Ein Standpunkt von Tom J. Wellbrock.
Wenn man sich einige Bereiche des aktuellen politischen und gesellschaftlichen Geschehens ein wenig genauer ansieht, zeichnet sich ab, dass so etwas wie der „Große Umbruch“ nicht in der Zukunft liegt. Er findet statt, jetzt und unüberwindbar.
1. Der persönliche Teil
„Nehmen Sie die Hand vom Tresen! Ihr Bereich ist vor der Scheibe!“ So oder so ähnlich hörte ich es vor kurzem, als eine Apothekerin mich mit weit aufgerissenen Augen darauf aufmerksam machte, dass sie mich als zu Fleisch gewordene Lebensgefahr betrachtet.
Es könnte mir egal sein. Was interessiert mich eine Apothekerin mit einer Angststörung? Doch die Angststörung hat sich aufgemacht, durchs Land zu ziehen und so viele Menschen wie möglich anzustecken. Als ich mich im Supermarkt vor einer Weile einer Mitarbeiterin offenbar zu aufdringlich genähert habe, sprang mir ein „Gehen Sie auf Abstand!“ entgegen, und wieder sah ich Augen unter einer Maske, die geweitet waren. Ich stand wohl ca. einen Meter von dieser Frau entfernt.
Einzelfälle? Ja, vielleicht, aber sie haben sich gehäuft in letzter Zeit. Und ich selbst spüre in gewissen Momenten ebenfalls, dass ich – unbewusst – einen Schritt zurück oder zur Seite gehe. Später wird mir klar, was da passiert ist, und ich ärgere mich über mich selbst. Aber warum sollte ausgerechnet ich mich nicht einfangen lassen von der „Bleib-auf-Distanz“-Erzählung? Ich will das nicht, kann mich aber nicht völlig davon befreien. Nicht mehr.
Und so gibt es vieles nicht mehr. Das völlig selbstverständliche Betreten eines Geschäfts, wenn ich ein Hemd sehe, das ich gern hätte. Das Bummeln durch ein Kaufhaus, weil ich meiner Frau ein Geburtstagsgeschenk kaufen will, aber noch unentschlossen bin, was es sein soll. Es tröstet wenig (im Gegenteil!), dass auch die Menschen mit Impfung es nicht mehr so leicht haben, wie es ihnen versprochen wurde. Man kann es durch die Masken erkennen, dass auch sie unglücklich sind.
Neben den Einschränkungen, mit denen ich mal besser, mal weniger gut leben kann, ist es jedoch der unglaubliche Druck, der ausgeübt wird und der sich verheerend auswirkt. Politisch, medial, durch Wissenschaftler, die vor zwei Jahren mit meinem Leben nicht das Geringste zu tun hatten. Christian Drosten ist für mich eine Reizfigur geworden, ich nehme ihm seine wankelmütigen Befehle übel. Er spricht inzwischen sogar ganz offen von „politischen Maßnahmen“. Dazu hat er kein Recht! Er ist ein Wissenschaftler, der sich um seinen eigenen Kram kümmern soll. Wer hat ihm erlaubt, mich zu maßregeln, der Politik vorzubeten, wie sie mit mir umzugehen hat?
Ich sehe einen Kanzler, der sich hinstellt und behauptet, es gebe keine Spaltung in der Gesellschaft. Derselbe Mann gehört zu den führenden und extremistischen Spaltern dieses Landes, er provoziert, droht, hat gedanklich längst den Rang eines Despoten eingenommen. Gewählt haben ihn ungefähr so viele Leute wie die, die er jetzt als extremistische Minderheit bezeichnet. Eine Minderheit, Scholz ist durch eine Minderheit Kanzler geworden, er feiert sich als großer Gewinner und führt sich auf wie ein gestörter Familienvater, der normalerweise dafür sorgt, dass die Ehefrau sich die Kinder schnappt und in ein Frauenhaus flüchtet.
2. Der allgemeine Teil
Verunsicherung geht vor!
So stark wie der Druck der Politik ist ihre Inkompetenz. Seit fast zwei Jahren gibt es keine verlässlichen Zahlen, immer wieder kommen Lügen ans Licht, werden Daten und Grenzwerte korrigiert und manipuliert. Allein die Inzidenz! Im Grunde spielt sie keine Rolle mehr, weil es vernünftig ist, stattdessen die Auslastungen der Kliniken in Augenschein zu nehmen. Doch auch diese vermeintliche Vernunft verpufft, weil die Bettenbelegungen in den Krankenhäusern manipuliert wurden, um zusätzliche Gelder abzustauben. Nebenbei werden seit Ausbruch der Krise fleißig Krankenhäuser geschlossen. Da wirkt es in der Öffentlichkeit bedrohlicher und somit effizienter, die allgemeine Inzidenz, die eigentlich längst in die letzte Reihe gerückt ist, wieder in die Pole-Position zu bringen.
Habe ich eben Inkompetenz geschrieben? Pardon, ich muss mich korrigieren. Ich glaube inzwischen, dass wir von einer Art „Kompetenz der Verunsicherung“ sprechen müssen. Wohl auch deshalb wurde Lauterbach Gesundheitsminister. Weil er morgens nicht weiß, was er am Abend äußert. Widersprüchlich muss es sein, ebenso wie bei Drosten und all den anderen. Keine klare Linie, keine eindeutige Strategie, und – vor allem – kein Verständnis für die Bevölkerung. Sicherheit geht vor? Nein, keineswegs! Verunsicherung geht vor. Niemand soll genau wissen, was eigentlich los ist, ob es Grund zum Aufatmen gibt oder wenigstens geben könnte. Selbst auf den ersten Blick positive Nachrichten werden im nächsten Moment relativiert, die Gefahr sei noch immer da, man dürfe jetzt kein Risiko eingehen, müsse weiter Strenge walten lassen, die Zügel anziehen, Menschen ausgrenzen und mit Angst eincremen.
Gestern war es Delta. Heute ist es Omikron. Morgen wird es eine neue Variante sein, die dazu dienen wird, uns weiterhin in Schach zu halten. Und übermorgen? Haben wir uns längst von der „alten Normalität“ verabschiedet und an die „neue Normalität“ gewöhnt. Diese „alte Normalität“, die unser damaliger Finanzminister Scholz für beendet erklärt hatte, als hätte er einen Pofalla gefrühstückt. Scholz sagte das zu einem Zeitpunkt, da wusste – seine Existenz vorausgesetzt – nicht mal Gott, wie sich die Lage weiter entwickeln würde.
Sie haben schnell Blut gerochen, unsere Politiker. Der vermutlich einzige wirkliche Plan, den sie schon in einem frühen Stadium der Krise hatten, war der, die Bevölkerung klein, stumm und ängstlich zu machen. Zu charmant war und ist die Aussicht, nach Gutdünken Maßnahmen durchsetzen zu können, Grundrechte und Freiheiten zu zersägen und die eigene Macht auszubauen. Und zu dominant sind die IT-Konzerne, die Pharmalobby und die Vermögensverwalter, die im Hintergrund dafür sorgen, welche Räder wie schnell und in welche Richtung gedreht werden.
Die Impfreligion
Dabei ist es so einfach, die Politik zu durchschauen. Weniger leicht fällt es, den persönlichen Hintergrund der einzelnen Akteure zu erkennen, sprich: zu sehen, wer genau welche konkreten Vorteile durch diese Form des Totalitarismus hat. Doch im Prinzip ist das zweitrangig und daher für den Großteil der Bevölkerung irrelevant.
Wichtig ist nur eines: Wir werden mit einer Impfkampagne gequält, die keine vernünftig begründbare Grundlage hat. Die Impfung wirkt nur sehr eingeschränkt, sie kann weder Infektionen noch Krankheit verlässlich verhindern. Sie ist schon aus medizinischen Gründen abwegig, weil man nicht in eine bestehende Pandemie hinein impft, um die Bildung weiterer Varianten zu verhindern. Sie ist für Kinder und Jugendliche sozusagen ein Schuss ins Blaue, weil die ein Immunsystem haben, das sich gut gegen die Infektion von Covid-19 zur Wehr setzen kann. Wie gut sie sich aber mit der Impfung arrangieren können, ist weitgehend ungewiss.
Die Impfpflicht ist die Krönung der Erschöpfung logischen Denkens. Eine ganze Bevölkerung mit einem Impfstoff behandeln zu wollen, obwohl nach wie vor so viele Fragezeichen im Raum stehen, ist nicht einfach dumm, es ist auch nicht fahrlässig, sondern eine Tat mit Vorsatz. Wenn die gesamte Bevölkerung geimpft wird, ohne sich dagegen wehren zu können, und wenn dann auch nur ein Mensch stirbt, dann ist das staatlich angeordneter Mord, vielleicht auch „nur“ Totschlag, aber so oder so bedeutet es, dass die Bundesregierung den Tod von Menschen in Kauf nimmt, wissentlich in Kauf nimmt, da es faktisch Todesfälle geben wird. Die Frage ist hier nicht, ob ein Mensch an der Impfung stirbt und 10 andere vor einer theoretischen Erkrankung (oder gar lediglich einer Infektion) geschützt werden. Denn dieser eine Todesfallkandidat hatte keine Wahl, er durfte sich nicht anders entscheiden, musste sich impfen lassen. Damit liegt die Verantwortung für seinen Tod beim Staat. Ganz abgesehen davon, dass der Staat diese Argumentation überhaupt nicht verwenden darf.
Der Hass aufs Volk
Macron sagte kürzlich:
"Ich werde Ungeimpfte bis zum bitteren Ende nerven, indem wir ihnen soweit wie möglich den Zugang zu den Aktivitäten des sozialen Lebens einschränken […] Ich habe große Lust, die Ungeimpften zu ärgern. Deshalb wird meine Regierung dies auch weiterhin tun, bis zum bitteren Ende, das ist die Strategie."
Man kann diese bewaffnende Ehrlichkeit Macron schon fast zugutehalten. Hierzulande passiert in den politischen Köpfen zwar Ähnliches, doch die meisten verpacken es subtiler (was es keinen Deut besser macht). Hass mag ein großes Wort sein, aber anders kann ich die charakterlichen Eigenschaften unserer Regierungsvertreter nicht mehr einordnen. Menschen, die nicht der anerkannten Erzählung folgen, werden behandelt, als wären sie Mörder, sie werden zuweilen sogar so genannt. Menschen, die auf Demonstrationen gehen, werden pauschal als „Leugner“, „Antisemiten“ und „Extremisten“ bezeichnet. Das ist die Sprache des Hasses, ausgesprochen von denen, die sich voller Großkotzigkeit auf ihre Fahnen schreiben, gegen „Hass und Hetze“ angehen zu wollen.
Kontrolle, die unsere Fantasie übersteigt
Immer wieder hört man Kritik daran, auf der einen Seite fehlenden Datenschutz zu beklagen, auf der anderen Seite aber Facebook & Co. zu benutzen. Schließlich seien der Handel und die Analyse von Daten vorrangiges Ziel sozialer Medien. Das ist auf der einen Seite korrekt, auf der anderen aber unvollständig. Als die Arbeit der sozialen Medien begann, war vielen Nutzern nicht klar, dass im Hintergrund haufenweise Daten verarbeitet wurden. Als es bekannt wurde, waren aber vielfach schon Abhängigkeitsverhältnisse entstanden. Für die einen waren soziale Medien eine Möglichkeit, andere Menschen kennenzulernen (wenn auch auf sehr unpersönliche Ebene). Für die anderen bestand die Option, ihr Geschäft voranzutreiben. Inzwischen muss man von einer Art Sucht sprechen (was ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann, es fällt schwer, mein Sendungsbewusstsein zu zügeln, wenn ich weiß, dass ich gewisse Reichweiten erreichen kann, auch wenn das Shadowbanning vermutlich Leute wie mich künftig stark einschränken oder weitgehend ausblenden wird).
Doch vermutlich wird das, was schon jetzt erhebliche Ausmaße angenommen hat, künftig wie ein kleiner Trainingsbesuch auf unseren Rechnern und Smartphones erscheinen. Man mag darauf verweisen, dass so etwas wie ein Impfregister die Bundesregierung hoffnungslos überfordert. Und die Tatsache, dass in etlichen Behörden immer noch das Fax die bevorzugte Methode der Nachrichtenübermittlung ist, scheint diesem Verweis recht zu geben. Doch machen wir uns nichts vor – bei der Digitalisierung hat und bekommt die Bundesregierung Hilfe von „ganz oben“. Google und andere Tech-Giganten werden der Politik weltweit gern unter die Arme greifen, um die altertümliche IT-Struktur auf ein neues Niveau zu heben.
Die Folgen werden vermutlich doppelt wirken: Einerseits wird die Politik zwangsläufig besser werden in der Verarbeitung von Daten und deren Ge- bzw. Missbrauch. Andererseits werden sich auch die Tech-Unternehmen fleißig bedienen, wahrscheinlich werden sie unterm Strich mehr Daten zur Verfügung haben als die Regierungen der Länder dieser Erde.
Es wird vermutlich nicht mehr lange dauern, bis so etwas wie ein Impfregister nicht mehr als eine Lehrlingsaufgabe darstellen wird. Wir gehen auf eine Kontrolle unserer Daten – insbesondere der Gesundheitsdaten – zu, deren Konsequenzen zu schildern hier den Rahmen sprengen würden, die aber zu einem neuen Menschenbild mit neuen Anforderungen, Möglichkeiten, aber auch Ausgrenzungen und Vernichtung menschlicher Existenzen einhergehen wird.
Großer Neustart?
Wie man es auch nennen mag, ob „Great Reset“ oder „Großer Umbruch“, faktisch stehen wir einem solchen Umbruch nicht bevor, er ist nichts, was wir in Büchern lesen und am Horizont bedrohlich auf uns zukommen sehen. Wir sind mittendrin in der neuen Gestaltung, die Klaus Schwab gern als „kreative Zerstörung“ bezeichnet.
Und zerstört wird mit viel Eifer. Schwab selbst behauptet in seinem Corona-Buch zwar ganz selbstverständlich, es sei das Virus, das uns diese Situation eingebrockt hat. Aber das ist natürlich Unsinn. Selbst der größte Maßnahmen-Überzeugte kann im Grunde nicht leugnen, dass es die Maßnahmen der Politik sind, die weltweit zu Verwerfungen und Zerstörungen führt, die in keinem Verhältnis zur Gefahr durch ein Virus steht, das es in erster Linie auf bestimmte Risikogruppen abgesehen hat.
Risse hat das neoliberale System schon lange, spätestens seit der Finanzkrise 2008/2009. Doch es war zu keinem Zeitpunkt bereit – und damit sind selbstredend die politischen und wirtschaftlichen Akteure gemeint -, Fehler auszubessern, um sich selbst längere Zeit am Leben zu erhalten. Die Tatsache, dass das neoliberale System in seiner Gier und seiner Zerstörungswut so weit gegangen ist, dass jetzt die eigene Konstruktion auf dem Spiel steht, entbehrt zwar nicht einer gewissen Ironie. Doch für all die Menschen, die seit Jahrzehnten unter dem System leiden, dürfte diese Ironie kein Grund für auch nur ein leises Lächeln sein.
Wir sind also mittendrin im Neustart, und es ist nicht auszuschließen, dass selbst die, die hinter dieser Idee stehen und sie konkret angesteuert haben, jetzt überrascht sind ob des Tempos, das aufgenommen wurde und das wohl nicht mehr zu stoppen sein wird.
Ob von langer Hand geplant oder schneller als eigentlich gewollt, eines ist sicher: Scholz hatte recht, als er sagte, dass es die „alte Normalität“ nicht mehr geben werde.
Und womöglich wusste er das damals sogar schon.
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Bildquelle: MIA Studio / shutterstock
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