
Ein Standpunkt von Stephan Ossenkopp.
Während die Trump-Administration mit Russland den Weg des konstruktiven Dialogs als Vorstufe zu Verhandlungen über den Ukraine-Konflikt gewählt hat, verfolgt sie im Falle des Iran eine andere Strategie, nämlich die des maximalen Drucks. Der Präsident will ein Abkommen erreichen, das sicherstellen soll, dass der Iran keine Atomwaffen entwickeln wird. Deshalb hat Trump Teheran ein Ultimatum gestellt: Verhandelt oder es könnte militärische Konsequenzen geben. Doch dieser Ansatz scheint wenig erfolgversprechend. In Teheran will man sich nicht an den Verhandlungstisch zwingen lassen, und zugleich ist der Iran nicht so isoliert, wie es Washington vielleicht gerne hätte. Die Situation läuft auf einen Entscheidungspunkt mit offenem Ausgang hinaus. Eines ist jedoch klar: Die USA bestimmen die Nahostpolitik nicht allein, auch Russland und China bringen zunehmend eigene Positionen ein.
Am 5. Februar veröffentlichte das Weiße Haus ein Fact Sheet. Damit setzte Präsident Donald Trump den Iran erneut unter massiven Druck. In diesem Presidential Security Memorandum heißt es, der Iran müsse daran gehindert werden, Atomwaffen und Interkontinentalraketen zu bauen; das iranische Terrornetzwerk müsse neutralisiert werden; maximaler wirtschaftlicher Druck, einschließlich Sanktionen, solle die Ölexporte des Irans zum Erliegen bringen. Kurz darauf schrieb der US-Präsident einen Brief an Irans obersten Religionsführer Ayatollah Ali Khamenei, in dem er ihm ein zweimonatiges Ultimatum setzte, mit dem Ziel, ihn an den Verhandlungstisch zu zwingen, um über ein neues Atomabkommen zu sprechen. Dieser Brief wurde Berichten zufolge durch Trumps Sondergesandten Steve Witkoff über die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate an den Iran übermittelt. Der Text des Briefes wurde nicht veröffentlicht, aber es heißt, dass der Iran de facto vor die Wahl gestellt wurde, entweder zu verhandeln oder militärische Konsequenzen zu tragen.
Das iranische Außenministerium gab bekannt, Trumps Botschaft zu überprüfen. Doch Ayatollah Khamenei ging an die Öffentlichkeit und wies "die Mobbing-Taktik der USA" zurück. Trump legte nach und sagte dem Sender Fox News, es gebe nur zwei Möglichkeiten mit dem Iran umzugehen: militärisch oder einen Deal zu machen und fügte hinzu:
„Ich würde einen Deal vorziehen, weil ich nicht die Absicht habe, den Iran zu verletzen“.
Also wieder zwiespältige Signale. Im Iran selbst könnten Trumps Einschüchterungsversuche die Hardliner stärken. Das Nachrichtenportal Al Jazeera, das aus Doha berichtet, meldete, ultrakonservative Zeitungen im Iran hätten trotzig reagiert. Es heißt, mehr Länder würden nun als Reaktion auf Trumps Politik über Atombomben für ihre Sicherheit nachdenken. Ein Parlamentarier wird mit den Worten zitiert:
"Vielleicht ist es an der Zeit, die Nuklear- und Sicherheitsdoktrin des Landes zu überdenken."
Denn die verbietet bislang aus religiösen Gründen den Bau von Massenvernichtungswaffen.
Irans Religionsführer Khamenei erklärte: „Wenn wir eine Atomwaffe bauen wollten, könnten uns die Amerikaner nicht daran hindern. Wenn wir keine Nuklearwaffen besitzen und ihren Bau nicht verfolgen, dann deshalb, weil wir sie nicht wollen“. Die Internationale Atomenergiebehörde, die die iranischen Atomanlagen inspiziert, hatte bekannt gegeben, dass der Iran über genügend spaltbares Material für mehrere Bomben verfüge, bisher aber keine Anstrengungen unternommen habe, eine solche zu bauen. Irans Vorräte an auf 60% angereichertem Uran lägen jetzt bei 280 Kilogramm, ein Zuwachs von 90 Kilogramm in nur 3 Monaten. Von den 60% ist es nur ein kleiner Schritt zu waffenfähigem Uran mit einer Anreicherung von 90%. Eine mit dem iranischen Obersten Nationalen Sicherheitsrat verbundene Nachrichtenseite erklärte, es gebe keine Garantie, dass der Iran nicht aus dem Atomwaffensperrvertrag austreten werde, wenn Trump und sein Team weiterhin Drohungen aussprächen.
Rückblick: Im Juli 2015 war in Wien nach langjährigem Hin und Her endlich ein sogenannter Gemeinsamer Umfassender Aktionsplan, englisch Joint Comprehensive Plan of Action (JCPoA), ausgearbeitet worden. Er wurde vom Iran auf der einen und Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den USA, Russland und China auf der anderen Seite unterzeichnet. Damit stellte der Iran sein Urananreicherungsprogramm für Jahrzehnte unter die Kontrolle der Vereinten Nationen. Im Gegenzug wurden die Sanktionen gegen das Land gelockert und schrittweise aufgehoben. Die Internationale Atomenergiebehörde bestätigte noch bis Mitte 2019 in regelmäßigen Abständen, dass der Iran die Vereinbarungen des JCPoA eingehalten habe. Die erste Regierung Trump trat jedoch bereits im Mai 2018 einseitig aus dem Abkommen aus und reaktivierte die Sanktionen. Am 1. Juli 2019 setzte der Iran als Reaktion darauf ebenfalls seine Verpflichtungen aus und intensivierte seine Anreicherung. Seitdem haben sich die Auffassungen zwischen den beiden Lagern verschärft, und Kompromisse scheinen kaum noch möglich.
Die jüngste Chronologie lässt zudem eine weitere gefährliche Zuspitzung erkennen. Am 12. März erklärte ein britischer UN-Vertreter, dass auch Großbritannien die Sanktionen wieder in Kraft setzen könnte. Am 17. März begannen die USA dann, Ziele der Huthis im Jemen zu bombardieren. Gleichzeitig schrieb Trump auf Truth Social:
„Lasst euch von niemandem täuschen! Die Hunderte von Angriffen der Huthis, der finsteren Mafia und Schlägertrupps mit Sitz im Jemen, die vom jemenitischen Volk gehasst werden, gehen alle vom IRAN aus und werden von ihm initiiert. [...] Und der IRAN wird dafür verantwortlich gemacht werden und die Konsequenzen tragen, und diese Konsequenzen werden schrecklich sein!“.
Somit haben sich die Fronten zwischen den USA und dem Iran scheinbar so sehr verhärtet, dass eine direkte Annäherung zwischen den beiden völlig ausgeschlossen sein dürfte. Es bedarf nun enormer Anstrengungen vermittelnder Kräfte. Das könnten zum Beispiel China und Russland sein.
Inmitten dieser Eskalation fanden am 14. März in der chinesischen Hauptstadt Peking trilaterale Gespräche über das iranische Nuklearprogramm statt. Daran nahmen neben dem iranischen Vizeaußenminister Gharibabadi auch der chinesische Vizeaußenminister Ma Zhaoxu und der russische Vizeaußenminister Sergey Ryabkov teil. Sie forderten ein sofortiges Ende der Gewaltandrohung und des Sanktionsdrucks. Noch am Nachmittag veröffentlichten sie eine gemeinsame Erklärung, in der es unter anderem heißt, dass von einer Eskalation Abstand genommen werden müsse und dass „politisches und diplomatisches Engagement und ein Dialog auf der Grundlage des Prinzips des gegenseitigen Respekts in dieser Hinsicht die einzig gangbare und praktische Option bleiben“. Der Iran habe das Recht auf friedliche Nutzung der Kernenergie und halte sich an die Bestimmungen des Atomwaffensperrvertrags. Außerdem, und das scheint in den westlichen Medien völlig unterzugehen, habe man sich darauf geeinigt,
„die Koordination in internationalen Organisationen und multilateralen Abkommen wie BRICS und der Shanghai Cooperation Organization aufrechtzuerhalten und zu stärken“.
Ein besonders deutliches Signal für die Akzeptanz Irans in den wichtigsten Foren der entstehenden multipolaren Weltordnung.
Auch der chinesische Außenminister Wang Yi schaltete sich in Peking in den trilateralen Dialog ein und demonstrierte das wachsende Selbstbewusstsein Chinas in politischen Fragen des Nahen und Mittleren Ostens. Er forderte die USA auf, „politische Ehrlichkeit“ zu zeigen und so schnell wie möglich zu Gesprächen mit dem Iran zurückzukehren. Druck im UN-Sicherheitsrat und die Wiedereinführung von Sanktionen würden nur jahrelange erfolgreiche Diplomatie zunichtemachen. Eine Annäherung müsse auf Gegenseitigkeit beruhen und schrittweise erfolgen, da Lösungsansätze aus einer Position der Stärke heraus keine Aussicht auf Erfolg hätten. Chinas klare Linie und deutliche Worte sind sicherlich auch Ausdruck seiner neuen und erfolgreichen Vermittlerrolle bei festgefahrenen Positionen in der Region Südwestasien. So war es China, das 2023 erfolgreich ein historisches Abkommen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran vermittelte. Peking war auch der Ort, an dem 14 verschiedene palästinensische Fraktionen, darunter Hamas und Fatah, zusammenkamen und unter chinesischer Vermittlung ihre Differenzen beilegen konnten.
Kommentatoren einer chinesischen Tageszeitung bemerkten, dass Teheran den multilateralen Ansatz Pekings über Washingtons bilateralen Ansatz stellt. Gleichzeitig gibt es Befürchtungen, dass das Treffen zwischen Iran, Russland und China – und damit ja dem Kern der BRICS – eine negative Reaktion der USA hervorrufen könnte. Schließlich hat sich US-Präsident Trump bereits mehrfach negativ über die BRICS geäußert und dem Wirtschaftsbündnis mit astronomischen Zöllen gedroht, sollten sie die Vormachtstellung des US-Dollars untergraben. In Peking herrscht jedenfalls die Meinung vor, der amerikanische Präsident werde sich nicht an multilateralen Gesprächen beteiligen, da er nie an den Multilateralismus als Problemlöser geglaubt habe.
So stellt sich für die Weltöffentlichkeit die Frage, inwieweit in einem Klima von Ultimaten, Gewaltandrohung und -anwendung doch noch ein Weg gefunden werden kann, der unter dem Einfluss vermittelnder und mäßigender Stimmen eine Rückkehr an den Verhandlungstisch und die Aushandlung einer Art JCPoA 2.0 ermöglicht. Die neuen vertrauensbildenden Maßnahmen zwischen Trump und Putin und die Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und Russland könnten eine wichtige Option auf diesem Weg sein. Denn der Iran ist nicht nur im Rahmen der BRICS ein wichtiger Verbündeter Moskaus. Erst im Januar haben beide Länder eine engere Zusammenarbeit für die nächsten 20 Jahre vereinbart, sowohl in der Wirtschaft als auch in Sicherheits- und Finanzfragen. Auch zwischen dem Iran und China wurden langfristige Abkommen zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit geschlossen. Und selbst Länder wie Indien kooperieren mit dem Iran im internationalen Handel. Teheran wird also alles daran setzen, sein Beziehungsgeflecht mit starken internationalen Partnern in die Waagschale zu werfen, wenn es um Verhandlungen mit den USA geht.
Letztlich müssen bei jedem Abkommen die sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Interessen Irans, Russlands, Chinas, der BRICS-Staaten und des gesamten Globalen Südens mitverhandelt werden. Die Mehrheit der Welt verlangt ein Sicherheitskonzept, das kein Nullsummenspiel mehr ist, bei dem die Sicherheit des einen die Unsicherheit des anderen bedeutet. Die Europäer wiederum täten gut daran, eine eigene Position zu entwickeln, die eher neutral und im Sinne der ursprünglichen Vereinbarung von Wien aus dem Jahr 2015 ist. Klar ist: Sollte Trump tatsächlich eine militärische Front gegen den Iran eröffnen, wird das verheerende Folgen für die internationale Gemeinschaft haben, auch für die USA. Am besten wäre es, Trump würde zum Telefon greifen und Ayatollah Ali Khamenei einfach anrufen, so wie er am 12. Februar mit Putin telefoniert hat.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: Zbitnev / shutterstock
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