Wir haben einen Krieg gegen unsere eigenen Kinder entfesselt

Ein Meinungsbeitrag von Dirk C. Fleck.

Hinter der Krisen-Matrix unserer Tage lauert eine Gefahr, die uns wirklich Angst machen sollte. Sie ist mehr als jede Pandemie und jeder Atomkrieg geeignet, uns dem globalen Harmageddon näher zu bringen, sozusagen einen Schlusssstrich zu ziehen unter die atemlose Aufrechnung sich fort- und fortzeugenden Leids, wie es Ulrich Horstmann in seinem Buch „Das Untier – Konturen einer Philosophie der Menschenflucht“ beschreibt. Ein Tsunami der Zerstörung, den das Dauerbeben eines ungezügelten Kapitalismus ausgelöst hat, schickt sich an, das filigrane ökologische Netzwerk ebenso wie die sozialen Strukturen unserer globalen Zivilgesellschaft aus den Angeln zu heben.

Frank Schirrmacher, der verstorbene Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, den ich 2012 für mein Buch »Die vierte Macht« interviewt hatte, sagte in unserem Gespräch:

»Nehmen wir mal an, der Ökozid wäre heute schon eingetreten. Dann würde es die Tagesschau morgen als Normalität behandeln. Es gibt diesen einen Moment gar nicht, wo man sich fragt: Haltstopp, was ist hier geschehen? Die Medien schaffen es, aus den größten Brüchen immer wieder eine Scheinnormalität zu konstruieren.«

Was Frank Schirrmacher nicht erwähnte, ist die Tatsache, dass die Glaubwürdigkeit der Mainstreammedien extrem gelitten hat. Die Zahl der Menschen, die den notorischen Wahnsinn eines kapitalen Giersystems und ihrer Propagandisten durchschauen, wächst erheblich. Und mit ihr wächst die Bereitschaft zum Widerstand. Es war der US-amerikanische Schriftsteller Edward Abbey* (»Ohne Zivilcourage sind alle anderen Tugenden nutzlos«), der in seinem bereits 1975 erschienenen Roman »The Monkey Wrench Gang« den Begriff der Ökotage (von Sabotage) prägte. Sein Roman inspirierte den Aktivisten Dave Foreman 1979 dazu, die Umweltschutzorganisation Earth First! zu gründen, welche die moderat auftretenden anderen Organisationen wie die Wilderness Society oder selbst Greenpeace ziemlich alt aussehen ließ. Das Motto von Earth First!: »No Compromise in Defense of Mother Earth!« (Kein Kompromiss bei der Verteidigung von Mutter Erde). Der verstellbare Schraubenschlüssel (engl. monkey wrench) wurde zum Symbol für Sabotage und zu einem Teil des Logos von Earth First!

Eine weitere Galionsfigur der radikalen Umweltschutzbewegung ist Paul Watson*, ehemaliges Gründungsmitglied von Greenpeace. Greenpeace war ihm zu lau, zu kompromissbereit. Seit Jahren schippert Watson nun mit seiner »Sea Shepherd« über die Meere und rammt Walfangschiffe. Sein Credo: »Ich vertrete die Menschen, die noch nicht geboren sind und die mit Verachtung auf unsere Generation zurückblicken werden.«

Derrick Jensen*. Merkt euch diesen Namen. Jensen (63) ist ein unermüdlicher Prediger des gewaltsamen Widerstands. In seinem Bestseller »Endgame« schreibt er:

»In Anbetracht des auf dem Spiel stehenden Einsatzes – das Leben auf der Erde – ist es an der Zeit, dass auch wir unserem Siegeswillen den Zusatz ›um jeden Preis‹ anhängen. Das ganze kapitalistische System basiert auf Lügen. Solange uns jemand mit Lügen beruhigt, erlauben wir ihm weiterhin, mehr und mehr Land, Luft und Wasser, unser genetisches Material und alles andere auf diesem Planeten zu kontrollieren.«

Seit Dezember 1994 liegt der deutschen Bundesregierung eine interne Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung vor. In ihr heißt es: »Die Kooperation mit den Nachrichtendiensten im europäischen oder transatlantischen Rahmen muss ausgebaut werden. Außerdem müssen die rechtlichen Kompetenzen der Nachrichtendienste und Ermittlungsbehörden neu überdacht werden.«

Oh ja, und wie sie die rechtlichen Kompetenzen überdacht haben! Um die wirtschaftlichen Interessen zu schützen, sind die Industriestaaten in einem nicht für möglich gehaltenen Tempo dazu übergegangen, demokratische Grundrechte zu beschneiden. Unsere Demokratien verkommen schrittweise zu inhaltsleeren Gebilden, hinter denen sich autoritäre Strukturen verbergen, wie sie nur in Diktaturen möglich schienen.

Eine der Hauptgefahren, denen man sich gegenüber sieht, sind die durch Armut, Kriege und Umweltkatastrophen ausgelösten Bevölkerungswanderungen. Auch im Inneren eines Landes. In Verbindung mit einer weltweit zu erwartenden Wasserknappheit könnte dies zu chaotischen, ja anarchistischen Zuständen führen, denen nur mit militärischen Mitteln begegnet werden kann, wenn ein Rest an Ordnung und sozialer Sicherheit aufrechterhalten werden soll. Ein US-amerikanischer Think-Tank hatte bereits Anfang der neunziger Jahren empfohlen, Klima- und Umweltschützer in Zukunft als Terroristen, als sogenannte ungesetzliche Kämpfer zu behandeln. Das sollte auch für Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International gelten.

Wie gesagt, das war nur ein Vorschlag, noch kein Gesetz. Zum Gesetz ist es am 15. März 2017 geworden, als das EU-Parlament die sogenannte Anti-Terror-Richtlinie 2017/541 beschloss. Das im Eilverfahren verabschiedete Gesetzespaket soll terroristische Akte im Keim ersticken. Die Richtlinie kann problemlos auf Bereiche ausgedehnt werden, die bisher nicht als Terrorismus galten – etwa öffentlichkeitswirksame Proteste von Polit- und Ökoaktivisten oder Reisen, die „terroristischen Zwecken“ dienen. Zudem räumt die Richtlinie den EU-Mitgliedstaaten unter anderem die Möglichkeit ein, Netzsperren zu errichten.

Der Schriftsteller Michael Ende (1929-1995), Autor von »Die unendliche Geschichte«, hatte früh erkannt, dass die Mächtigen ihr perverses Vernichtungswerk bis zum Exzess betreiben werden. Schon in den Fünfziger Jahren schrieb er:

»Immer wieder tauchte nach 1945 die Frage auf, ob es denkbar sei, dass es je zu einem dritten Weltkrieg kommen könne. Ich glaube, wir befinden uns schon mittendrin. Nur bemerkt es offenbar niemand, weil dieser Krieg nicht territorial, sondern zeitlich geführt wird. Wir haben einen erbarmungslosen Krieg gegen unsere eigenen Kinder und Enkel entfesselt. Wir werden ihnen eine verwüstete Welt hinterlassen, auf der das Leben für sie sehr schwer sein wird. Aber da sie ja nicht zurückschlagen können, fahren wir damit fort, wir können schon gar nicht mehr anders. Unser Gewissen (sofern es nicht ganz zum Schweigen zu bringen ist) beruhigen wir mit der Annahme, dass ihnen schon etwas einfallen wird, um unsere Gemeinheiten wiedergutzumachen.«

* Edward Abbey, Paul Watson und Derrick Jensen sind drei von fünfzig Persönlichkeiten, die ich in meinem Buch „HEROES. Mut, Rückgrat, Visionen“ porträtiert habe.

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Dirk C. Fleck ist ein deutscher Journalist und Buchautor. Er wurde zweimal mit dem Deutschen Science-Fiction-Preis ausgezeichnet. Sein Roman “Go! Die Ökodiktatur” ist eine beklemmend dystoptische Zukunftsvision. 2023 erschien sein aktuelles Buch „HEROES. Mut, Rückgrat, Visionen“.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: Christian Schwier / Shutterstock.com

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Kommentare (9)

9 Kommentare zu: “Wir haben einen Krieg gegen unsere eigenen Kinder entfesselt

  1. Grim Wendigo sagt:

    Und doch tummeln sich auch und grade bei apolut die Klimawandelleugner (besser: die Leugner des rein anthropogenen Treibhauseffekts) und die AfD-linge, obwohl diese Partei nichts anderes ist als eine nationalistische FDP. Diese Spezies hat vollumfänglich versagt und nichts anderes verdient als das, was nun kommt. Good riddance.

  2. Die Sprache ist leider nun Mal so, wie sie ist. Es gibt nun Mal keinen Plural, der nur Verantwortliche allein einbezieht. Wir heißt nun Mal "wir alle" und nicht "diejenigen, die dafür verantwortlich sind, außer natürlich man selber, versteht sich". Merkt Ihr was? Das gilt nun auch für das "Ihr". Auch da sind alle, außer mir natürlich gemeint. Ich denke, wer sich nicht angesprochen fühlt, kann für sich entscheiden, dass es ihn nicht betrifft, statt dem Autor eine unmögliche Konkretisierung des "wir" abzuverlangen, zumal er sich selber damit einbezieht. Und im Grunde hat er Recht. Denn wer von uns profitiert nicht in irgendeiner Weise von den positiven Seiten unseres Systems, d.h. das System, in dem wir leben? Sind wir mal ehrlich zu uns. Wenn dann die negativen Seiten uns treffen, wird aufgeschrieben:"Wir haben nichts dazu beigetragen, das waren die da." Aber das stimmt so wenig, wie der Pharisäer alle Gebote und Gesetze einhalten konnte und dich erdreistete, über den Zöllner zu lästern. Vor 2000 Jahren gab es keine unschuldigen Römer, keine schuldlosen Juden, und heute sind wir alle nicht unschuldig. Nur weniger oder mehr schuldig. Auch die Letzte Generation, die FFF-Aktivisten nicht. Somit müssen wir uns alle damit auseinandersetzen. So sehe ich das: Wir alle! Wer meint, dass er nichts dazu beiträgt, der lügt sich was in die Tasche. Darum stimmt das Wir zu 100%. Vielleicht ist die Sprache doch genauer, als man landläufig denken mag

  3. Dass die Herrschenden erkannt haben, dass der Kampf der Zukunft wohl um genau dieses Thema: Überleben in einer Welt, die man selber zerstört hat, gehen wird, ist offensichtlich.
    Genau aus dem Grund wird seit Jahren versucht, unser Wirtschaftssystem mit einem grünen Label zu behängen. Nach dem Motto: Wenn alle das tun, was wir tun, wird alles gut.
    Wenn ich mir die Sendungen im Fernsehen ansehe, wie Planet E oder Plan B, wird mir regelmäßig schlecht. Es wird immer wieder so getan, als wenn alles gut würde, wenn diese Initiative läuft, oder jenes Projekt. Und nebenbei tuckern massenweise die Öl- und Rohstofftanker durch die Weltmeere, werden Tage des Rohstoffverbrauchs ausgeschrieben, die immer näher an den 1.1. rücken, Konferenzen finden weltweit statt und alle fühlen sich super, weil was passiert. Ach ja, ich vergaß noch den ökologischen Fußabdruck. Leute, ich darf gar nichts mehr essen, nichts mehr trinken, nichts einatmen, draußen wohnen, ohne Kleidung, keinen Schritt mehr gehen (Was im Übrigen dann wohl die letzliche Konsequenz ist) Und sterben schon gar nicht, denn die Folge … naja. Und trotzdem habe ich einen so großen Fußabdruck, wie ein normaler Afrikaner, der normal lebt. Ist das normal? Das zeigt, dass unser ganzes System faul ist und es selbst bei privatem Totalverzicht nicht besser wird. Zumal der bestenfalls die absolute Minderheit der Menschen durchhält. Der Autor Michael Ende hat es genau erkannt. Es ist unsere Wirtschaftsweise, die auf Mehrproduktion aus ist, auf Mehrgewinn, ohne den es nicht leben kann. Und jetzt ist das Ganze in die Turbophase übergegangen. Und zudem auf eine extrem Zuspitzung auf wenige Profiteure. Na, die wenigen bekommt man doch viel leichter weg, zumal, die ja die Mehrheit ausbeuten, oder? Blackrock, Vanguard, Amazon, Gates und Co. … wir haben es in der Hand!

  4. coronistan.blogspot.com sagt:

    Gottes auserwählte Psychoapthen führen Krieg die gesamte Menschheit, und die Art und Weise, wie sie vorgehen, beweist, wie unfassbar verkommen und krank im Kopf sie sind.

    Rubbery Clot Development In C19 Unvaccinated Individual With Previous Deep Vein Thrombosis and Massive Pulmonary Emboli – While On Eliquis, Nattokinase, Lumbrokinase and Serreptase – https://anamihalceamdphd.substack.com/p/rubbery-clot-development-in-c19-unvaccinated

  5. Herr Fleck, die besonders extrem daherkommenden Kräfte müssen nicht einmal wirklich radikal sein. Das sollte eigentlich allgemein bekannt sein. Ich erinnere mich daran mal gelesen zu haben, ich nehme an, Sie haben das auch mal gelesen, dass die Leninisten nach ihrer Revolution ziemlich erstaunt darüber waren, wer alles für den zaristischen Geheimdienst gearbeitet hat. Es ist nicht unbedingt nötig die Erfahrungen aus früheren Auseinandersetzungen zu ignorieren.

    Eine „letzte Wahrheit“ ist uns Menschen nicht zugänglich. Irgendwelche Sachen um jeden Preis erreichen oder verhindern zu wollen kann logisch deswegen nicht vertreten werden. Auch das sollte eigentlich allgemein bekannt sein.

    Schließlich, wer ist den das „wir“ von dem Sie reden? Ich habe keinen Krieg gegen meine Kinder begonnen, habe nicht vor das zu tun und vermeide die Kriegsführung nach Möglichkeit auch bezüglich der Kinder anderer Leute. Ich würde eine höhere Genauigkeit der Sprache begrüßen.

    Nichts für Ungut.

    • dirkfleck sagt:

      Lieber Herr Kaschek, die Überschrift ist dem Text von Michael Ende entnommen, der angesichts unseres Treibens auf diesem Planeten um das WIR ebenfalls nicht herum kam. Wenn sie jeden einzelnen Menschen nach seiner Mitschuld fragen würden, bliebe keiner übrig, der haftbar zu machen wäre. Da haben Sie wohl recht. Und dennoch sind die Verhältnisse wie sie sind. Seltsam, oder?

    • "Ich würde eine höhere Genauigkeit der Sprache begrüßen."
      Das schreiben Sie?
      Bitte werden Sie mal konkret.

    • Grim Wendigo sagt:

      Phrasen direkt aus dem kapitalfschistischen Thinktank. Klingt so klug und doch nur dumm…

      Und ja, es gibt eine objektiv beweisbare Dummheit.

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