Datenkraken sollen ihre KI-Modelle mit ePA-Daten trainieren dürfen – bei abgespecktem Datenschutz
Auf einer Konferenz des Digitalverbands Bitkom hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach offengelegt, warum die Regierung sich so für Digital Health und die elektronische Patientenakte engagiert: Weil unsere Krankheitsdaten ungemein wertvoll sind und die großen US-Datenkraken wie Google, Meta und Open AI scharf darauf sind wie läufige Hündinnen auf den Rüden.
Ein Kommentar von Norbert Häring.
Laut einem Bericht von der Digital Health Conference des Bitkom auf heise online, sagte Lauterbach:
„Wenn Sie sich jetzt […] einmal vor Augen führen, wie groß dieser Datenschatz ist. Wir haben pro Jahr eine Milliarde Arzt-Patient-Kontakte in den Praxen.“
Ohne die Opt-Out-(Wiederspruchs-)Lösung bei der elektronischen Patientenakte (ePA) seien diese umfassenden Datenspenden nicht möglich. Tag für Tag wachse dieser Datenschatz beim Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ Gesundheit), der auch um weitere Daten aus mehr als 400 medizinischen Registern und Genomdaten ergänzt werden solle.
Die Daten aus der ePA über all unsere Krankheiten und Behandlungen werden also beim FDZ Gesundheit um Daten über unsere Gene und Weiteres ergänzt und dann gemeinsam „der Forschung“ zur Verfügung gestellt. Wer „die Forschung“ ist, sagte Lauterbach auch. Es sind die größten Datenkraken, die sich gewohnheitsmäßig einen Dreck um europäische Datenschutzregeln scheren, weil sie die Protektion der US-Regierung genießen. Und dieser können die Bundesregierung und erst recht die EU-Kommission keinen nachdrücklich vorgetragenen Wunsch abschlagen. Gelegentliche Griffe in die Portokassen der Konzerne für Strafen wegen Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht oder – seltener – das Datenschutzrecht, stehen dem nicht entgegen.
Mit dem Datensatz sollen, Lauterbach zufolge, KI-Systeme trainiert werden, um eine eigene generative KI aufzubauen. Von Anfang an sei die Struktur bereits so aufgebaut, dass sie „KI-ready“ ist. Der Minister sei dabei von Israel beraten worden. Datenschutz und Datennutzung wurden dafür „austariert“, erfahren wir. Das bedeutet im Klartext: Vom Datenschutz wurden beträchtliche Abstriche gemacht, damit die Daten besser genutzt werden können, und zwar von:
„Wir sind im Gespräch mit Meta, mit OpenAI, mit Google, alle sind daran interessiert, ihre Sprachmodelle für diesen Datensatz zu nutzen, beziehungsweise an diesem Datensatz zu arbeiten.“
Denn es solle der „größte, repräsentativste und interessanteste“ Gesundheitsdatensatz weltweit werden, so Lauterbach. Damit die großen Datenkraken diesen zum Zwecke der „Forschung“ bekommen können, wurde nicht nur der Datenschutz abgespeckt, sondern es soll auch gelten, dass der Forschungszweck entscheidend ist und nicht, wer den Forschungsantrag stellt. Gerade im Hinblick auf den „austarierten“ Datenschutz ist das eine Unverschämtheit den Patienten gegenüber, die mit dem Versprechen getäuscht werden, ihre Daten würden nur zu Forschungszwecken verwendet und seien durch so etwas wie Anonymisierung gegen Missbrauch gesichert.
Denn die Daten werden nicht anonymisiert, sondern nur pseudonymisiert. Das bedeutet: alle Daten eines Patienten werden unter einer Nummer zusammengeführt, die nicht direkt einer konkreten Person zuordenbar ist. Die meisten werden bei „Forschung“ an ein universitäres Forschungsinstitut denken. Bei diesen vermutet man nicht, dass sie die Fähigkeit und das Interesse haben, das Pseudonym zu knacken. Aber bei Google, Meta und Open AI vermutet man nicht nur, sondern man darf sich sicher sein, dass diese es wollen, und dass es für sie ein Leichtes ist. Anhand der vielen Daten, die sie über die meisten von uns bereits haben, können sie in den meisten Fällen leicht aufgrund der Muster in den Krankenakten die Pseudonyme konkreten Personen zuordnen. Wer glaubt, dass sie das nicht tun werden, weil sie es nicht sollen, ist hochgradig naiv. Wer sich als Politiker darauf verlässt, ist unverantwortlich inkompetent oder täuscht absichtlich die Bürger, um die Interessen der Digitalkonzerne zu befördern.
Bitkom steuerte auch eine „repräsentative Umfrage“ mit angeblich sehr günstigen Ergebnissen bei. Veröffentlicht wurde allerdings nur eine Pressemitteilung mit erkennbar manipulativ ausgewählten Teilergebnissen zu Fragen, deren Wortlaut und Antwortmöglichkeiten im Ungefähren bleiben. So heißt es etwa, 71% der Befragten wollten die ePA künftig nutzen. Wenn die Umfrage nicht ganz unseriös ist, hat Bitkom dabei ein „eher“ oder „wahrscheinlich“ unterschlagen. Denn bei den 26%, die sie nicht nutzen wollen, wird extra mitgeteilt, das die meisten von diesen das nur „eher“ nicht tun wollen.
Fazit
Wer immer noch nicht der Einrichtung einer ePA bei seiner Krankenkasse widersprochen hat, sollte das umgehend tun. Wer zu den angeblich 69% gehört, die laut Bitkom-Umfrage Gesundheits-Apps auf dem Smartphone nutzen und damit Konzerne wie Meta, Google und Apple mit ihren Körper- und Standortdaten füttern, sollte sich überlegen, ob das so eine gute Idee ist, und ob es nicht vielleicht Alternativen gibt. Früher jedenfalls gab es Schrittzähler ohne Internetanbindung.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Dieser Beitrag erschien zuerst am 29. November 2024 bei norberthaering.de
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Bildquelle: MUNGKHOOD STUDIO / shutterstock
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