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Warum sollten die Grünen auch wissen was Fracking ist?

Warum sollten die Grünen auch wissen was Fracking ist?


Ein Meinungsbeitrag von Dirk C. Fleck.

Gas aus Russland wollen sie nicht, können sie auch nicht mehr, nachdem die Leitungen gesprengt wurden, was die versprochene „lückenlose Aufklärung“ ziemlich zügig hat einschlafen lassen. Anyway, die Vereinigten Staaten von Amerika haben spontan angeboten zu helfen. Sie stehen nicht an, uns ihr Fracking-Gas mit Spezialschiffen frei Haus zu liefern. In Häfen, die erst noch gebaut werden müssen und zu Mondpreisen, wie unser Wirtschaftsminister erschrocken feststellte. Er ist zwar Mitglied der Grünen, was aber nicht zwangsläufig bedeutet, dass er eine Ahnung davon haben muss, was Fracking* überhaupt ist. Die Partei der selbsternannten Umweltschützer scheint überhaupt keine Ahnung mehr zu haben, von nichts wie es scheint. Deshalb schrecken sie auch vor nichts zurück. Vor Kriegen nicht und vor Umweltschweinereien der besonderen Art schon gar nicht.

Wenn selbst ein ahnungsloser Journalist und Schriftsteller wie ich in einer Blitzrecherche soviel Kenntnis über Fracking erlangt, dass er den angestrebten Wahnsinn, auf den sich unsere Energieversorgung nun stützen soll, plausibel zu erklären vermag, haben wir unser Schicksal garantiert in die falschen Hände gelegt. Hier ein Kapitel aus meinem letzten Roman FEUER AM FUSS (weil wir über verbrannte Erde laufen werden):

 

RICKS DINER war ein Vorhof zur Hölle, in dem sich ein Bündel Sonnenlicht mühsam seinen Weg durch die tanzende Staubschicht zum Tresen bahnte, hinter dem Eleanor Rigby ihren Lippenstift etwas zu rot aufgetragen hatte. Sie war die einzige Frau unter etwa dreißig Männern zwischen 40 und 60, die in düsteren Ecken auf Spielkarten starrten, ihr Steak bepfefferten oder in vorgebeugter Haltung Kreuzworträtsel lösten, was für Cording aussah, als würden sie Fluchtrouten studieren. Im Grunde war alles wie immer, wenn er sich unters Volk mischte, nur eines fehlte hier: der aufkommende Ekel. Ricks Schuppen war eine konfliktfreie Zone. Dieses Gefühl wurde durch die Abwesenheit von Rock`n Roll noch verstärkt. Jemand hatte der Musicbox den Stecker gezogen. Das Wurlitzer-Prachtstück glitzerte wie ein längst erloschener Stern...

„Was kann ich für euch tun, Jungs?“ fragte Eleanor, „Wir haben Hühnchen und Steak. Steak und Hühnchen…“

„Die Tafel Schokolade dort, die hätte ich gern,“ sagte Cording und deutete auf die Cadbury zwischen den Rumflaschen. „Dazu zwei doppelte Bourbon.“ Er sah Ted an, Ted nickte. Cording drehte sich um, Ted auch. Allmählich erschloss sich ihnen der Grund für die Abwesenheit von Gruppenfeindseligkeiten im Luch-Paradies. Es gab kein Gefälle mehr. Oben und unten gab es nicht mehr. Dafür hatte das Leben gesorgt. Hier ging es jedem an die Existenz. Die Männer klagten über marodierende Banden, die ihre Farmen überfielen, das Vieh abschlachteten und auch vor Mord nicht zurück schreckten. Es verband sie der Hass auf Banken und Monsanto. Auf Exxon und Global Energie und alle anderen Blutsauger, die sich ihre Felder für teures Geld erschlichen hatten und sie nun aufs gröbste malträtierten, was nicht nur die Landschaft verschandelte, sondern auch das Grundwasser in der Region.

„Fracking…,“ bemerkte Ted, „die Leute reden vom Fracking. Eine Methode zur Gewinnung von sogenannten unkonventionellen Gasreserven. Du hast die Bohrtürme gesehen. Wir werden noch viel mehr zu sehen bekommen. Sie stehen im gesamten Restgebiet der Vereinigten Staaten. Schon verrückt, welchen Aufwand die Herrschenden betreiben, um an die verbliebenen fossilen Ressourcen heranzukommen, die ihr zusammenbrechendes System noch einige Jahre stützen könnten. Dabei lassen sie einen ganzen Kontinent aussehen wie eine weggeworfene, von allen Seiten bestochene Vodoo-Puppe.“

„Kommt mal mit, Jungs,“ unterbrach Eleanor, „ich zeig euch was. Na los, was ist?“ Sie folgten ihr in die Küche. „Bleibt da stehen, ist besser. Was ich euch jetzt zeige, ist keine Hexerei“. Sie drehte den Wasserhahn über dem Spülbecken auf, riss ein Streichholz an und führte es vorsichtig an den Strahl. Als sie sich auf fünf Zentimeter genähert hatte, schoss eine Stichflamme bis unter die Decke. Eleanor war rechtzeitig zur Seite gewichen, sie kannte das. „Brennendes Wasser. Schon mal gesehen?“ fragte sie und zündete ein weiteres Streichholz. Der Spuk wiederholte sich, diesmal schossen die Flammen in die Breite. „Dieses Phänomen finden Sie in unserer Gegend in jedem zweiten Haushalt. Ich weiß gar nicht, wie viele Leute sich schon schwere Verbrennungen zugezogen haben. Die meisten von ihnen Kinder...“

„Beim Fracking wird unter hohem Druck Flüssigkeit ins Gestein gepumpt,“ bemerkte Ted an Cording gewandt, „zum Teil mehrere tausend Meter tief.“ „Oh gut, da scheint sich jemand auszukennen,“ sagte Eleanor, „erklären Sie es ihm, ich kann das so schlecht.“ Dabei füllte sie ein Glas mit Leitungswasser und hielt die trübe Brühe kopfschüttelnd ans Licht. „Diese Flüssigkeit, von der ich eben sprach, ist schon mal das erste Problem,“ fuhr Ted sachlich fort. „Es ist eben nicht nur Wasser. Es ist ein Chemikaliencocktail. Der soll nun dazu führen, dass sich im Sediment kleine Kanäle öffnen, durch die das in ihm eingeschlossene Gas an die Oberfläche drängen kann. Damit es sich rentiert, muss man diese Kanäle für das Gas offen halten. Also werden die Kanäle durch Stents auseinander gedrückt. Die verwendeten Chemikalien, unter anderem Säuren, Biozide, Oxidationsmittel, Enzyme und Korrosionsschutzmittel in Gelen oder Schäumen, sind enorm giftig, na klar. Das Irre ist, dass sie uns immer noch nicht gesagt haben, was da eigentlich hinunter gepumpt wird. Mit dem hoch gedrückten Gas steigen natürlich auch die Dämpfe dieser Chemikalien auf. Backflow heißt das. In vielen Staaten empfiehlt die Gesundheitsbehörde der Landbevölkerung, das Leitungswasser nicht zu trinken und beim duschen für eine effektive Lüftung zu sorgen.“

„Wie absurd ist das denn?!“ bemerkte Eleanor. „Man sollte das Pack aus den Vorstandsetagen der Energiekonzerne aufknüpfen. Nein, noch besser: man sollte es unter hohem Druck ins Gestein pumpen,“ lachte sie heiser. Als Cording und Ted wieder auf ihren Barhockern Platz genommen hatten, trat einer von den Spieltisch-Cowboys auf dem Weg zur Toilette an sie heran und fragte: „War das euer blauer Mustang auf dem Parkplatz?“ „Ja, wieso?“ antwortete Cording. „Wieso war?!“ schob Ted entsetzt hinterher. „Weil er sich gerade aus dem Staub macht. Wenn ihr Glück habt, könnt ihr ihn noch sehen.“

Ted sprang auf und rannte über den Parkplatz auf die Straße, Cording folgte. Sah schon komisch aus, wie sie ihre Hände gegen die Sonne erhoben und Zeuge wurden, wie der flüchtende Mustang auf flirrender, schnurgerader Bahn kleiner und kleiner wurde. Gut, dass sie ihre Rücksäcke mitgenommen hatten, Papiere und Klamotten. Sie wollten gerade umkehren, als sich ihr Auto in einem glühenden Feuerball überschlug, eine Weile mit dem Acker im Rücken Flammen spie, um schließlich nur noch schwarzen, dicken Qualm abzusondern, dessen Rauchzeichen jedes Indianervolk in Entzücken versetzen musste. Vielleicht hätten sie daraus den Tod der Zivilisation gelesen, auf den sie so sehnsüchtig warteten…

 

• Am 24.6.2016 hat der Deutsche Bundestag ein Fracking-Erlaubnis-Gesetz verabschiedet. Damit wird eine Hochrisikotechnologie erlaubt, die Erdbeben auslösen kann, zur Verunreinigung des Grund- und Trinkwassers führt und die Ära der fossilen Brennstoffe verlängert. Fracking bedeutet, die Umwelt und die menschliche Gesundheit erheblichen Risiken auszusetzen. Deshalb kämpft der BUND für ein generelles Frackingverbot in Deutschland. Mehr infos: https://www.bund.net/energiewende/fracking/

+++ Dirk C. Fleck ist ein deutscher Journalist und Buchautor. Er wurde zweimal mit dem Deutschen Science-Fiction-Preis ausgezeichnet. Sein Roman "Go! Die Ökodiktatur" ist eine beklemmend dystoptische Zukunftsvision. +++ Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Bildquelle:  Calin Tatu / shutterstock.com


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