Standpunkte

Die wirkliche Bedrohung | Von Thomas Röper

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Die politische Woche in Europa

Was die wirkliche Bedrohung für die EU und Deutschland ist

Deutsche und europäische Politiker sprechen ständig von der "russischen Bedrohung", dabei ist die wahre Bedrohung Europas und Deutschlands eine ganz andere.

Ein Standpunkt von Thomas Röper.

Auch an diesem Sonntag habe ich ungeduldig auf den Bericht des Deutschland-Korrespondenten gewartet, den das russische Fernsehen sonntagabends in seinem wöchentlichen Nachrichtenrückblick ausstrahlt, denn seine Sicht auf die politische Woche in Deutschland und Europa unterscheidet sich stark von dem, was deutsche Medien berichten. Und ich wurde nicht enttäuscht, denn sein mit spitzer Zunge formulierter Bericht zeigt wieder den ganzen Irrsinn des europäischen Politzirkus auf. Und er sagt ungeschönt, was die wahre Bedrohung für das heutige Europa ist. Wie jeden Sonntag habe ich seinen Bericht übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Deutschland wird nicht von einem fiktiven Krieg mit Russland bedroht, sondern von der Babyboomer-Generation

Die Fähigkeit, sein Wort zu halten, ist unter den heutigen europäischen Politikern selten, Mut zur Wahrheit ist Mangelware, und die Bereitschaft, persönliche Verantwortung zu übernehmen, ist fast in Vergessenheit geraten. Und was tritt an ihre Stelle? Eitelkeit, Kleinkariertheit, Narzissmus und schmutzige Machenschaften. Kein Wunder, dass die Zustimmungswerte der Staats- und Regierungschefs der drei führenden europäischen Mächte England, Deutschland und Frankreich beschämend niedrig sind. Sie haben gelogen. Sie vertreten nicht ihre Völker. Sie führen sie sie in den Krieg, indem sie Bedrohungen buchstäblich erfinden.

Aus Deutschland und der EU berichtet unser Korrespondent.

Dank einer Blitzaktion im Bundestag, die die volle Konzentration der Kräfte der Regierung im Plenarsaal erforderte, konnte Bundeskanzler Merz den Haushalt für das kommende Jahr durch das Parlament bringen. Pistorius ist ein reicher Minister. 2026 wird Deutschland deutlich mehr für das Militär ausgeben als in diesem Jahr, rund 108 Milliarden Euro. Die Bundeswehr hat seit dem Kalten Krieg keinen derartigen Geldregen mehr erlebt.

In seiner Bundestagsrede sagte Merz:

„Es ist ganz einfach: Wir müssen uns daran gewöhnen, dass Frieden und Freiheit nicht umsonst sind. Verteidigung ist unsere aller Verantwortung.“

Jeder einzelne Cent dieser Milliarden fließt natürlich in die Kriegsvorbereitungen gegen Russland. Das beginnt mit der Modernisierung der Infrastruktur – das Wall Street Journal berichtet, dass Deutschland einen Einsatzplan für die Verlegung von 800.000 NATO-Soldaten an die Ostfront entwickelt hat – und endet mit der Aufstockung der Armee um mehr als ein Drittel auf 260.000 Soldaten, die unter anderem durch hohe Gehälter angeworben werden müssen.

Von der allgemeinen Wehrpflicht hat man noch abgesehen, aber die Pläne für einen umfassenden Fragebogen und obligatorische ärztliche Untersuchungen für 18-Jährige bleiben bestehen. Auch das ist Teil der künftigen Militärausgaben.

Deutschland ist nicht das einzige Land, das plant, geeignete Personen im Voraus zu erfassen, wie der französische Präsident Emmanuel Macron sagte:

„Im Falle einer schweren Krise könnte das Parlament die Einberufung nicht nur von Freiwilligen, sondern auch von jenen anordnen, deren Fähigkeiten sich am ‚Mobilisierungstag‘ bewährt haben. Der Wehrdienst würde dann verpflichtend werden.“, erklärte der.

Er hatte die Idee, in Frankreich einen „Mobilisierungstag“ abzuhalten, an dem junge Männer verschiedenen Tests unterzogen werden, um ihre Eignung für den Wehrdienst zu ermitteln. Diejenigen, die sich bewähren, werden in eine Liste aufgenommen, um sie später nicht lange suchen zu müssen. Schließlich sagte der französische Generalstabschef Fabien Mandon, Frankreich müsse bereit sein, seine Kinder zu verlieren. Macron arbeitet daher als Reaktion auf „sich beschleunigende Krisen“ an der Aufstellung des entsprechenden Kontingents, wie er seinen Landsleuten erklärte.

Einige sind jedoch skeptisch. Florian Philippot, Vorsitzender der französischen Partei „Patrioten“, erklärte:

„Das ist alles absurd. Wir werden in einen Krieg mit Russland hineingezogen, dabei muss das alles aufhören. Keinen Euro mehr für die Ukraine, keine Kugel, keinen französischen Soldaten, keinen Tropfen französisches Blutes in diesem Krieg, der uns nichts angeht.“

Unterdessen hat Frankreich inmitten der Militarisierung offensichtliche Haushaltsprobleme. Die Regierung Lecornu versucht, im Parlament Sparmaßnahmen für alle Bereiche – außer für die Armee und den militärisch-industriellem Komplex – sowie Steuererhöhungen durchzusetzen, ohne dafür eine stabile Mehrheit zu haben.

In Großbritannien suchen Premierminister Starmer und Schatzkanzler Reeves fieberhaft nach Geld, um ein von den Medien als „finanzielles Loch“ bezeichnetes Defizit von schätzungsweise 20 bis 30 Milliarden Pfund zu stopfen. Die Starmer-Regierung, die mit dem Versprechen, Arbeitnehmer zu schützen, an die Macht kam, versucht diese nun, ganz wie die Labour-Partei, heimlich zu beklauen. Doch jeder kann alles sehen.

Die Journalistin Clare Barrett von der Financial Times formulierte es so:

„Ich bin seit 20 Jahren im Geschäft und habe noch nie einen Haushalt gesehen, der so viel Spekulation und Fälschung beinhaltet wie dieser. Wir sollten eher mit versteckten Steuern rechnen als mit Vermögenssteuern.“

Angesichts der globalen Krise und des eindeutig verlorenen wirtschaftlichen Wettbewerbs erweisen sich Europas militaristische Pläne als unvereinbar mit der Aufrechterhaltung der hohen sozialen Standards, die zunehmend unters Messer kommen. Dieser Prozess wird sich beschleunigen, je mehr der Kontinent in die demografische Krise gerät.

Die BBC hat einen Sonderbericht über Frauen beim Militär veröffentlicht. Skandinavierinnen sind da ganz vorne. Patriotismus, Russland und die Gleichstellung der Geschlechter bewegen Frauen dazu, militärisches Make-Up anzulegen. Doch es gibt noch einen weiteren Grund, warum die Regierungen diesen Prozess fördern, wie Emeri Lillimee, Expertin an der Estnischen Militärakademie, einräumte:

„Wenn diese Sicherheitslage anhält, werden wir schlichtweg nicht genug Personal haben.“

Die Europäer weigern sich, sich fortzupflanzen, was sie jedoch nicht von ihrer Verantwortung entbindet, eine Armee von Soldaten und eine Armee von Rentnern zu ernähren. Die europäischen Finanzen stehen nicht vor einer erfundenen Bedrohung, wie die russische, sondern vor einer sehr realen. Sie heißt Babyboomer, das sind die Kinder der Kriegskinder: die mächtige Generation der 65- bis 70-Jährigen, die das blühende Europa geschaffen hat. Die gehen nun massenhaft in Rente und bürden ihren Nachkommen eine unerträgliche Last auf.

Die Prioritäten des deutschen Staates sind Rentner und Waffen, also Dinge, die nichts als Schulden produzieren. Aber sie machen jeden dritten Euro im neuen deutschen Haushalt aus. Man kann das ernst nehmen oder sich darüber lustig machen, wie Heute-Show, die eine Frau erzählen ließ: „Meine Familie und ich leben streng nach der Methode Merz“, wobei sie ein Buch mit Merz’ Porträt hochhält. Daraus liest sie vor: „Kapitel 1: Ständig große Ankündigungen und Versprechen machen. Kapitel 2: Entscheidungen treffen und zuerst an die ältere Generation denken. Kapitel 3: Großzügig Feld für Quatsch ausgeben, selbst wenn man hoch verschuldet ist.“

Dann kommt ein Kurier, der sagt, die Bestellung koste 520 Euro, worauf die Frau antwortet: „Das ist nicht für mich. Das ist für meinen Sohn, er wird das bezahlen, wenn er groß ist.“ Als der Junge protestiert, gibt sie ihm eine Ohrfeige und lässt ihn die Rechnung unterschreiben.

Alice Weidel, Co-Vorsitzende der AfD, sagte im Bundestag:

„Sie haben Deutschland in die größte Verschuldung der Nachkriegszeit gestürzt. Sie werfen mit Geld um sich. 11,5 Milliarden Euro an die Ukraine, ohne zu wissen, ob dieses Geld am Ende wieder in den Händen korrupter Beamter landet, die vom Krieg profitieren.“

Es ist schwer vorstellbar, dass die ukrainischen Beamten nicht mit ihren Gönnern in Europa teilen. Doch daneben erfüllen sie auch eine andere wichtige Funktion: Wenn der ukrainische Faktor aus dem politischen Leben verschwindet, wird es für Merz und andere schon am nächsten Tag schwerer, ihrer Bevölkerung mit der russischen Bedrohung Angst zu machen. Aber damit rechtfertigen sie derzeit alles. Daher die Panik um Trumps bekannten Plan, der dringend überarbeitet werden muss, damit Moskau ihm nicht zustimmt Bei Merz klang das im Bundestag so:

„Wir wollen keinen Frieden durch Kapitulation, wir wollen ein friedliches Zusammenleben der Völker Europas auf der Grundlage unserer demokratischen, freiheitsliebenden Werte.“

Und der britische Premierminister Keir Starmer erklärte: „Elemente, die Europa und die NATO betreffen, bedürfen der Zustimmung Europas und der NATO-Mitglieder.“

Russland will keinen Frieden, sagen sie jeden Tag. Doch in Wahrheit wollen sie nur einen Frieden, dessen Bedingungen sie selbst diktieren. Und die Ukraine soll dafür kämpfen, solange sie noch jemanden an die Front schicken kann.

Bei Kaja Kallas, der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, klang das so:

„Dieser überstürzte Weg zum Frieden ist für die Ukraine nachteilig. Wir müssen uns wirklich auf Zugeständnisse von russischer Seite konzentrieren.“

Die Chefin der europäischen Diplomatie hat letzte Woche viel Merkwürdiges gesagt: Von 19 Ländern, die Russland angeblich in den letzten 100 Jahren mehr als einmal angegriffen haben soll, bis hin zu Forderungen nach Begrenzungen der russischen Armee und des Militärbudgets. Sie redet im Grunde so viel Quatsch, dass man schon eine Diagnose stellen kann. US-Außenminister Rubio ist es sogar peinlich, sich mit ihr zu treffen.

Marco Travaglio, Chefredakteur der italienischen Zeitung Fatto Quotidiano, sagte unter dem Applaus des Publikums:

„Wenn ich Kallas reden höre, frage ich mich, wie es passieren konnte, dass eine der Wiegen der weltweiten Zivilisation – Europa, der Erfinder der modernen Diplomatie, die auf dem Prinzip ‚Nie wieder Weltkriege zwischen uns‘ beruhte – in die Hände einer solchen Idiotin geraten konnte. Ich spreche von ernster geistiger Behinderung.“

Fairerweise muss man sagen, dass Kallas nicht allein ist. Die überwältigende Mehrheit der europäischen Politiker und Beamten, die die kollektive Identität der EU prägen, ist völlig inkompetent, wenn man bedenkt, dass sie sich, obwohl sie den Krieg verloren haben, gegenüber Russland so verhalten, als stünden sie kurz vor dem Sieg. Sogar den theoretischen Kredit für die Ukraine, finanziert durch gestohlenes russisches Geld, haben sie als „Reparationen“ bezeichnet, was EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im EU-Parlament so formulierte: „Die Kommission hat ein Dokument mit möglichen Lösungen vorgelegt, darunter die mit den eingefrorenen russischen Vermögenswerten. Im nächsten Schritt muss die Kommission einen juristischen Text vorlegen, und, meine Damen und Herren, um das klarzustellen: Ich sehe kein Szenario, in dem die europäischen Steuerzahler die Rechnung bezahlen.“

In der Woche, seit die EU-Kommission Briefe an die europäischen Hauptstädte verschickt hat, in denen sie drei Optionen zur Finanzierung der Ukraine im Jahr 2026 darlegte – das waren nicht rückzahlbare Zuschüsse, ein gemeinsames europäisches Darlehen oder der Raub der russischen Vermögenswerte -, hat Ursula von der Leyen offenbar erkannt, dass zumindest die ersten beiden Optionen unerwünscht sind. Europa will und kann sich offenbar nicht von seinem Geld zu trennen. Die Frage der 90 Milliarden Euro für Kiew hängt somit allein von Belgiens Position ab.

Aber auch der belgische Ministerpräsident de Wever hat einen Brief geschrieben, in dem steht:

„Ein übereiltes Vorgehen mit dem vorgeschlagenen Reparationsdarlehensprogramm wird als Kollateralschaden dazu führen, dass wir als EU faktisch die Erreichung eines endgültigen Friedensabkommens behindern. Sollte Russland am Ende nicht offiziell als Verlierer hervorgehen, wird es, wie die Geschichte in anderen Fällen gezeigt hat, berechtigterweise die Rückgabe seiner Staatsvermögen fordern.“

Genau so wird es kommen. Daher fordert de Wever, dass sich, sollte Russland seine berechtigten Forderungen stellen, die gesamte EU unverzüglich an der Befriedigung der russischen Ansprüche beteiligt.

Allerdings kann er sich schon jetzt selbst davon überzeugen, dass Friedrich Merz im neuen Bundeshaushalt keine Mittel für diesen Notfall vorgesehen hat.

Das Vorgehen des Bundeskanzlers wirft nur eine Frage auf: Wie hat er überhaupt beim Investmentfonds BlackRock gearbeitet? Nächstes Jahr wird Deutschland für die Bedienung von Schulden 34 Milliarden Euro bezahlen, in drei Jahren werden es 66 Milliarden Euro sein.

Das Problem ist, dass Russlands Vermögen größtenteils aus europäischen Staatsanleihen besteht, also ais Schuldscheinen, die gegen Zinsen und Bargeld erworben wurden. Sollten Merz und seine Mitstreiter diese Schuldscheine klauen, könnten alle aktuellen Berechnungen über den Schuldendienst viel zu niedrig sein.

Ende der Übersetzung

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Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. 

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Dieser Beitrag erschien am 01. Dezember 2025 auf dem Blog anti-spiegel.

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Bild: Chisinau, Moldau - 24. April 2025: Die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Kaja Kallas, während einer Pressekonferenz.

Bildquelle: Dan Morar / shutterstock


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