
Die große Frage ist derzeit nicht nur, ob die russisch-amerikanischen Gespräche erfolgreich sind, sondern vor allem, wie die EU darauf reagieren wird. Will sie den Krieg gegen Russland alleine fortsetzen, oder schwenkt sie auf Frieden um?
Ein Kommentar von Thomas Röper.
Die Frage, die mir derzeit sowohl von Russen als auch von Deutschen in Gespräche am häufigsten gestellt wird, ist, ob in absehbarer Zeit ein Ende des Krieges möglich ist. Meine Antwort ist immer, dass das inzwischen vor allem von den Europäern abhängt. Die Trump-Regierung und Russland würden sicher zu einer Lösung kommen, die auch Kiew akzeptieren würde (oder müsste), wenn die Alternative wäre, ohne ausländische Hilfe weiter gegen Russland zu kämpfen.
Aber die Frage ist, was die Europäer tun werden. Bisher fallen sie dadurch auf, dass sie versuchen, die russisch-amerikanischen Gespräche mit allen möglichen Tricks zu stören, um die USA zur Fortsetzung der Krieges gegen Russland zu bewegen. Aber was werden die Europäer tun, wenn die USA und Russland sich tatsächlich einigen?
Werden sie Kiew anfeuern, den Krieg ohne die USA fortzusetzen und versuchen, die Ukraine alleine zu unterstützen? Würde Kiew den Europäern folgen oder den USA? Und würden die Europäer Truppen in die Ukraine schicken, weil die Ukraine ausgeblutet ist und das größte Problem der Ukraine nicht der Waffenmangel sondern der Mangel an Soldaten ist?
Ich habe derzeit keine Antworten auf diese Fragen, bin aufgrund der Tendenz der Äußerungen aus Brüssel, Paris, London und Berlin aber eher pessimistisch und schließe selbst das Szenario eines großen Krieges in Europa nicht aus.
Die russische Nachrichtenagentur TASS hat eine Zusammenfassung der widersprüchlichen Aussagen aus Europa veröffentlicht, die ich übersetzt habe.
Beginn der Übersetzung:
Guter oder böser Nachbar? Ist Europa bereit, die Beziehungen zu Moskau wiederherzustellen?
Man muss mit Russland reden und verhandeln – dieser Gedanke ist in letzter Zeit in den Äußerungen einer Reihe europäischer Politiker zu hören, deren Zahl immer größer zu werden scheint. Darüber, ob es in Europa wirklich einen einheitlichen Wunsch gibt, die Konfrontation mit Russland in einen vollwertigen Dialog zu verwandeln, schreibt die TASS.
Will Europa Frieden…?
In den letzten Jahren haben sich die Beziehungen Russlands zu den europäischen Ländern rapide verschlechtert, hauptsächlich auf Initiative des Westens, der ein Sanktionspaket nach dem anderen gegen Moskau verhängt hat. Jetzt aber spricht er von der Notwendigkeit, den Dialog wieder aufzunehmen.
Anfang April erklärte der finnische Präsident Alexander Stubb erneut, dass die Möglichkeit der Wiederaufnahme von Kontakten mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin innerhalb Europas diskutiert werde. Die europäischen Regierungen seien sich einig, dass es „irgendwann zu Kontakten kommen wird“, die jedoch noch vereinbart werden müssten. Bisher gibt es weder ein konkretes Datum noch Informationen darüber, wer genau an diesem Dialog teilnehmen wird. „Frankreich oder Großbritannien müssen mit Putin sprechen“, sagte Stubb später.
Die Diskussionen zu diesem Thema begannen am 27. März in Paris während des Gipfels der „Koalition der Willigen“, bei dem Vertreter von etwa 30 Ländern über mögliche Sicherheitsgarantien für Kiew nach dem Ende des Ukraine-Konflikts sprachen.
Stubb scheint zu glauben, dass die Wiederherstellung der Beziehungen zu Russland auf politischer Ebene ein sehr realistisches Szenario ist, und hat seine Mitbürger bereits aufgefordert, sich darauf „moralisch vorzubereiten“.
„Nichts ändert etwas an der Tatsache, dass Russland Finnlands Nachbar ist und immer sein wird. 1.350 Kilometer nachbarschaftliche Beziehungen“,
erinnerte er und wies darauf hin, dass die Aussichten für die Beziehungen zu Moskau von der Beendigung des Konflikts in der Ukraine und der Entwicklung der Gespräche über die Wiederherstellung der Beziehungen insgesamt abhängen.
Die in seiner Erklärung geäußerte Idee kann jedoch kaum als neu bezeichnet werden. Während der Konflikt in der Ukraine andauert und Europa verschiedene Sanktionen gegen Russland verhängt, leidet der Westen selbst darunter. Politiker und Medien verweisen häufig auf die ungünstigen Folgen der Restriktionen für die europäische Wirtschaft, ganz zu schweigen davon, dass dieses Thema seit mehreren Jahren Anlass für heftige Auseinandersetzungen in der EU und Diskussionen über eine mögliche Spaltung der Union ist.
Vor diesem Hintergrund unternehmen einige Politiker, zu denen offenbar auch Stubb gehört, bereits Versuche, den Grad der Aufregung zu verringern. So erklärte der spanische Außenminister Jose Manuel Albares im Februar, Europa sei sich der Notwendigkeit bewusst, die Beziehungen zu Russland in Zukunft wiederherzustellen. Dieser Prozess müsse auf der Grundlage der Gleichheit zwischen den Staaten und des gegenseitigen Respekts erfolgen, betonte er.
„Wir erleben einen Moment, der dem des Falls der Berliner Mauer sehr ähnlich ist. Wir stehen nicht vor einem Paradigmenwechsel, aber wir stehen vor einem Moment, in dem wir entscheiden müssen, wohin wir in den nächsten Jahrzehnten gehen werden“, sagte der Minister.
Der stellvertretende italienische Außenminister Edmondo Cirielli bezeichnete den Westen als Schuldigen für den Zustand der Beziehungen zwischen Europa und Russland. Ihm zufolge hätte der Konflikt in der Ukraine vermieden werden können, wenn die europäischen Länder eine andere Politik verfolgt hätten.
„Wenn man eine imperialistische Politik verfolgt, werden andere [Länder] hart. Mit anderen meine ich Russland und China“,
stellte er klar.
… oder Krieg?
Bislang kann man jedoch nur von dem Wunsch einzelner Politiker sprechen, die Kontakte zu Russland wiederherzustellen. Von gegenseitigem Vertrauen, geschweige denn von freundschaftlichen Beziehungen, ist keine Rede. Zudem sind einige Länder offen feindselig gegenüber Moskau eingestellt und bereiten sich auf einen möglichen Konflikt mit Russland vor.
So fordert das deutsche Innenministerium vor dem Hintergrund wachsender Herausforderungen für die internationale Sicherheit, dass Schüler Zivilschutz lernen sollen. Wie das Handelsblatt berichtet, hält Deutschland einen russischen Angriff auf NATO-Gebiet für ein realistisches Szenario, weshalb das Innenministerium die Bürger auffordert, sich mit lebenswichtigen Vorräten zu versorgen.
Dass in deutschen Schulen der Zivilschutzunterricht eingeführt werden könnte, sagte vor einem Jahr die damalige Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger.
Gleichzeitig forderte der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius die westlichen Länder auf, sich auf einen möglichen Krieg mit Russland innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre vorzubereiten. Er wies darauf hin, dass man sich nicht auf einen konkreten Angriff vorbereiten solle, sondern auf eine Bedrohung,
„von der man nicht weiß, ob und wann sie eintritt“.
Ähnlich äußerte sich im vergangenen Jahr General Roly Walker, Stabschef der britischen Armee. Ihm zufolge sollte sich die Armee des Landes auf einen möglichen Krieg innerhalb von drei Jahren vorbereiten und dabei die „sich nähernden geopolitischen Bedrohungen“ durch Russland, China, Iran und Nordkorea berücksichtigen.
Auch Frankreich bereitet sich auf das Schlimmste vor. Medienberichten zufolge wird die Regierung des Landes demnächst eine spezielle 20-seitige Broschüre herausgeben und an die Bürger verteilen, in der Anweisungen für den Fall von militärischen Aktionen, Naturkatastrophen und Epidemien enthalten sein werden.
Insbesondere werden die Franzosen aufgefordert, ein „Überlebenspaket“ zusammenzustellen, das mindestens sechs Liter Wasser, ein Dutzend Dosen mit Lebensmitteln, Batterien und eine Taschenlampe sowie eine medizinische Grundversorgung mit Paracetamol, Kompressen und Kochsalzlösung enthält.
Auch der französische Präsident Emmanuel Macron beruhigt seine Mitbürger nicht. Er erklärte, dass Russlands Aggression „keine Grenzen kennt“ und dass Europa sich auf eine Zukunft ohne garantierte Unterstützung der USA vorbereiten muss.
Es gibt keinen Konsens
Infolgedessen ist es schwierig, von einer einheitlichen Haltung Europas gegenüber Russland zu sprechen: Während einige versuchen, die Realität zu akzeptieren, in der man mit Moskau in einen Dialog treten und verhandeln muss, lassen andere die Konfrontation nicht aufhören, sondern verschärfen sie manchmal sogar noch.
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban bezeichnete Äußerungen westlicher Politiker, die auf eine Eskalation des Konflikts in der Ukraine und eine direkte Konfrontation mit Russland abzielen, als verrückt und unverantwortlich. Er warnte, dass solche Aktionen die Gefahr eines neuen Weltkriegs mit Atomwaffen in sich bergen.
Der französische Politiker Florian Philippot warnte seinerseits, dass die Politik der Chefin der europäischen Diplomatie, Kaja Kallas, zu einem möglichen Konflikt mit Russland führe und die EU viel Geld koste. Er verwies auf die Vorbereitungen einiger europäischer Länder auf einen Krieg mit Russland bereits im vergangenen Jahr.
„Das nennt man Vorbereitung auf einen Weltkrieg! Wir, Patrioten und Widerstandskämpfer, haben von Anfang an Alarm geschlagen und sind die einzigen, die massenhaft auf die Straße gehen, um das Land aufzurütteln und das Schlimmste zu verhindern – den Krieg!“
– schrieb er im sozialen Netzwerk X.
Darüber hinaus werden die Stimmen jener Politiker, die zum Dialog mit Russland aufrufen, durch die tatsächlichen Aktionen des Westens übertönt. Nach der Sitzung des UN-Sicherheitsrats zur Ukraine, die am 8. April auf Initiative des Westens stattfand, erklärte Dmitrij Poljansky, erster stellvertretender ständiger Vertreter Russlands bei den Vereinten Nationen, dass einige westliche Diplomaten in der Organisation versuchen, die Friedensgespräche zwischen Russland und den USA über die Ukraine zu stören.
Ihm zufolge haben die Vertreter Großbritanniens und der EU sofort eine Kehrtwende vollzogen und ihre frühere Aufforderung an Russland, die „unprovozierte Aggression“ und die „Besatzung“ zu beenden und seine Truppen aus der Ukraine abzuziehen, in den Vorwurf umgewandelt, gegen den von US-Präsident Donald Trump vorgeschlagenen Waffenstillstand zu verstoßen. Wie er feststellte, wird Moskau nun gedrängt, einen unbefristeten Waffenstillstand zu akzeptieren, und nun sei der Ball angeblich auf seiner Seite.
„Die Ukraine hält sich angeblich an alles und ist zum Frieden bereit, während Russland kämpfen will. Und dann appelliert man immer wieder an den neuen Herrn im Weißen Haus: Sehen Sie sich an, Russland will keinen Frieden, man sollte Druck auf es ausüben! So versucht die anglo-europäische ‚Kriegspartei‘, die russisch-amerikanischen Friedensgespräche zum Scheitern zu bringen“, sagte Poljansky.
Das Fehlen eines einheitlichen Willens der EU zur Herstellung gutnachbarschaftlicher Beziehungen zu Russland zeigt sich auch in dem unermüdlichen Bestreben, weitere Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Medienberichten zufolge sind Politiker bereits zu dem Schritt bereit – und das wieder trotz des Widerwillens einiger EU-Mitglieder.
Ende der Übersetzung
+++
Dieser Beitrag erschien am 10. April 2025 auf dem Blog anti-spiegel.ru.
+++
Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
+++
Bildquelle: Martin Capek / shutterstock
+++
Ihnen gefällt unser Programm? Machen wir uns gemeinsam im Rahmen einer "digitalen finanziellen Selbstverteidigung" unabhängig vom Bankensystem und unterstützen Sie uns bitte mit Bitcoin: https://apolut.net/unterstuetzen#bitcoinzahlung
Informationen zu weiteren Unterstützungsmöglichkeiten finden Sie hier: https://apolut.net/unterstuetzen/
+++
Bitte empfehlen Sie uns weiter und teilen Sie gerne unsere Inhalte in den Sozialen Medien. Sie haben hiermit unser Einverständnis, unsere Beiträge in Ihren eigenen Kanälen auf Social-Media- und Video-Plattformen zu teilen bzw. hochzuladen und zu veröffentlichen.
+++
Abonnieren Sie jetzt den apolut-Newsletter: https://apolut.net/newsletter/
+++
Unterstützung für apolut kann auch als Kleidung getragen werden! Hier der Link zu unserem Fan-Shop: https://harlekinshop.com/pages/apolut