Jemen-Krieg: Gute Nachrichten aus dem Wertewesten

Der Krieg im Jemen emanzipiert die Männer, die ihren Frauen das Kochen und Putzen abnehmen. Sollte er deshalb nicht beendet werden? Eine Hintergrund-Analyse

Ein Meinungsbeitrag von Felix Abt.

„An unexpected result of Yemen’s war: More men are cooking and cleaning”,

titelte die „Washington Post” bereits 2016 über die gesellschaftlichen und kulturellen Auswirkungen des Krieges in Jemen. Es ist die Kehrseite dieses von den USA geförderten Völkermords: Gleichberechtigung!

Dass die jemenitischen Männer, sofern sie noch nicht von amerikanischen und europäischen Bomben in Stücke gerissen worden sind, ihren Frauen die Hausarbeit abnehmen, dürfte die deutsche Außenministerin Baerbock, die eine „feministische Außenpolitik” betreibt, freuen. Wie ihr gleichgesinnter guter Bekannter, der Milliardär und Spekulant George Soros, setzt sie sich vehement für Menschenrechte und Demokratie in all jenen Ländern ein, die sich nicht den amerikanischen „Sicherheitsinteressen“ unterwerfen wollen. Der Mangel an Demokratie und die schweren Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine, im Jemen und in Saudi-Arabien, die zur amerikanischen Einflusssphäre gehören, sind daher nicht Teil ihrer moralischen Offensive.

Überraschenderweise berichtete das US-Mainstream-Medium MSNBC am 16. Dezember ziemlich einsam aus der gleichgeschalteten westlichen Medienwüste: „Nur wenige haben es bemerkt, aber der Senat der Vereinigten Staaten war Anfang dieser Woche kurz davor, Amerikas Komplizenschaft mit Saudi-Arabien im Jemen zu beenden. Doch genau derjenige, der geschworen hatte, diesen Krieg zu beenden, griff ein und hielt den Senat davon ab, Maßnahmen zu ergreifen – Präsident Joe Biden.“ Es gab keine Proteste von Politikern aller Couleur, dass Saudi-Arabien den Krieg gegen das Nachbarland mit aller Brutalität und mit hauptsächlich amerikanischen Waffen, aber auch deutschen, britischen und französischen fortsetzen darf.

Das ehemalige Nachrichtenmagazin und seitdem Relotius- und sonstige Lügengeschichten verbreitende Blatt „Der Spiegel“ berichtet täglich (siehe etwa hier) über „Russlands Angriffskrieg“ gegen die Ukraine. Der vom Westen unterstützte Angriffskrieg Saudi Arabiens gegen den Jemen, der einen unvergleichlich viel höheren Blutzoll fordert, findet bei diesem Magazin kaum Beachtung – ebenso wenig wie beim Rest der Mainstream-Medien, die täglich Putin verurteilen und verteufeln, nicht aber die saudischen Machthaber.

Ein Grund für die Beteiligung der USA am Jemen-Krieg durch die Obama-Regierung war,

“Riads Widerstand gegen ein Atomabkommen mit dem Iran durch die Unterstützung einer aggressiven, von Saudi-Arabien angeführten Reaktion auf den als schnell wachsend empfundenen iranischen Einfluss in den arabischen Ländern zu dämpfen”.

Ein weiterer Grund war, dass für die US-Militärkommandeure

“der Kampf gegen den Iran strategische Priorität vor dem Kampf gegen al-Qaida und ISIL hatte”,

obwohl

“einige hochrangige Offiziere die Unterstützung Washingtons für die von Riad angeführte Intervention in Frage stellten, die sie für zum Scheitern verurteilt hielten”,

wie Al Jazeera im April 2015 berichtete. Da die Houthi-Minderheit im Jemen Schiiten sind, beschuldigte das sunnitische Saudi-Arabien sie, Vasallen des Rivalen Iran zu sein. Einem Bericht von Newsweek vom Februar 2015 zufolge kämpfen die Houthis

“für Dinge, nach denen sich alle Jemeniten sehnen: Rechenschaftspflicht der Regierung, das Ende der Korruption, regelmäßige Versorgungsleistungen, faire Kraftstoffpreise, Arbeitsmöglichkeiten für einfache Jemeniten und das Ende des westlichen Einflusses”.

Wie Al-Qaida und sein syrischer Ableger Al-Shabab ist der IS (auch Daesh genannt) eine wahhabitische Terrororganisation, die zu einem großen Teil von wohlhabenden saudischen Wahhabiten finanziert wird. Im Jemen wurden sie erfolgreich von den Schiiten (Houthis) bekämpft, in Syrien von einer Regierung mit einem alawitischen Präsidenten (Alawiten sind Verwandte der Schiiten) mit russischer Unterstützung, weil die Amerikaner auch dort diese wahhabitischen Terrororganisationen unterstützten, um einen Regimewechsel herbeizuführen.

Die politische Instabilität im Jemen begann nach dem von den USA geförderten Aufstand des “Arabischen Frühlings” 2011, der Präsident Saleh stürzte. Der damalige Vizepräsident Hadi wurde bis zu den geplanten Wahlen für eine zweijährige Amtszeit Interimspräsident des Jemen.

Im Jahr 2014 führte die Frustration der Jemeniten über die grassierende Korruption, die Arbeitslosigkeit und die steigenden Treibstoffpreise zu Unruhen im gesamten Jemen, bei denen auch Forderungen nach einem unabhängigen Südjemen laut wurden. Der Houthi-Stamm (Schiiten) marschierte im September mit Unterstützung von Ex-Präsident Saleh in die Hauptstadt Sanaa ein. Hadi flüchtete nach Saudi Arabien.

Mit dem erklärten Ziel, Putschistenführer Hadi wieder an die Macht zu bringen, schloss sich Saudi-Arabien 2015 mit den Vereinigten Arabischen Emiraten zusammen und bildete eine Koalition aus neun arabischen Ländern. Die Koalition wurde von den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich und Kanada unterstützt.

Als Rechtfertigung für den Angriffskrieg behauptet die saudi-arabische und westliche Propaganda, die Houthis seien lediglich Erfüllungsgehilfen des Iran. Der stolze Stamm weist solche Behauptungen zurück. Jemen-Experte Prof. Stephen Zunes:

“Im Gegensatz zu einigen (mit dem Iran verbündeten, F.A.) Milizen im Irak und in Syrien waren die Houthis nie ein iranischer Stellvertreter. Sie haben ihre eigene Geschichte, ihre eigenen Probleme und ihre eigene Agenda.”

Wie üblich spielen hier übermächtige Eigeninteressen auch auf Seiten der USA eine Rolle: Etliche US-Kongressabgeordnete profitieren von den Waffenlieferungen an die Ukraine, weil sie an den Rüstungskonzernen als Investoren beteiligt sind. Und es sind dieselben Kriegsgewinnler, die den Stellvertreterkrieg in der Ukraine eskalieren ließen, die auch kein Interesse daran haben, den Krieg im Jemen zu beenden.

Erinnern wir uns: Nach Angaben der UNO ist dieser Krieg die größte humanitäre Katastrophe der Welt. Er hat bereits Hunderttausende von Opfern gefordert, und 20 der 30 Millionen Einwohner des Jemen hungern in dem vom Krieg verwüsteten Land. Wäre es nach dem Willen des Westens gegangen, hätte es diesen Krieg nie gegeben oder er wäre schon längst mit einem Federstrich beendet worden. Das saudische Regime hätte ohne amerikanische Unterstützung keine zwei Wochen überleben können, wie der damalige US-Präsident Trump seinen Gastgebern in Saudi-Arabien auf seine eigene, sehr direkte Art mitteilte.

Denn die Menschen im Jemen haben das Pech, keine „guten“, banderistischen Westukrainer zu sein – und sie sind einem Stellvertreterkrieg gegen Iran ausgesetzt, der vom liberal-demokratischen Westen massiv unterstützt wird. Die westlichen Medien berichteten kaum über das gewaltige Massaker. Die Solidaritätsbekundungen von Politikern und Prominenten sind im Vergleich zu denen, die auf die Ukraine niederprasseln, äußerst spärlich, und Sanktionen gegen die Urheber und Unterstützer dieses “guten” Krieges, der unvergleichlich mehr Menschenleben und Verwüstungen fordert als der Krieg in der Ukraine, werden nicht angestrebt. Das alles passt hervorragend zum moralisch erhabenen „Wertewesten”.

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Felix Abt ist ein in Asien lebender Unternehmer und Autor von “A Capitalist in North Korea: My Seven Years in the Hermit Kingdom” und “A Land of Prison Camps, Starving Slaves and Nuclear Bombs?”

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle:  akramalrasny / Shutterstock.com

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