Das Ende der deutschen Diplomatie | Von Tom J. Wellbrock

Das Ende der deutschen Diplomatie begann am Anfang der Bundesrepublik

Nicht erst mit dem Beginn des Blinkens der Ampel-Koalition und der Ernennung Annalena Baerbocks zur Außenministerin ist deutsche Diplomatie zur Katastrophe geworden. Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg bewies die deutsche Politik bereits einen Hang zum Größenwahn.

Ein Standpunkt von Tom J. Wellbrock.

Ohne Frage stellt das heutige politische Personal in Deutschland einen Gau dar. Dies gilt auch und vor allem in diplomatischer Hinsicht. Die Entspannungspolitik von Willy Brandt scheint Lichtjahre entfernt, Besserung ist nicht in Sicht. Die deutsche Anti-Diplomatie steht in der Tradition mit Adenauers “Hallstein-Doktrin”.

Großmannssucht nach dem Zweiten Weltkrieg

An Selbstvertrauen mangelte es dem ersten deutschen Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland nicht. Konrad Adenauer (CDU) könnte als das Gegenteil eines Kniefalls (wie ihn später Willy Brandt vollzog) gelten, denn er war dem Nationalsozialismus näher als der Demokratie. Nazi-Größen wie Franz-Julius Halder, ehemaliger Generalstabschef unter Adolf Hitler, Adolf Heusinger, Chef der Operationsabteilung unter Hitler und Reinhard Gehlen, der vom Nazi zum Chef des Bundesnachrichtendienstes geworden war, waren enge Vertraute Adenauers. Und dass ausgerechnet Heusinger unter Adenauer zum Generalinspekteur der Bundeswehr wurde, könnte man fast schon als originell bezeichnen, wenn es nicht so zynisch wäre.

Ausgestattet also mit viel Selbstvertrauen erlebte die sogenannte “Hallstein-Doktrin” ihren Aufstieg in West-Deutschland. Und erklärte damit der DDR in gewisser Weise direkt den Krieg. Diese Doktrin fand ihre Anwendung zwischen 1955 und 1973.

Es kann nur ein Deutschland geben

Für Adenauer war klar: Die DDR hatte zu keinem Zeitpunkt eine Existenzberechtigung. Das einzige legitime Deutschland war West-Deutschland. Aus dieser Überzeugung heraus entstand die “Hallstein-Doktrin”, benannt nach Walter Hallstein von der CDU. Sie beinhaltete Sanktionen gegen Drittstaaten, die diplomatische Beziehungen zur DDR suchten. Konkretes wurde nicht ausformuliert, aber Probleme gab es trotzdem durch die Doktrin.

Im Oktober 1957 etwa erkannte Jugoslawien die DDR an, in der Folge brach Deutschland die Beziehungen zu dem Land ab. Die jugoslawische Botschaft in Bonn reagierte empört und ließ verlautbaren:

“Die Regierung und die Völker Jugoslawiens verurteilen diesen Schritt der Bundesregierung, der durch keinen Grund gerechtfertigt ist, und erheben ihren schärfsten Protest dagegen.”

Adenauer interessierte sich für den Protest nur wenig, für ihn ging es um das “Lebensinteresse” der Bundesrepublik und

“nämlich der auch im Grundgesetz verankerte Anspruch, dass die deutsche Bundesregierung allein legitimiert ist, die deutschen Interessen im Ausland zu vertreten, da nur sie eine demokratisch gewählte Volksvertretung und Regierung besitzt.”

Und eigentlich hätte der westdeutsche Kanzler die “Hallstein-Doktrin” auch gern gegen die UdSSR angewandt, doch das ging aus logistischen Gründen nicht. Denn mit der Sowjetunion gab es eine Vereinbarung über die Freilassung sämtlicher deutscher Kriegsgefangener. Dafür musste Deutschland aber im Gegenzug diplomatische Beziehungen zur Sowjetunion aufnehmen.

Endgültig bedeutungslos wurde die “Hallstein-Doktrin” 1973, als die Vereinten Nationen auf der UNO-Vollversammlung die DDR in die UN aufnahmen.

Willy Brandts Entspannungspolitik

Abseits der deutschen Praxis Konrad Adenauers arbeitete Willy Brandt schon seit 1963 an einer neuen Politik der Annäherung. Gemeinsam mit Egon Bahr entstand so unter dem Motto “Wandel durch Annäherung” eine neue politische Ausrichtung, die der von Adenauer völlig widersprach. Brandt schlug gänzlich andere Töne an, als er am 28. Oktober 1969 in seiner Regierungserklärung sagte:

“Das deutsche Volk braucht den Frieden im vollen Sinne dieses Wortes auch mit den Völkern der Sowjetunion und allen Völkern des europäischen Ostens. Zu einem ehrlichen Versuch der Verständigung sind wir bereit, damit die Folgen des Unheils überwunden werden können, das eine verbrecherische Clique über Europa gebracht hat.”

Rückblickend sollte man aber nicht verklärend werden. Brandts Entspannungspolitik hatte zahlreiche Kritiker, besonders in der CDU und der FDP. Beide Parteien atmeten schon damals die Luft der Russenfeindlichkeit. Allerdings kam Brandts Politik bei der Bevölkerung gut an. Der Wahlkampf 1972 führte am Ende zu einer Wahlbeteiligung von heute unvorstellbaren 91 Prozent und einem Ergebnis für die SPD und Willy Brandt von 45,8 Prozent. Auch das ist übertragen auf die heute realistischen Ergebnisse der SPD (und aller anderen Parteien) eine fast schon surreal anmutende Zahl.

Deutsche Diplomatie 2024: Zu Grabe getragen

Adenauers Alleinvertretungsanspruch gibt es heute wieder. Diesmal betrifft er jedoch nicht die DDR, sondern den Rest der Welt (abzüglich der USA). Es sind die grün angemalten “regelbasierten Werte”, die die deutsche Politik vertritt. Sie sollen auf der ganzen Welt gelten, und wer sich weigert, sie anzuerkennen, muss mit Sanktionen rechnen. Ähnlich wie bei der “Hallstein-Doktrin” sind jene Sanktionen jedoch nicht ausbuchstabiert, ebenso wenig wie die Werte als solche. Sie werden je nach Ausgangslage formuliert, verworfen, erneut formuliert und wieder verworfen. Was sie jedoch nicht beinhalten, ist Diplomatie.

Von Egon Bahr stammen folgende Worte:

“In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.”

Die Interessen der deutschen Politik sind die Interessen der USA, sie verkauft sie nur als “regelbasierte Werte”. Und wenn man die sonnige Interpretation einmal weglässt, passt die Bezeichnung durchaus, denn die USA bestimmen die weltweiten Regeln und machen daraus Werte, denen der Rest der Welt folgen soll. Die Deutschen als willige Helfer spielen dabei eine wichtige Rolle.

Das Interesse der USA ist zudem eine Schwächung Russlands (und Chinas). Egon Bahrs Festhalten an der Entspannungspolitik bis zu seinem Tod 2015 entgegnete im März 2022 SPD-Chef Lars Klingbeil:

“‘Wandel durch Handel’ war das Gebot der Stunde. Dieses Konzept ist gescheitert”

und fasste damit das Ende der deutschen Diplomatie zusammen. Er begründete seine Haltung mit den Worten:

“Rückblickend müssen wir uns natürlich fragen, ob wir den russischen Einmarsch in Georgien 2008, die Annexion der Krim 2014 oder die russischen Auftragsmorde in London und Berlin anders hätten bewerten müssen.”

Und wieder werden die wahren imperialen Interessen hinter blumigen Worten versteckt, die als moralisch und richtig daherkommen, noch dazu als Lüge und Behauptung. Denn im Jahr 2008 griff nicht etwa Russland Georgien an, es war umgekehrt. Die völkerrechtliche Bewertung der Krim ist unter Fachleuten ein kontrovers diskutiertes Thema, das nicht einmal im Ansatz so eindeutig beantwortet wurde, wie Klingbeil dies unterstellt. Und die vielzitierten “Auftragsmorde” sind nie bewiesen worden, die Faktenlage spricht sogar eher dagegen, dass es sie gegeben hat.

Von dem inhaltlichen Unsinn abgesehen, den Klingbeil in dem Zitat von sich gibt, ist ein anderer Punkt aber entscheidender: Mit dieser Denk- und Herangehensweise kann keine Diplomatie entstehen. Denn Diplomatie setzt ein Verhalten voraus,

● das den Agierenden Kompromissbereitschaft und den Willen bescheinigt, die Absichten und die Wünsche jedes Beteiligten zu erkennen

● das sogenannte Win-win-Situationen sucht

● das es möglichst vermeidet, andere Verhandelnde bloßzustellen oder in die Enge zu treiben

● das geeignet ist, den langfristigen Nutzen zu maximieren (es wäre also undiplomatisch, sich einen kurzfristigen Nutzen zu sichern, dabei aber langfristig Nachteile oder Konflikte zu riskieren bzw. in Kauf zu nehmen).

Keines dieser vier Wesenszüge der Diplomatie findet sich in den Worten Klingbeils. Man muss also – über das Zitierte hinausgehend und die gesamte Rhetorik deutscher Politiker berücksichtigend – konstatieren, dass die Diplomatie in Deutschland heute schlicht nicht mehr vorzufinden ist.

Daraus ergibt sich für Deutschlands Rolle in der Welt die Isolierung, die es Russland unterstellt. Kaum noch ein Land mit Bedeutung legt Wert auf Besuche der deutschen Außenministerin, sie wird nicht mehr ernst genommen und gibt Dinge von sich, die diplomatisch nicht zielführend sind. Die Tatsache, dass erst kürzlich ein Besuch Baerbocks in Ungarn kurzfristig von ungarischer Seite abgesagt wurde, ist kein Einzelfall, sondern entspricht dem Image, das deutsche Diplomatie in zahlreichen Ländern der Welt erlangt hat. Gespräche mit Baerbock haben einfach keinen Mehrwert.

Besserung ist nicht in Sicht, denn die nachgewachsenen und weiter nachwachsenden Generationen von Politikern in Deutschland sind weder in der Lage noch haben sie den Willen, Diplomatie in ihren Grundzügen kennenzulernen und anzuwenden. Erschwerend hinzu kommt die Abhängigkeit zu den vornehmlich US-amerikanischen Entscheidern, die das politische Handeln in Deutschland diktieren. Diese legen es auf Eskalation von Streit und Konflikten an, sodass auch hier diplomatisches Verhalten nicht zu erwarten ist.

Die USA werden Deutschland mittelfristig fallen lassen wie eine heiße Kartoffel und die Bedeutung Deutschlands auf der internationalen Bühne wird sich weiter in einer stetigen Abwärtsbewegung befinden. Die “regelbasierten Werte” Deutschlands finden in der Geopolitik immer weniger Beachtung und werden aus der geopolitischen Wahrnehmung gänzlich verschwinden. Für die deutsche Politik bedeutet all das, dass Besuche in anderen Ländern in Zukunft nur noch durch den Lieferanteneingang erfolgen werden. Und das Land mit seinem politischen Personal hat sich das redlich verdient.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: Basar  / shutterstock

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Kommentare (5)

5 Kommentare zu: “Das Ende der deutschen Diplomatie | Von Tom J. Wellbrock

  1. klauspeterkostag@googlemail.com sagt:

    Es gibt die Lehre der Entwicklung. Ihr Name: DIALEKTIK.
    Und zwar der Unterzweig dialektischer Materialismus.
    Das dritte dialektische Grundgesetz heißt NEGATION der NEGATION.
    Es sagt aus, dass bei Fortentwicklungen stets das alte GUTE ubernommen wird, das Dumme/Schlechte nicht, es wird negiert. Deutschland aber entwickelt sich nicht fortschrittlich, weil das erste dialektische Grundgesetz (Kampf und Einheit der Widersprüche) per Meinungsverbot/Meinungsdiktatur (strafbar gemacht) außer Kraft gesetzt ist. Damit hört Entwicklung auf, auch die Negation der Negation kann nicht mehr stattfinden. Willkommen im ideutschsprachigen slamischen Kalifat.
    Damit

    • klauspeterkostag@googlemail.com sagt:

      Es gibt die philosophische Lehre der Entwicklung. Ihr Name: DIALEKTIK.
      Und zwar der Unterzweig dialektischer Materialismus.
      Das dritte dialektische Grundgesetz heißt NEGATION der NEGATION.
      Es sagt aus, dass bei Fortentwicklungen stets das alte GUTE ubernommen wird, das Dumme/Schlechte nicht, es wird negiert. Deutschland aber entwickelt sich nicht fortschrittlich, weil das erste dialektische Grundgesetz (Kampf und Einheit der Widersprüche) per Meinungsverbot/Meinungsdiktatur (strafbar gemacht) außer Kraft gesetzt ist. Damit hört Entwicklung auf, auch die Negation der Negation kann nicht mehr stattfinden. Willkommen im deutschsprachigen islamischen Kalifat.

  2. Wer sich einmal eine etwas andere Darstellung der deutschen politischen Geschehnisse vor und nach WK2 "antun" möchte – Reinhard Leube hat im Anderwelt Verlag hierüber 8 Bände veröffentlicht.
    Jeder kann sich, wie bei allen anderen großen Narrativen, eigenes Wissen im Rahmen seines Weltbildes aneignen – auch ohne Platitüden wie "Gehlen, der alte Nazi", und andere….

  3. espero5 sagt:

    NEBEN ANDEREN die Standpunkte von Tom J. Wellbrock haben eine große faktische und argumentative Kraft.

  4. vizero 13 sagt:

    War denn Hallstein nicht auch einer der Nazipolitiker?

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