
Ein Kommentar von Rainer Rupp.
Das Europäische Parlament prüfte diese Woche gleich zwei Misstrauensanträge gegen die abgehobene, aber inkompetente Frau an der Spitze der EU-Kommission. Obwohl beide Anträge scheiterten, wird europaweit dennoch die Frage gestellt, wie lange sie sich noch in ihrer Position halten kann und ob die zunehmende Kritik an ihr auch mit ihren unhaltbaren und kriegstreiberischen Vorwürfen gegen Russland zu tun hat?
Kaum war der Skandal um die ihr vorgeworfene Beteiligung an der Veruntreuung von Geldern für den Kauf von überteuerten COVID-Impfstoffen in Milliarden Höhe in den ihr gefälligen System-Medien abgeklungen, kündigte das Europäische Parlament gleich zwei weitere Misstrauensvoten gegen sie an. Das erste wurde von der konservativen Partei "Die Patrioten" eingebracht, das zweite von den Linken.
Die polnische Abgeordnete Ewa Zajączkowska-Hernik empörte sich vom Rednerpult des Europäischen Parlaments aus:
"Frau Präsidentin, diesmal fordern sowohl die rechte als auch die linke Seite des Europäischen Parlaments Ihren Rücktritt. Ihre Amtszeit ist ein Symbol für Arroganz, Chaos und Entscheidungen, die hinter verschlossenen Türen über die Köpfe der Bürger hinweg im Namen Ihrer diktatorischen Ambitionen getroffen werden. Sie treiben uns in einen Krieg zwischen der Ukraine und Russland. Vielleicht ist Krieg für Sie eine Chance, Ihre Machenschaften zu vertuschen? Aber warum sollten unsere Ehemänner, unsere Söhne und unsere Brüder für Ihre Interessen kämpfen?"
Die ungarische Europaabgeordnete Kinga Gál pflichtete dieser Kritik an der Chefin der EU-Kommission bei:
"Anstatt so schnell wie möglich Frieden zu schaffen, bestehen Sie auf einer Aufstockung der Waffen und Sanktionen, und anstatt unsere Grenzen zu schützen, zwingen Sie uns ein schädliches Migrationsabkommen auf. Mit dem 'Grünen Kurs' und schlechten Handelsabkommen haben Sie die Wettbewerbsfähigkeit Europas geschwächt und Familien, Landwirte und Unternehmen ihrem Schicksal überlassen. Mit dem beschleunigten Beitritt der Ukraine gefährden Sie zudem die Sicherheit und Wirtschaft der Mitgliedsländer Union."
„Die EU-Kommission handelt ohne Mandat“, sagt die FPÖ -Abgeordnete @PetraStegerFPOE, „Sie verschiebt Milliarden, spaltet Europa und fördert Ideologie, Bürokratie und Migration, während Betriebe abwandern und Bürger kämpfen. Sie schützt ihre Macht statt Europas Grenzen, schließt geheime Verträge und bedroht Meinungsfreiheit."
Als Antwort auf derartige Vorwürfe bezeichnete Ursula ihre Gegner als "Freunde Putins" und rief alle dazu auf, sich zusammenzuschließen angesichts der Bedrohung, die ihrer Meinung nach von Russland ausgeht. Sie sagte:
"Die Welt befindet sich in der instabilsten und gefährlichsten Lage seit Jahrzehnten. Europa ist von Osten her bedroht und steht vor internen Herausforderungen."
Aber laut von der Leyen ist nicht sie und ihre elitäre Brüsseler Kamarilla an den Miseren innerhalb der EU schuld, sondern – wie kann es auch anders sein - die Russen. Sie betonte:
"Das ist der älteste Trick der Welt – Zwietracht säen, Desinformation verbreiten, einen Sündenbock schaffen. Alles, um die Europäer gegeneinander aufzubringen, unsere Standhaftigkeit und Entschlossenheit zu schwächen. Wir dürfen nicht in diese Falle tappen."
Damit wollte sie deutlich machen, dass jeder, der für ihre Amtsenthebung stimmt, in die „russische Falle“ der Zwietracht tritt.
Die Abstimmung über das Misstrauensvotum fand am gestrigen Donnerstag, den 9. Oktober statt. Für die erfolgreiche Annahme von einem der beiden Anträge zum Misstrauensvotum wären zwei Drittel der 720 Stimmen der Mitglieder des Europäischen Parlaments notwendig gewesen, also 480 Stimmen.
Die Europäische Volkspartei, die stärkste Kraft im EP, die von Ursula von der Leyen vertreten wird, verfügt allein schon über 188 Mandate, die ihr sicher sind. Gleiches gilt für die zweitgrößte Partei, die Sozialdemokratische Partei mit 136 Mandaten. Aber auch die SPD, die sich in der Mitte kuschelig wohl fühlt, hat zumindest vorerst nicht die Absicht, Ursula abzuberufen. Denn die Zentristen fürchten eine Stärkung der rechts-konservativen und Linken und sind sich daher "einig …… von der Leyen an der Macht zu halten", heißt es in einer Einschätzung von „Politico“.
Die "Grünen" mit 53 Mandaten sind ebenfalls noch nicht bereit, Ursula abzusetzen. Ebenso wie die Partei "Renew Europe" (Erneuerung Europas), die über 75 Mandate verfügt und die Rechts-Konservativen und Linken weitaus stärker fürchtet als Ursula, wie aus einer Erklärung der französischen Renew-Parteivorsitzenden Valérie Hayer hervorgeht:
"Extremisten und Populisten sind die schlimmsten Feinde Europas, sie säen Chaos und versuchen, es von innen heraus zu zerstören."
So kam es auch am Donnerstag im EU-Parlament, wie es kommen musste: Wie schon zuvor im Sommer, so reichten auch diesmal für keines der beiden Misstrauensvoten gegen die Kommissionspräsidentin die Stimmen. Insgesamt beteiligten sich von den aktuell 719 MEP-Abgeordneten je 594 an den Abstimmungen über beide Anträge. Der rechts-konservative Vorstoß der PfE-Patrioten-Fraktion mit 84 eigenen Abgeordneten bekam 179 Stimmen bei 378 Gegenstimmen, für den Antrag aus dem linken Lager gab es 133 bei 383 Gegenstimmen.
Die sozial- und arbeitsmarktpolitische Sprecherin von Die Linke im Europäischen Parlament Özlem Alev Demirel kommentierte die Abstimmung wie folgt auf „X“:
„Man sieht, dass Grüne und Sozialdemokraten zwar verbal die Kommission kritisieren, um ihrer Wählerschaft entgegenzukommen. Doch real tragen sie die Verfehlungen der Kommission jedes Mal wieder mit. Frau von der Leyen macht Politik für die großen Konzerne und schmeißt das Geld den Rüstungsunternehmen hinterher. Sie hat keinerlei Bezug zur Lebensrealität der armen und arbeitenden Menschen in der EU. Als Freundin der Rüstungskonzerne steht sie für einen gefährlichen Eskalationskurs. Sie stellte sich sogar bedingungslos hinter Israel, als dessen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Gaza schon längst erkennbar waren. Heute hat das Europaparlament die Chance verpasst von der Leyen abzusetzen.“
Dmitri Suslow, stellvertretender Direktor des Zentrums für integrierte europäische und internationale Studien der Nationalen Forschungsuniversität Wirtschaftshochschule Moskau, erklärte jüngst gegenüber der Zeitung Wsgljad worin das Geheimnis der Unsinkbarkeit von Ursula von der Leyen liegt. Demnach spielt von der Leyen erfolgreich mit den Gegensätzen zwischen Linken und Rechten und der bürgerlichen Mitte, die das Europäische Parlament dominiert. Ihr wichtigster Halt ist jedoch eine zwar kleine, aber äußerst einflussreiche Unterstützergruppe in den eingeschworenen und gut vernetzten neoliberalen Strukturen in den Regierungen und den dahinterstehenden Kapitalvertretern in den meisten EU-Ländern.
Vor diesem Hintergrund ist eine weitere russische Einschätzung zu von der Leyens Politik interessant, die Gevorg Mirzayan, außerordentlicher Professor an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation, Politikwissenschaftler in der Webseite der Zeitung Wsgljad geschrieben hat. Hiernach folgt eine kurze Zusammenfassung:
"Ursula wird von der Brüsseler Bürokratie unterstützt. Trotz ihrer Ineffizienz in Bezug auf die sinkende internationale Wettbewerbsfähigkeit der EU und trotz aller Korruptionsskandale hat Ursula von der Leyen die Macht Brüssels über die nationalen Bürokratien erheblich gestärkt … und die Souveränität der Mitgliedstaaten der Europäischen Union einschränkt."
Es sei jedoch nicht auszuschließen, dass das angeblich unsinkbare Brüsseler Schlachtschiff von der Leyen in naher Zukunft ernsthafte Lecks bekommen wird. Erstens werden die Verfasser des Votums nicht ruhen – schließlich sind sie nicht der EU beigetreten, um sich von nicht gewählten Eurokraten regieren zu lassen. Sie sind beigetreten, um gemeinsam Wohlstand zu schaffen und eine europäische Identität zu entwickeln, die Brüssel derzeit aushöhlt, so Mirzayan.
Es fehlten zündende, neue Ideen, die die Völker Europas wieder mitreißen, wie einst bei der Gründung der Union, als „Wohlstand und Frieden“ in ganz Europa versprochen wurden. Stattdessen hat von der Leyen Armut, Instabilität und Krieg gebracht. Das Ziel der Brüsseler Eliten bestünde jetzt nur noch darin, die Eurobürokratie weiter zu stärken und mit entsprechender Schwächung der Nationalstaaten eine neue Ebene der Konsolidierung der Macht in Brüssel zu erreichen. Dabei sei den Eliten in Brüssel egal, ob ihre Politik auch von den Menschen in der EU mitgetragen wird oder nicht. Die Kluft zwischen der Machtzentrale in Brüssel und den Völkern in der EU ist gefährlich breiter geworden. Das bedeute, dass
„die Europäische Union bereits in eine Phase des aktiven Niedergangs eingetreten ist, in der alle Ideen, die ihr zugrunde lagen, einfach irrelevant geworden sind", so der Autor.
Deshalb würden die Nationalstaaten heute rebellieren. Dazu habe die europäische Ausgabe von Politico geschrieben:
"Ursula von der Leyen kann sich nicht entspannen. Hinter jeder Ecke wartet ein weiteres Referendum über ihre Führungsrolle auf sie."
Von Handelsabkommen und der bevorstehenden Verabschiedung des Siebenjahreshaushalts der EU bis hin zu Fragen über das Bekenntnis der Europäischen Kommission zu den Grundsätzen der Transparenz und sogar darüber, wie sie den Platz der EU in einem Umfeld wachsender internationaler Konkurrenz definiert – all diese Möglichkeiten würde die Opposition nach Ansicht der Zeitung nutzen, um die Autorität von der Leyens in Frage zu stellen. Um ein Misstrauensvotum zur Abstimmung zu bringen, sind lediglich zehn Prozent der Stimmen erforderlich, also 72 Abgeordnete. Die "Patrioten" haben 85 Sitze, die Europäischen Konservativen und Reformisten 79 und "Renew Europe" 75. Das bedeutet, dass sie ständig unter Druck gesetzt würde.
Zweitens wachse die Zahl ihrer Gegner in der EU. Neben direkter gibt es auch indirekte Kritik an von der Leyen. So erklärte die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich, warum die EU die Konflikte mit Russland nicht durch Verhandlungen lösen konnte. Ihrer Meinung nach gelang dies aufgrund der unkonstruktiven Haltung Polens und der baltischen Staaten nicht, die sich gegen die Aufnahme eines europaweiten Dialogs mit Moskau aussprachen.
Mit ihrer Kritik an Polen und den baltischen Giftzwergstaaten hat Merkel gleichzeitig auch die derzeitige Position der Europäischen Union und damit von der Leyens kritisiert, die ebenfalls darauf besteht, jegliche Verhandlungen mit Moskau abzulehnen. Zu den Kritikern aus den Reihen der ehemaligen Kanzlerin gesellen sich nun auch diejenigen aus den Reihen des amtierenden Kanzlers, die ihr den Rang ablaufen wollen.
Bislang habe keiner der ernstzunehmenden europäischen Schwergewichte – also die Staats- und Regierungschefs Deutschlands oder Frankreichs – versucht, sie zu Fall zu bringen. Denn Ursula hat für sie die Probleme gelöst, die sie selbst auf nationaler Ebene nicht anrühren wollten. Jetzt könnte sich die Situation jedoch ändern, da Kanzler Merz, der die Führung in Europa und der Europäischen Union anstrebt, gegen Ursula arbeitet. Für ihn ist sie derzeit die einzige Konkurrentin.
Derweil gewinne von der Leyen keine neuen Freunde hinzu – gerade weil sie alle, die nicht ihrer Meinung sind, als russische Agenten abstempele, so der russische Autor. Weiter führt er aus:
"Das ist ein gängiges Narrativ in der EU – alle Gegner der europäischen Kriegspartei und des aktuellen politischen Mainstreams werden automatisch als Putin-Anhänger abgestempelt. Russland ist zu einem Instrument des innenpolitischen Kampfes in Europa geworden, wie es vor kurzem noch in den USA der Fall war."
Es spiele keine Rolle mehr, welche Ansichten ein bestimmter Politiker zu Wirtschaft und Politik vertrete:
"Man wird automatisch zu einem der ihren, wenn man gegen Russland ist, und zu einem Fremden, wenn man sich für einen Dialog mit Moskau ausspricht. Nehmen wir zum Beispiel die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Sie wurde schon fast als Faschistin bezeichnet, aber sobald sie antirussische Ansichten vertrat, wurde sie sofort Teil des europäischen politischen Mainstreams."
An dieser Stelle eröffnet sich einem auch das Geheimnis des Brüsseler Demokratie Verständnisses, das von der Leyen an der Macht hält. Auf den ersten Blick erscheint es als Paradox: Denn wie kann sich jemand wie Ursula an der Spitze der mächtigen EU-Kommission weiter behaupten, wenn die meisten Menschen in so gut wie allen EU-Staaten mit ihr unzufrieden sind, und nicht nur ein wenig? Die Antwort lautet, sie hat die Unterstützung der wirklich Mächtigen. Und wenn diese Leute einen Konflikt mit Russland wollen, dann tut Ursula das, was man von ihr erwartet und weshalb man sie – ohne jegliche demokratische Legitimation - an die Spitze der Kommission gehievt hat.
Geworg Mirsajan ist außerordentlicher Professor an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation, Politikwissenschaftler und eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Geboren im Jahr 1984 in Taschkent, erwarb er seinen Abschluss an der Staatlichen Universität des Kubangebiets und promovierte in Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt USA. Er war in der Zeit von 2005 bis 2016 Forscher am Institut für die Vereinigten Staaten und Kanada an der Russischen Akademie der Wissenschaften.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bild: Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der LEYEN, nimmt am 4. September 2024 in Brüssel an der Pressekonferenz zum strategischen Dialog über die Zukunft der Landwirtschaft der EU teil
Bildquelle: Alexandros Michailidis / Shutterstock.com
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