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Wissen Sie noch, was ich Ihnen sagen wollte...?

Wissen Sie noch, was ich Ihnen sagen wollte...?


Ein Meinungsbeitrag von Dirk C. Fleck.

Jetzt habe ich vergessen, was ich Ihnen sagen wollte. Das passiert mir häufiger. Meine Vergesslichkeit hat jedoch nichts mit Demenz zu tun, eher mit einer Art Tagträumerei. Wer sich in diesen Zustand begibt, nimmt die Außenwelt wie durch einen Schleier wahr. Es klingelt. Der Briefträger reicht mir eine Büchersendung, die ich bestellt habe. Es handelt sich um meine MAEVA-Trilogie, die ich einer Freundin zum Geschenk machen möchte. Ich blättere im dritten Band und stoße auf eine Passage, an die ich mich nicht mehr erinnere. Sie hat sich aus meinem Gedächtnis gestohlen und zieht nun federleicht vorüber:

Ehawee reichte Cording die Hand und ging mit ihm einige Schritte in den Wald. "Schau auf die Blätter, schau auf die Gräser. Und jetzt schau dir den Wind an. Kannst du ihn sehen? Du musst dich von den Pflanzen leiten lassen, sie tun nur, was der Wind ihnen flüstert. Siehst du ihn jetzt? Man kann ihn sehen. Man kann ihn sogar streicheln. Wenn er mit unserem Haar spielt, uns ins Gesicht peitscht oder zärtlich über die Arme fährt, können wir ihn sehen, am besten bei geschlossenen Augen". Sie drückte erschrocken den Rock gegen ihre Beine, der sich unter einer Bö aufgebläht hatte. Als sie wieder im Auto saßen, blickte Ehawee ihn an und sagte Worte, die er sich am liebsten aufs Herz tätowiert hätte: "Nur jemand, der weiß, was Schönheit ist, blickt den Wind, die Bäume, die Sterne oder das funkelnde Wasser eines Flusses mit völliger Hingabe an, und wenn wir wirklich sehen, befinden wir uns im Zustand der Liebe”.

Was wollte ich Ihnen sagen? Irgendetwas wollte ich Ihnen unbedingt sagen. Naja, fällt mir schon wieder ein. Bevor sich der Propfen löst, latsche ich gedankenverloren durch die Wohnung.  Das tue ich immer, wenn ich meine Gefühle sortiere. Die Pflanzen mögen das, sie wissen, dass sie jetzt ein paar Streicheleinheiten kriegen, die ich ihnen im Vorübergehen schenke. Einige bekommen auch das Wasser, um das sie bitten - sie bitten in einer Sprache, die ich besser zu verstehen glaube als die der Menschen.Ich schaue ins Internet. Mal sehen was apolut und Konsorten zu berichten wissen. Den üblichen Politkram: fehlende Aufarbeitung von Corona, Geheimpläne der WHO, Deutschland schafft sich ab, Rechtsruck, Putin, DNA und RNA, Monetärer Faschismus, endloser Krieg in Europa, Ukraine, Drohgebärde gegen China, Journalismus in Not, Impfschäden, Julian Assange, Aufruf zur Friedensdemo, Neue Weltordnung, EU und NATO. Ein Potpourri aus Interviews, Aufrufen und Essays im Wechselspiel mit persönlichen Bekenntnissen, analytischen Betrachtungen und von Entsetzen geprägten Aufschreien über den politischen Wahnsinn unserer Tage. Kurz: Im Alternativen nichts Neues.Demokratie lebt von Transparenz und Meinungsvielfalt, aber ja doch. Was hast du erwartet, Fleck? Etwas Erbauendes vielleicht, ein wenig Humor und Lebensfreude, etwas, das unser Herz um einige Lasten befreit, die uns unerbittlich hinunter ziehen in den dreckigen Sumpf aus Lüge, Gier und Fahrlässigkeit, mit der über unsere Köpfe hinweg gepokert wird, bis die Satanisten „All In“ gehen.In seinem Gedicht „Ein alter Mann geht vorüber“ schreibt Erich Kästner:

Wir hatten Krieg. Wir sahen, wie er war. Wir litten Not und sah’‘n, wie sie entstand. Die großen Lügen wurden offenbar. Ich hab‘ ein paar der Lügner gut gekannt. Ja, ich sah manches Stück im Welttheater. Ums Eintrittsgeld tut‘s mir noch heute leid. Ich war ein Kind. Ein Mann. Ein Freund. Ein Vater. Und meistens war es schade um die Zeit… Wir hofften. Doch die Hoffnung war vermessen. Und die Vernunft blieb wie ein Stern entfernt. Die nach uns kamen, hatten schnell vergessen. Die nach uns kamen, hatten nichts gelernt.

Ich hab’s! Jetzt weiß ich wieder, was ich Ihnen sagen wollte. Ich sage es mit den Worten von Hermann Hesse:

„Die Welt zu durchschauen, sie zu verachten, mag großer Denker Sache sein. Mir aber liegt einzig daran, die Welt lieben zu können, sie und mich und alle Wesen mit Liebe und Bewunderung und Ehrfurcht betrachten zu können“.

Ich könnte es auch mit den zurück gewonnenen Worten meiner Romanfigur Ehawee sagen:

“Nur jemand, der weiß, was Schönheit ist, blickt den Wind, die Bäume, die Sterne oder das funkelnde Wasser eines Flusses mit völliger Hingabe an, und wenn wir wirklich sehen, befinden wir uns im Zustand der Liebe”. 

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: Konstanttin / shutterstock


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