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Fünfunddreißig Jahre deutsche Einheit – die Bundeswehr und ihre Loyalität

Fünfunddreißig Jahre deutsche Einheit – die Bundeswehr und ihre Loyalität

Ein Meinungsbeitrag von Willy Wimmer.

In wenigen Wochen werden Reden gehalten. Die gewählten, nicht ernannten und noch weniger gesalbten Spitzen des Staates werden zum 3. Oktober sprechen. Der Tag der Einheit ist angesagt. Es geht um die von vielen, nicht allen, herbeigesehnte Wiedervereinigung unseres deutschen Vaterlandes. Seit dem Dreißigjährigen Krieg ist die Kriegsfurie über die deutschen Lande gezogen und hat völkermörderische Spuren hinterlassen.

Die Bestimmung der Zukunft durch die vermeintlichen Sieger wurde erlitten, geduldet und bekämpft. Die Geschehnisse vor mehr als fünfunddreißig Jahren machen noch heute deutlich, wie sehr in einem Volk die bei einem Gegner von außen gewohnten Muster von Sieger und Besiegtem an der Tagesordnung gewesen sind. Manches wird mangels Erfahrung nicht anders möglich gewesen sein. Dann wäre es allerdings nach all den Jahrzehnten nach dem Wertekanon des Grundgesetzes dem damaligen Vertragswerk der Spiegel vorzuhalten und sich eine Frage zu stellen: sind wir allen Landsleuten gerecht geworden nach den Regeln, die wir uns in der besten Verfassung weltweit gegeben haben?

Wahrheiten gehören ausgesprochen und eine trifft uns gleich doppelt: nach welchen Maßstäben wurden jene Kräfte in das neue Staatswesen Bundesrepublik Deutschland integriert, die das eigentliche Fundament der Regierung des Deutschen Reiches gewesen sind und die Nation und ihre Opfer in den Untergang geführt haben? Welche Regelungen galten für jene, die ein totalitäres System anderer Art funktionsfähig gehalten haben und die Aufgabe ihres Staates ohne ein neues „1945" ermöglicht haben? Welche Schlüsse zieht die Nation daraus? Der Vergangenheit gegenüber, die ein prosperierendes Deutschland über den Ersten Weltkrieg mit Versailles infizierte und die bewunderte Kulturnation zu Teufelswerk machte. Der Zukunft gegenüber, weil es erklärte Politik ist, aus der Nation des Friedens einen kriegsfähigen Kampfverband gegen andere zu schmieden. Man hat aus 1933 gelernt und schleicht in den nächsten Krieg. Vor dem Hintergrund unserer Erfahrung und des gesicherten Wissens kennt die Nation die institutionellen Anker für ein Staatswesen, das dem „Frieden in der Welt" verpflichtet sein will, unbeschadet der Forderung an uns durch ehemalige Kriegsgegner und heutige Verbündete, es wieder anders zu machen.

Als einzige Institution unseres Staates ist seinerzeit bewusst die Bundeswehr als „Armee der Einheit" in die staatliche Zukunft gegangen, unbeschadet der heftigen Auseinandersetzungen über die Zukunft einer Armee in einem globalen Kontext zwischen Abrüstung und Rüstungskontrolle, Personalstärke von zwei Streitkräften auf deutschem Boden in einem Staat, Zugehörigkeit zu einem Bündnis mit besonderen Verpflichtungen für Deutschland in einem Bündnis, das auch in einem Europa aus der Asche von zwei Weltkriegen geschaffen worden war. Es fällt schwer, sich eine andere gesamtstaatliche Institution vorzustellen, die einer derartigen Herausforderung ausgesetzt gewesen ist und diese so angemessen und erfolgreich bewältigt hat.

Mit beinahe seherischer Klarheit hatte Mitte der achtziger Jahre der Marineoffizier Wulf Diercks in einem Beitrag für das Militärgeschichtliche Forschungsamt mit dem Titel: „Der Einfluß der Personalsteuerung auf die deutsche Seekriegsführung 1914-1918" von der Frage nach der Tradition deutscher Streitkräfte bis hin zur Eignung für strategische Herausforderungen durch politische und militärische Führer in Marine, kaiserlicher Armee und Staat beschrieben. Gewiss, wir leben heute in einem Staatswesen, das anders formatiert ist als das zivilisatorisch aufstrebende kaiserliche Deutschland.  Aber die Herausforderungen, die Wulf Diercks für die damalige Zeit beschreibt, sind die Herausforderungen, denen sich die Armee und damit der Staat heute ausgesetzt sehen.

Wo kommen wir historisch gesehen her und welche Auswirkungen hat das auf heutige Teilstreitkräfte, die Armee als Ganzes und den Staat? Welche Vorkehrungen sind in Armee und Staat getroffen, dem Willen des Volkes nach dem Standard der Bundesrepublik Deutschland auf Dauer zu entsprechen?

Mit welchem Personal soll dieser Weg gegangen werden und reichen dafür nationale und internationale Bildungseinrichtungen aus? Wollen wir für staatliche Institutionen Kräfte, die dem Begriff „Elite" fachlich und menschlich entsprechen? Wulf Diercks stellt in seinem Text die entscheidende Frage: wem gilt die Loyalität der Armee? Der Nation oder anderen Kräften? Dazu wäre heute das Bündnis zu zählen. Können wir in einer Welt bestehen, in der andere Armeen und Staaten über dreihundert Jahre chronisch gesiegt haben?

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bild: salutierender Bundeswehrsoldat
Bildquelle: Juergen Nowak / shutterstock


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