Auf Selbstmord steht die Todesstrafe

Ein Kommentar von Dirk C. Fleck.

Fällt Ihnen noch etwas ein, um den tobenden Wahnsinn zu beschreiben, der von einer kleinen Clique seelenloser Verrückter aus Wirtschaft und Politik in Szene gesetzt wurde und uns alle zu vernichten droht? Mir nicht. Es ist bereits alles gesagt. Es wäre daher müßig, meinen Senf noch dazu zu geben. Also werde ich hier ausschließlich zitieren. Beginnen möchte ich mit dem römischen Philosophen Lucius Annaeus Seneca (4 v. Chr. – 65 n. Chr.), der die Sache folgendermaßen auf den Punkt brachte:

„Ich nehme an, dass das Ziel die vollständige Vernichtung der Welt ist“.

Friedrich Nietzsche (1844 – 1900) stieß auf seine unnachahmliche Weise ins gleiche Horn:

Und wollt ihr durchaus zugrunde gehen, so tut es denn auf einmal und plötzlich, damit von euch jedenfalls erhabene Trümmer übrig bleiben“.

Der französische Maler und Dichter Max Jacob (1876 – 1944), der im Sammellager Drancy verreckte, schrieb kurz vor seinem Tod:

Ich weine vor euch. Oh ja! Meine Augen werden sich mit Tränen füllen. Und wenn ihr vorbei gegangen seid, werden meine Tränen nicht aufhören, da ich weiß, zu welchen Schlünden ihr wandert! Ich kenne besser als jeder andere den, der euch beim Umweg auflauert“.

Heinrich Heine (1797 – 1856), dieser wunderbare Mensch, formulierte die Ohnmacht, die sich unser immer wieder bemächtigt, sehr treffend mit folgenden Worten:

Warum muss der Gerechte so viel leiden auf Erden? Warum muss Talent und Ehrlichkeit zugrunde gehen, während der schwadronierende Hanswurst sich rekelt auf Pfühlen des Glücks und fast stinkt vor Wohlbehagen?

Der schwadronierenden Hanswurste waren und sind immer unter uns. Sie sind immer in der Mehrheit und bilden eine schreckliche Solidargemeinschaft, manipulierbar bis zum geht nicht mehr. Jeder von ihnen ist nur ein weiteres Molekül im Sauerteig unserer Zivilisationskultur, die ausschließlich der Gier gehorcht von oben nach unten, von innen nach außen, auf individueller wie auf gesellschaftlicher Basis. Unsere Zivilisation beruht auf der systematischen und absoluten Vermeidung von Verantwortlichkeit. Das steht fest, unverbrüchlich.

Wir leben in einer Zeit, in der die Mediengesellschaft das Wort Krieg prüfend in ihren Händen wiegt wie einen Kohlrabi auf dem Gemüsemarkt, in der man das Denunziantentum hoffähig macht und den Maulkorb zum Accessoire erhebt. Die Kraftspeicher für die Wachgebliebenen in unserer narkotisierten Zivilgesellschaft sind fast leer. Jetzt gilt es, angesichts des globalen Treibens einer durch geknallten Finanz- und Politelite nicht den Verstand zu verlieren.

Leicht gesagt, aber kaum noch zu wuppen. An dieser Stelle möchte ich mich einmal selbst zitieren. Das Zitat stammt aus dem Jahre 1985 und fand Eingang in mein Buch LA TRIVIATA, in dem 258 Gedanken versammelt sind:

„Es ist nur eine Frage der Zeit, wann das faschistische Potenzial in unserer Gesellschaft so angeschwollen ist, dass es aufbricht, um seine historische Mission in orgastischer Weise zu erfüllen. Für uns, die wir den Homo sapiens aufgrund einiger Zeugnisse aus dem Bereich der Kunst gerne anders als ein Krebsgeschwür gesehen hätten, wird es Zeit, sich der Wahrheit zu stellen“.

Passend dazu, was der Philosoph und Soziologe Theodor W. Adorno (1903-1969) sagt:

„Ich fürchte nicht die Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten, sondern die Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten”.

Der Schweizer Diplomat, Essayist und Historiker Carl Jacob Burckhardt (1891 – 1974) sprach all jenen aus der Seele, die angesichts des irren Treibens, angesichts der Blindheit und der Dummheit um uns herum zu verzweifeln drohen:

„Es gehört zum Schwierigsten, was einem denkenden Menschen auferlegt werden kann, wissend unter Unwissenden den Ablauf eines historischen Prozesses miterleben zu müssen, dessen unausweichlichen Ausgang man längst mit Deutlichkeit erkennt. Die Zeit des Irrtums der anderen, der falschen Hoffnungen, den blind begangenen Fehlern, wird dann sehr lang“.

Besonders berührt hat mich, was die belgische Schriftstellerin Amélie Nothomb (Jahrgang 1967) in ihrem Buch „ Biographie des Hungers“ schreibt:

„Ich bin ein Hungernder geworden, ich leide unter einem entsetzlichen Mangelzustand des ganzen Wesens, das von nichts anderem als von quälender Leere erfüllt ist. Von dem Flehen, dass, wo nichts war, etwas sein möge. Dieses Fieber, dieses Elend, das mich wach hielt, dieses Gefühl, dass mir nun zeitlebens etwas vorenthalten wird, macht mich krank. Ich suche nach der Wahrheit hinter den Dingen und stehe stets mit leeren Händen da.

Erstaunlich mit welcher Radikalität sich der Schriftsteller Ulrich Horstmann (Jahrgang 1949) in seinem Buch „Das Untier – Konturen einer Philosophie der Menschflucht“ äußert:

„Wir Untiere wissen es längst, und wir wissen es alle. Hinter dem Parteiengezänk, den Auf- und Abrüstungsdebatten, den Militärparaden und Anti-Kriegsmärschen, hinter der Fassade des Friedenswillens und der endlosen Waffenstillstände gibt es eine heimliche Übereinkunft, ein unausgesprochenes großes Einverständnis: dass wir ein Ende machen müssen mit uns und unseresgleichen, so bald und so gründlich wie möglich – ohne Pardon, ohne Skrupel und ohne Überlebende. Was sonst trüge das, was das Untier “Weltgeschichte” nennt, wenn nicht die Hoffnung auf die Katastrophe, den Untergang, das Auslöschen der Spuren. Wer könnte eine sich Jahrtausend und Jahrtausend fortsetzende Litanei des Hauens, Stechens, Spießens, Hackens, die Monotonie des Schlachtens und Schädelspaltens, das Om mani padmehum der Greuel ertragen, ja seinerseits nach Kräften befördern, der nicht zugleich in der Heimlichkeit seiner Vernunft gewiß re, daß diese rastlosen Übungen ihn und seine Gattung Gemetzel um Gemetzel, Schlacht um Schlacht, Feldzug um Feldzug, Weltkrieg um Weltkrieg unaufhaltsam jenem letzten Massaker, jenem globalen Harmageddon näherbringen, mit dem das Untier seinen Schlußstrich setzt unter die atemlose Aufrechnung sich fort- und fortzeugenden Leids“.

Der US-amerikanische Schriftsteller und Philosoph Henry David Thoreau (1817 – 1862) hatte folgenden Vorschlag unterbreitet:

„Wir wollen uns die Ärmel aufkrempeln und unseren Weg bahnen durch den Dreck und Schlamm von Meinung, Vorurteil, Tradition, Blendung und Schein, die den Erdball überschwemmen, durch Paris und New York, durch Kirche und Staat, durch Dichtung, Philosophie und Religion, bis wir auf festen Grund und solide Felsen stoßen. Diesen Ort können wir Wirklichkeit nennen und sagen: Das IST, einen Irrtum gibt es nicht. Und dann beginne ein Realometer einzurammen, damit künftige Zeiten erfahren, wie hoch die Wellen von Trug und Schein zeitweilig schlugen“.

Gute Idee. Aber für mich läuft es eher auf das hinaus, was der radikalste Kulturkritiker des letzten Jahrhunderts, der Rumäne Emile Cioran (1911 – 1995) uns mit auf den Weg gab:

„Derjenige, der weiß, hat sich von allen Fabeln getrennt, die die Begierde und das Denken schaffen, er hat sich aus dem Stromkreis ausgeschaltet, er willigt nicht mehr in den Trug ein“.

Ach, wissen Sie überhaupt, warum die große Schar der Desillusionierten unter uns noch leben? Weil die Bundesregierung auf Anraten von Gesundheitsminister Karl Lauterbach gerade beschlossen hat, auf Selbstmord die Todesstrafe zu verhängen. Auf diese Weise hofft man, auch jenen Angst zu machen, die den ganzen Scheiß nicht mehr mitmachen wollen …

PS: Ich empfehle jedem, sich die Zeit zu nehmen, sich dieses Video anzuschauen: Wo ist hier die Erde? Und fragen Sie sich dann, was wir da gerade treiben. Was um Himmels Willen ist des Menschen Horizont?

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Dirk C. Fleck ist ein deutscher Journalist und Buchautor. Er wurde zweimal mit dem Deutschen Science-Fiction-Preis ausgezeichnet. Sein Roman “Go! Die Ökodiktatur” ist eine beklemmend dystoptische Zukunftsvision.

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: Santi S / shutterstock.com

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Kommentare (4)

4 Kommentare zu: “Auf Selbstmord steht die Todesstrafe

  1. _Box sagt:

    Ich fand das stets sehr beeindruckend und das tut es immer noch:

    Contact Intro Full HD
    https://www.youtube.com/watch?v=3LcR_B3t7B0

    Aber den "Masters of the Universe," wie sie vom investigativen Journalisten Pepe Escobar genannt werden, geht in ihrer Hybris jegliche Achtung vor irgendetwas ab. Am besten beschrieben fand ich den Wahn tatsächlich in einem Roman:

    Magnus Crome sieht zu, wie seine Gäste auf den Platz strömen und zu dem Lichterspektakel hinaufstarren, das der Kampf über den Wolken über ihnen bietet. Er konsultiert seine Armbanduhr. »Dr. Chandra, Dr. Chubb, Dr. Splay, es wird Zeit, MEDUSA zu aktivieren. Valentine, kommen sie mit. Sie sind doch sicher sehr gespannt darauf, zu sehen, was wir aus ihrer Maschine gemacht haben.«
    »Crome«, sagt der Forscher und verstellt ihm den Weg, »es gibt etwas, das ich ihnen sagen muss …«
    Interessiert hebt der Oberbürgermeister eine Augenbraue.
    Valentine zögert. Den ganzen Abend über hat er sich eine Rede zurechtgelegt, in der er genau das sagen will, was Katherine von ihm erwartet. Jetzt, unter dem arktischen Blick des Oberbürgermeisters, gerät er ins Stocken. »Ist es das Wert, Crome?«, fragt er schließlich. »Die Zerstörung des Schildwalls wird nicht reichen, um die Liga zu vernichten. Wir werden weitere Festungen vernichten müssen, Tausende Menschenleben. Sind ihre neuen Jagdgründe das wirklich wert?«
    Durch die Umstehenden läuft ein verblüfftes Raunen. Crome erwidert ruhig: »Diese Zweifel kommen ihnen aber reichlich spät, Valentine. Sie machen sich zu viele Gedanken. Dr. Twix kann ganze Armeen von Stalkern bauen, mehr als genug, um den Widerstand antitraktionistischer Barbaren zu ersticken.«
    Er will sich an Valentine vorbeidrängen, doch der verstellt ihm wieder den Weg. »Denken sie nach, Crome. Wie lang werden uns die neuen Jagdgründe versorgen? Eintausend Jahre? Zweitausend? Irgendwann wird nirgendwo mehr Beute übrig sein, und dann wird London sesshaft werden müssen. Vielleicht sollten wir uns dem fügen und jetzt aufhören, bevor noch mehr unschuldige Menschen sterben. Nehmen wir MEDUSA und verwenden wir sie für friedliche Zwecke …«
    Crome lächelt. »Glauben sie wirklich, dass ich so kurzsichtig bin?«, fragt er. »Die Ingenieursgilde plant weiter voraus, als sie ahnen. London wird niemals stehen bleiben. Traktion ist Leben. Wenn wir die letzte fahrende Stadt verschlungen und die letzte statische Siedlung niedergerissen haben, werden wir beginnen zu graben. Wir werden riesige Motoren bauen, angetrieben von der Hitze des Erdkerns, und unseren Planeten aus der Umlaufbahn steuern. Wir werden uns Mars, Venus und die Asteroiden einverleiben. Wir werden die Sonne selbst verschlingen und dann über den Rand des Universums hinwegsegeln. In einer Million Jahren wird unsere Stadt noch immer auf Reisen sein, nicht länger auf der Jagd nach essbaren Städten, sondern nach ganz neuen Welten!«
    Valentine folgte ihm zur Tür hinaus und über den Platz in Richtung St. Pauls. Katherine hat recht, denkt er. Dem sind wirklich alle Sicherungen durchgebrannt! Warum habe ich ihn nicht aufgehalten, als ich die Gelegenheit dazu hatte?
    (Philip Reeve, Mortal Engines-Krieg der Städte)

  2. Ursprung sagt:

    Jetzt gilt es, angesichts des globalen Treibens einer durchgeknallten Finanzverbrecher- und Politnomenklatura nur, den Verstand nicht zu verlieren.
    Denn die Aussichten sind gut:
    Leben kommt und bildet sich ewig neu aus Fuelle. Nicht aus Parasitaerem.

  3. Rulai sagt:

    Eine Zitatensammlung, die es in sich hat. Ein bißchen wie eine Entsprechung zum geoengineerten Dauergrau am Himmel.

    Ich möchte lediglich einmal widersprechen. Denn wer dauerhaft Hungernde(r) bleibt, hat gewiß am falschen Ort gesucht: da draußen, und bei den Menschen.

  4. Hallo lieber verzweifelter Dirk Fleck,

    Russlands Angewohnheit, Kriege nie anzufangen, sie jedoch per Paukenschlag zu beenden erfährt im jetzigen Ansatz Fortsetzung. Die ukrainischen Faschisten rund um Lugansk und Donezk haben ja nicht nur per Artillerie und Scharfschützen die zwischen 9 bis 14 Tausend Leichen dort produziert. Ich persönlich sah mit eigenen Augen und Nazi-Triumph-Videos drei Lynchmorde. Ein Militär-Jeep legte ein Seil um seine Hängerkupplung. Es führte über eine Astgabel und die beiden Schlingen lagen, eine um den Hals eines Donbasslers und die andere um den Hals einer Hochschwangeren. Der Jeep ruckte an und beider Aufzug endete oben mit fürchterlichem Zusammenkrachen in diese Monster-Baumgabelung. Dieses Bild werde ich nicht mehr los. Das Video und viele andere solcher Lynchjustiz haben sicherlich auch jene russischen Politiker zur Entscheidungsgrundlage gehabt, die eine Demilitarisierung und Entnazifizierung für unumgänglich halten und die Lynchmörder vom Gewerkschaftshaus in Odessa bestrafen wollen.

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