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Über die russisch-amerikanischen Gespräche in Riad | Von Thomas Röper

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Nach den Verhandlungen in Saudi-Arabien hat der russische Außenminister Lawrow sich dazu in einem Interview geäußert. Ich werde seine wichtigsten Aussagen in einer Artikelserie übersetzen, hier geht es um die generelle russische Einschätzung der Gespräche.

Ein Kommentar von Thomas Röper.

Nach den Verhandlungen in Saudi-Arabien über eine Lösung des Ukraine-Konfliktes hat der russische Außenminister Lawrow einem staatlichen russischen Fernsehsender ein Interview gegeben, in dem er über die Gespräche zwischen Russland und den USA, die offizielle Position Russlands zum neuen außenpolitischen Kurs der USA unter der Regierung Trump und die Aussichten auf einen Friedensvertrag mit der Ukraine gesprochen hat.

Das Interview war sehr interessant, dauerte aber fast eine Stunde, weshalb ich es nicht komplett übersetze, sondern mich auf die interessantesten Fragen und Lawrows Antworten darauf beschränke. Hier übersetze ich die generelle Frage nach Lawrows Einschätzung der Verhandlungen in Saudi-Arabien und seine Antwort darauf.

Frage: Die Verhandlungen in Riad sind eine wichtige Angelegenheit. Welches Ziel verfolgten sie, und womit endeten sie? Bitte kommentieren Sie das.

Lawrow: Die Verhandlungen endeten damit, dass die vorläufigen Ergebnisse, die dort erzielt wurden, nun dem russischen Präsidenten Putin und dem US-Präsidenten Trump berichtet werden. Wie von den Präsidenten vereinbart, standen vor allem Fragen der sicheren Schifffahrt im Schwarzen Meer auf der Tagesordnung. Das war ja nicht der erste Versuch.

Der erste Versuch fand bereits im Juli 2022 statt. Damals vermittelten UN-Generalsekretär Guterres und der türkische Präsident Erdogan zwischen Fachleuten, die die jeweiligen ukrainischen und russischen Strukturen vertraten, und einigten sich auf eine Vereinbarung. Sie bestand aus zwei Teilen.

Der erste Teil betraf die Schaffung vereinfachter Methoden für den Transport ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer durch die Meerengen unter gleichzeitiger Kontrolle der Schiffe. Ziel war es, Manipulationen zu verhindern, sodass, wenn ein Schiff mit Getreide in sein Bestimmungsland fährt, die leere Rückfahrt nicht für die Lieferung von Waffen genutzt wird.

Es wurden Inspektionsverfahren vereinbart, die ein ganzes Jahr lang funktionierten. Doch danach waren wir gezwungen, diesen Prozess zu stoppen, zumindest eine Pause einzulegen. Denn der zweite unverzichtbare Teil der Vereinbarung wurde vollständig sabotiert. Dabei ging es um die Aufhebung aller Beschränkungen für den Export von russischem Getreide und Düngemitteln.

Der Grund war, dass sämtliche Schiffe, die russische Agrarprodukte, einschließlich Düngemittel, transportierten, auf Sanktionslisten gesetzt waren. Die Versicherungsgesellschaft Lloyd’s erhöhte daraufhin drastisch ihre Tarife. Auch die Zahlungen für unsere Lieferungen wurden erschwert. Die Rosselchosbank (Anm. d. Übers.: Russische Landwirtschaftsbank, über die russische landwirtschaftliche Exporte abgewickelt werden) wurde vom SWIFT-System ausgeschlossen. Es gab zahlreiche Maßnahmen, die darauf abzielten, die Preise künstlich in die Höhe zu treiben.

Europäische Landwirte verschafften sich damit unlautere Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig zeigte sich die Voreingenommenheit unserer westlichen Partner darin, dass ukrainisches Getreide zu Dumpingpreisen auf die europäischen Märkte geworfen wurde, obwohl seine Qualität keineswegs den geltenden Standards in diesem Bereich entsprach.

Der Westen tat alles, um die Ukraine so weit wie möglich zu begünstigen und gleichzeitig Russland so hart wie möglich zu bestrafen.

Als UN-Generalsekretär Guterres ein Jahr nach Inkrafttreten der „Schwarzmeer-Initiative“ die Hände hob und erklärte, dass er keine Fortschritte erzielen könne, haben wir geantwortet: Sobald es ihm gelingt, können wir zu diesem Abkommen zurückkehren. Wir sind einfach aus dem ukrainischen Teil der Vereinbarung ausgestiegen, der für ein Jahr vorgesehen war. Das Jahr war abgelaufen, und wir haben uns gegen eine Verlängerung entschieden.

Das „Memorandum of Understanding zwischen der Russischen Föderation und dem UN-Sekretariat zur Förderung des Exports russischer Nahrungsmittel und Düngemittel auf die Weltmärkte“, das die Aufhebung aller Beschränkungen für den Export russischen Getreides und russischer Düngemittel vorsieht, deren Anteil auf den Weltmärkten erheblich größer ist als der ukrainische, bleibt für drei Jahre in Kraft und gilt bis Juli dieses Jahres.

UN-Generalsekretär Guterres und seine Vertreter stehen in ständigem Kontakt mit uns. Sie versuchen, Unterstützung zu leisten, doch statt sich für eine grundsätzliche Aufhebung der Sanktionen einzusetzen, suchen sie nach Schlupflöchern in den bestehenden Beschränkungen. Anstatt vom Westen zu fordern, die diskriminierenden Maßnahmen im Bereich der Ernährungssicherheit aufzuheben – wenn er wirklich im Interesse der Entwicklungsländer und der Länder des Globalen Südens, insbesondere Afrikas, handeln will – bewegt er sich innerhalb des bestehenden Sanktionsrahmens.

Mehr noch, der UN-Generalsekretär tritt nicht nur nicht gegen die westlichen Sanktionen ein, sondern respektiert sie sogar, was für jeden Mitarbeiter des UN-Sekretariats und insbesondere für seinen Leiter absolut inakzeptabel ist, denn in der UN-Charta ist klar festgelegt, dass kein Mitarbeiter des UN-Sekretariats, einschließlich des Generalsekretärs, Weisungen von irgendeiner Regierung entgegennehmen darf. Wenn der UN-Generalsekretär nach „Schlupflöchern“ in den Sanktionen sucht, dann erkennt er sie damit als legitim an und führt Entscheidungen aus, die in den Hauptstädten einzelner Mitgliedsstaaten getroffen wurden. Aber er hat nicht das Recht, das zu tun.

Deshalb erinnerten unsere Unterhändler in Riad, die von Präsident Putin bestimmt wurden, ihre amerikanischen Kollegen an die gesamte Vorgeschichte und betonten, dass es angesichts der „Vorgeschichte“ sowohl der Ukraine selbst als auch der gesamten „Schwarzmeer-Geschichte“ diesmal keine Unklarheiten geben dürfe.

Sie wiesen zudem darauf hin, dass Russland aus der ukrainischen Vereinbarung ausgestiegen ist, als sie 2023 auslief. Danach versuchte der türkische Präsident Erdogan zwei- oder drei mal, sie wiederzubeleben. Vor einem Jahr bat er Russland sogar, das Inspektionsverfahren zu vereinfachen, indem leere Schiffe nach der Entladung von Getreide und Düngemitteln ohne physische Kontrollen zurückkehren dürften. Russland war bereit, diesem Kompromiss zuzustimmen, doch in letzter Minute ließ Erdogan verlauten, dass Selensky darauf bestehe, eine Klausel aufzunehmen, die Angriffe auf nukleare Infrastruktur verbietet, obwohl die Angriffe von Kiew selbst ausgingen, insbesondere auf das Kernkraftwerk Saporoschschje. Russland stimmte auch dieser Forderung zu, und zwar ohne zusätzliche Verifikationsmechanismen.

Mit anderen Worten: Moskau kam Ankara in allen Punkten entgegen, sogar bei jener Forderung, die Selensky in letzter Minute eingefügt hatte. Wir sagten „ja“. Doch dann rief Erdogan Putin an und erklärte, dass Selensky es sich anders überlegt habe.

Angesichts all dieser „Sinnesänderungen“ und der Tatsache, dass die Ukraine jedes Mal, wenn plötzlich ein Waffenstillstand erklärt wird, diesem nur deshalb zustimmt, weil sie sich im betreffenden historischen Moment auf dem Schlachtfeld in einer aussichtslosen Lage befand. Sobald es zu einer Pause kam, wurde dieser Waffenstillstand innerhalb weniger Wochen oder Monate grob gebrochen. So war es während der gesamten Laufzeit des Minsker Abkommens.

Deshalb brauchen wir jetzt klarste, konkreteste, überprüfbarste und funktionierende Garantien und Mechanismen. Wie Präsident Wladimir Putin vor einigen Tagen auf einer Pressekonferenz mit dem weißrussischen Präsidenten Lukaschenko sagte, befürwortet er die Initiative von US-Präsident Trump, einen 30-tägigen Waffenstillstand auszurufen, und zwar nicht nur ein Moratorium für Angriffe auf die Energieinfrastruktur oder auf die maritime Infrastruktur im Schwarzen Meer, sondern einen dreißigtägigen Waffenstillstand insgesamt. Er sagte, wir sind dafür. Aber angesichts der Länge der Frontlinie, der Fähigkeit der ukrainischen „Krieger“, Provokationen zu schaffen …

Kürzlich haben sie die Gasmessstation in Sudscha angegriffen und behauptet, Russland habe das selbst getan. Dabei ist das unser Eigentum, von dem eine Reihe europäischer Länder für die weitere Energieversorgung weitgehend abhängig ist. Es ist das unmöglich, genauso wie es unmöglich ist, das Kaspische Pipeline-Konsortium zu nutzen, das die Geschäftsinteressen Kasachstans und der USA widerspiegelt. Eine seiner Pumpstationen, Kropotkinskaya, wurde angegriffen. Dieser Schaden wird sich nicht so schnell beheben lassen. Die Öl-Liefermengen für die europäischen Verbraucher werden aufgrund eines weiteren Terrorakts der Ukrainer drastisch sinken.

Präsident Wladimir Putin hat gesagt, dass wir für einen Waffenstillstand sind, aber es gibt Nuancen: Wer wird die „Ehrlichkeit“ des Nazi-Regimes in Kiew sicherstellen? Wir sind auch dafür, dass man darüber nachdenkt, wie man Schäden an der Energieinfrastruktur vermeiden kann. Das ist nicht in unserem Interesse. Wie der Präsident sagte, sind wir auch für die Wiederaufnahme der Schwarzmeer-Initiative in einer akzeptableren Form. Das wurde in Riad als Priorität erörtert.

Unser Standpunkt ist einfach. Ich habe sie jetzt grob umrissen. Wir können uns nicht auf das Wort dieses Mannes verlassen. Wir wollen, dass der Getreide- und Düngemittelmarkt berechenbar ist, damit niemand versucht, uns von ihm „abzudrängen“. Nicht nur, weil wir in einem fairen Wettbewerb einen legitimen Gewinn erzielen wollen, sondern auch, weil wir uns Sorgen um die Ernährungssicherheit in Afrika und anderen Ländern des globalen Südens und Ostens machen, die unter den „Spielchen“ des Westens mit unlauteren Wettbewerb leiden. Die Preise dort sind derzeit keineswegs ruinös, aber sie könnten viel niedriger sein, wenn der Westen aufhören würde, sich in das freie Spiel der Marktkräfte einzumischen, das er angebetet hat, als er uns alle in dieses „Reich der Globalisierung und Freiheit“ lockte.

Wie ich schon sagte, brauchen wir klare Garantien. Angesichts der traurigen Erfahrungen mit den Abkommen mit Kiew können die Garantien nur das Ergebnis eines Befehls aus Washington an Selensky und sein „Team“ sein, dies zu tun, und nicht anders.

Mir scheint, dass unsere amerikanischen Partner dieses Signal verstanden haben. Sie haben verstanden, dass nur Washington positive Ergebnisse bei der Verhinderung von Terroranschlägen und dem Beschuss ziviler Energieinfrastrukturen, die nichts mit dem militärisch-industriellen Komplex zu tun haben, erzielen kann.

Europa hat nun einen völlig anderen Weg eingeschlagen. Wie zu Zeiten Napoleons, Hitlers und zu Zeiten des Krimkriegs, zeigt es wieder den „Eifer“, unserem Land eine „strategische Niederlage“ zuzufügen. Wie in jenen Jahren wurden mit wenigen Ausnahmen praktisch alle europäischen Länder unter Waffen gestellt. Nur kämpfen sie in der Ukraine noch nicht physisch gegen uns, aber ohne sie wäre das Land schon längst besiegt und das Leben dieses Nazi-Regimes beendet worden.

Während sie Waffen in das Kiewer Regime pumpen, sprechen London und Paris – insbesondere die beiden führenden Politiker, der britische Premierminister Starmer und der französische Präsident Macron – unterstützt von einem nicht sehr mächtigen Chor der baltischen Staaten und einer Reihe anderer Länder, nicht nur davon, weiterhin Waffen in die Ukraine zu pumpen, sondern auch von gewissen „Koalitionen der Willigen“, von der Entsendung einer Art „Friedensmission“ oder „Mission zur Gewährleistung der Sicherheit der Ukraine“ nach dem Ende des Krieges.

Oder sogar zwei Missionen, die in der Ukraine stationiert werden sollen: eine an der Grenze zur EU und zur NATO, die zweite aus den Ländern des globalen Südens – Indien, Indonesien, Saudi-Arabien, sogar China. Aber diese Träumer beweisen jeden Tag ihr völliges politisches Versagen, ihren Wunsch, Russland nicht nur „einzudämmen“, sondern ihm eine „Niederlage“ zuzufügen – irgendwer sagte sogar, dass man Wladimir Putin demütigen müsse. Aber es zeigt sich, Historiker mögen mich korrigieren, aber mein Gefühl ist, dass wir bereits durch all dies gegangen sind: Napoleon und Hitler, die Ziele waren die gleichen. Um diese Ziele zu erreichen, haben Napoleon und Hitler ganz Europa erobert, und in diesem Fall wird es mobilisiert.

Jetzt beginnt Europa, angeführt von Deutschland, angefangen mit Ursula von der Leyen, ernsthaft über die Frage der Remilitarisierung für fabelhafte Hunderte von Milliarden Euro nachzudenken, da es ihnen wirtschaftlich und sozial „schlecht“ geht, weil die Regierung Biden sie „an den Haken genommen“ und in den Krieg mit Russland geschickt hat. Sie haben eine Dezentralisierung und eine große Anzahl von Problemen.

Das erklärt zum Teil, warum sie so inbrünstig fordern, die Ukraine möge nicht „kapitulieren“, sie zu bewaffnen und sie verlangen sogar, dass nicht erwähnt wird, dass das Land der NATO und der EU nicht beitreten soll. Der französische Präsident Macron hat sich kürzlich zu diesem Thema geäußert. Sie stehen in direktem Widerspruch zur Regierung Trump. Im Auftrag des Präsidenten selbst haben US-Außenminister Rubio und der Nationale Sicherheitsberater der USA Waltz klar gesagt, dass es jetzt erste „Gespräche“ über die Parameter einer endgültigen Lösung gibt. Trump hat klar gesagt, dass sie die NATO vergessen müssen und dass man dieses Thema nicht „aufkochen“ soll. Biden hat einen kolossalen Fehler begangen und sich geweigert, auf Russland zu hören, indem er darauf bestand, dass die Ukraine in die NATO aufgenommen wird, was zu inakzeptablen Bedrohungen führte.

Waltz und Trumps Sondergesandter Witkoff sagten, dass Gebietsfragen „der Schlüssel“ seien. Denn die Gebiete, in denen die Referenden abgehalten wurden, waren in Bezug auf Kultur, Sprache, Religion und Tradition immer russisch. Die Menschen wollen weiterhin mit der russischen Kultur verbunden sein, die das Kiewer Regime per Gesetz auslöscht.

Die Aufrüstung, wovon der russische Präsident Putin gesprochen hat, muss enden, die Lieferung von Waffen muss eingestellt werden. Aber Europa und Selensky sagen, nein, wir werden keine „Pause“ einlegen.

Ende der Übersetzung

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 26. März 2025 auf anti-spiegel.ru.

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: Sasa Dzambic Photography / shutterstock


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