und gesehen, dass hier in Deutschland sehr viele Informationen unterschlagen wurden. Über die Ursachen und die Entwicklung.

Schröder: Haben Sie persönliche Verbindungen dahin? Familie, Freunde?

Steinigk: Ja, natürlich. Mein Mutter ist halb Ukrainerin, halb Russin. Sie ist in der Ukraine in Zhitomir aufgewachsen und hat dort studiert. In den siebziger Jahren hat sie einen Mann aus der DDR kennengelernt. Sie haben geheiratet. Ich bin in der DDR aufgewachsen, mit familiärer Bindung, aber auch freundschaftlichen Kontakten und Bekannten in die Sowjetunion. Lange Jahre habe ich in Russland und der Ukraine gearbeitet. Weil ich beide Länder persönlich seit vierzig Jahren kenne, kann ich mich in gewissen Sachen auf mein Bauchgefühl verlassen.

Schröder: Ihr Engagement im Verein ist ehrenamtlich. Was ist ihr Beruf?

Steinigk: Ich habe vor Corona als Reiseleiterin für deutschsprachige Reisegruppen gearbeitet. Auch da erklärst Du viel über die Entwicklung der Länder nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Außerdem habe ich mich mit dem Import von Pflanzenölen aus der Ukraine und Russland nach Deutschland selbständig gemacht.

Schröder: Der erste LKW war beladen mit Babynahrung. Wie ging es weiter?

Steinigk: Nach den Ereignissen auf dem Maidan, ab 2016 haben wir uns gefragt: Was kann man für die Zivilbevölkerung machen? Wir fragten uns, wie wir am effektivsten Hilfen verteilen konnten, die bei der an der Situation unschuldigen Zivilbevölkerung direkt ankommen. Wir dachten an Hilfen für Krankenhäuser.

Uns hat dann der Zufall unter die Arme gegriffen: Durch eine Umstrukturierung in einem Klinikum in Thüringen wurde sehr viel Mobiliar, aber auch Apparaturen, wie Ultraschallgeräte und Röntgengeräte und andere kleinere Untersuchungsgeräte nicht mehr benötigt. Das konnten wir alles bekommen. Die Initialzündung. Danach haben wir angefangen, Krankenhäuser und Kliniken aktiv anzusprechen, ob sie Mobiliar, Ausstattung oder Apparatur spenden können. Fiel die Antwort positiv aus, holten wir alles ab. Anfangs haben wir diese Spenden LKW-weise in die Volksrepublik Lugansk verschickt. Ein Partner vor Ort hat diese Spenden auf verschiedene medizinische Einrichtungen aufteilen lassen. Wenn Du verletzt oder krank bist, noch dazu in einem Konflikt, einer Bürgerkriegs- oder Kriegsregion, musst Du medizinisch versorgt werden. Wenn ein Krankenhaus das nicht mehr gewährleisten kann, weil es unter Beschuss steht oder weil es schlecht ausgestattet ist, dann wird es nur schlimmer. Wenn wir den Krankenhäusern spenden, sie versorgen können mit medizinischen Geräten, die sie nicht haben oder dafür sorgen können, dass die Patienten in anständigen Krankenhausbetten liegen. Dann ist das schon viel, haben wir gedacht.

Schröder: Sicher können Sie noch mehr Krankenhäuser um Spenden bitten, wenn man sieht, was Herr Lauterbach gesundheitspolitisch vorhat.

Steinigk: Ja, das ist eine Entwicklung der letzten zehn Jahre, auch mit kuriosen Sachen: Kurz nach Corona müssen Kliniken schließen, weil sie nicht mehr wirtschaftlich waren. Im Gesundheitssystem werden Geräte abgeschrieben, weil sie nicht mehr durch den TÜV kommen. Die Entsorgung kostet extrem viel Geld. Dann überlegt man sich auch, wie man Kosten einsparen kann. Wenn ein Verein zuverlässig ist, die Sachen abholt und den Krankenhäusern dadurch kein Aufwand entsteht, geben die das gerne ab.

Schröder: Wie viele Leute sind denn im Aktionsbündnis Zukunft Donbass engagiert?

Steinigk: Bis 2022 hatte unser Verein elf Mitglieder. Es gibt immer so einen harten Kern von zehn bis zwölf Mann, die man für eine LKW-Beladung braucht. Und so viele sind auch regelmäßig dabei. Seit 2022 sind wir mehr Mitglieder geworden.

Schröder: Ich hatte vermutet, dass sich weniger Menschen nach 2022 engagieren. Wie man beispielsweise durch die Reaktionen auf Patrick Baabs Buch gesehen hat, wird sogar unabhängige Berichterstattung in Deutschland abgestraft.

Steinigk: Eine sehr bedauerliche Entwicklung. Du darfst nicht mehr sagen, was Du denkst. Du wirst gleich dafür gerügt, wenn es nicht medienkonform ist.

Das vermehrte Engagement hat eine ganz einfache Erklärung: Es gibt viele russischsprachige und russischstämmige Menschen in Deutschland. Viele von ihnen haben den Konflikt in der Ostukraine von 2014/15 bis 2022 nur am Rande wahrgenommen. Aber mit den Ereignissen von 2022 sind auch diese Menschen wach geworden. Gerade die erste Jahreshälfte 2022 war geprägt von einer sichtbaren Russophobie hier in Deutschland. Die ist auch jetzt noch da, nur nicht mehr so offensichtlich. Da haben dann viele gesagt: „Also wenn die uns so diskriminieren, dann stehen wir auf“. Davon haben wir als sehr kleiner Verein profitiert.

Schröder: Ich habe gelesen, dass Sie auch Schulen unterstützen.

Steinigk: Das Engagement des Vereins ist gewachsen. Die Zivilbevölkerung war immer die zweite große Gruppe nach den Krankenhäusern, die Spenden von uns bekommen hat. Vor allem Leute, die in der Nähe der Frontlinie gelebt haben, die Trennlinie zwischen den selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk und den von Kiew kontrollierten Gebieten. Unser Partnerverein in dieser Region hatte etwa tausendfünfhundert Personen, ausgebombte Binnenflüchtlinge, die regelmäßig Lebensmittel- und Kleiderspenden bekommen haben. Sie lebten im Frontgebiet. Ihre Häuser waren zerstört. Mit den Schulen hat es sich ergeben, weil der Vereinsvorstand regelmäßig in diese Gebiete gefahren ist und sich davon überzeugt hat, dass die Spenden dort ankommen, wo sie sollten.

Ich persönlich wurde neugierig und wollte wissen, wie es in einer Schule in der frontnahen Zone aussieht, wie der Unterricht abläuft, wie die Ausstattung ist, wie viele Kinder da überhaupt noch unterrichtet werden. Wir haben uns dann eine Schule persönlich angeschaut, so wie vorher die Krankenhäuser. Was ich da gesehen habe, war so erschütternd, dass wir auch Schulen und Kindereinrichtungen helfen wollten. Wenn die Zivilbevölkerung nicht zur Verantwortung gezogen werden darf, für das was die Politiker verzapfen, dann Kinder erst recht nicht. Was können die Kinder dafür? Gar nichts.

Schröder: Es sind wahrscheinlich nicht alle, die sich als Ukrainer fühlen, in die Westukraine und die, die sich als Russen fühlen, nach Russland ausgewandert oder im Donbass geblieben. Wie ist das Zusammenleben? Wen unterstützen Sie?

Steinigk: Dazu muss ich folgendes vorwegschicken: Wer sind die Ukrainer? Dieses homogene Bild der Ukrainer gibt es nicht. Das gab es 2014 nicht, 2022 nicht und das gibt es auch jetzt nicht. Die Bevölkerung in der Ukraine war immer sehr durchmischt. Ethnische Ukrainer waren und sind jetzt noch die Minderheit. Das sagen Statistiken. In den letzten Jahren hat man versucht, ein homogenes Bild zu zeichnen und mit Zwang durchzusetzen. „Der Ukrainer“ kann alles mögliche sein: Er kann russisch-ukrainische, russische Vorfahren haben oder armenische, jüdische, griechische. „Den Ukrainer“ gibt es nur in Form einer Staatsbürgerschaft. Aber nicht in Bezug auf seine kulturelle, historische, soziologische Zugehörigkeit und als was er sich selbst empfindet. Im Alltag haben sich die Menschen in siebzig Prozent des Territoriums dieses Landes auf Russisch unterhalten. Im Süden und im Südosten sprach man mehrheitlich Russisch, im Westen der Ukraine mehrheitlich ukrainisch, im Zentrum gemischt. Auch im Donbass war die Bevölkerung sehr heterogen. Auch da findet man alle: ethnische Ukrainer, ethnische Russen, ethnisch Gemischte. Dort wurde mehrheitlich Russisch gesprochen. Ich kann also nicht sagen, ob die Menschen, die unsere Spenden bekommen, Russen oder Ukrainer sind.

Für sie selbst dort war diese Einteilung völlig irrelevant. Nach zehn Jahren Krieg ist das natürlich nicht mehr so. Das hat sich mit dem Maidan und einer brutalen Ukrainisierung geändert, politisch gewollt und betrieben. Ab 2014 hat sich das extrem entwickelt. Die Kiewer Regierung wollte nach dem Putsch 2014 (Maidan, Anm.) die russische Sprache einschränken. Die Regierung versuchte, ein Gesetz im Parlament durchzubringen, welches den russischen Sprachgebrauch in der Öffentlichkeit verbieten sollte. Im ersten Anlauf hat das nicht geklappt. Wie hätte das auch gehen sollen, wenn siebzig Prozent der Bevölkerung Russisch sprachen? Selbst die Sorben in Deutschland, eine sehr kleine Minderheit, haben ein Anrecht auf ihre Sprache. Die wird ihnen auch nicht weggenommen oder verboten. Es gibt sogar EU-Gesetze zum Minderheitenschutz. Die Ukraine wollte und will immer noch in die EU, aber sie halten sich nicht einmal in diesem Kontext an die EU-Vorschriften.

Und hier reden wir nicht einmal von einer Minderheit. In der Ukraine gibt es natürlich auch in allen Gebieten Leute, die nationalistischer sind als andere. Aber das war und ist nicht die Mehrheit der Bevölkerung. Der Mehrheit war es egal, ob man russischstämmig, armenisch oder ukrainisch ist oder was anderes. Auf meinen Reisen in das Gebiet, auch nach 2014 nach Lugansk, war es kein Problem, wenn jemand ukrainisch sprach oder eine Mischung aus Russisch und Ukrainisch, dem dortigen Dialekt. Normalerweise gibt es im Donbass auch keine Ausgrenzung von zum Beispiel ethnischen Ukrainern.

Schröder: Sie machen also keinen Unterschied mit Ihrer Unterstützung: Sie unterstützen Menschen.

Steinigk: Natürlich. Es spielt für uns keine Rolle, ob jemand Russe, Ukrainer oder irgend etwas anderes ist. Wir unterstützen Menschen, die dort in der Region leben, vielleicht ihr Zuhause verloren haben.

Schröder: Fahren Sie weiterhin in diese Region?

Steinigk: Ja. Wir wollen den persönlichen Kontakt zu Ärzten, Medizinern, Schulleitern und Lehrern. Der Kontakt ist wichtig, damit wir wissen, was sie dort brauchen und wo wir konkret helfen können.

Schröder: Sie haben in den Jahren von 2016 bis 2023 einundvierzig Hilfstransporte in den Donbass geschickt. Allein sieben Transporte in 2022. Wie berichten die Leit- bzw. Lokalmedien darüber?

Steinigk: Bis 2022 hatten wir regelmäßig Pressebeiträge. In der Thüringer Landeszeitung, in der Ostthüringer Zeitung, in Sachsen in der ‘Freie Presse’. Der humanitäre Aspekt stand im Vordergrund. Sogar noch im Februar 2022. Anfang 2022 berichtete die Presseagentur Reuters über uns. Das war vor dem 24. Februar. Es ging um eine große Bettenspende: hundertvierundreißig Klinikbetten. Auch die lokale Presse berichtete darüber. Nach dem 24. Februar 2022 gab es keine Presseberichte mehr. Da wollte man über den Donbass überhaupt nicht mehr schreiben, nicht einmal unter dem humanitären Aspekt. Es wurde gesagt, dass Russland der Aggressor ist und den Angriffskrieg begonnen hat. Auf konkrete Nachfrage: Funkstille. Ich denke, das wurde redaktionell einfach unterbunden. Aber wie kann man sagen, dass ein leidtragender Mensch in einem Krieg, egal, wer den angefangen hat, keine Hilfe verdient?

Schröder: Ende Februar haben Sie wieder einen Hilfstransport weggeschickt? Wie lange dauert die Vorbereitung?

Steinigk: Für einen Transport benötigen wir drei bis vier Monate Vorarbeit. Dokumente, Zollpapiere müssen vorbereitet werden. Alle Spenden müssen an einem Ort zusammengetragen werden. Der Speditionspartner muss für einen bestimmten Termin organisiert werden.

Schröder: Was planen Sie für 2024?

Steinigk: Bei den nächsten Transporten wird es um Schulmöbel gehen. Wir haben für 2024 ein Projekt entwickelt, in welchem wir vor allem Schulen unterstützen möchten: „Schulmöbel für den Donbass“. Uns wurde eine sehr große Möbelspende in Aussicht gestellt. Die Möbel sind also schon da und in einem sehr guten Zustand. Wir möchten Tische, Stühle, Tafeln und Garderoben, etwa dreihundert Möbelstücke, auf drei Schulen im Donbass aufteilen.

Jetzt geht es darum, Spenden für die Transporte zu sammeln und die Transporte zu organisieren. Ein Transport kostet ungefähr sechstausend Euro. Wir möchten aber zusätzlich noch Kücheneinrichtungen für die Schulspeisung spenden. Noch wissen wir nicht, ob es zwei oder drei Transporte werden. Den ersten dieser Transporte werden wir in Marienberg am 17. März zusammenstellen. Das ist wie bei einem Umzug. Wir brauchen für jede Beladung viele helfende Hände. Wer uns und die Menschen im Donbass unterstützen möchte, kann uns gern über unsere Vereinsseite kontaktieren.

Schröder: Warum wird Schulausstattung benötigt? Wie kann ich mir das vorstellen?

Steinigk: Es geht um Schulen, deren Ausstattung aus den siebziger Jahren ist und in den letzten zehn Jahren durch den Krieg gelitten haben.

Eine Schule zum Beispiel, in einem Vorort von Donezk Khanzhonkowo, war lange Zeit in Reichweite von ukrainischen 155 mm-Geschossen. Die Schule hatte direkte Treffer abbekommen. Durch das Dach. In das Schulgebäude. Die Klassenzimmer sind nicht mehr zu gebrauchen. Nicht nur das Gebäude muss ausgebessert werden, auch die Schulausstattung ist verloren. Die Küchenfrauen brauchen Ausrüstung für die Schulspeisung. Regale, aber auch große Kochtöpfe, Abwaschbecken.

In Frontnähe gibt es kaum noch Kinder in den Schulen. Donezk war eine Millionenstadt. Dort gibt es noch Schulen mit zweihundert bis dreihundert Kindern. Die ländlichen Schulen, die wir unterstützen, werden von ungefähr hundert Kindern besucht. In diesen Schulen wird von der ersten bis zur neunten Klasse unterrichtet.

Schröder: Was müssen Sie beachten, wenn Sie die Transporte organisieren?

Steinigk: In Deutschland müssen wir uns an die Sanktionsvorschriften halten. Wir hatten schon Probleme mit einer Spende von Kochtöpfen. LKW-Lieferungen, auch humanitäre Güter müssen eine Exportzollerklärung vorweisen. Kochtöpfe und Bratpfannen fallen unter die Sanktionen, weil sie aus Eisen bzw. Stahl sind. Dann kommt es darauf an, ob der Zoll Töpfe und Pfannen für eine Schule genehmigt oder nicht. Wir haben mit dem für uns zuständigen Zoll, der jede Beladung vor Ort kontrolliert, gute Erfahrungen gemacht.

Schwierig ist die Ausreise aus der EU. Unsere Transporte fahren über Polen, Weißrussland, die baltischen Staaten und die Russische Föderation. Den kürzesten Weg durch die Ukraine, etwa zweitausend Kilometer, können die LKW-Fahrer nicht nehmen, da sie sonst die Frontlinie passieren müssten. Das ist auch für humanitäre Transporte ein Risiko. Wir müssen einen Umweg von circa eintausend Kilometern in Kauf nehmen. Eine Strecke ist über dreitausend Kilometer lang und dementsprechend auch teurer. Von Anfang an verweigert uns die ukrainische Seite die direkte Fahrt in den Donbass. Auch der Transport um die Ukraine herum, verläuft nicht immer problemlos. Gerade an den Grenzen, zwischen Polen und Weißrussland oder Lettland und Russland kann es zu Verzögerungen kommen oder dazu, dass ein LKW die Grenze nicht passieren darf. Dann müssen wir eine Lösung finden.

Schröder: Der Donbass ist inzwischen russisches Staatsgebiet, auch wenn der Westen das nicht anerkennen möchte. Warum hilft Russland nicht, dort Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser einzurichten oder wieder aufzubauen?

Steinigk: Russland hilft seit 2022 in besonderem Maße, hat aber auch schon seit 2014/15 geholfen. Das ist leider das, was man dem deutschen Medienkonsumenten nicht erzählt. Die Russische Föderation zahlt seit Anfang 2015 die Renten der Bevölkerung im Donbass, der damals selbst ernannten Republiken Donezk und Lugansk. Die Regierung in Kiew hat die Rentenzahlung einfach verweigert. Russland zahlt auch die Gehälter der Beschäftigten im staatlichen Dienst, wie Ärzte und Lehrer. Auch Gehälter der Sicherheitsorgane werden übernommen. Es gibt auch viel Hilfe von russischen Stiftungen und Vereinen in die Region Donbass. Von föderalen Strukturen werden Patenschaften für Orte übernommen. Die Hilfen kommen aber nicht überall gleich an. Wir möchten, dass die Menschen im Donbass sehen, dass sie auch Unterstützung aus Deutschland und der Europäischen Union erhalten. Deswegen möchten wir mit unserem Verein helfen. Es gibt nur sehr wenige westliche Vereine, die im Donbass helfen. Wir hatten die ganze Zeit so viele Spender, dass wir helfen konnten: Sachspenden und Geldspenden für die Durchführung der Transporte.

Schröder: Aufgrund der politischen Entscheidungen der deutschen Regierung und der EU-Kommission geht es der deutschen Bevölkerung immer schlechter. Stichwort Inflation, schlecht bezahlte Jobs und Arbeitslosigkeit. Auch die Schulen verfallen. Es fehlen Lehrer. Sozialleistungen werden immer weiter gekürzt. Immer mehr können sich immer weniger leisten. Warum sollte, wer kann, trotzdem in den Donbass spenden?

Steinigk: Weil es demjenigen vielleicht eine Herzensangelegenheit ist. Weil es eine Frage der Menschlichkeit ist. Weil derjenige versteht, dass das, was die deutsche Regierung zu den Ursachen des Konfliktes, zum Kern des Problems sagt, nicht ganz der Wahrheit entspricht. Mir scheint, dass der Donbass von Seiten der USA und der EU für ihre eigenen Interessen politisch missbraucht wird. Dafür können die Zivilisten dort nichts. Die Zivilisten in der Ukraine, unter Kiewer Verwaltung, übrigens auch nicht. Wie kann man Zivilisten für das US-amerikanische Interesse, Russland klein zu halten und der russischen Antwort darauf, zur Verantwortung ziehen?

Und das passiert in Europa. Das ist nicht weit weg von uns. Donezk Deutschland – das ist genauso weit wie von hier nach Madrid.

Schröder: Was müsste politisch geschehen, damit keine Hilfstransporte mehr nötig sind?

Steinigk: Als allererstes muss man diesen Krieg beenden. Dafür müssen sich alle Seiten wieder an den Verhandlungstisch setzen, aufhören zu schießen, Frieden verhandeln.

Wenn im sich bewegenden Frontbereich nicht mehr geschossen wird, können die Menschen anfangen, ihre Häuser aufzubauen und ein einigermaßen normales Leben zu führen.

Was mich immer wieder zum Nachdenken gebracht hat, ist, wie oft ich dort im Donbass gehört habe, dass die Menschen sich an diesen Zustand schon gewöhnt haben. Das ist schockierend. Du lebst dort in einem permanenten Kriegszustand. Das kann erst aufhören, wenn man aufhört zu schießen und Frieden schließt.

Schröder: Welche Erfahrungen waren für Sie besonders belastend im Zusammenhang mit Ihrem Engagement? Wie schaffen Sie es, dass Sie sich nicht entmutigen lassen?

Steinigk: Im Juni 2021 bin ich an die Demarkationslinie in einen Ort namens Zolotoe-5 gefahren worden. Da konnte ich aussteigen und eine Straße mit Wohnhäusern und Gärten entlang laufen. Der Ort war in Entfernung der Scharfschützen der ukrainischen Seite. Da war ein Garten mit wunderschönen Blumen. Sehr gepflegt. Ich bin stehen geblieben und habe gestaunt, dass so ein Garten hier überhaupt möglich ist, denn von der ukrainischen Seite wurde tagtäglich geschossen. Plötzlich tauchte zwischen den Blumen eine alte Frau auf. Sie war überrascht über meine Anwesenheit. Ich fragte sie, wie so ein wunderschöner Blumengarten hier möglich sei. Sie erwiderte: „Ach Kindchen, wir haben uns schon daran gewöhnt. Ich weiß, wann sie schießen. Morgens bei Licht nach dem Frühstück und abends, bevor es was zu Essen gibt. Und zwischendrin kann ich in meinen Garten gehen“.

Oder wenn der Chefarzt Dich in einem Krankenhaus herum führt und Du siehst ein Zimmer, in dem ein paar Tage zuvor etwas durch die Scheibe geflogen kam. Oder im Kindergarten die Einschusslöcher. Wenn man dort ist, registriert man es. Das Emotionale, das darüber Nachdenken kommt später.

Was mich dann wieder hochbringt, was dazu führt, dass ich weiter mache, weitermachen muss: Bilder von Menschen, von Kindern, die Spenden bekommen. Wenn wir wissen, dass ein Defibrillator dort im Krankenwagen Leben rettet.

Schröder: Die Ukraine wirkt auf uns sehr gespalten in prowestlich und prorussisch. Entspricht das der Realität oder ist das ein Bild, welches die Medien zeichnen? Kann man Spaltung wieder heilen?

Steinigk: Inzwischen gibt es die Spaltung an gewissen Stellen. Das ist künstlich, von Außen. Ich bin sicher: Man wird wieder zusammen finden. Das geht aber erst nach Beendigung des Krieges, wenn man alles aufarbeitet: die Propaganda beider Seiten. Mein Großvater mütterlicherseits war Russe, kämpfte im zweiten Weltkrieg und war in Kriegsgefangenschaft in Buchenwald. Selbst er hat danach differenziert von dem Regime der Nazis und den Deutschen gesprochen.

Die deutsche Regierung steht an der Seite von Selensky, USA und NATO, bildet ukrainische Soldaten auf deutschem Territorium aus, schickt Waffen und Gelder in die Ukraine. Dafür ist immer Geld da. Steuergelder, die der deutschen Bevölkerung nicht zur Verfügung stehen. Das ist sicher nicht im Interesse der Bevölkerung.

Schröder: Was kann sie dagegen tun?

Steinigk: Man kann mit Bedacht wählen, zivilen Ungehorsam zeigen, auf die Straße gehen – das, was wir Anfang des Jahres bei den Bauernprotesten gesehen haben und immer noch sehen. Wir haben also die Möglichkeit zu zeigen, dass wir nicht einverstanden damit sind, was mit unseren Steuergeldern gemacht wird.

Schröder: Wie kann man die Menschen im Donbass unterstützen?

Steinigk: Mit Geld-Spenden für die Transporte auf unser Vereinskonto:

AK Zukunft Donbass e.V.
Sparkasse Wartburg
IBAN: DE18 8405 5050 0012 0411 81
BIC: HELADEF1WAK

oder über die nicht profitorientierte Spendenplattform www.betterplace.org. Da wir gemeinnützig sind, geben wir gern Spendenquittungen ab 300 Euro aus. Für eine Spende unter diesem Betrag reicht ein Bankauszug als Nachweis für das Finanzamt.

Wenn Sie Hygieneartikel, Rollstühle, Praxiseinrichtungen oder ähnliches spenden oder uns bei der Beladung helfen möchten, sprechen oder schreiben Sie uns gern an.

Unsere Kontaktdaten und weitere Informationen finden Sie auf der Internetseite unseres Vereins. www.zukunftdonbass.org

Schröder: Vielen Dank für das Gespräch.

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Wir danken der Autorin für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Quelle aller Bilder: AK Zukunft Donbass e.V.

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Kommentare (1)

Ein Kommentar zu: “Menschlichkeit – das, was wirklich zählt!

  1. FCS7 sagt:

    In der Tat ist Hilfe für die Zivilbevölkerung sinnvoll. Aber die Waffenlieferungen können allmählich verringert werden. Denn in Russland ereignet sich eine demografische Katastrophe, von der die Putin-Anhänger betroffen sind. Bitte googeln: Freichristlicher Schamanismus

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