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Die Geschichte der Strafverfolgung von Julian Assange | Von Thomas Röper

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Ein Kommentar von Thomas Röper.

Die Freilassung von Julian Assange ist eine gute Gelegenheit, an die Chronologie seiner Verfolgung zu erinnern.

Aus Anlass der Freilassung von Julian Assange hat die russische Nachrichtenagentur noch einmal die Stationen seiner Verfolgung im Westen zusammengefasst und ich habe den TASS-Artikel <1> übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Die Geschichte der Strafverfolgung von Julian Assange

Der WikiLeaks-Gründer wurde am 25. Juni aus dem britischen Gefängnis entlassen, wo er seit 2019 inhaftiert war.

Der WikiLeaks-Gründer Julian Assange wurde am 25. Juni aus dem britischen Gefängnis entlassen, in dem er seit 2019 inhaftiert war, und verließ Großbritannien. Nach Angaben von WikiLeaks-Vertretern in sozialen Medien hat Assange mit den US-Staatsanwälten, die ihn der Spionage beschuldigen, eine vorläufige Einigung erzielt, nach der das Gericht seine Haftzeit in Großbritannien anrechnen wird. Am 26. Juni soll Assange auf den Nördlichen Marianen (einem US-Territorium im Pazifischen Ozean) vor Gericht erscheinen, um sich des einzigen der 18 Anklagepunkte schuldig zu bekennen, die zuvor gegen ihn erhoben wurden: Verschwörung zur Beschaffung und Weitergabe von Informationen zur nationalen Verteidigung.

Die TASS hat das Material über die Gerichtsverfahren gegen Assange zusammengefasst.

Julian Assange und Wikileaks

Julian Assange (1971 in Australien geboren) gründete 2006 WikiLeaks, eine Website, die sich auf die Veröffentlichung vertraulicher Informationen aus anonymen Quellen spezialisiert hat. Die Website wurde 2010 weithin bekannt, als sie diplomatische Korrespondenz und Informationen über Militäroperationen im Irak und in Afghanistan der US-Außen- und Verteidigungsministerien veröffentlichte. Später veröffentlichte WikiLeaks Tausende von Geheimdokumenten, darunter Informationen über das Abhören von Telefongesprächen führender Politiker mehrerer Länder durch die NSA.

Im Jahr 2010 leiteten die USA wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Spionagegesetz von 1917 (das als Höchststrafe die Todesstrafe vorsieht) ein Ermittlungsverfahren gegen Assange ein. Um die Privatsphäre der WikiLeaks-Whistleblower und -Redakteure zu schützen, stellte Assange im selben Jahr den Server der Website in Schweden auf, da die Gesetzgebung dieses Landes den Schutz der Anonymität der Nutzer garantierte.

Strafverfolgung

Bald darauf wurde in Schweden ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet, nachdem zwei schwedische Frauen ihn der sexuellen Belästigung beschuldigt hatten. Assange behauptete, die Anschuldigungen seien politisch motiviert. Am 18. November 2010 ordnete das Stockholmer Bezirksgericht seine Inhaftierung an. Trotz der Anordnung, das Land nicht zu verlassen, reiste Assange nach London, weil er eine Auslieferung an die USA befürchtete. Im Dezember 2010 wurde er auf Antrag Schwedens in Großbritannien inhaftiert, kam aber bald gegen eine Kaution von 240.000 Pfund wieder frei, während das Auslieferungsersuchen geprüft wurde. Während er auf sein Verfahren wartete, war er auf freiem Fuß. Im Februar 2011 ordnete das Gericht seine Auslieferung an die schwedische Regierung an, und im Juni 2012 wies der High Court of London die Einsprüche von Assanges Anwälten zurück. Daraufhin suchte der WikiLeaks-Gründer Zuflucht in der ecuadorianischen Botschaft in London, wo er um politisches Asyl bat. Dort blieb er fast sieben Jahre lang. Am 11. April 2019 entzog ihm der ecuadorianische Präsident Lenin Moreno das Recht auf politisches Asyl mit der Begründung, er habe „wiederholt gegen die internationale Regel verstoßen, sich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen“ (zuvor war in Ecuador ein Korruptionsskandal ausgebrochen, in den der Präsident verwickelt war; die Regierung machte WikiLeaks für den Leak verantwortlich). Noch am selben Tag wurde Assange von der britischen Polizei auf dem Gelände der Botschaft festgenommen.

Verfahren wegen sexueller Belästigung in Schweden

Zu diesem Zeitpunkt waren die Ermittlungen zu drei der vier Anklagen gegen Assange in Schweden aufgrund der Verjährung eingestellt worden. Im Mai 2017 wurden die Ermittlungen eingestellt und der Haftbefehl war nicht mehr gültig. Im Mai 2019 beschloss die schwedische Staatsanwaltschaft jedoch, den Fall wieder aufzunehmen. Am 20. Mai wurde beim Gericht ein Antrag auf Verhaftung von Assange in Abwesenheit gestellt, aber im November desselben Jahres wurden die Ermittlungen eingestellt, weil die Beweislage in diesem Fall zu schwach und die Beweise nicht überzeugend genug waren.

Gerichtsverfahren wegen Verletzung der Kautionspflicht in Großbritannien

Grundlage für die Festnahme von Assange am 11. April 2019 in London war ein Haftbefehl, der 2012 vom Westminster Magistrates‘ Court wegen Verstoßes gegen die Kautionsauflagen ausgestellt worden war. Am selben Tag befand ihn das Gericht in Westminster für schuldig. Am 1. Mai verurteilte ihn das Gericht im Londoner Stadtbezirk Southwark zu 50 Wochen Haft, wobei er nach der Hälfte der Haftzeit freigelassen werden konnte, sofern keine weiteren Straftaten vorliegen. Assange wurde in das Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh eingewiesen. Seine Strafe lief am 22. September 2019 ab, aber ein Sondergericht verweigerte die Freilassung des Australiers bis zum Abschluss seines Auslieferungsverfahrens in die USA.

US-Anklage wegen Verbreitung von Geheiminformationen

In den USA wird Assange beschuldigt, sich mit dem US-Soldaten Bradley Manning (2013 zu 35 Jahren Haft verurteilt, 2017 begnadigt) verschworen zu haben, um geheime Pentagon-Informationen zu beschaffen und zu verbreiten. Diese Anklage wurde bereits am 6. März 2018 in Abwesenheit gegen Assange erhoben, aber erst am 11. April 2019 veröffentlicht. Am 23. Mai 2019 erhob das US-Justizministerium 17 weitere Anklagen gegen den Wikileaks-Gründer. Ihm werden „Straftaten im Zusammenhang mit dem größten Fall der Enthüllung von Geheiminformationen in der Geschichte der USA“ vorgeworfen, darunter die Veröffentlichung der Namen von geheimen Informationsquellen (ein Verstoß gegen das Spionagegesetz) und Verschwörung. Im Juni 2020 billigte das US-Justizministerium eine neue Anklageschrift. Sie enthält keine zusätzlichen Anklagepunkte, sondern „erweitert den Umfang der Verschwörung, die im Zusammenhang mit dem angeblichen Computer-Hacking bestand, das Assange zuvor vorgeworfen wurde.“ Im Falle einer Verurteilung könnte seine kumulative Strafe laut der Erklärung des Justizministeriums 175 Jahre Gefängnis betragen.

Verfahren in Großbritannien zur Auslieferung an die USA

Die Anhörungen im Zusammenhang mit dem Auslieferungsersuchen von Assange an die USA begannen am 24. Februar 2020 am Woolwich Court (einem Bezirk in London). Sie wurden im September desselben Jahres am Londoner Central Criminal Court (Old Bailey) von der Richterin Vanessa Baraitser vom Westminster Magistrates Court fortgesetzt. Sie hatte zu entscheiden, ob das Ersuchen Washingtons mit dem seit 2007 geltenden britisch-amerikanischen Auslieferungsabkommen vereinbar ist (das Dokument sieht ein Verbot der Auslieferung von Personen vor, denen „politische Straftaten“ vorgeworfen werden). Am 4. Januar 2021 entschied das Gericht, dass Assange nicht an die USA ausgeliefert werden kann, da er an einer Autismus-Spektrum-Störung und klinischen Depression leidet und selbstmordgefährdet ist. Gleichzeitig befand die Richterin die von der US-Regierung gegen den WikiLeaks-Gründer vorgebrachten Anschuldigungen als rechtmäßig und begründet und wies die Argumente der Verteidigung zurück, dass seine Verfolgung politisch motiviert sei.

Anfang Juli 2021 hatte das US-Justizministerium dem High Court of London zugesichert, dass Julian Assange im Falle einer Auslieferung nicht in einem Hochsicherheitsgefängnis untergebracht und nicht in seinem Besuchs- und Kommunikationsrecht eingeschränkt würde. Der US-Seite wurde daher das Recht eingeräumt, gegen die Ablehnung der Auslieferung von Assange Berufung einzulegen. Am 10. Dezember 2021 stimmte das Berufungsgericht von England und Wales der Berufung der amerikanischen Seite zu und genehmigte die Auslieferung des Journalisten an die USA. Am 15. März 2022 wurde die Berufung von Assanges Anwälten zurückgewiesen. Im Juni genehmigte Innenministerin Priti Patel auf der Grundlage des Urteils der britischen Gerichte die Auslieferung. Am 6. Juni 2023 wies der High Court of London die Berufung der Verteidigung von Assange zurück, aber die Entscheidung wurde erneut angefochten.

Am 26. März 2024 forderte der High Court of London die US-Regierung nach einer Anhörung auf, zu versichern, dass die Rechte des Angeklagten respektiert würden und ihm im Falle einer Auslieferung nicht die Todesstrafe drohe. Am 16. April übergab die US-Regierung Dokumente mit Garantien, dass Assanges Rechte geachtet werden. Darin heißt es, dass die US-Seite „nicht die Todesstrafe fordern und vollstrecken wird“. Außerdem wurde in den Dokumenten festgehalten, dass Assange „einen Versuch“ unternehmen kann, sich auf den ersten Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung zu berufen, der die Redefreiheit garantiert. Am 20. Mai gab der High Court of London and Wales in London dem WikiLeaks-Gründer Julian Assange die Möglichkeit, die frühere Entscheidung, ihn an die USA auszuliefern, anzufechten, da er der Ansicht war, dass die von der US-Regierung gegebenen Zusicherungen seine Rechte im Falle einer Auslieferung nicht garantieren.

Am 25. Juni wurde bekannt, dass eine vorläufige Einigung zwischen Assange und der US-Staatsanwaltschaft erzielt wurde und er gegen Kaution aus dem britischen Gefängnis entlassen wurde.

Ende der Übersetzung

Quellen

<1> https://tass.ru/info/13166619 +++ Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Dieser Beitrag erschien zuerst am 26. Juni 2024 bei anti-spiegel.ru +++ Bildquelle: peter lally / shutterstock


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