Wird 2024 als historisches Jahr in die Geschichte eingehen? Ein Kommentar von Wolfgang Effenberger.
Ein Blick auf den Globus zeigt, dass sich im Vergleich zum Vorjahr die Kriegsfeuer weiter von Europa in Richtung Asien vorgefressen haben. Der Kampf in Gaza tobt im 4. Monat, im Roten Meer erfolgreich flankiert von den Unterstützungsangriffen der jemenitischen Huthi-Rebellen für die Palästinenser. Israelischen Schiffe oder Schiffen mit Bestimmungshafen Haifa wird die Durchfahrt durch den Suezkanal versperrt, was in Israel durchaus zu Versorgungsproblemen führt.
Nach Angaben aus Washington haben die Huthis seit dem 19. November 2023 mehr als zwei Dutzend Angriffe auf internationale Handelsschiffe im Roten Meer verübt - erstmals setzten sie dabei auch eine ballistische Antischiffsrakete ein. Mehr als 2.000 Schiffe waren gezwungen, den Umweg von Tausenden Kilometern um das Kap Horn zu nehmen.(1) Nach dem bislang heftigsten Drohnenangriff auf internationale Schifffahrtswege im Roten Meer hat die britische Regierung mit Vergeltung gedroht:
„Wir müssen den Huthis klarmachen, dass dies aufhören muss, und meine einfache Botschaft an sie heute ist: Macht euch auf was gefasst“(2),
tönte der britische Verteidigungsminister Grant Shapps am 10. Januar auf dem Sender Sky News. Am 12. Januar 2024 folgte ein angloamerikanischer Militärschlag als "direkte Reaktion auf die beispiellosen Angriffe der Huthi"(3), (US-Präsident Joe Biden). Er werde nicht zögern, bei Bedarf weitere Maßnahmen anzuordnen. Dagegen kritisierte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan den Militärschlag der USA und ihrer Verbündeten gegen die Huthi-Rebellen als „unverhältnismäßige Gewaltanwendung“. Im Vorgehen von Washington und London sieht Erdogan Bestrebungen beider Länder,
„…das Rote Meer in ein regelrechtes Blutbad zu verwandeln“.
Er höre jedoch von „verschiedensten Seiten, dass die Huthi erfolgreich reagieren“(4).
Auf ihrem Telegram-Kanal beschrieb die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa die US-Angriffe auf das Territorium von Jemen (sogar auf den Flughafen von Sanaa) als eine völlige Missachtung des Völkerrechts, wodurch die Situation in der Region eskalieren wird. Sacharowa schrieb wörtlich:
"Die US-Luftangriffe auf den Jemen sind ein weiteres Beispiel dafür, wie die Angelsachsen die Resolutionen des UN-Sicherheitsrats pervertieren und das Völkerrecht völlig missachten, um die Situation in der Region für ihre eigenen destruktiven Zwecke zu eskalieren."(5)
Vor einem Jahr gaben sich die westlichen Kriegsbefürworter noch sehr siegessicher. Dazu gibt es ein aufschlussreiches Kongress-Dokument vom 28. Februar 2023 über eine Senatsanhörung zum Ukraine-Krieg. Senator Rick Scott fragte den 3-Sterne-General Keith Kellogg: „Aber warum hat Deutschland nicht seinen Teil zur tödlichen Hilfe beigetragen?“ „Ich glaube“, so der General, „Deutschland spielt in Europa im Moment keine Rolle mehr“. Anschließend schwärmt der General dem Senator vor:
„Wenn man einen strategischen Gegner besiegen kann und dabei keine US-Truppen einsetzt, ist man auf dem Gipfel der Professionalität, denn wenn man die Ukrainer siegen lässt, ist ein strategischer Gegner vom Tisch und wir können uns auf das konzentrieren, was wir gegen unseren Hauptgegner tun sollten, und das ist im Moment China…. und wenn wir dabei scheitern, müssen wir vielleicht einen weiteren europäischen Krieg führen, das wäre dann das dritte Mal.“(6)
Nun, die aktuellen Lagemeldungen aus beiden Kriegslagern lassen kaum darauf schließen, dass die Ukraine den Krieg noch gewinnen könnte. Dazu kommen dramatischen Informationen aus dem US-Kongress. Seit Monaten drängt der US-Präsident den Kongress, weitere 61 Milliarden Dollar an Militärhilfen für die Ukraine zu beschließen, die wurden bisher wegen des Streits um den US-Haushalt 2024 blockiert. Die Republikaner knüpften die Milliarden-Hilfe für die Ukraine und weitere Hilfen für Israel und den indopazifischen Raum an Bedingungen. Sie wollen angesichts einer ausufernden Migration nur zustimmen, wenn die US-Einwanderungsregeln massiv verschärft werden. So sagte Ende Dezember 2023 der republikanische Senator James Lankford aus Oklahoma bei Fox News, dass die Sicherheit im eigenen Land Priorität habe.
„Wir sind engagiert und helfen dem Rest der Welt. Wir sind das Vorbild für die Welt in Sachen Freiheit. Aber wir haben auch eine Verantwortung, unser eigenes Land zu schützen, und das werden wir tun“.(7)
Die Republikaner dringen darauf, den Grenzschutz zu verstärken und die Mauer fertig zu bauen.(8) Sie wollen zudem konsequentere Abschiebungen und strengere Asylverfahren. Von stabilen politischen Verhältnissen in den USA ist 10 Monate vor der nächsten Präsidentenwahl genauso wenig zu spüren wie in Deutschland - hier wird im Herbst 2025 ein neuer Bundestag gewählt. Dieser instabile Zustand ist nicht friedensfördernd, er könnte die Spannungen dramatisch erhöhen.
Bundesweite Protestwoche der Bauern und Spediteure (8. - 12. Januar 2024)
Als Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom November 2023 muss die Ampel-Regierung 2024 rund 17 Milliarden Euro einsparen. Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) beschlossen daher, die Vergünstigungen beim Agrardiesel und die Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge zu streichen. Dies sollte Einsparungen von insgesamt bis zu 920 Millionen Euro erbringen.(9) In Niedersachsen zum Beispiel, wo die Bauernhöfe deutlich größer sind als im Süden der Republik, aber kleiner als in Ostdeutschland, gibt der durchschnittliche Haupterwerbsbetrieb laut Landesregierung pro Jahr rund 21.000 Euro für Treibstoff aus. Der Wegfall der Steuerbefreiung macht den Angaben zufolge um die 3.000 Euro bis 3.500 Euro aus.(10) Über die sogenannte Agrardieselvergütung können sich die Landwirte bisher 21,48 Cent pro Liter erstatten lassen.
Am 8. Januar 2024 lief die Protestwoche der Bauern und ihrer unterstützenden Mitstreiter wie Spediteure, Handwerker, Jägerschaften oder Küstenfischer bundesweit an. Es gab zahlreiche Blockaden und demzufolge Staus in den Städten und auf Autobahnen. Im Gegensatz zu den Aktionen der Klimakleber schloss sich die Bevölkerung den Protestierenden an und tat mehrheitlich ihre Solidarität kund. Friedliche Bürger aus der Mitte der Gesellschaft machten bei Minusgraden von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch und protestierten lautstark gegen die Politik der Bundesregierung mit Parolen, Hupen und Plakaten. Entlang des Wegs nach Berlin wurden die Bauern sogar von einer Solidaritätswelle getragen: Bauern und Bürger Hand in Hand. Gleich der erste Tag wurde zum größten Bauernprotest in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Könnte sich eine alte Weisheit aus dem Schachspiel bewahrheiten, der zufolge
"Der Bauer den ersten Zug macht und am Ende der König fällt?“
Allein diesem Auftakt am 8. Januar muss ein riesiger Planungsaufwand vorausgegangen sein. Dazu ein umfangreicher Einsatz von Kommunikationstechnik. Wer ist in der Lage, so etwas zu organisieren? Im Netz fand sich dann auch ein Bild des Aufmarschs im Tiergarten, an dessen Seite das Konterfei von Klaus Schwab zu erkennen ist und damit eine Nähe des WEF zu dem Bauernprotest generiert werden soll. Unter dem Bild ist zu lesen:
„Und so gehen wir mit den wütenden Bauern um: Wir rufen einen Protest ins Leben und lassen ein paar Tage lang ihrer Wut freien Lauf, und wir geben ihnen die Illusion von großer Macht. Dann werden sie brav nach Hause gehen und sich wieder fügen. Alles nach unserem Plan, können wir sagen“.
Nun, möglich ist alles. Noch wahrscheinlicher ist allerdings, dass hier ein Spaltpilz gesetzt wurde.
Der umtriebige Präsident des Bauerverbandes Joachim Rukwied ist Mitglied in einem Dutzend systemrelevanter Organisationen (u.a. Mitglied des Aufsichtsrats: Südzucker AG, Baywa AG, LAND-DATA GmbH, Messe Berlin GmbH, Buchstelle Landesbauernverband Baden-Württemberg GmbH; Mitglied des Verwaltungsrats: Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), Landwirtschaftliche Rentenbank, LBV-Unternehmensberatungsdienste GmbH sowie Mitglied des Rundfunkrats des Südwestrundfunks (SWR).(11) Rukwied unterstützte die neue Klimapolitik der EU mit dem „Green Deal“(12). Dabei geht es seit Jahrzehnten um eine von Klimaideologen forcierte Agrarpolitik, die Kleinbauern zur Aufgabe zwingt und der Agrarindustrie Tür und Tor öffnet. Sie strebt eine Zukunft ohne den Bauern an, in der Ackerbau und Viehhaltung dank Künstlicher Intelligenz (KI) und synthetischer Biologie (Laborfleisch, Vertical Farming, ein Begriff der Zukunftstechnologie, die eine tragfähige Landwirtschaft und Massenproduktion pflanzlicher und tierischer Erzeugnisse im Ballungsgebiet der Städte in mehrstöckigen Gebäuden ermöglichen soll) überflüssig wird.
So bildete sich als Gegengewicht zum mächtigen Bauernverband der kritische Verband LSV (Landwirtschaft schafft Verbindungen). Nachdem vor einigen Wochen im gesamten Bundesgebiet lokale Traktordemonstrationen für Aufsehen sorgten, ist nicht auszuschließen, dass Rukwied sich mit dieser beeindruckenden Demonstration vom 8. Januar an die Spitze des Protestes setzte, um ihn dann in die gewünschten Bahnen zu lenken.
Gleichzeitig setzte die Polizei in München alle Hebel in Bewegung, um den Protest auszubremsen. Ankommende Traktoren wurden gar nicht erst in die Stadtmitte gelassen, sondern auf die Theresienwiese umgeleitet. Dort mussten sie ihre Traktoren abstellen und durften nicht weiterfahren. Um zu verhindern, dass sich die vielen Bauern den Demonstranten am Königsplatz anschlossen, startete die Polizei eine Desinformationskampagne und verkündete, dass die Demonstration am Königsplatz abgesagt worden sei - eine glatte Lüge. Den Bauern, die der Umleitungstaktik der Polizei entgangen waren und mit ihren Traktoren auf dem Mittleren Ring unterwegs waren, versperrte die Polizei die Zufahrtsmöglichkeiten zur Route des Demonstrationszugs, der sich vom Königsplatz aus in Bewegung gesetzt hatte.
Die System-Medien stehen dem Anliegen der Landwirte kritisch bis ablehnend gegenüber und suchen die Bauernproteste mit der Lupe nach vermeintlichen Rechtsextremisten ab.
Kaum nachvollziehbar scheint eine bundesweit durchgesetzte Anordnung (oder wurde nur ein Wunsch formuliert?) die WebCams in allen vom Protest betroffenen Städten abzuschalten. Aus Sicherheitsgründen? Oder sollte die Dimension dieser Großdemonstration dadurch vernebelt werden? Als Begründung wurde mitgeteilt:
„Aufgrund von technischen Umstellungen und politischen Vorgaben stehen die Kamerabilder aktuell nicht zur Verfügung. Wann wieder Kamerabilder zur Verfügung stehen werden, ist noch nicht absehbar“.(13)
Wie konnte diese Anweisung in unserem föderal aufgebauten Staatswesen von oben nach unten durchgesetzt werden? Sollte verhindert werden, dass die Dimension des Protestes für alle sichtbar war? Derartig schändliches Taktieren ist für eine demokratische Gesellschaft eine Zumutung.
Die Proteste ebbten in der gesamten Woche nicht ab. Ein großer Höhepunkt wurde am 12. Januar die Demonstration des Landesverbandes bayerischer Transport- und Logistikunternehmen gegen die Politik der Ampel-Koalition auf der Münchner Theresienwiese (Oktoberfestplatz) unterhalb der Bavaria. Nach einer Sternfahrt durch die Münchner Innenstadt versammelten sich 1.600 LKW auf der weitgehend vereisten Demonstrationswiese - auch einige Traktoren hatten sich eingereiht.
Die Staatsregierung unterstützte den Protest der Spediteure ebenso wie denjenigen der Bauern. Auf der Kundgebung sprachen sowohl Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) als auch Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). „Wir stehen weiter an Ihrer Seite“, sicherte Bernreiter den Lkw-Fahrern und ihren Chefs zu. Ungleich größeren Beifall erntete Aiwanger:
„Irgendwann geht auch der größte Lastesel in die Knie und sagt ‚Leck mich am Arsch‘, ich mag nimmer“.(14)
Obwohl der große Unmut über die Maßnahmen der Regierung (u.a. dramatische Maut- und Dieselerhöhung) überall zu spüren war, ging die bisher größte Lkw-Demonstration in der Bundesrepublik auf der Theresienwiese friedlich zu Ende. Ein Wermutstropfen: Die Veranstalter der Lkw-Demo versuchten, sich von der Bauern-Demo abzugrenzen. Die Abreise der Lkw lösten dann jedoch massive Staus auf den Hauptverkehrsadern aus.
Bisher lässt sich nur sagen, dass diese Demonstrationswoche in die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eingehen wird.
Einen krönenden Abschluss fand die Großdemo-Woche am Heiligen Berg in Andechs/Bayern. Dort fuhr in den Sonntag Abendstunden des 14. Januar 2024 eine beeindruckende Anzahl von Traktoren auf, die sich dann zu einem bewegenden Schriftbild formierten: ES REICHT!(15)
So bewundernswert der bundesweite Einsatz aller Beteiligten ist, so stimmt es den Verfasser dieses Artikels traurig, dass bei den Veranstaltungen, die er verfolgen konnte, das Thema Frieden keinen Stellenwert hatte - er scheint hier in der Bundesrepublik nach 78 Jahren trotz immer näher kommender Einschläge selbstverständlich zu sein. Da scheint es an der Zeit, an den Kriegszeitzeugen Willy Brandt zu erinnern, von dem der Spruch stammt (3. November 1981):
„Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts“.(16)
Zehn Jahre zuvor hatte er den Krieg gegeißelt:
„Krieg ist nicht mehr die ultima ratio, sondern die ultima irratio“.(17)
Das wird aktuell auch von der westlichen Wertegemeinschaft nachhaltig unter Beweis gestellt. Das ist zwar für die allgemeine Menschheit gültig, aber für diejenigen, die bei Krieg und Zerstörung unvorstellbare Gewinne machen, nicht.
Steadfast Defender - größtes Manöver in der Geschichte der NATO
In der Übung Steadfast Defender wird die NATO von Anfang Februar bis Mai 2024 für einen möglichen Krieg mit Russland proben, schreibt die FAZ:
„Bisher fanden NATO-Manöver in einer Fantasiewelt statt. Künftig üben Soldaten die Verteidigung gegen einen Angriff Russlands in einem realistischen Szenario. Im Frühjahr 2024 soll die Übung dagegen umso größer ausfallen: mit 40.000 Soldaten des Heeres, mehr als fünfzig Marineschiffen und mehreren Staffeln von Kampfflugzeugen.[…] Aber auf den Landkarten für die Manöver sind die Mitglieder der Allianz klar zu erkennen: Russland und Belarus in ihren realen Grenzen.“(18)
Eine derartige Kette von Manövern mit über 40.000 Soldaten und einem so umfangreichen Arsenal ist bisher einmalig; sie dürfte im Kreml genau beobachtet werden und vermutlich auch Reaktionen auslösen. Sicher ist, dass Steadfast Defender kaum geeignet ist, Verhandlungsbereitschaft zu signalisieren.
Der britische Premierminister Rishi Sunak hat nach seinem Überraschungsbesuch am 12. Januar 2024 mit dem ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ein auf 10 Jahre ausgelegtes Sicherheitsabkommen (dauerhafte Unterstützung bei Waffen und der Entwicklung der ukrainischen Rüstungsproduktion) unterzeichnet, das Selenskyj einen historischen Pakt für die Sicherheit der Ukraine nannte.(19) Er sprach sogar von einem
„Wendepunkt in der europäischen Geschichte“(20)
und verglich Londons Hilfszusagen für Kiew mit den US-Sicherheitsgarantien für Israel. Zur Bekräftigung der Sicherheitszusagen sagte Sunak:
„Wenn Russland jemals wieder in die Ukraine einmarschiert, wird das Vereinigte Königreich euch mit rascher und dauerhafter Sicherheitsunterstützung zu Hilfe kommen“.(21)
London legte Wert darauf, dass Großbritannien in der „Siebener-Gruppe“ großer demokratischer Industrienationen (G 7) als erste eine solche Vereinbarung mit Kiew geschlossen habe. Vielleicht sollte Kiew sich an die im Frühjahr 1939 an Warschau gegebenen britischen Sicherheitsversprechen erinnern. Am 1. September 1939 nämlich ließ London die Polen einfach hängen.
Friedenspfade für lange Zeit zugeschüttet?
Am 15. Januar 2024 äußerte sich der britische Verteidigungsminister Grant Shapps über strategischen Perspektiven und zukünftigen Kriege:
"In fünf Jahren könnten wir uns mehrere Theater ansehen, darunter Russland, China, Iran und Nordkorea. Fragen Sie sich ... ist es wahrscheinlicher, dass diese Zahl wächst oder abnimmt? Ich vermute, wir alle kennen die Antwort. Es wird wahrscheinlich wachsen... Wir haben den Kreis geschlossen und bewegen uns von einer Nachkriegswelt in die Vorkriegswelt... Ein Zeitalter des Idealismus wird durch eine Zeit des starrköpfigen Realismus ersetzt."(22)
Mögliche Schritte in Richtung Frieden scheinen angesichts der monumentalen Manövertätigkeit und des britischen Sicherheitsabkommens (hatte der britische Premier Boris Johnson nicht Anfang April 2022 die laufenden Friedensgespräche unterbunden?) in immer weitere Ferne zu rücken.
Das dürfte in Moskau nicht vergessen sein ebensowenig wie das im Februar 2015 zwischen Putin, Poroschenko (Ukraine), Hollande (Frankreich) und Merkel ausgehandelte Minsker Friedensabkommen. Am 7. Dezember 2022 ließ dann Altkanzlerin Angela Merkel die erstaunte Weltöffentlichkeit wissen: „... das Minsker Abkommen war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben. Sie hat diese Zeit hat auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht“.(23) Daraufhin empörte sich der russische Präsident in seiner Neujahrsansprache:
„Der Westen log vom Frieden, bereitete aber Aggression vor und gibt das heute offen und schamlos zu“.(24)
Jede Vertrauensbasis ist zerstört.
Zum 300. Geburtstag: Kant-Kongress in Kaliningrad
Der vom 22. bis 24. April 2024 in Kaliningrad (Königsberg 1255-1946) stattfindende 1. Kant-Weltkongress könnte an die kaum vorstellbaren Zerstörungen in Königsberg im August 1944 den Deutschen zur Mahnung gereichen. In der Nacht zum 27. August (und in der Nacht zum 28. August) 1944 überschüttete die Royal Air Force mit 174 Bombern in unglaublich zerstörerischer Präzision die Innenstadt mit Spreng- und Brandbomben und entfachte einen Feuersturm, in dem rund 5.000 Menschen starben und 200.000 obdachlos wurden.
Die dicht bebauten historischen Areale wurden fast vollständig in Schutt und Asche gelegt. Auch die Geburtshäuser von Johann Georg Hamann, E.T.A. Hoffmann, Eduard von Simson, Hermann Goetz und von Heinrich von Kleist wurden vernichtet. Wie durch ein Wunder blieb der Dom samt dem angebauten Grabmal des weltbekannten Philosophen und Professors der Logik und Metaphysik Immanuel Kant (1724-1804) weitgehend unbeschädigt. Im Tokioter Tempel der Philosophen (Tetsugaku-do) hängt seit über 100 Jahren ein Bild mit dem Titel "Die vier Weltweisen" mit der Darstellung von Buddha, Konfuzius, Sokrates und Kant. Geläufig ist Kants kritischer Denkansatz „Sapere aude“ (lat. „Habe den Mut, weise zu sein!“ Die Aufforderung Kants:
„Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“
scheint heute wichtiger denn je zu sein. Veranstalter des Internationalen Kant-Kongresses (der zentralen Veranstaltung im Kant-Jahr) sind das Ministerium für Wissenschaft und Hochschulbildung der Russischen Föderation und die Regierung des Kaliningrader Gebiets; im April dieses Jahres soll des im ehemaligen Königsberg lebenden und wirkenden Philosophen der Aufklärung gedacht werden.
Ausgerichtet wird der Kongress von der Baltischen Föderalen Immanuel Kant-Universität. Vorsitzender des Organisationsausschusses für die Vorbereitung der Feierlichkeiten zu Kants 300. Geburtstag ist der stellvertretende Ministerpräsident der Russischen Föderation, Dmitrij Tschernyschenko:
„Wir laden Vertreter der gesamten wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Teilnahme ein. Russland war und bleibt ein gastfreundliches Land, das in der Lage ist, eine internationale Veranstaltung auf höchstem Niveau zu organisieren“.
Nina Dmitrieva, wissenschaftliche Leiterin der Kant-Universität:
„Kants berühmter kategorischer Imperativ ist unter anderem ein Gebot der Solidarität. Er verlangt von uns, unsere privaten Gewohnheiten und Leidenschaften so zu organisieren und zu begrenzen, dass sie mit dem Wohlergehen der anderen vereinbar sind. Solches Verhalten bedeutet, dass man sich selbst, seiner Humanität und seiner Freiheit treu bleibt“.(25)
Dmitrieva bezeugt einen tiefen Respekt vor dem Erbe, das der Namenspatron ihrer Universität hinterlassen hat, dessen Ideen die Wissenschaft, Kultur und Pädagogik beeinflusst haben und zur Grundlage des Internationalen Rechts geworden sind. In den letzten Jahren habe die Universität für Russland und seine Partner eine bedeutende internationale Tendenz, die Aufmerksamkeit für die Philosophie der Zukunft, eingeleitet.
Sie ist überzeugt, dass die Vorbereitung und Durchführung der vielen Jubiläumsveranstaltungen die Autorität der russischen Wissenschaft stärken und das Interesse ausländischer Wissenschaftler an einer Tätigkeit in Russland erhöhen wird und dass das Jahr 2024 generell einen Triumph des philosophischen Denkens bringen wird. Erstaunlich zutreffend findet sie Kants Diktum, Philosophie sei die einzige Wissenschaft, die uns innere Befriedigung verschaffen kann!(26)
Der Kant-Kongress wäre eine Chance, vorsichtig eine Brücke zum Frieden zu schlagen, zumal die Charta der Vereinten Nationen wesentlich von Immanuel Kants Schrift "Zum ewigen Frieden" inspiriert wurde. Seitens der Russischen Föderation war eine große Veranstaltung mit internationaler Beteiligung vorgesehen, die jedoch von amerikanischer und deutscher Seite abgelehnt (ersatzweise nach Bonn verlegt) wurde.(27)
Neben der Hauptveranstaltung am 22. April 2024, dem 300. Geburtstag von Kant, findet am 23. April die 1. Internationale öffentliche Konferenz "Auf dem Weg zum ewigen Frieden" statt, die von der Kaliningrader Zweigstelle der Russischen Friedensstiftung vorbereitet wird.
Den Abschluss der Kant-Tage bildet ein Konzert am 24.04.2024. Dort kommt unter anderem die eigens dafür geschaffene symphonische Dichtung "Aurora Pacis - Morgenröte des Friedens" des bayerischen Komponisten Rainer Bartesch zur Uraufführung, gespielt vom Sinfonieorchester Kaliningrad.
Ulrich Hoppe, Vorsitzender des Vereins "Berliner Freunde der Völker Russlands e.V." und Mitglied Jürgen Desch (Architekt). haben im Juni 2023 Kontakt zur Kaliningrader Zweigstelle der Russischen Friedensstiftung aufgenommen
Auf Initiative von Jürgen Desch und in Abstimmung mit dem Kant-Museum im Dom und dem Russischen Friedensfond wurde ein Architekturprojekt für einen „Immanuel Kant Gedächtnistempel" zur Würdigung des 300. Geburtstages von Immanuel Kant abgestimmt.
Der „Immanuel Kant Gedächtnistempel" soll die philosophischen Grundgedanken der Aufklärung Kants emotional erlebbar machen. Kant hatte erstmals allgemeine Moral- und Rechtsregeln für Selbstbestimmung, Freiheit und Wohlstand aller Menschen und Völker entwickelt. Als oberstes Rechtsprinzip definierte er dafür den Kategorischen Imperativ. Er ist durch unabhängiges Denken (Selbstbestimmung) und verantwortungsbewusstes Handeln (Freiheit) aller Menschen und Völker bestimmt. Als notwendige gesellschaftliche Voraussetzung dafür bezeichnete er Frieden, Gerechtigkeit und Fleiß. Hierbei bezog er sich auf die drei Schutzgöttinnen der Stadt, die in der Zeit der Renaissance entstand und das grüne Stadttor krönten: Eirene (Göttin des Friedens und der sittlichen Ordnung), Dike (Göttin der Gerechtigkeit) und Athene (Göttin des Fleißes, der Künste und der Weisheit). So bildet die starke massive Bodenplatte als Kategorischer Imperativ mit dem sich scheinbar in Bewegung befindlichen drei Stelen Frieden, Gerechtigkeit und Fleiß einen ganzheitlichen Kant - Gedenkraum. Die scheinbare Öffnung der Stelen zum Sternenhimmel sollen die unendlichen Möglichkeiten der Entfaltung von Selbstbestimmung, Freiheit und Wohlstand der Menschen und Völker erlebbar machen. Demgegenüber können Eroberungskriege Unrecht und Ausbeutung zum Schließen der Stelen. d.h. zur Zerstörung von Selbstbestimmung, Freiheit und Wohlstand der Menschen und Völker führen.
Errichtet werden soll der weit sichtbare „Immanuel Kant Gedächtnistempel" in der Nähe des ehemaligen Grünen Tores auf der Kant-Insel am Pregel-Fluss. Da die Finanzierung dieses Kant-Denkmals noch nicht gesichert ist, suchen die Berliner Freunde der Völker Russlands noch Spender.
Das Spendenkonto ist das Vereinskonto der Berliner Freunde der Völker Russlands e.V.
IBAN: DE29 8306 5408 0005 2919 41
Verwendungszweck: Spende/Kant/Kaliningrad
Der wachsende Unmut der hart arbeitenden Bevölkerung vor allem in Deutschland sollte nicht bei der Durchsetzung von berechtigten Interessen stecken bleiben, sondern die verheerende westliche Außenpolitik Deutschlands in der Vasallen-Treue zu den USA mit einbeziehen.
Quellen und Anmerkungen
Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete "atomare Gefechtsfeld" in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm „Schwarzbuch EU & NATO“ (2020) sowie "Die unterschätzte Macht" (2022)
1) https://web.de/magazine/politik/nahostkonflikt/usa-grossbritannien-greifen-huthi-stellungen-jemen-39054614 2) https://web.de/magazine/politik/nahostkonflikt/krieg-nahost-news-10-januar-london-droht-huthi-rebellen-groesstem-angriff-roten-meer-3904699 3) https://web.de/magazine/politik/nahostkonflikt/usa-grossbritannien-greifen-huthi-stellungen-jemen-39054614 4) https://www.spiegel.de/ausland/jemen-recep-tayyip-erdogan-nennt-angriffe-auf-huthi-stellungen-unverhaeltnismaessig-a-fdbefcda-47db-4fc4-90af-8fdbeec4a8dc 5) https://freedert.online/international/192544-sacharowa-bezeichnet-us-angriffe-auf/ 6) https://www.congress.gov/118/crec/2023/02/28/169/38/CREC-2023-02-28-dailydigest.pdf; https://www.youtube.com/watch?v=tmmPHvlbdwI 7) https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/usa-ukraine-hilfen-102.html
8) Tatsächlich hat sich die Situation an der Grenze zu Mexiko seit dem Amtsantritt von Präsident Biden massiv verschärft. Immer mehr Menschen wollen in die USA. 2021 versuchten rund 1,9 Millionen Migranten, die Grenze zu passieren, 2023 waren es schon über 3,2 Millionen.
9) https://www.deutschlandfunk.de/bauernproteste-102.html 10) Ebda. 11) https://lobbypedia.de/wiki/Deutscher_Bauernverband 12) https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/interview-warum-bauernpraesident-joachim-rukwied-fuer-eine-gruenere-agrarpolitik-ist-id56324631.html 13) Screenshot vom 8. Januar 2024 14) https://www.merkur.de/lokales/muenchen/lkw-grossdemo-in-muenchen-polizei-erwartet-verkehrschaos-92771521.html 15) https://www.tiktok.com/@landleben512/video/7324068770027195681; https://www.sueddeutsche.de/muenchen/starnberg/andechs-erling-bauern-protest-es-reicht-1.6333346 16) https://willy-brandt.de/willy-brandt/reden-zitate-und-stimmen/zitate/ 17) Ebda 18) Zitiert wie https://www.imi-online.de/2023/09/18/steadfast-defender-grossmanoever/ 19) https://web.de/magazine/politik/selenskyj-spricht-historischem-pakt-nacht-ueberblick-39058662 20) https://www.welt.de/politik/ausland/article249508430/Ukraine-und-Grossbritannien-schliessen-beispielloses-Sicherheitsabkommen.html 21) Ebda. 22) https://www.reuters.com/world/europe/uk-commits-20000-military-personnel-nato-exercise-europe-2024-01-15/ 23) https://www.zeit.de/2022/53/angela-merkel-russland-krieg-wladimir-putin 24) https://www.fr.de/politik/von-putins-luegen-und-merkels-unwahrheiten-92037711.html 25) https://kant300.kantiana.ru/de/about/# 26) Ebda. 27) https://www.welt.de/politik/ausland/plus246859884/Kaliningrad-An-der-russischen-Exklave-stehen-sich-Nato-und-Russland-gegenueber.html +++
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