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Warum wurde der 7. Oktober nicht vermieden? | Von Jochen Mitschka

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Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.

So lautet zum Jahrestag der Hamas-Offensive am 7. Oktober ein Artikel von Dan Steinbock. Der Autor gehört noch zu der Generation von Wissenschaftlern, welche die frühen Protagonisten israelischer Zionisten auf der einen Seite, und die Vertreter der PLO auf der anderen Seite persönlich kannte. Er veröffentlichte das Buch "Der Untergang Israels" (1) und zuletzt "Die Auslöschungsdoktrin" (2) nicht nur auf Grund seiner wissenschaftlichen Arbeit, sondern auch seiner persönlichen Erfahrung. Deshalb beginnen wir diesen PodCast mit der Übersetzung seines Artikels, um dann erst zum "Tagesgeschäft" im Nahen Osten zu kommen.

Nochmal: Was war der 7. Oktober 2023? von Dan Steinbock (3)

Am 7. Oktober 2023 – vor zwei Jahren – wurde die von der Hamas angeführte Offensive als "Israels 9/11" dargestellt, ein Ereignis das aus heiterem Himmel kam. Diese Annahme wird durch die Fakten nicht gestützt. Der Angriff war vermeidbar.

Nach dem von der Hamas angeführten Angriff verurteilten das Kabinett Netanjahu und andere hochrangige israelische politische, militärische und Sicherheitsbehörden das, was sie als "unseren 11. September" bezeichneten, vehement als "Überraschungsangriff". Für einen erstaunlichen Schock war es eine bemerkenswert einheitliche, orchestrierte Reaktion.

Doch die schwierigen Fragen werden ignoriert. Warum wurden die israelischen Geiseln im Stich gelassen? Warum wurden die strategischen Grenzgemeinden vernachlässigt? Und wo waren die reichhaltigen Geheimdienstinformationen über den Angriff der Hamas versickert?

Im Stich gelassene Geiseln

Am 7. Oktober 2023 wurden im Rahmen der von der Hamas angeführten Gesamtoffensive 251 Menschen aus Israel in den Gazastreifen verschleppt. Am nächsten Tag ernannte Ministerpräsident Netanjahu den ehemaligen Militärkommandeur Gal Hirsch dazu, die regierungsübergreifende Reaktion auf entführte Zivilisten und Soldaten zu koordinieren.

Auf internationaler Ebene wurde die Ernennung als proaktiver Schritt des Premierministers dargestellt, um die rechtzeitige Freilassung der israelischen Geiseln zu gewährleisten. Aber es war eine Farce.

Als Brigadegeneral hatte Hirsch während des Libanonkriegs 2006 eine IDF-Division befehligt, in dem die Auslöschungsdoktrin zum ersten Mal auf die Probe gestellt wurde (4), die auf der Zerstörung ziviler Infrastruktur und völkermörderischen Gräueltaten basierte. Außerdem war Hirsch für den Fehler verantwortlich, der zu einer Entführung durch Hisbollah-Kämpfer und, trotz schwerer Verluste, zu zwei gescheiterten Schlachten führte. Nach einer Flut von Kritik musste Hirsch [damals] zurücktreten.

Später trat er auf Geheiß Netanjahus der rechten Likud-Partei bei und wurde 2021 zum Favoriten für das Amt des nationalen Polizeichefs. Bis er und seine Geschäftspartner wegen Steuerhinterziehung (5) in Höhe von 1,9 Millionen Dollar in einem Fall von Waffenverkäufen nach Georgien angeklagt wurden.

Wenn Netanjahu es ernst meinte, Leben zu retten, warum ernannte er dann einen General zu seinem Geiselzaren, der bereits eine hochkarätige Entführung zu verantworten hatte, seine Soldaten nicht schützte und wegen Korruption angeklagt worden war? So kamen die Familien der Geiseln schnell zu dem Schluss, dass für die Netanjahu-Regierung das Schicksal der Geiseln zweitrangig gegenüber der Zerstörung Gazas war.

Und dann gab es da noch das seltsame Problem der israelischen Gemeinden rund um den Gazastreifen. Warum waren sie vor dem 7. Oktober jahrelang ungeschützt belassen worden?

Vernachlässigte israelische Gemeinden rund um Gaza

Als Israel gegründet wurde, betrachteten die Gründerväter seine Grenzgebiete als strategisch. Angrenzend an den Gazastreifen handelt es sich dabei um die sogenannte "Gaza-Hülle"; die bewohnten israelischen Siedlungen innerhalb von 7 km von der Grenze zu Gaza und damit in Reichweite von Mörsergranaten und Kassam-Raketen. 

Im Laufe der Zeit wurden viele dieser Orte von der Regierung vernachlässigt. Nach dem einseitigen Rückzug Israels aus dem Gazastreifen im Jahr 2005 und der Zunahme des grenzüberschreitenden Beschusses und der Raketenangriffe verabschiedete das Parlament ein Gesetz zur Unterstützung der "Gemeinden an der Konfrontationslinie".

Aber als diese Maßnahmen 2014 ausliefen, kürzte die IDF die entsprechenden Budgets, insbesondere nach dem Gaza-Krieg 2014, der Raketen- und Mörserangriffe, Tunnel, Einbrüche und sogar Brandanschläge mit Ballons ausgelöst hatte. Darüber hinaus sollten diese Gemeinden im Gaza-Umland (6) "nach den Wahlen im November 2022 aufgegeben werden". Die nachfolgenden Pro-Kopf-Budgets waren um ein Drittel niedriger. (Erst nach den Massentötungen genehmigte die Netanjahu-Regierung einen 5-Jahres-Plan in Höhe von 4,9 Milliarden Dollar zur Sanierung und Entwicklung des Gaza-Umlandes.)

Die israelischen Behörden hatten eine unterirdische High-Tech-Grenzmauer gebaut. Am 7. Oktober verließ sich die IDF zu sehr auf ferngesteuerte Überwachungssysteme und Waffen, die von Drohnen und Scharfschützen schnell außer Gefecht gesetzt wurden, was eine Infiltration und einen Angriff ermöglichte. Tatsächlich hatte der Erbauer der Barriere (7) bereits 2018 gewarnt, dass sie nicht dazu gedacht sei, einen Großangriff zu verhindern. Obwohl der "Eiserne Wall" als undurchdringlich galt, durchbrachen Hamas-Aktivisten am 7. Oktober die Grenzsperre an 44 verschiedenen Punkten.

Schlimmer noch, die israelischen Geheimdienstbehörden waren sich der Bedrohung seit mehr als einem Jahr bewusst, ignorierten sie aber.

Verworfene Geheimdienstinformationen

Nur wenige Tage nach dem 7. Oktober untermauerten Berichte von Mitgliedern der überwiegend weiblichen Beobachtungseinheiten Vorwürfe, dass Netanjahus Führung die Gefahren aus Gaza fatal falsch eingeschätzt habe. In einem Segment des israelischen Fernsehens berichteten zwei Soldatinnen, Yael Rotenberg und Maya Desiatnik (8), über ihre Erfahrungen in den Monaten vor dem Angriff.

Rotenberg sah häufig viele Palästinenser in Zivilkleidung in der Nähe des Grenzzauns mit Landkarten, die den Boden um ihn herum untersuchten und Löcher gruben. "Es macht wütend", sagte Desiatnik, die in Nahal Oz diente, wo 20 weitere weibliche Überwachungssoldaten von der Hamas getötet wurden.

"Wir sahen, was passierte, wir erzählten ihnen davon, und wir waren diejenigen, die ermordet wurden."

Die fatalen Fehler gehen auf die Zeit nach dem Gaza-Krieg im Jahr 2021 zurück, als beschlossen wurde, die Sammlung von Geheimdienstinformationen über das taktische Aufgebot der Hamas und die mittleren Ränge ihres militärischen Arms einzustellen und sich nur auf wenige Personen zu konzentrieren. Gegensätzliche Ansichten zu diesem Geheimdienstkonzept wurden an den Rand gedrängt.

Doch Beweise, die ein Jahr lang gesammelt worden waren, beweisen, dass Hamas-Kämpfer an mindestens sechs Orten in Gaza in Sichtweite und weniger als 1,5 Kilometer von Israels stark befestigter und überwachter Grenze entfernt für die Blitzangriffe trainiert hatten.

Ein 40-seitiger Plan mit dem Codenamen Jericho Wall skizzierte eine tödliche Invasion. Er war unter israelischen Militär- und Geheimdienstführern weit verbreitet worden, die zu dem Schluss kamen, dass ein Angriff dieses Ausmaßes die Fähigkeiten der Hamas überstieg. (9)

Unmittelbar nach dem 7. Oktober veröffentlichten mehrere israelische Medien Berichte, die darauf hindeuteten, dass die Warnungen vieler Geheimdienstanalysten ignoriert wurden. Später, im November 2023, wurde dies sogar vom Mainstream CNN (10) und der New York Times berichtet. (11)

Verworfene (vergrabene?) Beweise

Nach dem 7. Oktober erklärte ein hochrangiger ägyptischer Geheimdienstoffizier, Israel habe wiederholte Warnungen ignoriert, dass

"eine Eskalation der Lage bevorsteht, und zwar sehr bald, und sie wird groß sein".

Netanjahu bestritt, derartige Vorwarnungen erhalten zu haben. Dennoch bekräftigte der Ägypter, dass der israelische Ministerpräsident direkte Hinweise vom ägyptischen Geheimdienstminister erhalten habe. Ebenso erzählte Michael McCaul, Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des US-Repräsentantenhauses, Journalisten von der angeblichen Warnung.

Schlimmer noch, viele Aussagen israelischer Zeugen des Angriffs der Hamas deuten darauf hin, dass das israelische Militär seine eigenen Bürger, die darum kämpften, die palästinensischen Bewaffneten zu neutralisieren, in Übereinstimmung mit der Hannibal-Direktive (12) tötete. Wie ein Zeuge dem israelischen Rundfunk sagte:

"[Israelische Spezialeinheiten] haben alle eliminiert, einschließlich der Geiseln."(13)

Die Hannibal-Direktive ist eine umstrittene Doktrin, die 1986 eingeführt wurde und darauf abzielt, die Gefangennahme israelischer Soldaten durch den Feind zu verhindern, indem die Geiseln selbst neutralisiert werden. Ziel ist es, ihre Entführung und den daraus resultierenden Gefangenenaustausch zu verhindern. Im Jahr 2016 wurde die Direktive vom damaligen IDF-Stabschef Gadi Eisenkot widerrufen; ironischerweise ist er der Architekt der Auslöschungsdoktrin (14) die hinter der heutigen Verwüstung des Gazastreifens steht. Aber die Richtlinie ist nicht als historisch verschwunden.

Inmitten der Hamas-Offensive wurde die IDF angewiesen, "um jeden Preis" die Entführung israelischer Zivilisten oder Soldaten zu verhindern. Israelische Soldaten wussten um die Bedeutung der Codewörter. Tatsächlich wurde die von der Hamas angeführte Offensive durch das verschlimmert, was einige israelische Soldaten später als "Massen-Hannibal" bezeichneten.

Die Nutzung des 7. Oktober

Im Mai 2024 deuteten neue Beweise darauf hin, dass Israels Versagen der Geheimdienste das Nettoergebnis einer "Kette von Fehlern" (15) war, die den gesamten Sicherheitssektor durchzog, sowohl im Shin Bet als auch in der IDF.

Im März 2025 enthüllten die wegweisenden Ermittlungen der israelischen Streitkräfte zu dem Anschlag vom 7. Oktober (16) schwerwiegende, tief verwurzelte Fehleinschätzungen der Geheimdienste und grundlegende Missverständnisse sowohl der israelischen Regierung als auch des Militärs über das Wesen der Hamas und ihre Absichten.

Bei der Untersuchung desselben Angriffs durch den israelischen Inlandsgeheimdienst Shin Bet, wies dieser mit dem Finger auf Ministerpräsident Netanjahu. (17) So wie der 11. September von der Bush-Regierung als Vorwand für den fehlgeleiteten Krieg gegen den Irak und den Krieg gegen den Terror benutzt wurde, benutzte Netanjahu die Offensive der Hamas, um die anschließenden Bodenangriffe und Massengräueltaten zu legitimieren, von denen man hoffte, dass sie zu ethnischen Vertreibungen führen würden, die Gaza für die jüdische Umsiedlung öffnen und die Annexion des Westjordanlandes an Israel erleichtern würden.

Durch seine neokonservativen Freunde in den USA wusste Netanjahu, dass eine Massentragödie wie in Pearl Harbor unerlässlich war, um die Aufrüstung zu legitimieren und die Einheit zu fördern.

Die führenden Neokonservativen, die sich lange vor dem 11. September um das Projekt für das Neue Amerikanische Jahrhundert (18) versammelt hatten, wurden von Netanjahu beauftragt, ein separates Grundsatzdokument mit dem Titel "A Clean Break" (19) (1996) für Israel vorzubereiten.

"Es war keine Überraschung"

Einen Tag nach dem 7. Oktober 2023 hat CNBC (20), der globale Finanznachrichtenriese, mich und Ian Bremmer von der Eurasia Group interviewt. Bremmer wiederholte die offizielle israelische Darstellung und sagte, dass die "massiven Angriffe der Hamas-Führung auf Israel ... ist nicht weniger als Israels 9/11." Im Gegensatz dazu sagte ich, dass der Angriff "sicherlich nicht aus heiterem Himmel kam".

Wochen nach dem 7. Oktober deuteten israelische Medienrecherchen darauf hin, dass die IDF drei Wochen vor dem Angriff detaillierte Kenntnisse über die Hamas-Offensive hatte, basierend auf Informationen der Einheit 8200 des militärischen Geheimdienstes. Das Dokument unterstreicht das Ausmaß, in dem die Gaza-Division der IDF von einem möglichen Angriff auf Israels südliche Grenzgemeinden wusste, und enthüllte eine Reihe von Übungen, die von den Nukhba-Eliteeinheiten der Hamas in den davor liegenden Wochen durchgeführt worden waren. Einer der schockierendsten Abschnitte des IDF-Berichts enthielt Anweisungen über die Geiselnahme, deren Zahl auf 200 bis 250 geschätzt wurde, was den tatsächlichen 251 Gefangenen nahe kam.

Die Zeichen standen an der Wand. Warum wurde es also ignoriert? Der 7. Oktober war vermeidbar gewesen.

Soweit der Rückblick von Dan Steinbock auf den 7. Oktober 2023.

Israel im Oktober 2025

Hamas stimmt dem Plan zu (21), der Trump (wie berichtet) den arabischen Staaten vorgeschlagen hat, verlangt aber Ende der israelischen Besatzung und Sicherheitsgarantien, denn wie bekannt, hatte Israel auch den letzten Waffenstillstandsvertrag im Januar gebrochen. Nun kommen wir zu dem Problem, dass Trump den arabischen Staaten einen anderen Plan vorgeschlagen hatte, dem anscheinend Israel zustimmte. Und es war die Frage, was auch aus diesem "Friedensplan" wohl wieder würde. Gleichzeitig mit dem "Friedensplan" flogen die Tankflugzeuge der USA, welche auch schon für den 12-Tage-Krieg gegen den Iran Israel den letzten Angriffskrieg gegen das Landermöglicht hatten, in den Nahen Osten. Weshalb Anfang Oktober praktisch alle Beobachter davon ausgingen, dass der nächste Irankrieg unmittelbar bevorstand.

Israel bombardiert Nachbarländer weiter

Als Reaktion auf die ständige Bombardierung des Libanons veröffentlichte der Generalsekretär der Hisbollah, Naim Qassem, eine Stellungnahme. Er erklärte, dass das Land trotz Waffenstillstand weiter durch Israel angegriffen wird, und betonte, dass die Hisbollah sich der Besatzung entgegenstellen werde. Dann kommt er zu dem angeblichen Trump-Plan zu Gaza:

"Trump hat einen Plan für den Gazastreifen vorgelegt, und dieser Plan ist voller Gefahren. … Trumps Plan wurde zunächst einigen arabischen Staaten als Entwurf vorgelegt. Es kam zu Treffen mit Netanjahu, bei denen Änderungen eingebracht wurden, um ihn vollständig an Israels Wünsche anzupassen. Änderungen in einigen Punkten dienen Israels Projekt 'Großisrael' – einem Projekt, das es nun politisch verwirklichen will, nachdem es durch Aggression und Massaker gescheitert ist. … Wir stehen vor einem Plan voller Fragezeichen …  Wenn die Verwaltung [des Gaza-Streifens] nach Trumps Plan einer internationalen Partei übergeben wird, die Verantwortung für die Führung ihrer Angelegenheiten vom Volk gestohlen wird und in den ersten Tagen Gefangene gemacht werden, was haben wir dann nach all diesen Kämpfen erreicht? … Trumps Plan steht im Einklang mit den fünf Prinzipien, die Israel zur Beendigung des Krieges aufgestellt hat – 'es ist ein 'israelischer' Plan im amerikanischen Gewand'."(22)

Qassem erklärte die Gründe für den Plan. Es gehe darum, das Image Israels zu verbessern, und die wachsende Unzufriedenheit in den USA und Europa über die Politik der Regierungen unter der Bevölkerung zu unterdrücken. Natürlich müssten die Palästinenser selbst die Entscheidung treffen, ob sie dem Plan zustimmen wollten.

Der Hisbollah Vorsitzende betonte, dass die Annahme, die Hisbollah sei schwach und zerstört, falsch sei. Und die Hisbollah wäre aktiv am Aufbau des libanesischen Staates beteiligt. Er erklärte, dass die Organisation nicht auf Provokationen eingehen werde, welche Überreaktionen der Hisbollah als Vorwand für weitere Zerstörung und Tötung auslösen sollten.

„Der Libanon steht im Zentrum des Sturms aufgrund der israelischen Aggression und Übergriffe, der Tötung von Kindern und Ingenieuren und der gezielten Bekämpfung jeglichen Lebens. Sie wollen den Widerstand und seine Bevölkerung unter Druck setzen und den Libanon handlungsunfähig machen – und die USA unterstützen dies mit all ihren Möglichkeiten. … Sie griffen in die staatliche Struktur ein, um politisch zu erreichen, was ihnen mit Krieg nicht gelungen war (23). Doch es wurde klar, dass dies aufgrund unserer breiten Unterstützung in der Bevölkerung nicht möglich war – das war für sie eine Überraschung. … Sie wollten einen Bruch mit der libanesischen Armee, doch die Armee handelte klug und zeigte, dass der Libanon von vernünftiger Seite aufgebaut wird. Daher war die Position der Armee und des Widerstands klar: Spaltung ist verflucht und darf niemals zwischen uns entstehen. (24) … Zwar besteht zwischen uns und Israel keine militärische Parität, aber wir werden sie übertreffen, weil wir unserem Vaterland verbunden sind, bereit sind, Opfer zu bringen und den Dschihad zu führen, und unerschütterlich an der Option des Widerstands festhalten." (25)

Ruhe vor dem Sturm

Im Nahen Osten herrschte Anfang Oktober 2025 die Ruhe vor dem Sturm. Die Nachbarländer Israels waren immer noch schockiert vom Raketenangriff Israels auf Katar und hinterfragten die Verlässlichkeit der USA in einer, wie sie glaubten, "Sicherheitspartnerschaft", die auf Militärbasen und Unterstützung beim Abfangen von iranischen Raketen auf Israel basiert haben sollten. Dieser Glauben an eine "Sicherheitspartnerschaft" hatte sie in den letzten Jahrzehnten dazu getrieben, immer wieder Erpressungen und Druck nachzugeben, entgegen der Meinung der eigenen Bevölkerung, Israel zu unterstützen. Als Dank wurde man dann mit Raketen beschossen?

Als Reaktion sahen wir nun bereits die Verkündigung eines Verteidigungsbündnisses zwischen Saudi-Arabien und Pakistan, und heftige Gespräche waren unterwegs zwischen verschiedenen anderen Regierungen. Dieser Pakt verpflichtet Saudi—Arabien und Atomstaat Pakistan, eine Aggression gegen ein Land als Angriff auf beide zu betrachten und umfasst militärische Kooperation, Training und potenziell sogar nukleare Abschreckung. Ägypten hat den Pakt offiziell als "wichtigen Meilenstein" begrüßt, zeigte aber intern Unmut, da es selbst eine ähnliche Allianz mit Saudi-Arabien anstrebte. Wenn Ägypten dem Pakt beitreten würde, hätten wir quasi den Kern einer Nahost-"NATO", und ziemlich sicher würden noch andere Länder folgen.

Als Reaktion auf die Bombardierung Katars hatten die USA erklärt, zukünftig einen Angriff auf das Land als einen Angriff auf die USA anzusehen. Die meisten Medien bezeichneten dies als Versicherung gegenüber einem Angriff Israels. Tatsächlich ist es aber eine Absicherung der eigenen Militärbasen dort, sollten diese im Fall eines Krieges durch den Iran wieder einmal als Vergeltung für US-Bomben auf den Iran beschossen werden. Selbst wenn die Annahme nicht zutraf, war die Aussage ein Zeichen der USA, wie ernst die Führung diesen Vorgang der zerstörten Illusion eines Schutzes durch US-Basen nahm.

Die scheinbar unendliche Geschichte von "Waffenstillstandsverhandlungen", welche in der Vergangenheit stets von Israel entweder verzögert, als gescheitert erklärt, oder im Januar gebrochen worden waren, könnte langsam zu einem Ende kommen. Die Gespräche zwischen der Hamas und Israel wurden Anfang Oktober in Ägypten geführt, nicht mehr in Katar. Und Ägypten hatte allerhöchste Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Von Luftabwehr auf höchster Alarmstufe, bis zum zeitweisen Jamming von GPS und Mobilfunkdaten. Und die Mediatoren Ägyptens deuteten an, dass Israel möglicherweise bereit sein könnte, doch Zugeständnisse zu machen. (26)

Tatsächlich leidet die israelische Besatzungsmacht in Gaza unter erheblichen Verlusten. Besonders in den Bereichen, die als "bereinigt" angesehen werden, und praktisch keine Zivilisten mehr enthalten, schlagen die Widerstandskämpfer immer wieder zu. Die Wirtschaft leidet unter dem ständigen Druck durch Jemens Raketen, die zwar nicht viel Schaden anrichten, aber psychologisch auf die Bevölkerung wirken, und den Tourismus zu einem starken Rückgang gebracht hatten. Außerdem fehlen die Arbeitskräfte, welche als Reservisten eingezogen werden, abgesehen von den zehntausenden von Soldaten, die als "kampfunfähig" und teilweise auch arbeitsunfähig angesehen werden müssen. Hinzu kommt, dass immer mehr Konzerne trotz der offiziellen Unterstützung ihrer Regierungen, still und leise ihre Investments in Israel reduzieren oder beenden, und auch Länder ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu Israel überdenken, oder schon eingeschränkt haben.

Hier endet das Format des PodCast. Der interessierte Leser kann im Anhang noch lernen, wie sich Anfang Oktober die Möglichkeit eines neuen Krieges, nach dem 12-Tage-Krieg gegen den Iran, darstellt.

Anhang

Ruhe vor dem Sturm (Fortsetzung)

Zwei Jahre eines beispiellosen Völkermordes kommen Anfang Oktober zu einem langsamen Ende, oder aber, wie weiter oben erklärt, münden in einem vernichtenden Krieg mit dem Iran. Allerdings sind immer mehr Analysten der Meinung, dass ein Krieg Israels UND der USA mit einer Niederlage von beiden enden könnte. D.h. dass die Angreifer die gleichen oder größere Verluste erleiden könnten, als sie dem Iran zufügen. Begründet wird das einerseits mit den erfolgreichen Raketenangriffen während des 12-Tage-Krieges, andererseits mit einer veränderten Einstellung der iranischen Führung, welche vor dem letzten Krieg alleine auf die eigenen Fähigkeiten vertraut hatte. Nun aber offensichtlich massive Hilfe aus Russland und China akzeptierte.

Außer die Angreifer ziehen die nukleare Karte, und werden zum ersten Mal nach Hiroshima und Nagasaki Kernwaffen gegen einen Nicht-Nuklearstaat einsetzen. Es wäre das letzte aller Kriegsbrechen, welches bisher von beiden Ländern vermieden worden war. Aber ausgeschlossen war es deshalb nicht. Denn alle anderen Kriegsverbrechen scheinen sowohl für Israel als auch die USA ohne Folgen zu bleiben, was sie in der Vergangenheit ermutigte, immer weiter zu eskalieren. Der Bogen vom Koreakrieg über Vietnam bis Gaza zeigte eine immer drastischere Ignoranz gegenüber der Weltmeinung und dem Völkerrecht. Hatten die USA im Koreakrieg noch im letzten Moment von dem Einsatz von Kernwaffen abgesehen, könnte sich das angesichts der wiederholten Änderungen der Nukleardoktrin geändert haben. Und Israel war sowieso alles Denkbare zuzutrauen. Waren doch schon einmal Bomben scharf gemacht worden, als ein Krieg gegen Ägypten drohte verloren zu gehen.

Die Welt blickte weiter gespannt auf die Region.

Quellen und Anmerkungen

Der Autor kommentiert tagesaktuelle Themen unter https://x.com/jochen_mitschka

(1) https://der-politikchronist.blogspot.com/p/der-untergang-israels-von-dan-steinbock.html

(2) https://der-politikchronist.blogspot.com/p/die-ausloschungsdoktrin.html

(3) Aus E-Mail an den Autor

(4) https://www.claritypress.com/product/the-obliteration-doctrine-genocide-prevention-israel-gaza-and-the-west/  oder in Deutsch: https://der-politikchronist.blogspot.com/p/die-ausloschungsdoktrin.html   

(5) https://www.timesofisrael.com/ex-general-gal-hirsch-indicted-for-tax-evasion-totaling-1-9-million/  Der Text beschreibt Geschäfte von Gal Hirsch und seinen Partnern in einer Verteidigungs- und Rüstungsfirma namens Defensive Shield, die zwischen 2007 und 2009 Beratung, Militärtraining und Waffenverkäufe an das Verteidigungsministerium von Georgien vermittelt hat. Die Steuerhinterziehung bezieht sich auf Einnahmen aus diesen Deals in Georgien, die über ein Netzwerk von Firmen und Konten in Israel, Georgien und den Britischen Jungferninseln verschleiert wurden.

(6) https://adva.org/en/gaza-envelope-budget/

(7) https://www.timesofisrael.com/years-of-subterfuge-high-tech-barrier-paralyzed-how-hamas-busted-israels-defenses/  

(8) https://www.timesofisrael.com/surveillance-soldiers-warned-of-hamas-activity-on-gaza-border-for-months-before-oct-7/  

(9) https://apnews.com/article/israel-palestinians-south-africa-genocide-hate-speech-97a9e4a84a3a6bebeddfb80f8a030724  

(10) https://edition.cnn.com/2023/10/12/middleeast/hamas-training-site-gaza-israel-intl/index.html

(11) https://www.nytimes.com/2023/11/30/world/middleeast/israel-hamas-attack-intelligence.html  

(12) https://www.claritypress.com/product/the-fall-of-israel/ Oder in Deutsch: https://der-politikchronist.blogspot.com/p/der-untergang-israels-von-dan-steinbock.html  

(13) https://thegrayzone.com/2023/10/27/israels-military-shelled-burning-tanks-helicopters/

(14) https://www.claritypress.com/product/the-obliteration-doctrine-genocide-prevention-israel-gaza-and-the-west/  oder in Deutsch: https://der-politikchronist.blogspot.com/p/die-ausloschungsdoktrin.html

(15) https://www.haaretz.com/israel-news/2024-05-09/ty-article/.premium/disdain-denial-neglect-the-roots-of-israels-intelligence-failure-on-hamas-and-oct-7/0000018f-5811-d348-a7bf-feb907a80000  

(16) https://www.haaretz.com/israel-news/2025-02-28/ty-article/.premium/idfs-october-7-probes-only-reveal-part-of-the-picture-now-its-time-for-the-state/00000195-491a-dfb4-a1f7-f9bf68120000  

(17) https://www.haaretz.com/israel-news/2025-03-05/ty-article/.premium/shin-bet-oct-7-probe-finds-internal-failures-points-finger-at-prime-minister/00000195-62f1-db7b-afdd-f2fdc8cb0000?lts=1741572924002  

(18) https://archive.org/details/RebuildingAmericasDefenses  

(19) https://www.amazon.com/Neocon-Middle-East-Policy-Assessment/dp/0976443732  

(20) https://www.cnbc.com/2023/10/08/israels-9/11-political-analysts-react-to-deadly-hamas-attack.html  

(21) https://x.com/Tarek_Bae/status/1974213431629636015

(22) https://x.com/TheCradleMedia/status/1974527458792636526

(23) Gemeint ist die erpresste Wahl des Armeechefs zum Präsidenten.

(24) Das ist das berühmte "Pfeifen im Wald". Die Armee und der neue Präsident sind durch die USA finanziert und wurden durch Erpressung daran gehindert, effektive Waffen zu beschaffen. Ihre Ausrüstung ist für die Niederschlagung von Aufständen, nicht für den Krieg gegen einen Aggressor ausgelegt. Bisher hat sich die Armee tatsächlich erfolgreich geweigert, der Forderung nachzukommen, an Stelle der israelischen Armee gegen die Hisbollah vorzugehen. Aber das könnte sich ändern.

(25) https://x.com/TheCradleMedia/status/1974527458792636526

(26) https://youtu.be/vbyFBMHAwRc?si=v3qfm9NGgkW5usBg&t=89  

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bild: Re'im, Israel - 5. Januar 2024 Memorial bestehend aus Fotos von jungen Israelis getötet bei dem Terroranschlag auf das NOVA-Festival, das am 7. Oktober 2023 stattfand, ein paar Kilometer von Gaza entfernt 
Bildquelle: Jose HERNANDEZ Camera 51 / shutterstock


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