Ein Kommentar von Wolfgang Effenberger.
Großbritannien: Lieferung von Challenger-Kampfpanzern samt Uran-Munition
Auf Anfrage von Raymond Hervey Jolliffe, 5th Baron Hylton, einer von 92 erblichen Peers ins House of Lords gewählten Lords und ein dynamischer Kämpfer für den Frieden, ob „die Munition, die derzeit an die Ukraine geliefert wird, abgereichertes Uran enthält“(1) am 22. März 2023, erwiderte die konservative britische Abgeordnete und Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Baronesse Annabel Goldie:
"Wir werden der Ukraine nicht nur ein Geschwader Challenger 2 Kampfpanzer zur Verfügung stellen, sondern auch Munition, darunter panzerbrechende Geschosse, die abgereichertes Uran enthalten“.(2)
Die Baronesse ließ den Lord dann noch wissen, dass solche Geschosse äußerst wirksam gegen moderne Panzer und gepanzerte Fahrzeuge sind. Umgehend verurteilte das russische Außenministerium den britischen Plan, der Ukraine Munition mit abgereichertem Uran zur Verfügung zu stellen, da derartige Munition krebserregend sei und die Umwelt belaste. Prompt wies London die Sichtweise Moskaus zurück und bezeichnete abgereichertes Uran als "Standardkomponente", die nichts mit Nuklearwaffen zu tun habe. Die britische Armee nutze abgereichertes Uran seit Jahrzehnten in Munition. Die BBC zitierte zudem einen ehemaligen britischen Panzerkommandeur, demzufolge die betreffende Munition in Challenger-2-Panzern lediglich Spurenelemente von abgereichertem Uran enthalte. Er nannte Putins Reaktion eine "klassische Desinformation".(3)
Das kommt nicht überraschend. Die Munition aus abgereichertem Uran 238 (englisch: Depleted Uranium, kurz: DU), deren Ächtung seit 30 Jahren weltweit gefordert wird, wurde bisher vor allem von den Exponenten der westlichen Wertegemeinschaft, den USA und Großbritannien, eingesetzt: 320 Tonnen im Zweiten Golfkrieg 1991, 10 Tonnen im Kosovo-Krieg 1999 (annähernd 32.000 DU-Panzergranaten) und zwischen 1.000 und 2.000 Tonnen im Irakkrieg 2003.(4) Und immer verharmlosten westlich Politiker und westliche Leitmedien die Gefährlichkeit dieser Waffe.
Was ist eigentlich abgereichertes Uran 238?
Patricia Axelrod, eine auf die Analyse von Waffensystemen spezialisierte US-Militärwissenschaftlerin, hält die Bezeichnung abgereichertes Uran 238 für irreführend und ist überzeugt, dass damit der Öffentlichkeit, der Bevölkerung und den Soldaten im Allgemeinen ein schlechter Dienst erwiesen wird. Abgereichertes Uran steht in seiner Giftigkeit und seinen Auswirkungen auf die Bürger, die Zivilbevölkerung und die Soldaten dem nicht abgereicherten Uran in nichts nach.(5)
Abgereichertes Uran 238 fällt als Abfallprodukt bei der Herstellung von Kernbrennstoff für Atomkraftwerke an, die das spaltbare Uran 235 benötigen (das Uran muss von 0,7% auf mind. 3,2% angereichert werden), damit die Kettenreaktion zur atomaren Kernspaltung (und zum Betreiben des KKWs) überhaupt erfolgen kann. Da das Natur-Uran(6) zu 99,3 % aus nichtspaltbaren Uran 238 besteht und das für die Anreicherung benötigte Uran 235 nicht vollständig aus dem Natur-Uran herausgetrennt werden kann, nennt man den Abfall, das Uran 238, auch abgereichertes Uran (englisch: Depleted Uranium = DU).(7)
Spaltbares U-234 und U-235 findet auch Verwendung bei der Herstellung der A-Bombe. U-238 wird eingesetzt in Geschossen, in Gegengewichten (counterweights), in Panzerungen (shielding) und nunmehr auch in kommerziellem Beton (DUCRETE). „DU-Munition umfaßt Eindringgeschosse (penetrators) der Kaliber 7,62 mm, 50 cal., 20 mm (180 gr.), 25 mm (200 gr.), 30 mm (280 gr.), 105 mm (3500 gr.) und 120 mm (4500 gr.) sowie ADAM- und PDM-Streubomben. DU-Munition ist, im Widerspruch zu früheren Berichten, nicht mit einer Spitze oder einem Mantel aus DU versehen, sondern besteht aus solidem Uran 238 mit den vorstehend angegebenen ungefähren Bestandteilen. Beim Aufschlag entstehen radioaktive und Schwermetallgift enthaltende U-238-Splitter und gefährliche Dioxide, die beseitigt werden müssen, um künftige Gefährdungen zu vermeiden“(8), so die Ausführungen von Dr. Doug Rokke – Arzt und Umweltphysiker.
Die zerstörerische Wirkung der DU-Munition beruht auf der Durchschlagskraft, die mit der Masse und der Geschwindigkeit des Geschosses steigt. Um bei gleicher Geschossgröße eine möglichst große Masse zu erreichen, muss man das Geschoss aus einem Material mit möglichst großer Dichte herstellen. Mit der hohen Dichte von 18,95 g/cm3 wird sogar Wolfram übertroffen, was diese Munition auch sehr kostengünstig macht. Auf der anderen Seite können auf diese Weise ebenfalls kostengünstig radioaktive Abfälle entsorgt werden. Beim Eindringen dieser Projektile in ein gepanzertes Ziel bildet sich heißer, feinster Uranstaub, der sich bei Luftkontakt im Inneren spontan entzündet: die mitgeführte Munition oder der Treibstoff entzündet sich ebenfalls. Durch das Schmelzen, Zerstäuben und Entzünden des Urans entstehen Uranpartikel, Urandioxide und z.T. Spuren von Plutoniumoxid in Form von Aerosolen (Nano-Partikel, die hundertmal kleiner als ein Sandkorn sind), die in die Umgebungsluft gelangen. Lebensgefährlich kann es werden, wenn die strahlenden Partikel in den Körper aufgenommen werden – durch Einatmung oder über Wunden direkt in den Blutkreislauf. Einmal im Körper, werden Alphastrahler gefährlich destruktiv.(9) Grundlagenuntersuchungen zur möglichen Strahlenbelastung durch DU-Munition wurden vom Helmholtz-Zentrum München vorgelegt.(10) Solange die Geschosse in den Magazinen ruhen, schirmt die Hülse den DU-Kern ab.
Vor dem Einsatz dieser Uran-Munition im Ukraine-Konflikt muss auf die damit zusammenhängende Eskalationsgefahr verwiesen werden: Erstens im Hinblick auf die Bevölkerung und Umwelt und zweitens im Hinblick auf eine mögliche nukleare Kriegsausweitung.
Siegwart-Horst Günther: Tropenmediziner und Forscher zum Krankheitsbild durch Uranmunition.
Am 30. September 2006 wurde Herr Prof. Dr. Dr. hc. Siegwart-Horst Günther (1925-2015) im Rahmen der Tagung "Zivilcourage in der Risikogesellschaft" mit dem Zivilcourage-Preis der Evangelischen Akademie Iserlohn ausgezeichnet; er hatte die fatalen Wirkungen der im Golfkrieg (1991) und im Kosovo (1999) eingesetzten Munition aus abgereichertem Uran bekannt gemacht.
Im zweiten Weltkrieg schwer verwundet, gegen Kriegsende wegen seines Kontakts zu Widerstandsgruppen in das KZ Buchenwald eingeliefert, studierte er nach der Befreiung Humanmedizin mit einer zusätzlichen Ausrichtung zur Tropenmedizin. Als Arzt arbeitete er bei seinem großen Vorbild Albert Schweitzer in Lambarene, dessen Lebensmotto "Ehrfurcht vor dem Leben" ihm eine lebenslange Motivation wurde. Später übte er seine medizinische Tätigkeit in Ägypten, Syrien, Israel sowie im Irak aus, wo Professor Günther von 1990 bis 1995 in der Universitätsklinik in Bagdad arbeitete. Ab 1991 wurde er mit einem signifikanten Anstieg bestimmter Krebserkrankungen und mit schweren Missbildungen bei Neugeborenen konfrontiert. Günther führte als Erster diese schrecklichen gesundheitlichen und genetischen Folgen auf die Verwendung von urangehärteter Munition durch die USA zurück und konnte den Nachweis erbringen, dass Uranwaffen radiologisch und chemisch giftig und die Ursache des von ihm entdeckten Golfkriegssyndroms (Leukämie und genetische Defekte, Missbildung bei Neugeborenen und Krebs bei Erwachsenen) sind.(11)
US-Militär nutzt Günthers Forschungsergebnisse
Nach dem Golfkrieg von 1991 war das US-Militär über die Folgen der mit Uran abgereicherten Munition sehr beunruhigt, und so beauftragte das US-Verteidigungsministerium Major Dr. Doug Rokke mit der Klärung und stellte ihm eine Expertengruppe zur Seite. Rokke nahm Verbindung zu Prof. Günther auf, schaute sich dessen Forschungsergebnisse an und begann mit seinem Team, die Einsatzfolgen der Uranmunition zu untersuchen. Dabei erkrankten mehrere Mitglieder der Gruppe. Zwei von ihnen starben. Rokke und sein Team erkannten die vom Einsatz der DU-Munition ausgehende Gefahr für die Gesundheit und verfassten militärische Dienstanweisungen für den Umgang der US-Soldaten mit Uran-Munition. Dokumente des US-Energieministeriums, die am 29. Januar 2000 freigegeben wurden, bestätigen die Gefahren von Uran-Einwirkungen.
„Bei DU-verseuchtem Gerät muss im Umkreis von 80 Fuß (ca. 24 Meter) von jedem Atem- und Hautschutz getragen werden. Eine DU-Verseuchung macht Nahrung und Wasser unbrauchbar. Unbestreitbare Beweise belegen heute, daß für Gesundheit und Umwelt verderbliche Folgen auftreten, wenn die Verseuchung nicht gänzlich beseitigt ist!“(12)
Bei der Aufnahme von verstrahlten Partikeln durch den Körper drohe Gefahr für Leib und Leben. Die Partikel dürften keinesfalls in den Magen und die Lunge geraten. Getroffene Panzer müssten unmittelbar versiegelt und fortgeschafft werden. Es ist also nicht der schwach radioaktiv strahlende Urankern dieser Projektile, sondern es sind die vom Menschen aufgenommenen verstrahlten Partikel in Nanogröße, die lebensgefährlich sind. Ein Geschoss enthält etwa 270 Gramm Uran-238. Allein im Kosovo-Krieg sind davon fast 32.000 abgefeuert worden.(13) Soldaten können sich – unter Beachtung einer Dienstanweisung und mit entsprechender Kleidung – weitestgehend schützen. Aber welchen Schutz hat die Bevölkerung? Der kanadische Chemiker Hari Sharma hat die Auswirkungen dieser Munition bei irakischen Kindern dokumentiert. In seinen damaligen Berechnungen ging er davon aus, dass nach dem Golfkrieg bis zu 35.000 Menschen daran sterben werden.(14) Das Magazin Der Spiegel brachte am 2. Januar 2013 unter dem Titel „Wie real darf es sein?“ eine Foto-Reportage über tote und mißgebildete Kleinkinder durch die mutmaßlichen Folgen von Uranmunition im Irak – der Anblick ist wahrlich nichts für schwache Nerven!(15)
Um die Gefährlichkeit von DU nachzuweisen, sammelte Günter 1995 einige von den USA im Irak verschossene Uranmunitionsteile, ließ sie in einem Diplomatenkoffer nach Berlin bringen und dort in drei anerkannten Laboren (Hahn-Meitner-Institut, FU-Klinikum Berlin-Charlottenburg, Berliner Humboldt-Universität) untersuchen. Diese drei voneinander unabhängigen Labore bestätigten die radioaktive Gefährlichkeit dieser Geschosse. Als dies den Behörden bekannt wurde, wurde er verhaftet. Als Grund wurde ihm „unerlaubter Waffenbesitz und Verbreitung von radioaktivem Material“ genannt. Die Haftstrafe wurde später zu einer Geldstrafe von 3.000 DM umgewandelt, deren Zahlung er verweigerte. Er musste daraufhin wieder ins Gefängnis und wurde nach einem Hungerstreik und der Stellung einer Kaution fünf Wochen später wieder aus der Haft entlassen.(16) Dieses Vorgehen der Behörden ist ein klarer Gegenbeweis im Hinblick auf die immer noch behauptete Unbedenklichkeit der Uranmunition.
Film-Dokumentation über ein Kriegsverbrechen: "Der Arzt und die verstrahlten Kinder von Basra" von Frieder Wagner (2004)
Der Film begleitet Professor Günther, den Spezialisten für Uranmunition, Präsident des Gelben Kreuzes und Verfasser des Buchs: "Uran-Geschosse: Schwergeschädigte Soldaten, missgebildete Neugeborene, sterbende Kinder" in den Irak und in den Kosovo und dokumentiert so den gefährlichen und außergewöhnlich mutigen Einsatz des rastlosen Arztes, dieses immer wieder verharmloste und immer noch die Menschheit bedrohende Kriegsverbrechen publik zu machen. Ein Kriegsverbrechen nach dem Genfer Protokoll vom 17. Juni 1925, das mit vollem Titel "Protokoll über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege" heißt und den Vertragsstaaten verbietet, chemische und biologische Waffen einzusetzen (die Atomwaffen waren damals noch nicht bekannt).
Der Dokumentarfilm beleuchtet den Einsatz der Uranmunition im Irak, im Bosnienkrieg in Serbien und im Kosovo. Diese Wunderwaffe der Alliierten durchdringt einen feindlichen Panzer wie ein Messer die Butter und verbrennt dabei das radioaktive Uran, das zudem hochgiftig ist und eine Halbwertszeit von 4,5 Milliarden Jahren hat, zu winzigsten Nano-Partikelchen –hundert Mal kleiner als ein rotes Blutkörperchen. Eingeatmet können diese Partikel tödliche Krebstumore und Leukämie verursachen und den genetischen Code aller Lebewesen für viele Generationen deformieren.
In den betroffenen Ländern sind inzwischen ganze Regionen unbewohnbar geworden. Die furchtbaren Folgen der Uranmunition sind die wohl unbequemste Wahrheit überhaupt, denn mit dem Wind wird dieser Todesstaub um die ganze Welt getragen.(17)
Dem Verfasser dieses Artikels, 1973/74 in Zweitfunktion ABC-Abwehroffizier eines Pionierbataillons liegt die Aufklärung über Verwendung und Folgen dieser Munition besonders am Herzen. So war er dankbar, am 1. Februar 2007 anlässlich der Vorführung des Films durch die Schweißfurth-Stiftung in München-Nymphenburg mit Herrn Prof. Siegwart-Horst Günther über die unbequemen Wahrheiten zu den Folgen von Uranmunition ein Gespräch führen zu können. Und Anfang September 2007 erlebte der Verfasser auf dem Kongress «Mut zur Ethik» in Feldkirch/Vorarlberg eine Videozuschaltung mit Prof. Dr. Doug Rokke. Der hob seine Freundschaft zu Prof. Dr. Siegwart-Horst Günther hervor und drückte seine Bestürzung aus, dass sein Freund kaum noch seine Existenz bestreiten und eine notwendige Bandscheibenoperation nicht bezahlen konnte. Rokke bat um Spenden und kündigte selbst seine Hilfe an.
Am 17. Januar 2015 verstarb Prof. Dr. Dr. hc. Horst Siegwart Günther. In seinem Heimatland unbeliebt, waren ihm für seine Arbeit und seinen Mut hohe Ehrungen aus aller Welt zuteil geworden, so vom damaligen Generalsekretär der UNO, Boutros Boutros-Gali sowie die von ihm besonders geschätzte Friedensmedaille der Universität Nagasaki. Die Schweizer Hippokratische Gesellschaft würdigte Günther in ihrer Traueranzeige:
„Für seinen Mut und seine Zivilcourage musste er unter schweren Angriffen, Inhaftierung und Misshandlung leiden, es wurden sogar Anschläge auf ihn verübt. Professor Günther ist eines der ärztlichen Vorbilder der Neuzeit, der sich über seine zutiefst humane ärztliche Tätigkeit am einzelnen Menschen hinaus auch unbestechlich für die wissenschaftliche Wahrheit und die Humanität in unserer Welt eingesetzt hat. Dafür sind wir ihm sehr dankbar.“(18)
Im November 2017 trat der Verfasser zum Thema "Atomwaffen, Bundeswehr & Kriegsgefahr" bei Frank Höfer (Barcode/Nuoviso) auf. Die Youtube-Videos sind inzwischen alle gelöscht worden.
Angesichts der massiven Interessen am Einsatz von Uran-Munition durch die Atomindustrie und den Militärisch-industriellen-finanziellen–Komplex, die preiswerte Entsorgung des Atommülls auf dem Schlachtfeld und die effektive Panzerbekämpfung ist die Politik der Verharmlosung verständlich. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es nach Angaben des Branchenverbands der Atom-Industrie "World Nuclear Association" (WNA) 2016 weltweit rund 1,6 Millionen Tonnen DU gab und jedes Jahr noch 50.000 Tonnen hinzukommen.
Das Leugnen der Gefährlichkeit dieser Munition hat Tradition.
Während des Kosovo-Krieges hatte das ARD-Magazin Monitor in Vorbereitung auf die Sendung vom 22. April 1999 "Apache-Hubschrauber mit radioaktiver Munition" dem damaligen Außenminister Joseph Fischer die Gefährlichkeit der Uran-Munition dokumentiert und um Stellungnahme gebeten. Zwei Wochen vor dem Sendetermin teilte Herr Fischer schriftlich mit: „Dem Auswärtigen Amt ist bekannt, dass solche Munition im Kosovo-Konflikt zum Einsatz kommen kann ... [Es] ist jedoch davon auszugehen, dass Gefährdungen der von Ihnen beschriebenen Art für Mensch und Umwelt nicht auftreten.“(19) Hatte hier der Minister auf seine Erfahrungen als hessischer Umweltminister zurückgreifen können? In der gleichen Sendung wurde der Umweltphysiker Rokke zitiert:
„Die Apaches und die A-10 feuern in jeder Minute Tausende Uran-Geschosse ab. Jedes Geschoß enthält rund ein halbes Pfund Uran-238. Wir bekämpfen die Serben, damit die vertriebenen Kosovaren zurückkehren können. Aber wie sollen die Kosovaren in diese Gegend zurückkehren können, in eine radioaktive Wüste, wo ihr Land, ihre Städte mit Uran-Geschossen übersät sind?“(20)
Zum Abschluss der Sendung konnte Klaus Bednarz nur noch ironisch zusammenfassen:
„Die NATO hat inzwischen den geplanten Einsatz dieser Waffen zugegeben. Sie seien, so ein NATO-Sprecher, ganz harmlos. Gefährlich sei es nur, wenn man ein paar Granaten essen würde. Informationspolitik im Krieg... Übrigens: Auch in Deutschland sind derartige radioaktive Waffen stationiert - unter anderem auf dem US-Flughafen Spangdahlem in der Eifel."(21)
Obwohl in einem im März 2003 veröffentlichten UN-Bericht(22) der Nachweis geführt wurde, dass in Bosnien noch 8 bis 9 Jahre nach dem Einsatz von Uranwaffen im Boden, in der Luft und im Trinkwasser Partikel abgereicherten Urans gefunden wurden,(23) bestreiten nach wie vor immer wieder Wissenschaftler die Gefahr durch Uran-Munition und verweisen auf deren angeblich geringe Strahlenbelastung.(24) So wundert es auch nicht, dass nach Studien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) keine besondere radiologische Gefährdung vorliegt. Der Hin- und Nachweis auf die Gefährlichkeit der Uranmunition kommt fast ausschließlich von unabhängigen Wissenschaftlern.
Internationale Symposien zur Bombardierung Ex-Jugoslawiens mit Uranmunition
Am 24. Juni 2019, 20 Jahre nach dem Ende der nicht UN-mandatierten und damit völkerrechtswidrigen NATO-Operation Allied Forces luden die Koalition zur Ächtung von Uranwaffen (ICBUW), die IPPNW, die Juristenvereinigung gegen Kernwaffen (IALANA), das International Peace Bureau (IPB) sowie das Internationale Uranium Film Festival (IUFF) zur Film- und Diskussionsveranstaltung ins Zeiss-Großplanetarium in Berlin ein. In der gemeinsamen Erklärung hieß es:
„Gerade jetzt, 20 Jahre später, zeigt sich das Ausmaß der angerichteten Schäden. Viele Menschen in den betroffenen, toxisch belasteten Regionen sind an Krebs erkrankt oder gestorben. Die medizinische Versorgungssituation ist oft unzureichend, und es erwies sich als zu kostspielig oder völlig unmöglich, verseuchte Gebiete zu dekontaminieren“.
Genau dieses Bild erbrachten die beiden internationalen Symposien, die zur Thematik in Nis/Serbien im Juni dieses und des vergangenen Jahres stattfanden. Sie rückten die Lage der DU-Opfer in den Mittelpunkt, denen endlich wirksam geholfen werden muss (was auch Vorrang vor Dekontaminierungsbemühungen haben sollte).(25)
Abschließend schlug das ICBUW vor, die Menschenrechte stärker ins Spiel zu bringen, denn sie würden, neben Humanitärem Völkerrecht und Umweltrecht, großes juristisch-politisches Potential bieten mit dem Vorteil, dass der Fokus auf Schutz und Hilfe für die Opfer liegt. Dabei geht es, im allgemeinen DU-Kontext, um das Recht auf Leben und Gesundheit, auf eine gesunde Umwelt, auf sauberes Trinkwasser, auf Information und auf Schutz vor toxischen Substanzen.
Politische Dimension eines DU-Einsatzes in der Ukraine
Die Ankündigung des Einsatzes von Uranmunition löste in Moskau Irritationen bis in die höchste Ebene aus. Während seiner Erklärungen anlässlich des Besuchs des chinesischen Staatschefs Xi Jinping in Moskau ging der russische Präsident Putin explizit auf die kurz vorher bekannt gewordenen Pläne ein und drohte Großbritannien für den Fall der Lieferung solcher Munition, Moskau sei in diesem Fall "gezwungen, zu reagieren".(26) Verteidigungsminister Schoigu sprach sogar von "atomarer Kollision" zwischen dem Westen und seinem Land.
Bereits im Januar 2023 hatte Moskau in Hinsicht auf andere Panzertypen scharf vor dem Einsatz von Uranmunition gewarnt. „Wir wissen, dass die Panzer Leopard-2 sowie die gepanzerten Infanterieträger Bradley und Marder mit panzerbrechenden Projektilen mit Uransprengköpfen bewaffnet sind“(27), erklärte der Leiter der russischen Delegation bei den Wiener Gesprächen zu Militärsicherheit und Rüstungskontrolle, Konstantin Gawrilow.
„Ihr Einsatz führt zu der Kontamination des Gebiets, wie es im ehemaligen Jugoslawien und im Irak der Fall war. Falls solche Munition für schwere NATO-Waffen nach Kiew geliefert wird, werden wir dies als den Einsatz schmutziger Atombomben gegen Russland mit allen damit verbundenen Konsequenzen betrachten“.(28)
Als Reaktion auf die Bombardierung durch die NATO leitete das ehemalige Jugoslawien am 29. April 1999 ein Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof gegen die zehn direkt an dem Angriff beteiligten NATO-Mitglieder – Belgien, Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, die Niederlande, Portugal, Spanien, das Vereinigte Königreich und die USA – ein und berief sich dabei auf eine Reihe von Verstößen gegen das Völkerrecht (zu dem auch die Verpflichtung gehört, keine verbotenen Waffen einzusetzen)(29). Am 12. Mai 2010 wurde die Klage des Staatenbundes Serbien-Montenegro gegen acht Nato-Staaten wegen des Kosovo-Kriegs abgewiesen, weil zum Zeitpunkt der Klageerhebung Serbien-Montenegro kein Mitglied der Vereinten Nationen gewesen sei. Die alte Bundesrepublik Jugoslawien sei längst zerfallen gewesen, und Serbien-Montenegro erst später der Völkerorganisation neu beigetreten.(30)
Können sich nun die Schäden an Umwelt und Menschen durch die im Kosovo eingesetzte Uran-Munition in der Ukraine wiederholen? Das wird zumindest in Moskau befürchtet, während London durchaus bereit ist, eine weitere, gefährliche Eskalation in Kauf zu nehmen.
Nun will Russland seine taktischen Atomwaffen in Weißrussland stationieren. Als Begründung wurde angegeben, dass Weißrussland diesen Wunsch als Reaktion auf die Erklärung von Baronin Goldie in London geäußert habe. Putin verwies in diesem Zusammenhang auch auf die jahrzehntelange Stationierung von Atomwaffen durch die USA auf dem Territorium der verbündeten NATO-Länder.
EU und NATO verurteilten am Sonntag, dem 26. März, diese Absicht Russlands; Minsk solle diesen Schritt überdenken, da eine Eskalation des Konflikts befürchtet wird. Doch wer eskaliert jeweils? EU-Chefdiplomat Josep Borrell sieht in der Entscheidung Moskaus „eine unverantwortliche Eskalation und eine Bedrohung für die europäische Sicherheit“ und versprach, "weitere Sanktionen" gegen Belarus zu verhängen!
Inzwischen geht Moskau von einem langen hybriden Krieg mit dem Westen aus. Vom Einsatz der Uranmunition wird sich der Westen nicht abbringen lassen. Die Eskalation ist Programm – natürlich geht es auch um die Gewöhnung an den Einsatz von nuklearer Munition: zunächst Granaten, dann Mini-Nukes und dann …….
Die im Gegensatz zu einem Wolfram-Geschoss erhöhte Eindringgeschwindigkeit von DU-Geschossen in gehärtete Ziele dürfte in der Tat zweitrangig sein. Uran-Munition darf durchaus als eine Massenvernichtungswaffe mit Verzögerungseffekt gesehen werden, die zwischen Kombattanten und Zivilpersonen keinen Unterschied macht. Das Sterben kommt später, aber es kommt. Durch Krebserkrankungen werden gesellschaftliche Kräfte gebunden und das soziale Funktionieren beeinträchtigt; Schwangerschaften werden gefährdet und genetische Missbildungen hervorgerufen.
Wann wird endlich auch von den Grünen und Klimabewegten der Ruf nach Ächtung des Krieges zum Schutz von Menschen, Umwelt und Klima laut? Fällt der Widerspruch zwischen Anspruch und tatsächlicher Politik tatsächlich nur den Gegnern dieses inszenierten Gutmenschentums auf?
Quellen und Anmerkungen Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete „atomare Gefechtsfeld“ in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm
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„Schwarzbuch EU & NATO“ (2020) sowie “Die unterschätzte Macht” (2022) 1) https://www.indianpunchline.com/moscow-calls-out-us-rules-based-order-in-europe/ 2) https://www.indianpunchline.com/moscow-calls-out-us-rules-based-order-in-europe/ 3) https://www.n-tv.de/politik/Britische-Munitionsplaene-erzuernen-Russland-article24002382.htm 4) Wolfgang Effenberger: Tödlich verstrahlte Partikel. Leserbrief in der SZ vom 18. Januar 2001 S. 13 zu Uran-Munition: Forscher bestreiten Gefahr vom 9. Januar 2001 5) Giftigkeit und seine Auswirkungen auf die Bürger, die Zivilbevölkerung und die Soldaten im Allgemeinen sind nicht wirklich verschwunden. 6) Natururan besteht aus den Isotopen U-238, U-234 und U-235. Nach der Entfernung des Isotops U-235 aus dem natürlichen Isotopengemisch in uranhaltigen Erzen bleibt das so genannte abgereicherte Uran übrig. Dieses sehr schwere und feste Metall wird unter anderem in der Medizin und in der Rüstungsindustrie verwendet. 7) https://www.welt.de/gesundheit/article173224341/Uran-Munition-Wie-schlimm-sind-die-gesundheitlichen-Folgen.html 8) Doug Rokke: Einsatz von abgereichertem Uran: Ein Verbrechen gegen die Menschheit unter http://www.ag-friedensforschung.de/themen/DU-Geschosse/Rokke.html 9) https://www.welt.de/gesundheit/article173224341/Uran-Munition-Wie-schlimm-sind-die-gesundheitlichen-Folgen.html 10) Li WB, Gerstmann UC, Höllriegl V, Szymczak W, Roth P, Hoeschen C, Oeh U: Radiation dose assessment of exposure to depleted uranium. J Expo Sci Environ Epidemiol. 2009 Jul;19(5): 502–514, PMID 1859668 11) https://www.uranmunition.org/nachruf-prof-siegwart-horst-guenther/ 12) Zitiert in Doug Rokke: Einsatz von abgereichertem Uran: Ein Verbrechen gegen die Menschheit unter http://www.ag-friedensforschung.de/themen/DU-Geschosse/Rokke.html 13) Wolfgang Effenberger: Tödlich verstrahlte Partikel. Leserbrief in der SZ vom 18. Januar 2001 S. 13 zu Uran-Munition: Forscher bestreiten Gefahr vom 9. Januar 2001 14) https://wissenschaft-und-frieden.de/artikel/uran-geschosse-im-einsatz/ 15) https://www.spiegel.de/fotostrecke/fotoreportage-ueber-zunahme-von-fehlbildungen-und-krebsfaelle-im-irak-fotostrecke-91213.html 16) https://www.gegeninformationsbuero.de/frameset.html?/krieg/uran_waffen_guenther.html 17) https://www.forumaugsburg.de/s_6kultur/Videos/081213_deadly-dust/artikel.pdf 18) https://hippokrates.ch/paragon/siegwart-horst-guenther/ 19) https://wissenschaft-und-frieden.de/artikel/uran-geschosse-im-einsatz/ 20) http://www.netzwerk-regenbogen.de/Monitor_Uran.html 21) ARD-Magazin Monitor Monitor vom 22. April 1999"Apache-Hubschrauber mit radioaktiver Munition" "Apache-Hubschrauber mit radioaktiver Munition 22) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16363 23) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16363 24) Uran-Munition: Forscher bestreiten Gefahr, in Süddeutsche Zeitung vom 9. Januar 2001 25) https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Forum/159/Uranmunition_Ex-Jugoslawien.pdf 26) https://www.n-tv.de/politik/Britische-Munitionsplaene-erzuernen-Russland-article24002382.html 27) https://www.n-tv.de/politik/Britische-Munitionsplaene-erzuernen-Russland-article24002382.html 28) Ebda. 29) https://www.blaetter.de/ausgabe/1999/juni/die-klage-jugoslawiens-gegen-zehn-nato-staaten-vor-dem-internationalen-gerichtshof-wortprotokoll-der 30) https://www.sueddeutsche.de/politik/kosovo-krieg-weltgericht-weist-klage-gegen-nato-staaten-ab-1.846883 31) https://www.euractiv.de/section/eu-aussenpolitik/news/eu-und-nato-kritisieren-russlands-stationierung-von-atomwaffen-in-belarus/ +++
Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Bildquelle: 3d_hokage / shutterstock
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