Aber Krieg und Elend lassen sich nicht totschweigen
Von Wolfgang Bittner.
Wie es aussieht, wird Frau Merkel, die optimistisch in die Zukunft blickt, Bundeskanzlerin bleiben. Sie hüllt ihre „lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger“ in Watte, und offensichtlich wird das von vielen genossen, sie wünschen es sich. In ihrer Neujahrsansprache ist diese Kanzlerin auf keines der wirklichen Probleme eingegangen. (1) Sie hat nur Beschwichtigendes zum Auseinanderbrechen der EU gesagt, nichts zur erneuten Bankenkrise und zur Krise der europäischen Währung, nichts zu den Wirtschaftssanktionen und dem angespannten Verhältnis zu Russland, kein Wort zur Armut im eigenen Land, nichts zu den Konflikten und Kriegen, die Deutschland zum Teil mit zu verantworten hat. Erst recht hat sie nichts zu den Hauptverursachern der Konflikte, zu den wahren Verantwortlichen für die existenzbedrohenden Gefährdungen gesagt.
Stattdessen ist die Rede von „schweren Prüfungen“, von „islamistischem Terrorismus“ und den „Mördern voller Hass“. Dem hält Angela Merkel „die Stärken unseres Landes und seiner Menschen“ entgegen und „Zuversicht inmitten der tiefen Trauer um die Toten und Verletzten“. Auch die „feste Entschlossenheit, der Welt des Hasses und der Terroristen unsere Mitmenschlichkeit und unseren Zusammenhalt entgegenzusetzen“. Dass manche von „unserer parlamentarischen Demokratie“, die sich „angeblich nicht um die Interessen der Bürger kümmere, sondern nur dem Nutzen einiger weniger diene“, enttäuscht sind, sei ein Zerrbild, sagt Merkel, und dass sie 2017 erneut für die Kanzlerschaft antreten wird …
Welch ein hohles Gerede, das von der ARD-Tagesschau am Silvesterabend schon lang und breit zitiert wird, bevor anschließend noch die ganze Ansprache gesendet wird – mehr Werbung für diese von Unfähigkeit und Vasallentum gekennzeichnete Politik ist kaum noch möglich. Mitmenschlichkeit für wen?, fragt sich der von der permanenten Indoktrination noch nicht vergiftete Bürger, der auch nicht von der parlamentarischen Demokratie enttäuscht ist, sondern von deren Vertretern. Trauer vielleicht auch um Hunderttausende von Toten in Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien, im ehemaligen Jugoslawien oder in der Ostukraine, die ihr Leben durch die von der westlichen Allianz verbrochenen Kriege verloren haben?
Schon zu Weihnachten hat der von sich selbst so peinlich begeisterte Bundespräsident Gauck den Bürgern erklärt, wie sie mit dem Terrorismus umzugehen haben, mit dem „Terror, der plötzlich vorgedrungen ist in unsere Hauptstadt“. (2) Joachim Gauck, der dafür eintritt, dass Deutschland in der Welt mehr Verantwortung – auch militärische – übernimmt, beschwört die Krankenschwestern und Pfleger, die Kindergärtnerinnen und Lehrer, die Soldatinnen und Polizisten, die engagierten Gewerkschafter und verantwortungsbewussten Unternehmer, die Sozialarbeiterinnen und Quartiersmanager, die vielen Ehrenamtlichen und alle, die dem Recht Geltung verschaffen: „Wir spüren die Angst – aber: Die Angst hat uns nicht. Wir spüren die Ohnmacht – aber: Die Ohnmacht hat uns nicht. Wir spüren die Wut – aber: Die Wut hat uns nicht.“
Ja, wir spüren in der Tat Wut ob solcher Sprechblasen und der Infantilität und Dreistigkeit, mit der führende Politiker über sämtliche existenzielle Probleme hinweghudeln und die Bevölkerung nach allen Regeln der Verschleierung einlullen. Und nein: Wir sind gegen den weltweiten Einsatz der Bundeswehr, wie überhaupt gegen den Einsatz von Militär in anderen Ländern. Wir sind gegen Hetze, Ausbeutung und den unermesslichen Reichtum weniger auf Kosten der vielen.
Da ist der Papst in seiner Neujahrspredigt deutlicher geworden, indem er fragte: „Wie ist es möglich, dass der Übergriff auf den Menschen durch den Menschen fortdauert; dass die Arroganz des Stärkeren weiter den Schwächeren demütigt und ihn in die trostlosesten Randgebiete unserer Welt verbannt? Wie lange noch wird die menschliche Bosheit Gewalt und Hass über die Erde aussäen und unschuldige Opfer fordern?“ (3) Während einer Messe im Vatikan hat Franziskus davon gesprochen, dass die Welt sich im Krieg befinde. (4)
Des Weiteren sagte der Papst zum Weihnachtsfest 2016: „Das alles ist eine Farce. Die Welt hat den Weg des Friedens nicht verstanden. Die ganze Welt befindet sich im Krieg … Während die Welt hungert, brennt und weiter im Chaos versinkt, sollten wir uns darüber klar werden, dass die diesjährigen Weihnachtsfeierlichkeiten, für jene, die sie feiern, die letzten sein könnten.“ (5) Doch auch er konnte sich nicht überwinden – oder er wagte es nicht –, die Verursacher beim Namen zu nennen: An erster Stelle die US-Regierung mit ihrem Militär und ihren Diensten sowie die von den USA gesteuerte NATO.
Der ehemalige OSZE-Vizepräsident und Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Willy Wimmer, schreibt in seinem empfehlenswerten Buch „Die Akte Moskau“: „Das Ende des Kalten Krieges sollte Europa eine friedliche Zukunft garantieren. Heue müssen wir sehen, dass wir einem neuen Weltkrieg und der Zerstörung unserer Länder so nah sind wie seit 1945 nicht mehr. Die NATO, wir und unsere Partner in diesem Bündnis haben unermessliches Leid über Nachbarregionen gebracht, und das Elend drängt nun über unsere Grenzen.“
Die Erkenntnis verfestigt sich immer mehr: Es gibt eine Entwicklung hin zu einem Krieg, den die westliche Allianz unter Führung der USA und ihrer NATO vorbereiten. Das scheint wenige zu kümmern. Sprechblasen in den Politikerreden, Spaß im Fernsehen, zum Jahreswechsel: Feuerwerk, Raketenzauber, Tralala.
Wolfgang Bittner, Schriftsteller und Jurist, ist Autor des Buches „Die Eroberung Europas durch die USA“, Westend Verlag 2015.
Siehe auch www.wolfgangbittner.de sowie KenFM im Gespräch: https://kenfm.de/wolfgang-bittner/
Quellennachweise
(3) http://de.radiovaticana.va/news/2016/01/01/die_neujahres-predigt_des_papstes_im_wortlaut/1198221
(4) http://n8waechter.info/2015/12/endzeit-papst-dieses-weihnachten-koennten-das-letzte-sein/
(5) A.a.O.
Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.
KenFM bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Meinungsartikel und Gastbeiträge müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Kommentare (32)