Die Stellvertreterkrieger

Für die „größte Katastrophe der Gegenwart“, die Auslöschung des Jemen in fremdem Auftrag, ist auch Deutschland mitverantwortlich.

Hinweis zum Rubikon-Beitrag: Der nachfolgende Text erschien zuerst im „Rubikon – Magazin für die kritische Masse“, in dessen Beitrat unter anderem Daniele Ganser und Rainer Mausfeld aktiv sind. Da die Veröffentlichung unter freier Lizenz (Creative Commons) erfolgte, übernimmt KenFM diesen Text in der Zweitverwertung und weist explizit darauf hin, dass auch der Rubikon auf Spenden angewiesen ist und Unterstützung braucht. Wir brauchen viele alternative Medien!

von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam.

Endlich Friedensaussichten für den fast völlig zerstörten Jemen? Die Tagesschau verströmte am 6. Dezember eine große Portion Optimismus in einem noch größeren Paket Falschinformation. Die Aufnahme von Friedensgesprächen in Stockholm unter Leitung des UN-Vermittlers Martin Griffiths bot ausreichend Gelegenheit, das mörderische Geschehen im Jemen und die ihm zugrunde liegenden Interessen wieder einmal gründlich zu vernebeln (1).

Freilich, lieber Nachbar, man soll von unserer Qualitätsjournaille nicht verlangen, den „Nachrichtenwert“ eines Vorberichts über einen anstehenden CDU-Parteitag für weniger wichtig zu halten, als den längst und dringend erwarteten Beginn von Jemen-Friedensverhandlungen. Zwar sollte in Hamburg erst am Folgetag die Merkel-Nachfolge geregelt werden, aber: Was für die Kanzlerinnenpartei wichtig ist, hat selbstverständlich auch schon 24 Stunden vorher für ARD-aktuell Vorrang vor allem anderen. Wo kämen wir sonst hin?

Inzwischen wissen wir‘s: Dem Sprechblasenautomat im einreihig geknöpften Hosenanzug folgt ein zweireihig geknöpfter. Der Rest ist Jacke wie Hose.

Bleiben wir lieber bei dem Ereignis in Stockholm. O-Ton Tagesschau, 20 Uhr:

„Nach jahrelangem Krieg im Jemen haben heute Friedensgespräche in Schweden begonnen. UN-Vermittler Griffiths sprach zum Auftakt der Beratungen von Regierung und Huthi-Rebellen von einem Meilenstein. Erst im Herbst waren Friedensverhandlungen in Genf geplatzt. 2015 hatten die Kämpfe im Jemen begonnen. Die Regierung wird von einer saudisch geführten Koalition unterstützt. Sie kämpft gegen Huthi-Rebellen, die mit dem Iran verbündet sind. Bislang wurden allein etwa 9.500 Zivilisten getötet“ (2).

Sprecherin Linda Zervakis liest nur vom Teleprompter ab, was ihr die ARD-aktuell-Redaktion aufgeschrieben hat: Bockmist. Neudeutsch: Bullshit.

Immerhin wird im Reporterbericht, der sich an die Studiomeldung anschließt, etwas Hoffnung generiert, sogar hinsichtlich Tagesschauqualität: Nämlich, dass sie eines schönen Tages doch noch seriös über diesen Völkermord berichten könnte. Reporter Christian Stichler zelebriert die objektiv richtige Neuigkeit, dass gleich zu Beginn der Gespräche in Stockholm ein Gefangenenaustausch vereinbart worden sei.

Du fragst dich, was an der Studiomeldung zuvor so falsch war? Komm, lieber Nachbar, setz dich erst mal. Dann sagen wir dir das Schlimmste zuerst: In diesem Krieg sind in den vergangenen drei Jahren nicht „etwa“ 9.500 Zivilisten getötet worden. Von mindestens 56.000 Kriegstoten schreibt Telepolis (3), die Los Angeles Times meldet „zehntausende Kriegstote“ (4), und in Information Clearing House ist gar von „mehr als 85.000 getöteten Kindern“ zu lesen (5).

Nur: Die Tagesschau greift nicht auf solche Informationen zurück. Ihre Redakteure recherchieren nicht eigenständig, sondern müssen mit dem rechnergestützten Redaktionssystem „OpenMedia“ der ANNOVA Systems GmbH arbeiten. In die Tagesschau-Variante der OpenMedia werden lediglich folgende Agenturen eingespeist: Deutsche Presseagentur (dpa), Agence France-Presse (AFP), Reuters (amerikanisch-britisch), Associated Press (AP, amerikanisch) und der Sport-Informations-Dienst (sid): reinste, US-verbundene Atlantikbrücke.

Andere, nicht-westliche Agenturen bleiben mit voller Absicht außen vor. Chefredakteur Dr. Kay Gniffkes weltanschauliche Einäugigkeit bestimmt das Programm — und damit, in welche Richtung das Publikum des Ersten Deutschen Fernsehens zu blicken hat.

„2015 hatten die Kämpfe im Jemen begonnen“, behauptet die Tagesschau und lässt einfach weg, dass der Bürgerkrieg im Jemen schon länger als ein Vierteljahrhundert andauert; sie unterschlägt zum Beispiel, dass die USA schon vor acht Jahren mit Kampfflugzeugen mitgemischt hatten (6). Begonnen hatte am 26. März 2015 lediglich eine weitere Militäroperation. Ihr Name: „Decisive Storm“ (deutsch etwa: „Sturm der Entscheidung“).

Auf die Hintergründe des Gemetzels kommen wir gleich, lieber Nachbar. Aber gestatte, dass wir zunächst die oben zitierte Falschdarstellung weiter zerpflücken: „Die Regierung wird von einer saudisch geführten Koalition unterstützt. Sie kämpft gegen Huthi-Rebellen, die mit dem Iran verbündet sind.“

Diese „Regierung“ gibt es gar nicht. Jedenfalls nicht, wenn man darunter ein legales, funktionierendes Staatsorgan versteht. Derzeit ist keine jemenitische Repräsentanz dieser Art vorhanden, geschweige denn in irgendeiner nachvollziehbaren Weise legitimiert.

Was die Tagesschau unter der Bezeichnung „Regierung“ fälschlich als Staatsführung ausgibt, schmückt sie manchmal sogar noch mit dem Attribut „international anerkannte Regierung“. Darunter ist ein Herrenclub zu verstehen, der 2015 mit seinem Präsidenten voran formell zurückgetreten war und es sich seither im Saudi-Exil wohl sein lässt (7). Die Vereinten Nationen haben ihn mangels anderer Masse zu einem Adressaten ihrer Befriedungsversuche aufgewertet.

Aber was bringen Qualitätsjournalisten nicht an Formulierungskünsten auf, wenn einem wüsten Krieg des Westens Scheinlegitimation verschafft werden soll? Als Krieg, den eine „international anerkannte“ Regierung gegen wilde „Rebellen“ führen muss?

Der Kotzkübel steht rechts neben deinem Sessel, lieber Nachbar! Lass mal sehen, was du gefrühstückt hast. Gekochtes Ei dabei?

Aber weiter im Tagesschau-Text: „(…) von einer saudisch geführten Koalition unterstützt“, heißt es da. Fakt ist, dass die Saudis Flugzeuge, Artillerie, Kriegsschiffe und Söldner stellen. Die „Führung“ haben sie aber nur dem Anschein nach. Tatsächlich sind sie lediglich mörderische Handpuppen, vor allem der USA, aber auch Großbritanniens, dessen aktive Rolle als führende Kriegspartei die Tagesschau grundsätzlich unterschlägt (8). Und jetzt leitet ausgerechnet ein Brite die Friedensgespräche …

Ob es Frieden im Jemen geben wird? Auch das bestimmen am Ende nicht die Saudis. Die Entscheidung liegt bei den USA und hängt ab von deren Bereitschaft, auf weitere Konfrontationen mit dem Iran — und mit Russland — zu verzichten. Wieder einmal zeigt die Tagesschau, wie man mit oberflächlicher Formulierung und Weglassen wesentlicher Zusammenhänge aus einer Nachricht ein propagandistisches Machwerk herstellt.

Die Saudis kriegen für das Abschlachten der jemenitischen Huthi Waffen, Militärberater, Geheimdienstinformationen und massive politische Unterstützung der USA. Das dient dazu, die Kaste der Saud vor einem Umsturz und den Petro-Dollar vor dem Verfall zu bewahren (9).

Selbst diese Betrachtung bleibt vordergründig, wenn man den Blick auf den historischen Kontext verstellt: Die USA versuchen seit Jahren eine „arabische NATO“ gegen den Iran zu organisieren. Sie drängen die Länder des Golf-Kooperationsrates GCC dazu: Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Oman, Katar und Kuwait, außerdem die Nachbarn der arabischen Halbinsel, Jordanien und Ägypten (10).

Der den Eingang des Roten Meeres beherrschende Jemen würde das Projekt vervollständigen, aber seine Widerständler blockieren das bisher. Die USA also sind die Herren dieses Krieges, sie wollen die absolute Kontrolle über den Seeweg vom Indischen Ozean durch das Arabische Meer, das Rote Meer und den Suezkanal bis ins Mittelmeer. Die Kontrolle über die öl- und gasreichste Region der Erde plus zugehörige Seewege.

In der „von den USA unterstützten, saudisch geführten Koalition“ mischen übrigens Terrorverbände der „Al-Qaida auf der arabischen Halbinsel“ (AQAP) mit, weiterhin Dschihadisten eines der Ableger des Islamischen Staates (11).

Die USA sind im Bunde mit al-Qaida und IS. „Sage mir, mit wem du gehst, und ich sage dir, wer du bist“, ne? „Gleich und gleich gesellt sich gern“, gelle? Das stimmt, lieber Nachbar: Politik und Amoral sind so eng miteinander verwandt wie die Filzlaus mit der Sackratte. Sogar die stets transatlantisch akzentuierte Wikipedia macht kenntlich, welcher der Kriegsparteien im Jemen wir mit etwas Verständnis begegnen sollten: „Die Huthi-Rebellen gelten im Jemen als diejenige Kraft, die dem organisierten Terror am entschiedensten entgegengetreten ist. (…) die einzigen Akteure im Jemen, die bereit waren, sich al-Qaida mit Waffengewalt entgegenzustellen.“

Lieber Nachbar, hast du dich nicht auch schon gefragt: Warum eigentlich — und gegen wen — rebellieren die Huthi? Und warum informiert die ARD-aktuell darüber nicht schlüssig?

Wenn du gestattest, wollen wir zuerst den zweiten Teil mit einer Gegenfrage beantworten: Seit wann ist es ein Anliegen der Tagesschau, die schmutzige Wäsche der Westlichen Wertegemeinschaft vorzuführen, die Schandtaten der WWG?

Die Motive der Huthi sind nicht nur in den traditionellen Stammesfehden auf der arabischen Halbinsel zu suchen. Sie wurzeln auch in der Kolonialgeschichte des Jemen. Da schwangen sich erst die Briten, dann die Türken, dann die Saudi-Araber zu Herren auf. Das Land wurde nach dem Zweiten Weltkrieg geteilt in einen sozialistischen Südstaat und den „prowestlichen“ Nordjemen.

Nach der Wiedervereinigung 1992 gingen die Stammeskämpfe weiter. Es gab ja auch noch die Islam-eigenen konfessionellen Differenzen: Rund 55 Prozent der Bevölkerung gehören diversen sunnitischen Glaubensschulen an, 45 Prozent sind Schiiten, zumeist Huthi.

Seit 2004 leisten die Huthi verstärkten Widerstand gegen eine Staatsführung, die sie nicht von ungefähr als Erfüllungsgehilfen der saudi-arabischen Fremdherrschaft empfinden. 2012 war der ferngelenkte Präsident Hadi ohne Gegenkandidaten „gewählt“ worden. Mit 99,8 Prozent der abgegebenen Stimmen! Sein Amt hatte er vor allem dem Druck der königlichen Knochensäger in Riad zu verdanken. Halten konnte er sich nur zwei Jahre; 2015 trat er zurück, setzte sich mit seiner Entourage von Ministern ins Exil Saudi-Arabien ab und hinterließ den Jemen im Chaos.

Kurz darauf begannen die Saudis ihre Operation „Decisive Storm“ mit massiven Luftangriffen. Ihr Kommandeur war Prinz Mohammed bin Salman. Damals noch Verteidigungsminister, heute Kronprinz und starker Mann in Riad. Berühmt als grundgütiger und ehrenwerter Mann, der seinem Kritiker Khashoggi im saudischen Generalkonsulat von Istanbul nur herzliche Gastfreundschaft gewähren wollte. Davon waren wir alle doch sehr beeindruckt, erinnerst du dich? Ist ja noch gar nicht lange her.

Dass Kronprinz Mohammed bin Salman im Jemen außer sunnitisch-konfessionellen Dingen seine eigenen und die Interessen der Westlichen Wertegemeinschaft verfolgt, versteht sich von selbst.

Und nun die Antwort auf die von der Tagesschau ebenfalls unbeachtete Frage: Wer ist noch dabei in diesem zweifelsfrei völkerrechtswidrigen Krieg? In alphabetischer Reihenfolge: Ägypten, Bahrain, Jordanien, Katar, Kuwait, Marokko, Senegal, Sudan, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate; federführend, wie gesagt, sind jedoch die USA und Großbritannien. Logistische Unterstützung leisten Frankreich und — sieh an, sieh an, lieber Nachbar! — unser geliebtes Deutschland (12, 13).

Im vorigen Jahr hat Deutschland — haben wir! — Waffen im Gesamtwert von 1,27 Milliarden Euro in den Jemen verhökert. Waffen für 1,27 Milliarden Euro.

Die Information, dass auch die Bundesrepublik in das Geschehen verstrickt ist, unterschlagen Tagesschau & Co. allerdings konsequent. Begreiflich wird das nur, wenn man den regierungsfrommen Konformismus der ARD-aktuell bedenkt. Die Bundesregierung verstößt mit den fortgesetzten Waffenlieferungen eindeutig gegen die Jemen-Resolution 2216 des Weltsicherheitsrates (14). Aber Qualitätsjournalisten verlautbaren eben nur, was im Sinne des Berliner Schießbudenkabinetts ist: Der Kampf gegen die Huthi sei ein „Stellvertreterkrieg“ zwischen Saudi-Arabien und dem Iran.

Bockmist, wie gesagt. Kein Stellvertreter-Krieg, denn die USA machen mit — höchstselbst. Kommandotruppen wie die „Navy Seals“ sind dabei (15). Die Häufigkeit der US-Drohnenbombardements war bereits im ersten Amtsjahr des Präsidenten Trump ums Doppelte höher als zu Obamas Zeiten (16).

Der Völkerrechtsbruch per Drohne ist technisch nur deshalb möglich, weil Deutschland den USA erlaubt, von ihrer Basis in Ramstein aus die Mordmaschinen zu steuern (17). Wir sind Komplizen, lieber Nachbar. Mittäter beim Massenmorden. Zu danken unserer großartigen Regierenden, ihrer Unterwürfigkeit gegenüber den USA und der Bereitschaft, der Rüstungswirtschaft Profite zuzuschustern.

Auf Deutsch, übersichtlich und schön flüssig lesbar, sind Informationen über den Jemen-Krieg auch auf der Seite „Stop The War in Yemen“ zu finden, herausgegeben von deutschen Sachkennern und Friedensbewegten (18).

Was könnte einen saudischen Kronprinzen dazu bewegen, Menschenleben, Waffen und Milliarden Dollar in die Militärintervention „Decisive Storm“ zu investieren? Das „erzkonservative Königshaus“ (Tagesschau-Schönsprech und Gniffke-„Wording“) der Familie Saud, dieser Bande von blutrünstigen Kopfabschneidern, herrscht zwar unumschränkt, aber längst nicht mehr unbeeinträchtigt.

Vereinzelter Widerstand formiert sich überwiegend bei den konfessionellen Minderheiten Saudi-Arabiens, vor allem bei den Schiiten. Und dieser Widerstand wächst. Auch wenn die Saudis die Widerspenstigen reihenweise öffentlich köpfen lassen.

Weit größere Gefahr droht der Herrscherfamilie aus ökonomischen Maleschen. Ihr Reichtum basiert allein auf dem Öl. Die saudischen Lagerstätten sind jedoch bereits erheblich abgezapft. Und es gibt weltweit reichlich Konkurrenz; Preisverfall ist jederzeit möglich. Saudi-Arabien braucht dringend Ersatzfundamente für seine Wirtschaft. Versuche, das Land in ein globales Hochtechnologiezentrum umzuwandeln, sind noch im Anfangsstadium und bieten keine Erfolgsgarantie.

Jetzt werden wir – zugegeben – spekulativ. Mit einem Blick auf die Landkarte können wir zwar objektiv feststellen, dass Saudi-Arabiens Nachbar Jemen durchaus nicht so „bettelarm“ sein müsste, wie er normalerweise beschrieben wird: Er verfügt über viele Tiefsee-Häfen entlang seiner Küsten am Roten Meer und am Golf von Aden. Gut ausgebaut und in geostrategisch hervorragender Lage, einige sogar mit modernen Terminals für Flüssiggas ausgestattet (19). Diese Häfen aber werden derzeit allesamt von der „saudisch geführten Kriegskoalition“ blockiert.

Du fragst dich deshalb mit Recht, wie denn die Huthi „vom Iran unterstützt“ werden können. Über die blockierten Häfen geht nichts. Über Land können keine umfangreichen Waffentransporte zu den Huthi gelangen, denn eine gemeinsame Grenze gibt es nicht. Saudi-Arabien und Oman liegen dazwischen, guck dir die Karte an. Per Luftpost? Ebenfalls ausgeschlossen, denn die Saudi-Koalition hat dank US-Hilfe die absolute Lufthoheit über den Jemen. Wie also werden die Huthi — O-Ton Tagesschau — „vom Iran unterstützt“?

Tja, lieber Nachbar, frag doch mal die Qualitätsjournalisten von ARD-aktuell. Die können dir sicher weiterhelfen.

Ein geostrategisches Interesse des Kronprinzen „MbS“ wird immerhin schon mal sichtbar: Herrschaft über Jemens bedeutende Tiefseehäfen. Und unter dem jemenitischen Wüstensand könnte noch mehr Erdöl liegen. Die Wochenzeitung al-Ahram schreibt, „dass im Gebiet von al-Jauf nahe der Grenze zu Saudi-Arabien ein riesiges Ölvorkommen entdeckt wurde. Es wird geschätzt, dass es größer ist als die Felder von Saudi-Arabien, Kuwait und den VAE zusammen“ (20).

Es wäre nicht das erste Mal, dass die USA für den Zugriff auf Ressourcen eines fremden Landes Krieg führen (lassen). Ein einmaliger Fortschritt wäre es aber, wenn die ARD-aktuell endlich ihrem gesetzlichen Auftrag nachkäme.

Sie hat „(…) die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung (…) zu berücksichtigen. Der Auftrag zur Information (…) umfasst auch die Darstellung geschichtlicher Zusammenhänge (…)“, heißt es in den „Richtlinien gemäß §11e des Rundfunkstaatsvertrages“ (21). In den Nachrichtensendungen der ARD-aktuell „(…) dürfen keine Tatbestände unterdrückt werden, die zur Urteilsbildung nötig sind“ (ebenda).

ARD-aktuell hätte den Jemen-Krieg nie zum regionalen Stellvertreterkrieg herunterlügen und damit eine weitere Propagandastory der USA versenden dürfen. Die Tagesschau verletzt ihre Objektivitätspflicht grundlegend, indem sie den historischen Zusammenhang des grausamen Geschehens verschweigt.

„Die USA waren ein Imperium, bevor sie überhaupt ihre eigene Unabhängigkeit erlangt hatten“, schreibt der US-Amerikaner Danny Sjursen in seinem äußerst faktenreichen Essay „Der tragische Beginn des US-Imperialismus — Wir leben noch im Schatten von 1898“, jüngst auf Deutsch publiziert im „Kritischen Netzwerk“ (22).

Jetzt also setzen sie im Jemen ihren Imperialkrieg fort, dessen vorige Schlachtfelder in Korea, Vietnam, Indonesien, Afghanistan, Irak, Somalia, Libyen und Syrien liegen, um nur einige der blutigsten zu nennen. Der Krieg im Jemen ist lediglich Auftakt für den nächsten großen US-Krieg — gegen Iran (23).

Die globale Strategie der USA heißt nicht nur „teile und herrsche“, sondern „zerstöre, um alle und alles zu beherrschen“. Mag sein, dass Qualitätsjournalisten das begreifen. Aber sie schreiben es nicht.

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Friedhelm Klinkhammer, Jahrgang 1944, ist Jurist. Von 1975 bis 2008 war er fest angestellt beim NDR. Er war Gesamtpersonalrats- und ver.di-Vorsitzender sowie zeitweise Arbeitnehmer-Vertreter im NDR-Rundfunk- und -Verwaltungsrat.

Volker Bräutigam, Jahrgang 1941, ist Journalist. Er startete bei Tageszeitungen in Süddeutschland und landete 1975 für zehn Jahre in der Tagesschau-Redaktion in Hamburg. Nach elf weiteren Jahren als Personalrat und Kulturredakteur im NDR übernahm er 1996 einen Lehrauftrag an der Fu Jen Catholic University in Taipeh und danach einen Forschungsauftrag des Wissenschaftsrates der Regierung von Taiwan. Seine Rente verzehrt er jetzt aber im Umland von Lübeck.

Bildhinweis: Seiyun in der Region Hadramaut, Yemen.

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Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.un.org/press/en/2018/sga1789.doc.htm
(2) https://www.tagesschau.de/archiv/sendungsarchiv100~_date-20181206.html
(3) https://www.heise.de/tp/features/Mindestens-56-000-Tote-im-Jemen-Krieg-4208252.html?seite=all
(4) http://www.tribpub.com/gdpr/latimes.com/
(5) http://www.informationclearinghouse.info/50740.htm
(6) https://de.wikipedia.org/wiki/Veröffentlichung_von_Depeschen_US-amerikanischer_Botschaften_durch_Wikileaks
(7) https://de.wikipedia.org/wiki/Abed_Rabbo_Mansur_Hadi
(8) http://www.mikelewisresearch.com/RSAFfinal.pdf
(9) http://www.spiegel.de/politik/ausland/saudi-arabien-bekommt-unterstuetzung-gegen-huthi-rebellen-a-1025714.html
(10) https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2018/12/08/usa-mobilisieren-golfstaaten-gegen-den-iran/
(11) https://de.wikipedia.org/wiki/Militärintervention_im_Jemen_seit_2015
(12) https://www.sueddeutsche.de/politik/krieg-im-jemen-die-welt-schaut-weg-1.4080943
(13) https://www.tagesspiegel.de/politik/milliardenschwere-exporte-deutschland-ruestet-kriegsparteien-im-jemen-auf/20994500.html
(14) Sicherheitsratsresolution 2216, http://www.voltairenet.org/article187396.html
(15) https://www.blick.ch/news/ausland/starb-navy-seal-ryan-umsonst-trumps-jemen-einsatz-brachte-keine-erkenntnisse-id6305753.html
(16) https://diefreiheitsliebe.de/politik/die-blutspur-der-usa-im-jemen/
(17) https://daserste.ndr.de/panorama/aktuell/USA-fuehren-Drohnenkrieg-von-Deutschland-aus,ramstein146.html
(18) https://www.krieg-im-jemen.de/hintergründe/
(19) https://www.google.de/maps/place/Jemen/@15.3532215,43.688356,6z/data=!3m1!4b1!4m5!3m4!1s0x1603dbac7c34bc5f:0x92f129377eae77ae!8m2!3d15.552727!4d48.516388
(20) http://weekly.ahram.org.eg/News/25730.aspx Original: „It should also be added that a massive reserve of oil has been discovered in the area of Al-Jauf near the border with Saudi Arabia. It is estimated to be larger than the fields of Saudi Arabia, Kuwait and the UAE put together.“
(21) https://www.ard.de/download/1899726/Grundsaetze_fuer_die_Zusammenarbeit_im_ARD_Gemeinschaftsprogramm_.pdf
(22) https://kritisches-netzwerk.de/forum/der-tragische-beginn-des-us-imperialismus-wir-leben-noch-im-schatten-von-1898
(23) https://www.heise.de/tp/features/Der-Jemenkrieg-ein-imperialer-Krieg-der-USA-4245116.html

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Dieser Beitrag erschien am 18.12.2018 bei Rubikon – Magazin für die kritische Masse.

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Kommentare (4)

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