Die unerwünschte Souveränität (Teil 2) | Von Angela Mahr

Alle Völker der Erde haben ein Recht auf Selbstbestimmung, so auch das Volk der Ostukraine. Teil 2/3.

Ein Standpunkt von Angela Mahr.

Hinweis zum Beitrag: Der vorliegende Text erschien zuerst im Rubikon – Magazin für die kritische Masse, in dessen Beirat unter anderem Daniele Ganser und Hans-Joachim Maaz aktiv sind. Da die Veröffentlichung unter freier Lizenz (Creative Commons) erfolgte, übernimmt apolut diesen Text in der Zweitverwertung und weist explizit darauf hin, dass auch der Rubikon auf Spenden angewiesen ist und Unterstützung braucht. Wir brauchen viele alternative Medien!

Im ersten Teil wurde die Vorgeschichte zur heutigen Situation in der Ukraine beschrieben, der Putsch 2014 und der Sturz der damaligen Regierung sowie die Auswirkungen des Gesetzes zur Verdrängung der russischen Sprache in der Ukraine.

Korrektur zum Teil 1: Die Aussage zur Sezession der Krim lautet im Originaltext wie folgt: “War die Sezession der Krim 2014 völkerrechtswidrig? Nein. Die Bürger der Krim entschieden darüber in einem Referendum, daher war es eine Sezession, keine Annexion.”

Der zweite Teil beschreibt nun den Bruch des Minsker Friedensabkommens in einem insgesamt achtjährigen Bürgerkrieg sowie die Verstrickungen des Westens mit rechtsextremen Paramilitärs.

Wie können alle Ethnien friedlich und auf Augenhöhe miteinander leben? Von diesem Wunsch, diesem Anliegen ist dieser Artikel geprägt. Wenn wir dahin kommen möchten, dann hilft es, vergangene Fehler zu analysieren und zu korrigieren. Wie ist es heute? Wie erlebten die Menschen in der Ostukraine die Zeit nach dem Putsch? Ist das Selbstbestimmungsrecht der Menschen im Donbass völkerrechtlich geschützt? Im vorliegenden Text geht es um eine Rückschau, vor allem aber um eine Einordnung des Kriegs in der Ukraine aus völkerrechtlicher Sicht. Den ersten Teil finden Sie hier.

Der Donbass

Das Donezbecken, kurz der Donbass, ist ein großes Steinkohle- und Industriegebiet beiderseits der russisch-ukrainischen Grenze. Im Südosten der Ukraine liegen in dieser Region die Oblaste Donezk und Lugansk. „Nach offiziellen Angaben von 2016 lebten in Donezk 4,2 Millionen Menschen, in Lugansk 2,2 Millionen“, berichtet das ZDF am 24. Februar 2022. Wie viele dort aktuell noch lebten, sei schwer zu erfassen — aufgrund des seit 2014 schwelenden Kriegs.

„Teile der Bevölkerung sind geflohen. Inzwischen sollen in beiden Regionen insgesamt weniger als vier Millionen Menschen leben.“

Im Donbass wird mehrheitlich Russisch gesprochen. Entsprechend eng sei traditionell das Verhältnis vieler Menschen in der Ostukraine zu Russland. Letzten offiziellen Angaben zufolge waren fast 40 Prozent der Bevölkerung in Lugansk und Donezk ethnische Russinnen und Russen.

Der Anteil der russischen Muttersprachler ist dabei höher als derjenige der ethnischen Russen, da es auch ethnische Ukrainer und Angehörige anderer Nationalitäten gibt, die Russisch als Muttersprache angeben. Der Anteil liegt in Donezk bei 74,9 Prozent, in Lugansk bei 68,8 Prozent.

Der Bürgerkrieg in der Ostukraine seit 2014

Der Dokumentarfilm Frontstadt Donezk — Die unerwünschte Republik (1) entstand in der jungen Volksrepublik Donezk (DVR) im Sommer 2016. Die Republik war wie die Lugansker Volksrepublik (LVR) 2014 ausgerufen worden und existierte seit zwei Jahren. Die Republiken waren seinerzeit bereits geprägt und gezeichnet vom Bürgerkrieg. Der Autor und Filmemacher Mark Bartalmai lebte zur Zeit des Drehs bereits seit zwei Jahren mit Unterbrechungen in der Volksrepublik Donezk. Der Film zeigt somit den persönlichen Blick eines deutschen Filmemachers, der von dort die Ereignisse verfolgte.

Strukturelle Gewalt im Donbass

„Mit der Zeit wurde aus dem Bürgerkrieg quasi ein Stellvertreterkrieg“, beobachtet Bartalmai 2016. „Aber den haben ja die Russen nicht angefangen. Das ist das gleiche Spiel wie in El Salvador, Nicaragua, Vietnam, Afghanistan und jetzt Syrien.“ Ein Bergarbeiter in Donezk erzählt, während er durch den Schacht spaziert:

„Seit dem Tag, als die Donezker Volksrepublik gegründet wurde, fingen furchtbare militärische Auseinandersetzungen an. Der Krieg dauerte an. Aber wir haben nach wie vor gearbeitet.“

Während Familien eine gewisse Unterstützung und Rentner ihre Bezüge mittlerweile von der Republik erhielten, gestützt aus Russland, blieb geregeltes Einkommen eine der größten Herausforderungen, sogar im Kriegszustand.

Der Film dokumentiert die Lage der Supermärkte in Donezk 2016. „Früher war die Situation sehr schlimm“, erzählt die Leiterin des Supermarkts „Impuls“ in Gorlowka. „Es gab kaum Lieferungen und kaum Produktion. Es gab weder genug Milch- noch Fleischprodukte. Heute spielt es sich langsam ein.“ Pawel Jakubenko, Leiter des Supermarkts „Amstor“ in Donezk, spaziert durch das Geschäft und zeigt auf die Ware:

„90 Prozent der Waren werden hier in der Donezker Volksrepublik in den Städten Gorlowka, Jenakijewe und Donezk produziert. Ein Teil wird aus der Russischen Föderation importiert. Diese Milchprodukte sind von uns. Dieser Haferbrei ist von uns. Der Rest hier ist aus Weißrussland und Russland. Joghurts kommen nur aus der Russischen Föderation. Aus der Ukraine gibt es hier keine Waren mehr. Seitens der Ukraine gibt es derzeit eine komplette Blockade. Die Lkws mit den Waren werden nicht durchgelassen oder stehen so lange, dass die Ware verdirbt. Es lohnt sich nicht, und die Lieferanten wollen nicht hierher liefern.“

Seit einem Beschuss funktionieren die Mühlen nicht mehr, und es gab keine Möglichkeit, Mehl zu bekommen.

„Es waren schwere Zeiten. Es wurde bombardiert, es gab wenig Menschen, wenig Kunden, wenig Waren und keine Möglichkeit, etwas aus der Ukraine einzuführen. Der Import aus Russland war noch nicht organisiert. 60 bis 80 Prozent unserer Marktfläche war einfach geschlossen. Es gab nichts, was man dort hätte in die Regale stellen können.

Die Lohnzahlungen erfolgen jetzt in russischen Rubel. Einkaufs- und Verkaufspreise sind jetzt auch in Rubel. Es gab keine Bindung an die ukrainische Griwna mehr. Als man begann, die Waren in der Russischen Föderation für Rubel einzukaufen, wuchs der Umsatz mit russischen Rubel. Da die Ukraine uns blockiert, verschwindet die Griwna immer mehr, weil man damit nichts einkaufen kann.“

„Anfang Juli 2014 kam der Befehl aus Kiew, dass alle Polizisten das Gebiet der Donezker Volksrepublik verlassen und auf das unter ukrainischer Kontrolle stehende Territorium ausreisen sollen“, berichtet Sergej Parischkow, stellvertretender Leiter der Polizei im Bereich Straßen- und Verkehrsüberwachung des Innenministeriums der DVR.

Faktisch war das der Befehl, die Bevölkerung allein mit der Kriminalität zurückzulassen. Alle Mitarbeiter der Polizei und Justiz sollten ausreisen. Damit sollte das normale Leben auf diesem Territorium blockiert werden. Dieser Befehl war in der Regel von der Führungsriege befolgt worden, das Personal selbst jedoch leistete dem keine Folge. Ein Teil kündigte, ein Teil reiste aus nach Russland.

„Ein Teil ist hiergeblieben. Genau mit dem Teil, der hiergeblieben ist, hat man angefangen, die ersten Polizeigruppen so wie hier die Transportpolizeigruppen zu bilden.“

Ignorierte Kriegsverbrechen

Im Mai 2016 hat die UN ihre Inspektion der SBU-Gefängnisse (2) abgebrochen, nachdem ihnen der Zugang zu einigen Gefängnissen verwehrt, und andere Einrichtungen geheim gehalten wurden.

„Diese Verweigerung des Zugangs verstößt gegen die Verpflichtungen der Ukraine als Vertragsstaat des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen gegen Folter“, heißt es dazu auf dem internationalen Nachrichtenblog der UN.

„Das bedeutet, dass wir einige Orte nicht besuchen konnten, an denen wir zahlreiche und schwerwiegende Anschuldigungen gehört haben, dass Menschen inhaftiert wurden und möglicherweise gefoltert oder misshandelt wurden“, so Malcolm Evans, Leiter der vierköpfigen Delegation, in einer Erklärung des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (OHCHR)“. Die Delegation kam zu dem Schluss, dass die Integrität des Besuchs, der am 19. Mai begann und am 26. Mai enden sollte, in einem solchen Ausmaß beeinträchtigt war, dass er ausgesetzt werden musste, da das Mandat des UN-Unterausschusses zur Verhütung von Folter (SPT) nicht vollständig erfüllt werden konnte. Haben wir davon in unseren kommerziellen Medien erfahren?

„Besonders die Nationalgarde und vor allem die sogenannten freiwilligen Bataillone auf ukrainischer Seite tun sich unrühmlich hervor bei Folter und Mord“, erklärt Bartalmai in seinem Film. Bekannt geworden war dabei die Einheit Tornado, aber auch die Angehörigen der Bataillone Asow und Aidar gehören zu den berüchtigten Foltereinheiten.

„Hinterfragt wird das sowohl in der Ukraine als auch im Westen kaum, solange diese nationalistischen nützlichen Idioten, wie man so sagt, die Drecksarbeit bei der Inkraftsetzung der sogenannten westlichen Werte machen“, merkt der Filmemacher markig aber zutreffend an.

„Wir wurden fast zu Tode geprügelt, nur weil wir aus der DNR, aus dieser Republik sind“, erinnert sich Alexej Schukow. Er ist Invalidenrentner und war vor seiner Gefangenschaft Mitarbeiter der Verwaltung der Donezker Volksrepublik.

„Nur, weil ich ein Mitarbeiter der Administration hier war. (…) Ich wurde geschlagen, weil ich kein Ukrainisch kann, weil ich den Text der Hymne nicht kenne.“

Im Film kommen weitere Opfer zu Wort.

Daria Morosowa, die Menschenrechtsbeauftragte der DVR, zeigt Bartalmai die Gefangenentauschdatenbank.

„Wir unterteilen drei Arten von Menschenrechtsverletzungen in unseren Listen. Die erste betrifft Kriegsgefangene, die bewaffnet in Gefangenschaft geraten sind. Die zweite Art trifft auf politische Gefangene zu und dann gibt es ja noch die Zivilisten. (…) Früher war es so, dass die ukrainische Seite, um uns die Personen aus den ersten zwei Listen nicht geben zu müssen, einfach Zivilisten verhaftet hat.“

Sie zeigt Bartalmai Dokumente, die an das Oberkommissariat der UNO für Menschenrechte gesandt werden sollen.

„Diese Dokumente (…) werden so viele Informationen wie möglich enthalten. Diese Berichte werden später nur ein kleiner Teil eines großen Tribunals sein, das zehn Jahre danach hoffentlich stattfinden wird. Jeder Krieg geht irgendwann zu Ende. Dieser wird auch zu Ende gehen. Wir wollen nur das, was Herr Poroschenko, Frau Merkel, Herr Putin und Herr Hollande mit ihren Unterschriften in Minsk besiegelt haben. Wofür sie die Garanten sind.“

Die Rolle der OSZE

Kiew verweigerte die Verhandlungen mit den selbst ernannten Republiken. Bartalmai konfrontiert einen Sprecher der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) 2016 mit dieser einseitigen Situation. Alexander Hug, stellvertretender Leiter der OSZE-Beobachter in der Ukraine, weicht ihm aus: „Was ich sagen kann, ist, dass die beiden Seiten zu wenig miteinander reden. Mehr Dialog ist nötig.“

„Aber sehen Sie, also Sie persönlich, eine Weigerung auf dieser Seite oder der anderen? Ist da etwas, was Sie erkennen können?“, fragt Bartalmai nach und Hug antwortet ihm:

„Ich fürchte, ich kann Ihnen die Antwort, die Sie wollen, nicht geben. Schauen Sie sich unsere Berichte und Ermittlungen an. Ich kann nicht als Privatperson sprechen. Ich repräsentiere eine Mission, die von 57 Teilnehmerstaaten eingesetzt wurde.“

Irritierenderweise, aber passend dazu erklärt Hug während der Pressekonferenz vor laufenden Kameras:

„Es sind jetzt zwei Jahre, dass meine Kollegen und ich hier arbeiten, in der Ukraine und für die Ukraine.“

Wem oder was fühlt sich die OSZE verpflichtet? Wem dienen ihre Mitarbeiter? Bartalmai reagiert auf das wenig neutrale Statement Hugs im Kommentar des Films:

„Wann hat das ein OSZE-Chef über Serbien gesagt, als der Kosovo sich so heldenhaft die Unabhängigkeit erkämpfte?“

Das Minsker Abkommen vom Februar 2015 und der Ausbruch des Kriegs 2022

Das Minsker Abkommen vom Februar 2015 (Minsk 2) enthält unter anderen folgende Forderungen:

  • 1. Unverzügliche und umfassende Waffenruhe in bestimmten Gebieten der Regionen Donezk und Lugansk in der Ukraine und deren strikte Umsetzung ab dem 15. Februar 2015, 12 Uhr Ortszeit.
  • 6. Sicherstellung der Freilassung und des Austauschs aller Geiseln und unrechtmäßig festgehaltenen Personen, auf der Grundlage des Prinzips „alle für alle“. Dieser Prozess soll spätestens am Tag 5 nach dem Rückzug abgeschlossen sein.
  • 8. Festlegung der Modalitäten für die vollständige Wiederaufnahme der sozioökonomischen Beziehungen, einschließlich Sozialtransfers wie Rentenzahlungen und andere Zahlungen (Einkünfte und Einnahmen, pünktliche Zahlung aller Rechnungen für Versorgungsleistungen, Wiedereinführung der Besteuerung innerhalb des Rahmens der Ukraine).
  • 10. Rückzug aller ausländischen bewaffneten Formationen, militärischen Ausrüstungen sowie der Söldner aus dem Hoheitsgebiet der Ukraine unter Aufsicht der OSZE. Entwaffnung aller illegalen Gruppen.
  • 11. Durchführung einer Verfassungsreform in der Ukraine mit dem Inkrafttreten einer neuen Verfassung bis Ende 2015, die Dezentralisierung als Schlüsselelement vorsieht (einschließlich einer Bezugnahme auf die Besonderheiten bestimmter Gebiete in den Regionen Donezk und der Regionen Donezk und Lugansk, die mit den Vertretern dieser Gebiete vereinbart wurden), sowie die Verabschiedung dauerhafte Gesetzgebung über den besonderen Status bestimmter Gebiete in den Regionen Donezk und Lugansk (…) bis Ende des Jahres 2015.
  • 13. (…) Recht auf sprachliche Selbstbestimmung (…).

Die Vereinten Nationen geben in der Resolution 2202 vom 17. Februar 2015 bekannt, das Maßnahmenpaket zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen vom 12. Februar 2015 zu befürworten und das Engagement dafür zu begrüßen. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen fordert in der Resolution „alle Parteien auf, das ‚Maßnahmenpaket‘ vollständig umzusetzen, einschließlich eines umfassenden Waffenstillstands, wie er darin vorgesehen ist“, und „beschließt, die Angelegenheit weiterzuverfolgen“.

Im Anhang von Minsk 2 erklären die Staats- und Regierungschefs Wladimir Putin, Petro Poroschenko, François Hollande und Angela Merkel, das Maßnahmenpaket zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen vom 12. Februar 2015 zu unterstützen und sich weiterhin für die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen einzusetzen.

Der Bruch des Minsker Abkommens

Das Minsker Abkommen wurde wie oben dargelegt seitens der ukrainischen Regierung vielfach gebrochen oder gar nicht erst angegangen. „Einen Dialog mit dem Donbass lehnt Kiew ab, die Verfassungsänderung wurde nie durchgeführt, von einer Amnestie will Kiew erst recht nichts wissen“, fasst der Journalist Thomas Röper zusammen.

„Trotzdem beschuldigen westliche Politiker und Medien Russland, es würde gegen das Abkommen verstoßen und kritisieren Kiew mit keinem Wort.“

Russland aber wird in dem Abkommen gar nicht erwähnt, daher konnten darin auch keine Forderungen an Russland gestellt werden, gegen die es verstoßen könnte.

„Die Europäische Union war nicht in der Lage, die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zu fördern“, macht Jaques Baud darüber hinaus deutlich, „im Gegenteil, sie hat nicht reagiert, als die Ukraine ihre eigene Bevölkerung im Donbass bombardierte. Hätte sie dies getan, hätte Wladimir Putin nicht zu reagieren brauchen“. Stattdessen zeichnete sich die EU dadurch aus, dass sie den Konflikt anheizte.

„Am 27. Februar erklärte sich die ukrainische Regierung bereit, in Verhandlungen mit Russland einzutreten. Doch nur wenige Stunden später beschloss die Europäische Union ein Budget von 450 Millionen Euro für Waffenlieferungen an die Ukraine und heizte damit das Feuer weiter an.“

Das Bemühen um eine Einigung ließ in der Ukraine nach.

„Der Widerstand der Asow-Miliz in Mariupol führte sogar zu einer Aufstockung der Waffenlieferungen um 500 Millionen Euro.“

Verstrickungen des Westens mit rechtsextremen Paramilitärs

Mangels Soldaten bediente sich die ukrainische Regierung paramilitärischer Milizen. Diese bestehen im Wesentlichen aus ausländischen Söldnern, oft rechtsextremen Kämpfern. „Bewaffnet, finanziert und ausgebildet wurden sie von den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Kanada und Frankreich“, fasst Baud zusammen. Reuters gibt die paramilitärischen Kräfte 2020 mit 102.000 an, also etwa 35 Prozent der Kämpfer insgesamt.

Die Verbindungen paramilitärischer Bataillone mit dem Westen untersucht die Studie „Rechtsextreme Gruppe hat sich im wichtigsten westlichen militärischen Ausbildungszentrum in der Ukraine niedergelassen“ von Oleksiy Kuzmenko vom September 2021.

Diese legt dar, „dass die Nationale Militärakademie „Hetman Petro Sahaidatchnyi“ (NAA), die wichtigste militärische Ausbildungseinrichtung der Ukraine und eine wichtige Drehscheibe für westliche Militärhilfe für das Land, die Centuria beherbergt, einen selbst ernannten Orden ‚europäischer traditionalistischer‘ Offiziere, der das erklärte Ziel verfolgt, das Militär des Landes entlang rechtsgerichteten ideologischen Linien umzugestalten“.

Offensichtliche Mitglieder von Centuria hatten der Studie zufolge Zugang zu westlichen militärischen Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen erhalten, zu „amerikanischen Militärausbildern und zu amerikanischen und französischen Kadetten“ in der Ukraine.

Im April 2021 erklärte die Gruppe, dass ihre Mitglieder seit ihrer Gründung an gemeinsamen Militärübungen mit Frankreich, Großbritannien, Kanada, den USA, Deutschland und Polen teilgenommen hätten. Centuria habe enge Verbindungen zur rechtsextremen Asow-Bewegung in der Ukraine, habe bei NAA-Kadetten für Asow geworben und behaupte glaubhaft, dass ihre Mitglieder im Asow-Regiment der Nationalgarde, dem militärischen Flügel der Asow-Bewegung, unterrichteten.

„Die Verbindungen von Centuria zur Asow-Bewegung sind alarmierend, weil der US-Kongress die Verwendung von US-Haushaltsmitteln ‚für die Bereitstellung von Waffen, Ausbildung oder sonstiger Unterstützung für das Asow-Bataillon‘ im Jahr 2018 verboten hat (…)“, so die einleitende Zusammenfassung.

Das Asow-Frontregiment wurde „vor acht Jahren von rechtsextremen Aktivisten, darunter bekennende Neonazis, gegründet“, berichtet USA Today im März 2022.

„Es diente lange Zeit als Inspiration für in den USA ansässige Rechtsextremisten und weiße Rassisten, von denen einige in die Ukraine reisten, um dort zu trainieren und Kampferfahrung zu sammeln.“

Entstanden 2014 als Freiwilligenbataillon, begann es „als zusammengewürfelter Haufen von weniger als 100 Kämpfern“ und wuchs zu einer gewaltigen paramilitärischen Kraft in und um die Stadt Mariupol. Im November 2014 wurde es nach mehreren Gefechten gegen „prorussische Kräfte“ im Südosten der Ukraine offiziell in die Nationalgarde der Ukraine eingegliedert.

Diese Tatsache ist unbequem für das westliche Narrativ. Diskutiert wird daher jetzt, ob die Asow-Kämpfer ihre Gesinnung vielleicht inzwischen geändert hätten. Der Analyst am Stockholmer Zentrum für Osteuropastudien Andreas Umland erklärt, es sei falsch, das Regiment immer noch als „Neonazi-Regiment” zu bezeichnen, auch wenn es „immer noch weiße Rassisten und Rechtsextremisten in Asow“ gebe.

Wjatscheslaw Lichatschow, Mitglied des Expertenrats des Zentrums für bürgerliche Freiheiten in der Ukraine, wies die Behauptung, das Asow-Regiment habe immer noch neonazistische Züge, als „dumm” und „veraltet” zurück. Auf die Frage nach den zahlreichen Besuchen europäischer und US-amerikanischer weißer Rassisten und Neonazis beim Asow-Regiment räumte Lichatschow ein, „dass das Regiment eine Zeit lang als ‚Freiraumparadies für Neonazis aus der ganzen Welt‘ galt, doch seien Berichte, wonach diese neonazistischen Kriegstouristen jemals in Asow aktiv waren, übertrieben“.

Ein Gesinnungswandel bei den vom Westen unterstützen Paramilitärs pünktlich zum Kriegsbeginn? Überzeugt uns das?

In der ukrainischen Armee scheint indes insgesamt nicht gerade Kriegslaune geherrscht zu haben. „Im Oktober/November 2017 erschienen 70 Prozent der Wehrpflichtigen nicht zur Einberufungskampagne ‚Herbst 2017‘“, berichtet Baud. Zusätzlich gab es Deserteure, die teilweise zu den Autonomisten überliefen. Wieder andere „weigerten sich, im Donbass zu kämpfen, und zogen die Auswanderung vor“.

Der Kriegsbeginn 2022

„Seit dem 16. Februar hat der Artilleriebeschuss der Bevölkerung im Donbass dramatisch zugenommen, wie die täglichen Berichte der OSZE-Beobachter zeigen“, argumentiert Baud. Weder die Medien noch die Europäische Union noch die NATO noch irgendeine westliche Regierung haben darauf reagiert oder eingegriffen. Damit stand Wladimir Putin vor eine schwierige Wahl:

„Entweder dem Donbass militärisch zu helfen und ein internationales Problem zu schaffen oder tatenlos zuzusehen, wie die russischsprachige Bevölkerung des Donbass vernichtet wird.“

In seiner Rede vom 24. Februar 2022 verweist Putin auf die Situation der Menschen im Donbass, welche „schikaniert werden“ und „einem Genozid zum Opfer fallen“, und nannte die „Entmilitarisierung“ und „Entnazifizierung“ der Ukraine als Ziele seiner militärischen Operation.

Rein ethnologisch betrachtet könnte man hier durchaus von Selbstverteidigung sprechen, da der an Russland angrenzende und seit Jahren mit westlicher Unterstützung bekämpfte Donbass überwiegend von ethnischen Russen bewohnt und russischsprachig ist. Aus völkerrechtlicher Sicht kann man das insofern aber nicht, dass sich Artikel 51 der UN-Charta auf die gegenwärtigen Landesgrenzen eines Staates, nicht auf die jeweilige Ethnie im Grenzgebiet oder im Nachbarland bezieht.

Quellen und Anmerkungen:

(1) Drehbuch und Regie führten Mark Bartalmai und Nelja Oystrakh, produziert wurde der Film von ihnen und Frank Höfer, Steffen Höfer und Michael Swoboda.
(2) Sluschba bespeky Ukrajiny, SBU: Ukrainischer Geheimdienst.

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 17. Mai 2022 bei Rubikon – Magazin für die kritische Masse

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Wir danken der Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: rospoint/ shutterstock

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Kommentare (14)

14 Kommentare zu: “Die unerwünschte Souveränität (Teil 2) | Von Angela Mahr

  1. wassenaar sagt:

    Noch eine Ergänzung zum 1. TEIL.
    Von vielen wird angeführt, daß der Volksentscheid der Bürger der Krim, ein Verstoß gegen die Verfassung der Ukraine darstellt, da in dieser, so wie in dem Grundgesetz der BRD, Volksentscheide nicht vorgesehen waren.
    Wer die Zeit genau betrachtet, muß feststellen, dass der Volksentscheid NACH dem sogenannten "Maidan" stattfand, also einem militärischen Putsch. Somit wurde die Verfassung der Ukraine durch diese Putschiszen außer Kraft gesetzt und gegen eine außer Kraft gesetzte Verfassung kann nicht verstoßen werden.

  2. Andreas I. sagt:

    Hallo,
    2014 hatten Jatzenjuk & Co. gedacht, Waffengewalt wäre eine gute Idee, weil sie dachten, mit der ukrainischen Armee hätten sie die stärkeren Waffen gegenüber den (bis dahin noch) Zivilisten in Lugansk und Donezk.
    (Victoria Nuland "Yats is our man")
    2022 hat Russland dann beschlossen; Waffengewalt mit Waffengewalt zu beantworten und für Jatzenjuks Nachfolger wirds eng.

  3. Schramm sagt:

    »Euronews«
    Aus welchen Ländern kommen 7.000 Söldner in der Ukraine?

    »Das russische Verteidigungsministerium hat eine Liste der Länder veröffentlicht, aus denen die fast 7.000 ausländischen Söldner kommen sollen, die seit dem 24. Februar für die Ukraine gekämpft haben oder noch kämpfen.

    An die 2.000 dieser Söldner sind demzufolge von Russlands Truppen getötet worden. "Eliminated" steht in der Tabelle über Zahl der laut Moskau in der Ukraine gefallenen Kämpfer aus dem Ausland.
    Das russische Verteidigungsministerium schreibt auf seinem englischsprachigen Telegram-Kanal, den mehr als 67.000 User abonniert haben: "Polen ist unter den europäischen Ländern der unangefochtene Spitzenreiter, was die Zahl der ankommenden und der getöteten Söldner angeht. Seit Beginn der militärischen Sonderoperation sind 1.831 Personen in der Ukraine eingetroffen, von denen 378 bereits getötet wurden und 272 Söldner in ihr Heimatland abgereist sind. Es folgt Rumänien mit 504 Einreisen, 102 Toten und 98 Ausreisen. An dritter Stelle steht das Vereinigte Königreich: 422 Einreisen, 101 Tote, 95 Ausreisen."

    Zwei Briten, die auf der Seite der Ukraine gekämpft hatten, sind – zusammen mit einem Marokkaner – von pro-russichen Separatisten in der Region Donezk zum Tod verurteilt worden.

    Aus Frankreich sind nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums 183 Söldner in die Ukraine gereist, aus Bosnien 167, aus Kosovo 156.

    Für Deutschland verzeichnet der Kreml 99 Söldner in der Ukraine, von denen 33 getötet worden sein sollen. Die ukrainischen Behörden hatten laut RND Anfang Juni erstmals den Tod eines deutschen freiwilligen Kämpfers bestätigt. Der Mann kam diesen Meldungen zufolge aus Brandenburg.

    55 Söldner aus der Schweiz: Aus der Schweiz sind nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau 55 Söldner auf der Seite der Ukraine im Einsatz gewesen, von denen 15 nicht mehr am Leben sind. Für Österreich werden 5 Söldner verzeichnet – davon seien drei gefallen.

    Die gesamte Liste des russischen Verteidigungsministeriums zu den Söldnern aus dem Ausland ist am 17. Juni auf Telegram veröffentlicht worden {…} Im Text steht auch: "Trotz der Bemühungen des Kiewer Regimes und der erhöhten Zahlungen hat die Führung in Kiew die Abwanderung der Söldner in die "andere Welt" oder in ihre Heimatländer nicht gestoppt. Die jüngsten leeren Behauptungen über fast "20.000" Ausländer, die gegen die russischen Streitkräfte "kämpfen", sind schlichtweg gelogen."

    Die Ukraine hatte über das Internet Kämpfer aus dem Ausland angeworben.
    {…}
    Nach Angaben der ukrainischen Regierung sind seit dem Beginn von Russlands Angriffskrieg mehr als 33.150 russische Soldaten getötet worden. Die Verluste der ukrainischen Streitkräfte hatte Präsident Wolodymyr Selesnkyj zuletzt auf bis zu 200 pro Tag geschätzt.«

    Vgl. USA-MSN-Euronews: Aus welchen Ländern kommen die laut Russland 7.000 Söldner in der Ukraine? (msn.com)

    19.06.2022, R.S.

  4. Nevyn sagt:

    So denkt sich der Mensch die Welt zurecht. Damit man sich besser versteht, wäre es hilfreich das eigene Denken zu hinterfragen.
    Zunächst zu politischen Begriffen: Der Mensch ist es gewohnt Begriffe als beständig und allgemein anerkannt zu betrachten. Es wird wenig Streit darum geben, was ein Auto, eine Katze oder ein Baum bedeutet, schon weil sie der sinnlichen Wahrnehmung zugänglich sind. Man kann sie sehen. Daraus abzuleiten, es wäre mit allen Begriffen so, erweist sich aber als Denkfehler. In der psychologischen Kriegsführung werden gerade politische Begriffe, die man nicht sehen kann, nach Belieben definiert oder umdefiniert oder sogar erfunden. Der Begriff „Verschwörungstheorie“ ist ein Kind der C_A und diente von Anfang an der Diffamierung von Menschen, die Zweifel am offiziellen Narrativ dubioser Vorgänge haben, hier am Anfang am Mord an Präsident Kennedy. Inzwischen hat sich daraus eine ganze Armada von Organisationen und Maßnahmen mit viel Geld zur medialen Einflussnahme entwickelt. Eine bekannt gewordene ist Operation Mockingbird. Aber zurück zum Thema. Wer entscheidet, was ein Rechtsstaat ist? Der, der über die Definitionshoheit verfügt und zusätzlich über die Deutungshoheit. Daraus wieder leiten sich die Regeln ab.
    Was was ist und was ein Mensch dort darf und was nicht, lässt sich nicht objektivieren, es wird Machtmechanismen unterworfen, die das Denken über Definitionen und Deutungen steuern. Wahlen in Syrien sind ganz etwas anderes als Wahlen in der Ukraine oder in Deutschland, selbst wenn sie exakt gleich ablaufen würden. Ob sie demokratisch, legitim, beeinflusst oder nach Wunsch einer Bundeskanzlerin in Deutschland zu wiederholen sind, entscheiden nicht Sie oder ich. Ob in einem Land Meinungsfreiheit herrscht, entscheiden die, die die Meinung beherrschen. Man kann für das Geschehen in der Ukraine ein Dutzend unterschiedlicher Narrative zur Rechtfertigung finden und verbreiten und wenn ein Mensch nur lange genug mit einer dieser Varianten bearbeitet wird, glaubt er sie und hält sie meist für die alleinige Wahrheit. Das nun wieder ist ein Energieproblem. Mehrdeutigkeit und Widersprüche im Denken auszuhalten, erfordern viel Energie im Hippocampus. Die meisten schleppen sich aber nur noch durch den Tag. Also verschlingen sie beim zweiten Bier und der Tagesschau im Sessel fast einschlafend sie die Variante, die ihnen am schmackhaftesten gemacht wird und verschmähen alles andere, weil es nur zusätzlichen Stress bereitet.
    Psychologische Kriegsführung basiert darauf, das Energieniveau des Gegners gering zu halten, indem man ihn möglichst viel Stess und weiteren Faktoren aussetzt, die ihn in die Nähe von Krankheit und Depression bringen. Vitamin D3 Mangel, Fastfoood, Angstszenarien, Verwirrung des Definitionssystems usw.
    Wenn Sie sich nun also die Welt in der Ukraine so erklären, wie Sie es gemacht haben, ist das legitim und durch Übernahme der Begriffe ohnehin nahe am offiziellen Narrativ, was ja nur „Erzählung“ heißt und mit realem Geschehen nichts zu tun haben muss. Man kann es aber auch ganz anders sehen. Wenn Sie denken, dass kein Mensch den Regeln in einem Unrechtsstaat folgen muss, dann frage ich, woher Sie die Autorität nehmen, das zu behaupten. Die Folgen des Verstoßes dagegen dürften schmerzhaft sein und was Unrecht ist, wird meist erst klar, wenn die Herrschaft des aktuellen Systems mal zu Ende geht. Vorher wird jedes System behaupten, es handle rechtens und im Interesse der Sicherheit und des allgemeinen Wohlbefindens.
    Das Einzige, was man sicher sagen kann: Handlungen haben immer Folgen. Sie entstehen aus dem Denken. Darum erscheint es mir wichtig zu verstehen, wie Denken funktioniert.

    • Nevyn sagt:

      Das sollte eigentlich die Antwort für Carsten Leimert werden. Nun steht es halt darüber statt darunter.

    • Dem, was sie sagen, kann ich grundsätzlich nicht widersprechen. Sie werden mir aber Recht geben, dass man einen Unrechtsstaat nicht akzeptieren muss. Bestes Beispiel: ein KZ-Insasse muss Regeln, wonach er im KZ der Tötung zugeführt werden soll, nicht folgen. Derartige menschenrechtswidrige Gesetze sind null und nichtig. Fraglich ist, ob die Ukraine bereits einen Unrechtsstaat darstellt. Nach meinem Geschmack ja, da sie mit Nazis zu Lasten der russischsprachigen Ukrainer zusammengearbeitet hat und weil sie die russischsprachigen Ukrainer diskriminiert hat und weil sie meiner Ansicht nach ungerechtfertigte Mittel (Bombardierungen der Ostukraine) eingesetzt hat.

      Ansonsten ist noch anzumerken, dass das internationale Recht und seine Institutionen von den Herrschenden bestimmt werden, die es zum Teil völlig verdrehen. So wird uns zum Beispiel erzählt, Deutschland sei am Ukrainekrieg nicht beteiligt, obwohl die NATO-Staaten samt Deutschland einer Kriegspartei Waffen, Geld für Waffen und militärische Informationen liefert und Soldaten des Selenskyj-Regimes ausbilden. Diese herrschende Ansicht, dass sich Deutschland nicht beteilige, widerspricht jedoch allgemeinen Prinzipien. Wenn ich einen Mörder mit Waffen, Information und Ausbildung unterstützen würde, würde ich mich ja auch an dessen Taten (durch Beihilfe oder gar als Mittäter) beteiligen.

    • rhabarbeer sagt:

      Hallo Carsten Leimert ,
      hallo Nevyn

      ich möchte die Aussage von Carsten
      "Wenn und weil sich das Selenskyj-Regime nicht an rechtsstaatliche Regeln hält, dann müssen die Menschen in der Ostukraine meiner Rechtsauffassung nach dieses Regime ggf. auch nicht als ihre Regierung akzeptieren."
      ausdrücklich unterstreichen und den Rahmen a) etwas weiter fassen und b) auch etwas näher holen ;)

      a) nicht nur `Selenski`, dies betrifft im Kern die inzenierten, initiierten `Repräsentationsmodelle` seid `der orangenen Revolution, die im Ergebnis NICHTS mehr mit dem Willen und Wollen der Menschen in der Ukraine zu tun hatten

      b) an die `eigene Nase`: GILT eine (zugeschriebene) Pflicht eigentlich wider dem EIGENEN Gewissen? (… on Earth…)

      Und zb zu a) (und damit auch zu b):
      Ganz unabhängig davon, wer wie warum den `Maidan` so extrem gewalttätig hat werden lassen, sieht/sah die ukrainische Verfassung eine notwendige Mehrheit für eine Amtsendhebung vor.

      1. Wie groß war diese notwendige Mehrheit?
      2. Wie groß war diese Mehrheit in der Realität?
      3. Ist die in der Realität entstandene `Mehrheit` frei von auf die Abstimmenden ausgeübter Gewalt entstanden?
      4. Wo genau wirkte in diesem zeitlichen Rahmen eigentlich `der Russe`?

      Ich denke, das JEDER!, der bei der Antwort auf Frage 1+2 einen für ihn wesentlichen Unterschied wahrgenommen hat und auf Frage 3 mit `nein` antwortet, im Einklang mit seinem Gewissen steht, wenn er das aus diesem Vorgang Folgende als `Verfassungsbruch` bezeichnet und ablehnt
      oder?
      (Eben allgemeiner: GILT eine (zugeschriebene) Pflicht wider dem EIGENEN Gewissen?
      Meine Antwort: Nein Danke, friedlich und selbstbestimmt!)

      Und ja, auch der Angriff von Russland auf die Ukraine ist ein Verbrechen!
      Jedoch auch dieses Verbrechen hat nicht die Macht, daß ich dazu neige, über `meinen`/`unseren` (sich als `repräsentativ demokratisch legitimiert` selbst beschreibenden) Anteil an der Entstehung/Nutzung von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit als Grundlage für Gewalt und Unmenschlichkeit hinweg sehen zu wollen.

      …und viele Grüße in die Runde

    • Nevyn sagt:

      Spannende und anregende Antworten, danke dafür.
      Lassen Sie uns vielleicht noch einen Schritt tiefer oder höher gehen, je nach Betrachtungsweise:

      1. Was ist Gewissen?
      Das digitale Wörterbuch der deutschen Sprache meint dazu: Gewissen n. ‘Vermögen des Menschen, sein Verhalten sittlich einzuschätzen’
      Das eröffnet natürlich sofort die Frage nach der "Sittlichkeit": Sitte f. ‘Brauch, Gewohnheit, (moralischer) Anstand’,
      Ehrlich gesagt halte ich das zumindest in der etymologischen Betrachtung für eine sehr schwankende Basis zur Entscheidung über das eigene Verhalten. Sitte und Moral bestimmen sich nach den Zeitgeist und werden medial gewaltig beeinflusst.
      Wenn ich aber Gewissen anders verstehen will, als inneren Kompass, wo soll da die Nadel befestigt werden?

      2. Kann man durch die Welt gehen, ohne Schuld auf sich zu laden?
      Ich arbeite derzeit an einem Vortrag über männliche Archetypen (Krieger, König, Priester) im Gegensatz zu weiblichen Archetypen (Mutter, Heilerin, Madonna). Da taucht diese Frage auf.
      Natürlich fällt einem sofort ein: "Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein."

      Aber es gibt ein wesentlich ältere Quelle, den Dao De King.
      Darum sagt der Weise:
      Wer das Unheil auf sich nimmt
      vermag das Land zu regieren
      Wer das Unglück auf sich nimmt
      vermag die Welt zu regieren
      Oft klingt die Wahrheit widersinnig

    • Nevyn sagt:

      79. Von der Schuld
      Nach großem Streit
      bleibt kleiner Streit
      Wie das ändern?
      Der Weise hält sich daher
      an seine Seite des Vertrags
      und erzwingt nicht die andere
      Wer die rechte Tugend hat
      erfüllt seine Pflichten
      und vergisst die Schuld
      Wem die rechte Tugend fehlt
      fordert ein und pocht auf Schuld
      Aber der Weg des Himmels ist gerecht
      er wirkt durch den guten Menschen

    • passant sagt:

      @ rhabarbeer
      zum Amtsenthebungsverfahren des ehemaligen Präsidenten Janukowitsch in 2014, gibt es eine Stellungnahme des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages.
      https://www.bundestag.de/resource/blob/412192/070958f26cea3ca9687beb3698e75097/wd-3-304-14-pdf-data.pdf
      Eine abschließende Bewertung wird nicht vorgenommen. Festgestellt wird, dass das mehrstufige Verfahren, das die ukrainische Verfassung für ein Impeachment vorsieht, nicht eingehalten wurde. Ebenso juristisch umstritten ist die Abstimmung des ukrainischen Parlaments vom 22.2.2014, in der eine 3/4 Mehrheit für die Absetzung Janukowitchs knapp verfehlt wurde.
      Zwei Tage später wurde das Absetzungsverfahren von der Europäischen Kommission trotzdem anerkannt und die Absetzbewegungen der Donbass-Republiken und der Krim von dem Putsch-Regime in Kiew begann.

    • Nevyn sagt:

      @ passant: "…eine Stellungnahme des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages."
      Auch hier empfehle ich einen Wechsel der Perspektive.
      Man nennt das US-amerikanische „transhumanistische“ System gern Exeptionalismus, doch worum handelt es sich dem Wesen nach? Es gibt dafür ein passenderes Word, dessen Verwendung vermutlich einen gewaltigen Aufschrei verursachen würde, aber darum geht es nicht im Kern, sondern um die Essenz des Geistes.
      Transhumanismus meint Über-Menschlichkeit und führt damit von der Menschlichkeit, vom Zentrum des Menschseins weg. Nicht nach innen/oben zurück in den Geist sondern nach außen/unten, in die Abgründe der Materie. Die Mitte ist die Heimat der Seele, nicht der Rand des Universums, egal in welcher Richtung von der Mitte weg.
      Übermenschlichkeit ist verbunden mit dem Begriff des Übermenschen, was auch immer das sein soll. Nach dem Gesetz der Polarität wird mit der Akzeptanz des Begriffes auch das Gegenteil erzeugt, der Untermensch. Dieser Unterscheidung folgen die bekannten Harari-Spielregeln, es gibt dann nützliches und unnützes Leben. Wer zu welcher Gruppe gehört, entscheidet frei der Egogott und auch den Umgang mit den jeweiligen Gruppen. Die Andeutungen von Harari reichen, wobei er nur die Sprechtüte ist.
      Exeptionalismus meint, dass man sich von allen Regeln, die man für andere aufstellt, selbst vollständig befreit fühlt. Man ist gottgleich, aber das gilt natürlich nicht und in keinem Fall für alle anderen. Man macht die Regeln, damit sich andere dran halten und kann sie so binden und nach Belieben belohnen und bestrafen. Ein paar Ringe für die Vasallen und ein Ring, sie alle zu knechten.
      Moral gibt es für einen Egogott genauso wenig wie ein Gewissen. Und natürlich glaubt man sich auch frei, die Folgen seines wie auch immer gearteten Handelns tragen zu müssen und sich sogar über das Karma erheben zu können.
      So gilt natürlich auch eine Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes nur etwas, wenn sie in das aktuelle Konzept passt. Was den Machtinteressen nicht dient, wird nicht bedient. Wer will einen selbsternannten Gott daran hindern? Dass man sich an keine Regeln und Verträge gebunden fühlt, wenn es einem nicht in den Kram passt, bekommen wir aktuell gerade massiv vorgeführt. Auch die willkürliche Belohnung und Bestrafung für die so Geknechteten.
      Aber hier wird die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Noch nie entging jemand auf höherer Ebene den Folgen seines Handelns. Es gibt immer einen Gegenimpuls.
      Wem das bewusst wird, der empfindet großes Mitgefühl mit Seelen, sie so unermesslich viel Schuld auf sich laden.

    • Karin sagt:

      rhabarbeer
      "Und ja, auch der Angriff von Russland auf die Ukraine ist ein Verbrechen!!" Warum?
      Viele der Donbass-Bewohner sehen es als Befreiung.

  5. Unabhängigkeit möglicherweise wegen fehlender Rechtsstaatlichkeit des Selenskyj-Regimes:

    Wenn und weil sich das Selenskyj-Regime nicht an rechtsstaatliche Regeln hält, dann müssen die Menschen in der Ostukraine meiner Rechtsauffassung nach dieses Regime ggf. auch nicht als ihre Regierung akzeptieren. Denn es gilt grundsätzlich, dass kein Mensch einem Unrechtsstaat folgen und sich ihm unterordnen muss. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Selenskyj-Regime die russischsprachigen Ukrainer diskriminiert hat.

    • passant sagt:

      …nicht zu vergessen die 14.000 Bewohner der Donbass-Republiken, die die 8-jährige militärische und paramilitärische intensive "Überzeugungsarbeit" Kiews nicht überlebt haben. Diskriminierung bezeichnet eine Benachteiligung oder Herabwürdigung von Gruppen oder einzelnen Personen nach Maßgabe bestimmter Wertvorstellungen oder aufgrund unreflektierter, z. T. auch unbewusster Einstellungen, Vorurteile oder emotionaler Assoziationen. Diskriminierung, die eine Eliminierung zum Ziel hat, nennt man auch Genozid.

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