Buchrezension: “Kognitive Kriegsführung”

Der Mensch als Schlachtfeld

Eine Rezension von Eugen Zentner.

In der Zivilisationsgeschichte wurden Menschen immer wieder dazu gebracht, in den Krieg zu ziehen, obwohl sie es eigentlich nicht wollten – oftmals mit perfiden Manipulationstechniken. Ihre Entwicklung verbesserte sich parallel mit dem Fortschritt der modernen Wissenschaften, die es ermöglichten, Erkenntnisse über psychologische wie soziale Prozesse für die Meinungslenkung nutzbar zu machen. Mittlerweile ist dieser Bereich stark professionalisiert und trägt den Namen „Cognitive Warfare – zu Deutsch: Kognitive Kriegsführung. Der Propagandaforscher Jonas Tögel hat darüber nun ein ganzes Buch (https://www.westendverlag.de/buch/kognitive-kriegsfuehrung/) geschrieben. Auf knapp 200 Seiten erläutert er die unterschiedlichen Aspekte dieses relativ neuen Phänomens und skizziert insbesondere den Weg, den die NATO in der Kognitiven Kriegsführung anvisiert.

Die Militärs, so Tögel, überlegten schon jetzt, ob das traditionelle Schlachtfeld überhaupt noch von Relevanz sei, wenn man durch psychologische Manipulation doch nachhaltigere und bessere Ergebnisse erzielen könne. Deswegen rücke der Mensch zunehmend ins Visier und werde gleichsam zum sechsten Kriegsschauplatz – neben denen zu Lande, zu Wasser, in der Luft, im Internet und im Weltraum. Mit der zunehmenden Bedeutung der „kognitiven Sphäre“ richte die NATO ihr Augenmerk verstärkt auf Soft Power. Tögel verwendet diesen Begriff für alle Techniken, „welche man einsetzen kann, um Menschen so zu steuern, dass sie diese Beeinflussung nicht bemerken“. Insgesamt zählt der Autor vier übergeordnete Bereiche auf, in denen Soft Power zum Einsatz kommt: Kriegspropaganda, digitale Manipulation, kulturelle Manipulation sowie Zukunftstechnologien und Neurowissenschaften.

Wenn Tögel jedes dieser Anwendungsgebiete abhandelt, zitiert er unter anderem Originalaussagen, die in NATO-Dossiers zu finden sind oder auf entsprechenden Symposien getätigt wurden. Ebenso aufschlussreich ist ein Abschnitt über einen Innovationswettbewerb zum Thema Cognitive Warfare, bei dem acht der zehn Finalisten Computerprogramme für die digitale Manipulation entwickelt haben. Solche Passagen verdeutlichen, wie weit die Forschung und Technik in diesem Bereich fortgeschritten ist. Sie stimmen nachdenklich und können durchaus den Glauben an eine unbeschwerte Zukunft nehmen. Hoffnung ist in dem Buch rar gesät.

Wer nach optimistischen Botschaften sucht, muss bis zum Schluss warten. Der Großteil der Ausführungen klingt eher besorgniserregend, weil der Befund oftmals den Raum des Vorstellbaren übersteigt. Und dennoch ist es wichtig, sich auf die Lektüre einzulassen. Sie vermittelt wichtiges Wissen, das notwendig erscheint, um der manipulativen Beeinflussung nicht völlig anheimzufallen. Viele gerade historische Informationen dürften ohnehin bekannt sein. Dazu zählen die Propagandamethoden, die mit Namen wie Edward Bernays oder Walter Lippmann in Verbindung stehen. Bei seiner Auseinandersetzung mit Soft Power geht Tögel darauf genauso ein wie auf das Ludlow-Massaker und die Creel-Kommission. Ebenso streift er die bekannten Experimente von Solomon Ash und Stanley Milgram. Er erläutert die Bedeutung der Sprache bei Propaganda und beschreibt Techniken, die sich hinter solchen Begriffen wie „Prebunking“ verstecken.

Letztere hat seit geraumer Zeit Konjunktur. Sie entfaltet immer dann ihre Wirkung, wenn wieder einmal von einer „Verschwörungstheorie“ oder einem „Verschwörungstheoretiker“ die Rede ist. Prebunking bedeutet nämlich, „dass die Gedanken und Gefühle von Menschen so beeinflusst werden, dass sie eine spätere Behauptung bereits für falsch halten, noch bevor sie mit ihr in Kontakt kommen“. Wie zuverlässig diese Strategie ist, hat erst kürzlich die Kontroverse um die Auftritte des Historikers und Friedensforschers Daniele Ganser vor Augen geführt. Bei einer Protestveranstaltung in Dortmund wurden einige Teilnehmer gefragt, ob ihm eine Bühne gegeben werden dürfe. Die Antworten fielen negativ aus und wurden damit begründet, dass Ganser doch ein „Verschwörungstheoretiker“ sei. Was genau an seinen Aussagen dieses Urteil stützt, konnten die Gefragten jedoch nicht sagen. Sie verließen sich diesbezüglich auf die Presse, so ihre Worte. Mit Ganser selbst hätten sie sich nicht auseinandergesetzt – und wollten es nach der negativen Berichterstattung auch gar nicht.

Wie zielsicher Techniken wie das Prebunking ihren Zweck erfüllen, wirkt bereits beunruhigend. Gruselig wird es jedoch, wenn Tögel veranschaulicht, wie mittlerweile die Neurowissenschaften militarisiert werden. Eine Form der Manipulation, schreibt er, werde schon heute diskutiert: die „Verschmelzung von Krankheitserregern mit Computer- und Nanotechnolgie“. Beispielsweise arbeite man an kleinen Waffen, deren Funktionsweise Tögel so beschreibt:

„Diese würde man über die Nahrung unbemerkt aufnehmen und sie würden mit dem Nervensystem im Körper interagieren, womit sich die Gedanken und Gefühle ganzer Bevölkerungen durch eine neue Form von Gedankenkontrolle lenken ließen.“

Als eine weitere Einsatzmöglichkeit für besonders fortschrittliche Techniken sieht Tögel die Überwachung der Gedanken und Gefühle, die durch die Beobachtung von Menschen erfolgen soll – beispielsweise mit Hilfe von Überwachungskameras. Solche Zukunftsaussichten machen nicht gerade Mut, zumal in den Manualen der NATO zu lesen ist, dass der menschliche Verstand zum Hauptziel militärischer Bemühungen avancieren und Cyber- und Soziale Kriege wohl zunehmen würden.

„Anders ausgedrückt“, schreibt der Propagandaforscher, ehe er zu den möglichen Auswegen kommt, „steht gemäß diesen Planungen eine so umfangreiche Manipulationsoffensive bevor, dass man den Menschen irgendwann wie einen Computer wird ‚hacken‘ können – zumindest wenn es nach den Plänen der NATO geht.“

Doch wie kann man sich diesem Wahnsinn entziehen? Die Vorschläge klingen so niedlich wie hilflos. Tögel setzt auf Empowerment, rät dazu, nach innen zu schauen, sich auf das Positive zu konzentrieren. Das sei genauso wichtig wie die Vernetzung mit Gleichgesinnten und die Erkennung der Manipulationswaffen. Letzteres ist zweifellos die Minimalvoraussetzung. Um aber die vielen Soft-Power-Techniken zu erkennen, muss man sie vorher kennen. Dafür liefert Tögels Buch dann doch eine formidable Grundlage, zumal es am Ende eine komprimierte Liste mit den behandelten Methoden der Kognitiven Kriegsführung enthält. Wer sich mental stärken möchte, beginnt die Lektüre am besten mit ihr.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: New Africa / Shutterstock.com

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Kommentare (2)

2 Kommentare zu: “Buchrezension: “Kognitive Kriegsführung”

  1. vizero 13 sagt:

    Das ist in der Tat ein Buch, das alle lesen sollte. Da werden die ganzen Methoden aufgezeigt, mit denen wir manipuliert werden, aber auch, wie man sich dagegen immunisieren kann (Nach meiner Erfahrung muss diese Immunisiserung aber regelmäßig wiederholt werden).
    Und man sollte beim Lesen auch immer dran denken, dass der eigentliche Krieg der von Reich gegen Arm ist (hat jedenfalls ein Mitglied der Reichen , Warren Buffet 2006 erklärt).

    • vizero 13 sagt:

      Die Reichen müssen es aber nicht lesen, die wissen ja schon bescheid und nutzen diese Waffen, die seit über 100 Jahren immer perfekter werden, aber alle anderen sollten sich bewusst werden, womit sie bekämpft werden (werden). Das betrifft natürlich auch die Fachleute, die sich für diesen Krieg der Reichen einspannen lassen, denn sie gehören nicht dazu und sind nur Werkzeuge, die, wenn sie nicht mehr gebraucht werden, auf dem Müll landen wie alle anderen Armen auch.
      Vielleicht noch Buffets Definition von Reich zur Verdeutlichung: Reich ist, wer beim Geldzählen nciht merht, wenn mal ein paar Millionen ($) unter den Tisch fallen, alle anderen zählen nicht zu dieser Gemeinschaft.

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