
Sogenannte Energy Drinks ruinieren massenhaft und wirkungsvoll die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Eine paralysierte Zivilgesellschaft sieht zu, wie Politik und Medien mit Konzernen kollaborieren. Das dokumentiert aktuell eine schockierende Studie von Foodwatch.
Ein Kommentar von Hermann Ploppa.
Vielleicht haben Sie auch schon mal einen Energy Drink konsumiert?
Möglicherweise, weil Sie nachts eine weite Strecke mit dem Auto zurücklegen mussten? Das passiert jedem mal. Ich nehme mich hier gar nicht aus. Auch ich habe gelegentlich ein Kraftgetränk aus der silber-blauen Dose mit der roten Schrift getrunken, weil ich sonst einen Text nicht rechtzeitig bei der Redaktion hätte abliefern können. Es ist so. Ich trank das Teufelszeug, und schon nach einer halben Stunde ratterte ich den verlangten Text runter, als wäre es nichts. Allerdings machte ich das nicht lange. Denn schlafen konnte ich dann nicht mehr. Ich brauchte Tage, um mich wieder zu regenerieren. Ich merkte schnell: mit diesem feisten Gesöff ist nicht zu spaßen. Ich zahlte dann auch tatsächlich einen hohen gesundheitlichen Preis. Dieser Stoff kommt mir nicht mehr ins Haus. Doch immer wieder sehe ich Kassierer beim Discounter, die trinken das Zeug in der bullischen Dose wie Zitronensprudel. Die Unbesorgtheit, mit der Energy Drink von Jung und Alt mittlerweile konsumiert wird, erweckt bei mir ein ungemütliches Grummeln im Bauch.
Warum ich das erzähle?
Nun, es ist gerade eine Studie der Stiftung Foodwatch erschienen, die Schockierendes über die Roten Bullen offenbart <1>. Die Studie zeigt, dass nicht nur Jugendliche, sondern auch kleine Kinder bereits Energy Drinks schlürfen. Und zwar in erheblichen Mengen. Über zwei Drittel der befragten Jugendlichen haben schon einmal Energy Drinks getrunken. Und ein Drittel der Heranwachsenden konsumiert regelmäßig Energy Drinks. Und das nicht zu knapp. Hier werden Mengen von aufputschendem Koffein und Taurin verschlungen, die haben es in sich. Die Gefahr liegt in der Schnelligkeit des Konsums, wie die Foodwatch-Studie zeigt:
„Eine einzige Halbliterdose eines handelsüblichen ‚Energy Drinks‘, zum Beispiel von Monster, enthält mehr Koffein, als ein 50 Kilogramm schweres Kind pro Tag maximal aufnehmen sollte. Im Gegensatz zu Kaffee, der eher langsam und traditionell verteilt über den Tag konsumiert wird, werden Energy Drinks gekühlt und rasch getrunken, häufig vor dem Sport oder zur Konzentration in der Schule.“ <2>
Das hat seine unliebsamen Folgen, wie die Studie belegt:
„Übermäßiger Koffeinkonsum kann zu unerwünschten Nebenwirkungen wie Schlafstörungen, Übelkeit, Magen-Darm-Problemen, Herzrasen, erhöhtem Blutdruck und Nervosität führen. Bei hohem Konsum wurden sogar schwerwiegendere Folgen wie unkontrolliertes Muskelzittern, Veränderungen im Elektrokardiogramm, Angstzustände und lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen dokumentiert.“
Der Genuss von Energydrinks soll angeblich zu sportlichen Höchstleistungen beflügeln. Aber unter Einfluss von Energy Drinks Sport zu treiben ist geradezu lebensgefährlich, wie eine Meta-Studie der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität nahelegt:
„Eine Vielzahl an Behandlungsberichten suggeriert eine Assoziation zwischen dem Konsum von Energydrinks und dem Auftreten unerwünschter kardiovaskulärer Ereignisse (z. B. Bluthochdruck, schwerwiegende Herzrhythmusstörungen) im Kindes- und Jugendalter.“ <3>
Auslöser der Studie war der Fall eines Mädchens, das plötzlich und unvermittelt zusammenbrach. Sie musste wiederbelebt werden. Es kam heraus, dass das Mädchen vor einer Prüfung in der Schule Unmengen von Energy Drinks konsumiert hatte. Die Vorstellung, Energy Drinks könnten die Leistungsfähigkeit aus dem Stand auf ein Maximum hochtreiben, ist weit verbreitet. Doch werden durch Energydrinks lediglich letzte Reserven freigemacht, die der Körper wohlweislich für Notfälle gebunkert hat. Statt den versprochenen Flügeln oder Siebenmeilenstiefeln bekommen die Kiddies viel häufiger Herzrasen, Depressionen, Schlafstörungen und Verdauungsprobleme. Es ist unvorstellbar, wie rücksichtslos mittlerweile Schutzzonen für Minderjährige eingerissen werden. Das beschreibt das Bundesamt für Risikobewertung so:
„Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sollten Kinder und Jugendliche täglich nicht mehr als drei Milligramm (mg) Koffein pro Kilogramm (kg) Körpergewicht zu sich nehmen. Bei einem gesunden jungen Menschen mit etwa 50 kg Körpergewicht sind dies 150 mg Koffein. Diese Menge wird schon mit zwei handelsüblichen Energy Drink Dosen mit jeweils 80 mg Koffein pro 250 Milliliter (ml) überschritten. Einige Jugendliche trinken jedoch zu bestimmten Gelegenheiten innerhalb weniger Stunden vier Dosen und mehr aus.“ <4>
Es bleibt nicht bei Energy Drinks. Manche Youngster nehmen nebenbei auch noch Alkohol oder Partydrogen ein. Die Hemmschwelle ist aktuell weiter am Schwinden. Die Krankenkassen werden irgendwann angesichts der neuen Krankenfälle ins Japsen kommen.
Da stellt sich doch die Frage:
Warum wird dieser Missstand geduldet?
Das ist die eigentliche Frage der Foodwatch-Studie. Die Antwort: die großen Hersteller von Energy Drinks wie Red Bull oder Monster investieren mächtig in Werbung durch Influencer in sozialen Netzen sowie in Sportvereine und Gaming-Gruppen. Das geschieht mit Professionalität und Skrupellosigkeit. Ein Zusammenspiel von Medien, die Werbeeinahmen durch Energie Drinks erzielen, sowie Politikern und Verbandsfunktionären, die sich von Lobbyisten beeinflussen lassen, ermöglicht den ungehinderten Vormarsch der aggressiven Saft-Dealer.
Da sehen wir zunächst, warum Menschen unter Fünfzig gegenüber politischen Themen immun sind. Denn sogenannte Influencer treten bei Youtube, TicToc oder Twitch ganz ungeniert als Werbeagenten von Konsumprodukten auf. Das sind junge Burschen oder Mädels, die irgendwelche Produkte vorführen. Die Grenzmauer zwischen Werbung und Information besteht in diesen sogenannten Sozialen Netzen grundsätzlich überhaupt nicht mehr. Diese Influencer können den Status von Popstars erlangen, wenn sie auch noch ein bisschen kreativ sind.
Und so verwundert es nicht, dass Influencer Lewinray bei Youtube 1,62 Millionen und bei TicToc sogar 2,7 Millionen Follower hat <5>. Und er wirbt immer wieder für Energy Drinks. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ARD und ZDF wollen da nicht abseits stehen und verliehen Lewinray den Preis als „Content Creator“ im Kinderkanal. Damit liefern die öffentlich-rechtlichen Anstalten den Propagandisten der Energy Drinks die Unbedenklichkeitsbescheinigung, die Eltern brauchen, um sich ohne eigene Recherche orientieren zu können. Red Bull und seine Freunde haben längst Einzug in deutsche Kinderzimmer gehalten.
Was Lewinray für die Jungs, das ist Dalia Mya für die Mädels <6>. Ein Rollenvorbild. Und dabei immer wieder künstlich und bis zur Unkenntlichkeit geschminkt. Energy Drinks dürfen da nicht fehlen. Emir Bayrak ist wohl eher für die Migrantenjungs da <7>. Die jungen Stars lassen uns teilhaben an ihrem täglichen Leben. Sie zeigen, wie junge Leute heute zu leben haben. Die Kiddies sind durch diese Rollenvorbilder schon von der Krippe fest eingebunden in die Vorstellungswelt der Konzerne. In diesem Falle in die Welt der Hersteller und Vermarkter von Energy Drinks.
Energy Drinks werden immer im Zusammenhang mit Sportlichkeit promotet. Deswegen ist es auch so wichtig, dass die Energy-Drink-Konzerne Sportverbände und Sportvereine unter ihre Kontrolle bringen. Manchmal wird der Zusammenhang ungeniert hergestellt. Da gibt es die Eishockey-Vereine EC Red Bull Salzburg oder EHC Red Bull München. Kaum subtiler funktioniert die Übernahme beim Erstliga-Fußballklub RB Leipzig. RB steht hier scheinheilig für RasenBallsport Leipzig e.V. Doch schnell wird klar, dass „RB“ eindeutig für Red Bull steht. Die Heimspiele des RB Leipzig werden in der Red Bull Arena durchgeführt. Überall prangt das Red Bull-Logo. Die Fans des RB werden durch professionell aufgezogene soziale Veranstaltungen bespaßt. Schon die kleinsten Kinder wachsen mit dem Red Bull-Logo an Kinderklamotten auf. RB Leipzig fördert auch den Fußballsport in den Leipziger Grundschulen. Wer will denn da Anstoß nehmen?
Zum Beispiel gab es da vor zehn Jahren bereits eine Initiative von Fußball-Fanclubs, die unmissverständlich deutlich machten, dass Werbung für aufputschende Getränke in der Sportszene nichts zu suchen hat. Bei Fußballspielen demonstrierten sie gegen den Missbrauch des Fußballs für Werbezwecke mit großen Transparenten mit der Aufschrift: „Wir pfeifen auf Red Bull!“ Diese Faninitiative war gut organisiert, wurde aber von der einschlägigen Presse als „Mob“ diffamiert <8>. Das Framing missliebiger Mitbürger hat schon immer gut geklappt. Der Abnutzungskrieg der Konzerne gegen die Zivilgesellschaft funktioniert eigentlich immer. Denn engagierte Bürger, die ehrenamtlich dicke Bretter zu bohren haben, können kaum ankommen gegen gut finanzierte Konzernpropagandisten und ihre willigen Helfer in Behörden, Verbänden und Medien.
Was ist nun die Konsequenz für Foodwatch?
Wie kommt man aus dieser untragbaren Situation heraus? Foodwatch empfiehlt, die Energy Drinks durch zusätzliche Abgaben teurer und damit weniger attraktiv für junge Leute zu machen. Das reicht mir aber nicht. Die Studie der Münchner Universität fordert immerhin ein konsequentes Abgabeverbot von Energy Drinks an junge Leute unter 18 Jahren. Das reicht aber immer noch nicht. Die jungen Leute würden selbstverständlich Mittel und Wege finden, sich die Energy Drinks zu beschaffen. Die Energy Drinks gefährden nicht nur die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Sie gefährden auch die Gesundheit aller anderen Altersgruppen. Also ist ein Totalverbot der Energy Drinks eigentlich die logische Forderung. Die Energy Drinks sind schädlich und teilweise sogar lebensgefährlich, genau wie Kokain oder Amphetamine. Alle diese Aufputschmittel sollen suggerieren, man könne zusätzliche Kräfte sozusagen einfach zukaufen und dem Körper einflößen. Aber Aufputschmittel sind Überziehungskredite auf die Körperkraft. Sie müssen durch angemessene Regeneration zurückgezahlt werden an den Körper.
Tatsächlich jedoch ist die Ernährung schlechter geworden. Nur gehobene Schichten können sich noch in Bioläden echte Nahrung kaufen. Wir normalen Bürger müssen uns mit immer schlechteren Nahrungsersatzstoffen zufrieden geben. Potenziale für eine Stärkung des Körpers ergeben sich unter diesen Bedingungen nur durch den Zusatz fehlender Substanzen. Oder feiner ausgedrückt: durch Supplementation. Nährstoffe müssen wir hinzufügen in Form von Vitaminen und Mineralien.
In den sowieso schon unterversorgten Körper Energy Drinks einzuflößen ist in diesem Zusammenhang der blanke Wahnsinn. Dem Wahnsinn kann Einhalt geboten werden durch das Verbot der Energy Drinks und durch eine konsequente Ernährungsberatung an Schulen und Universitäten. Es muss nicht so weitergehen wie bisher.
Quellen und Anmerkungen
<2> siehe <1>
<3> https://link.springer.com/article/10.1007/s00112-023-01791-x
<4> https://www.bfr.bund.de/de/presseinformation...
<5> Lewinray https://www.youtube.com/results?search_query=Lewinray
<6> Dalia Mya https://www.youtube.com/results?search_query=Dalia+Mya
<7> Emir Bayrak https://www.youtube.com/results?search_query=Emir+Bayrak
<8> https://www.nein-zu-rb.de/
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: AnnyStudio / shutterstock
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