Die Jahrhundertlüge repräsentative Demokratie

Erstes Kapitel

Demokratie ist eine despotische Idee par excellence

Ein Meinungsbeitrag von Friedemann Willemer.

Seit einigen Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema: Demokratie in Deutschland. Mein wenig schmeichelhaftes Resultat: Die repräsentative Demokratie – so von den Verfassern des Grundgesetzes für die Bundesrepublik vorgegeben – ist gescheitert. Ein Totalausfall.

Erste zaghafte Versuche, Demokratie zu wagen, gab es in der griechischen Antike im 5. Jahrhundert v. Chr. in Athen, die attische Demokratie. Demos, das Volk, und Kratos, die Macht, die Herrschaft, altgriechisch Demokratia bezeichnete in der Attischen Demokratie die Herrschaft des Volkes, das heißt Partizipation bzw. Teilhabe aller an der politischen Willensbildung.

Nun könnte man meinen, die Französische Revolution beeinflusst vom Zeitalter der Aufklärung mit dem Ziel der Überwindung des Feudalismus in seiner absolutistischen Gestalt, habe der Demokratie in Europa zum Sieg verholfen. Liberté, Egalité, Fraternité waren die Losungen der französischen Revolution 1789. Aber führten die Französische Revolution und die amerikanische Revolution 1776 die Völker zur Demokratie? Emmanuel Sieyes (1748 bis 1836), Haupttheoretiker der Französischen Revolution, stellte zur Demokratie fest: Nur ein repräsentatives System könne die Freiheit der Bürger garantieren. Demokratie sei eine despotische Idee par excellence.

Ausschließlich die Bürger des 3. Standes (Landwirtschaft, Industrie. Handel, freie Berufe, Lehrer, Beamte und sonstige Intellektuelle) hatten nach seinen Vorgaben ein Wahlrecht und konnten gewählt werden. Sie waren die letzte Instanz, um die Geschicke des Staates durch Erlass von Verfassung und Gesetzen zu bestimmen. Dies waren zwei bis drei Prozent der Männer in Frankreich. In England in dieser Zeit fünfzehn bis zwanzig Prozent.

Eine Epistokratie, eine Herrschaft der Weisen und Vernünftigen sollte entstehen, angelehnt an Platon‘s Schrift „Der Staat“. Ein Plädoyer für eine Herrschaft der Philosophen.

Die US-Verfassung, 1787 bis 1790 ratifiziert, ist ein Monument des elitären repräsentativen Systems. Maßgebliche Verfasser: Alexander Hamilton und James Madison. Diese sind die Autoren der „Federalist Paper“ 1797, das theoretische Fundament der US-Verfassung, ein Plädoyer für das repräsentative System. Der Staat gehöre in die Hände von Repräsentanten, deren Weisheit am besten „das wahre Interesse ihres Landes“ erkennen könne und deren Patriotismus und Gerechtigkeitsliebe es unwahrscheinlich mache, dass sie die Interessen ihres Landes zeitlichen oder parteilichen Erwägungen opferten.

Es besteht also eine Erleuchtungsdiskrepanz zwischen den wissenden Repräsentanten und dem gemeinen Volk. So Andreas Urs Sommer in seinem Buch: Eine Demokratie für das 21. Jahrhundert.

Diese Argumente ziehen sich seit 200 Jahren wie ein roter Faden durch die Geschichte der Demokratie: Sie mutiert in einen mit demokratischen Floskeln garnierten Absolutismus. So Bruno S. Frey & Oliver Zimmer in ihrem Buch: Mehr Demokratie wagen.

Mein Fazit:

Die Französische und amerikanische Revolution haben den Absolutismus des Feudalismus lediglich gewandelt in den Absolutismus des Repräsentativismus, mit dem Ergebnis einer totalitären Parteienherrschaft. Wie konnte das passieren?

Ich habe den Eindruck, so Karl Jaspers, Wohin treibt die Bundesrepublik?, dass die Völker sich selbst verraten, weil sie den Sinn der republikanischen Freiheit nicht verstehen, keine Opferbereitschaft haben und nicht den Wagemut, für die Freiheit und nur für sie auch alles einzusetzen. Die echte Revolution sei die Revolution der Denkungsart, die keine Gewalt will, sondern überzeugt.

Ich werde nun versuchen, Sie von meiner Revolution der Denkungsart zu überzeugen. Ich greife nicht den Staat an, sondern im Namen der Demokratie die Parteienherrschaft, die Zwangsgewalt von Despoten.

Den Deutschen fehlt die nötige politische Reife

Wolfgang Schäuble stellte im März 2016, damals Bundesfinanzminister, bei einer Berliner Podiumsdiskussion auf die Frage eines Journalisten der NZZ, ob Deutschland dem direktdemokratischen Modell der Schweiz folgen könne, kategorisch fest: Den Deutschen fehle noch immer die nötige politische Reife.

Die Verfasser des Grundgesetzes, Herr Schäuble, die anderen Parteien- und Medienvertreter befinden sich mit dieser Meinung in bester Gesellschaft mit Madison, Hamilton, Sieyes und Francois Guizot (1787 bis 1874), französischer Philosoph und strikter Vertreter der repräsentativen Regierungsform.

Francois Guizot: Die Idee der Demokratie gilt es auszurotten. Demokratie und Freiheit schließen sich aus. Demokratie führe zur allgemeinen Tyrannei und kann erst eingeführt werden, wenn alle Bürger mit jenen Ideen und Gefühlen ausgestattet seien wie die wissenden und weisen Repräsentanten.

  • Was haben die Parteien seit 1949 unternommen, damit die Bürger die nötige politische Reife erhalten? Offensichtlich siehe Schäuble nichts. Die Repräsentanten lieben die Unmündigkeit ihrer Untertanen, damit sie sie ihrem Volk immer wieder vorhalten können.
  • Wie sieht es mit dem Wissen und der Weisheit der Repräsentanten in den westlichen Demokratien aus? Regieren uns nicht eher Psychopathen, das heißt Personen mit einer schweren Persönlichkeitsstörung. Es fehlt ihnen jede Empathie für ihr Volk, sie übernehmen keine Verantwortung für ihr Tun und sie handeln gewissenlos.
  • Nach Noam Chomsky, (Wer beherrscht die Welt? 2016) sind die USA ein Schurkenstaat. Ihr geostrategischer Weg zur Weltherrschaft seit 1945 ist mit Millionen Toten gepflastert. Und Europa – die NATO-Vasallenstaaten – immer mit dabei.
  • Was passiert mit denen, die nach Weltherrschaft streben? „Nachdem sie die Keime des Guten ausgerottet haben, sind sie einem seelenlosen Despotismus verfallen“ (Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden, 1795) den der Wertewesten „regelbasierte Ordnung“ nennt.
  • Was befähigt ein politisch unreifes Volk bei den Wahlen unter den Kandidaten der Parteien die Wissenden und Weisen zu erkennen, die zur Ausübung der Staatsgewalt und damit zur Wahrung des Staatswohls am besten geeignet sind? Die Kompetenz der Repräsentanten von Legislative und Exekutive kann das deutsche Volk doch nur erkennen, wenn es „die nötige politische Reife“ besitzt und so in der Lage ist, eine rationale Wahlentscheidung treffen zu können, das heißt das allgemeine, freie und gleiche Wahlrecht bedingt zwangsläufig eine politische Reife, anderenfalls ist siehe Sieyes und Guizot ein eingeschränktes Wahlrecht geboten. Ein Wahlrecht nur für die von den Repräsentanten Auserwählten.

Alexis de Tocqueville (1805 bis 1859) bewertete die Ideen von Francois Guizot schonungslos in seinen 1851 veröffentlichten Erinnerungen wie folgt:

„Und so spaltete sich das Land in zwei Hälften: Die obere Hälfte, die angeblich das gesamte politische Leben der Nation repräsentierte, war geprägt von Impotenz, Lethargie, Immobilität und Langeweile. Doch darunter, in der unteren Hälfte, (…) schlug sich das politische Leben allmählich eine Bahn.“

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: Sven Hansche / Shutterstock.com

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Kommentare (4)

4 Kommentare zu: “Die Jahrhundertlüge repräsentative Demokratie

  1. Rob Kenius sagt:

    Seid nicht so pessimistisch, bezüglich der anderen. Ihr haltet euch doch selbst nicht für dumm und unfähig, Politik zu durchschauen. Das Scheitern der repräsentativen Demokratie liegt nicht an der Unfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger, sondern an ihrer Ohnmacht. Wir haben keinen Einfluss. Der Einfluss beschränkt sich auf die Wahl und auf den Wahltag.

    Darum ist hier auf apolut vor knapp 2 Monaten dieser Artikel erschienen: Demokratie für einen Tag
    https://apolut.net/demokratie-fuer-einen-tag-teil-2/

    Mit direkter Demokratie sähe alles besser aus, erst recht mit einer zeitgemäßen Variante, wo per online-Abstimmungen auf Initiative des Volkes häufig über Sachfragen abgestimmt wird. Daran beteiligen sich diejenigen die sich dafür interessieren. Und wenn eine offene Meinungsdiskussion vorangeht, was im Netz ebenfalls möglich ist, setzen sich die Meinungen mit besseren Argumenten durch. Das wäre Demokratie im 21. Jahrhundert, wie sie sein könnte. Dann steigt auch das Urteilsvermögen und das Engagement der Massen.

    Parteien, so wie sie sind, sind überflüssig.

    Rob Kenius, kritlit.de

  2. Lumi sagt:

    "Die Jahrhundertlüge" von Butz ist ein gutes Buch, das jeder Deutsche gelesen haben sollte. Hilft auch bei der Wiederherstellung des Patriotismus. Das ist die Grundlage jeder gelingenden Politik.

    « Die repräsentative Demokratie – so von den Verfassern des Grundgesetzes für die Bundesrepublik vorgegeben – ist gescheitert. »

    Das Grundgesetz wurde ja von den Besatzern oktroyiert.

    Der Autor meint, die repräsentative Demokratie sei gescheitert. Aber was war und ist denn ihr Zweck? Ich meine, hier stehen etwas blauäugige Vorstellungen im Hintergrund.

    Die BRD wurde konstruiert als Knecht der USA. Zur Verwaltung des deutschen Volkes, nicht zu seinem Glück. Sonst sähe die Sache in Deutschland wohl etwas anders aus. Nun ist die BRD Hinterland und wird allmählich abgewickelt. Wird nicht mehr benötigt, außer insofern sie beim Krieg mitmacht.

    Und wie man sieht, macht die repräsentative Demokratie all die verschiedenen Zielvorstellungen der USA geschmeidig mit. Auch im Niedergang. Aus der Sicht der Konstrukteure erfüllt sie ihren Zweck daher nach wie vor. Sie ist nicht gescheitert, sondern funktioniert immer noch.

    Gescheitert sind eher die Deutschen, die den historischen Prozeß nicht begreifen.

  3. Lumi sagt:

    « Ich greife nicht den Staat an, sondern im Namen der Demokratie die Parteienherrschaft … »

    Vom Popanz der Demokratie kriegt man hier gar nicht genug. Was ist die Demokratie denn anderes als eine große Lüge? Das Volk hat noch nie geherrscht und wird nie herrschen, weil es gar nicht herrschen kann.

    Daher kann es immer nur die Herrschaft einer Minderheit geben. Im günstigen Fall ist das eine Epistokratie, eine Herrschaft der Weisen oder Wissenden, wie vielleicht in der fiktiven griechischen Antike, die wohl in der sogenannten Renaissance erdichtet wurde. Wenn die sich von Patriotismus und Gerechtigkeitsliebe leiten ließen, wie es die Ideologie der Gründerväter der USA war, dann wäre das gar nicht so schlecht. Leider hat es das in den USA wohl kaum je gegeben. Und heute sind wir meilenweit entfernt davon.

    A propos Patriotismus: Wenn die Deutschen nicht mal für ihr eigenes Land, ihr Volk, ihre Geschichte eintreten, warum sollten sie dann für so etwas Abstraktes wie eine Regierungsform eintreten? Vielleicht sollte man mal bei der grundlegenden Sache des deutschen Patriotismus beginnen, bevor man sich an den Formalien der Machtausübung zu schaffen macht. Denn ohne Patriotismus ist eh alles Essig.

    Ob die Linken das je begreifen werden?

  4. G.Nau sagt:

    Als ich zum ersten Mal wählen durfte, waren die "Grünen" gerade neu dabei und ich dachte, wenn ich die wähle wird sich etwas ändern. Dann mobten die "Realos" die "Fundis" raus aus der Partei und die Vorhersage von Helmut Kohl erfüllte sich, dass die Grünen alles genau so machen würden wie er, wenn sie erst einmal in der "Regierungsverantwortung" wären. Heute sind sie schlimmer, als Kohl je gewesen ist und ich ärgere mich, dass ich mich so lange verarschen lassen habe! Ich verstehe inzwischen, dass sich die Menschen nach der Erfahrung mit der "Weimarer Demokratie" den Kaiser zurückgewünscht haben, denn der hat sie besser repräsentiert.

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