Trainieren für Angriffskriege

von Susan Bonath.

Geheimprojekt Schnöggersburg: Gericht weist Klage gegen Militärstadt aus formellen Gründen ab. Kriegsgegner müssen sich derweil in Bonn vor Gericht verantworten. 

Im Norden Sachsen-Anhalts zieht die Bundeswehr eine riesige Geistermetropole hoch. Auf dem hochmodernen Truppenübungsplatz im Gefechtsübungszentrum (GÜZ) Altmark sollen deutsche und NATO-Truppen ab 2018 auf Kriegseinsätze in westlichen Metropolen vorbereitet werden. Bereits Ende dieses Jahres erwartet die Kampfstadt Schnöggersburg ihre Freigabe. Mit juristischer Gegenwehr kamen Kriegsgegner bisher nicht durch. Auch der Naturschutzbund NABU scheiterte jetzt: Das Verwaltungsgericht Magdeburg wies am Donnerstag seine Klage aus formellen Gründen ab.

Wie das Gericht mitteilte, wehrte sich der Verband dagegen, dass er nicht am Planungsverfahren beteiligt wurde. Fast vier Jahre benötigte die Justiz, um dieses Urteil zu fällen. Die Klage hatte der NABU bereits im September 2013 eingereicht. Zu spät, befanden die Richter. Zwar hätte der Verband durchaus das Recht besessen, partiell beteiligt zu werden. Allerdings hätte er innerhalb eines Jahres nach Bekanntwerden des Bauvorhabens seine Klage einreichen müssen. Dies sei nicht passiert. Gegen das Urteil könne der NABU jetzt vors Oberverwaltungsgericht ziehen. Dort müsse er aber zunächst die Zulassung einer Berufung beantragen. Das Gericht führt aus:

»Auf Grund vielfältiger Berichterstattung war es dem NABU möglich und zumutbar gewesen, früher gegen den Bau der Übungsstadt vorzugehen.«

Aufgedeckt durch Journalisten

Tatsächlich hatten das Bundesverteidigungsministerium und mitwirkende Behörden das Vorhaben lange geheim gehalten. Im Mai 2012 gelangte es durch Journalisten erstmals in die Medien. Zu dieser Zeit war die Planung schon weitgehend abgeschlossen und der Bau vertraglich besiegelt. Auf Druck gab der Bund schließlich Zahlen bekannt. Anfangs bezifferte er die Kosten auf bis zu 100 Millionen Euro. Inzwischen sind 40 Millionen mehr veranschlagt.

Das Land Sachsen-Anhalt hat im Rahmen der Amtshilfe die Rolle des Bauherren für Schnöggersburg übernommen. Auch dazu hat das Magdeburger Gericht etwas zu sagen: »Nach einer langwierigen Planungsphase erteilte das Landesverwaltungsamt im Juli 2012 die baurechtliche Zulassung.«

Vom Mitmischen des Landes erfuhr die Öffentlichkeit damals noch nichts. Im Spätherbst 2012 feierte die Bundeswehr schließlich die Grundsteinlegung der Kampfstadt. Erstmals legte sie dabei konkretere Pläne offen: Auf sechseinhalb Quadratkilometern solle rund um einen künstlich angelegten Fluss eine Geistermetropole entstehen. Gebaut würden Brücken, Wohn-, Kultur- und Industrieviertel, ein Flughafen, ein Stadion und eine U-Bahn. Die meisten Abschnitte sind bereits fertig gestellt, wie die Bundeswehr die Autorin vor einigen Wochen informiert hatte. Zu Schnöggersburg gehört sogar ein eigenes Umspannwerk.

War starts here: Weiteres Protestcamp im Sommer 

Der Truppenübungsplatz in der Colbitz-Letzliner Heide ist laut Bundeswehr mit gut 230 Quadratkilometern Fläche nicht nur eines der größten Militärgelände, sondern auch das modernste in Europa. Ausgestattet und betrieben wird es vom Rüstungskonzern Rheinmetall. Dieser hat dafür eine weitere Zweigstelle eingerichtet: Das Rheinmetall Dienstleistungszentrum Altmark GmbH.

Der Konzern bezeichnet sich selbst als „industriellen Dienstleister vor Ort“. Er stellt und wartet die Kriegs- und Informationstechnik, betreibt die Leitzentrale und beteiligt sich an der Ausbildung der Soldaten. Bis 2012 verdiente Rheinmetall laut einer Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der Linksfraktion etwa eine Viertelmilliarde Euro am GÜZ. Regelmäßig verlängert der Bund den Vertrag mit dem Rüstungsgiganten.

Die Bürgerinitiative Offene Heide kämpft mit anderen Friedensgruppen gegen die massive militärische Aufrüstung des GÜZ. In diesem Jahr plant sie das sechste antimilitaristische Protestcamp in der Heide unter dem Motto »War starts here«. Stattfinden soll es vom 31. Juli bis 6. August im Altmarkdorf Potzehne nahe Gardelegen, etwa zehn Kilometer vom militärischen Sperrgebiet entfernt. Erneut werden die Aktivisten auf einem Privatgrundstück ihre Zelte aufschlagen. Jeder könne dazukommen, sagte ein Sprecher. Die Gemeinden verwehre ihnen seit dem ersten Camp im September 2012, kommunale Flächen zu nutzen.

Bonner Prozesse: Aktivisten vor Gericht

Auch im vergangenen Jahr hatten Aktivisten auf zivilen Ungehorsam gesetzt. In Gruppen hatten sie das Militärgelände betreten, um »Schnöggersburg friedlich zu erobern«. Dabei wurden sie aufgegriffen von Feldjägern. Die Folge waren Bußgeldbescheide bis zu 400 Euro.

Klein bei geben und bezahlen wollten die Betroffenen nicht. Deshalb verhandelt nun das Amtsgericht Bonn gegen sie. Das geht unterschiedlich vor. Wie Malte F. von der Initiative Offene Heide berichtete, stellten sie am 4. Mai das Verfahren gegen die Aktivistin Martina H. ein. »Sie hat sich nicht eingelassen und darauf bestanden, Zeugen zu hören«, sagte Malte F. Das Gericht habe schließlich Soldaten hören wollen. Die aber seien zum zweiten Verhandlungstag nicht erschienen.

Normalerweise verfolgen die Aktivisten eine andere Strategie. Mehrere Betroffene hatten die Richter zuvor zu Geldstrafen verurteilt, nachdem sie Erklärungen gegen Aufrüstung und Angriffskriege verlesen und ihr Vorgehen als rechtmäßigen Widerstand deklariert hatten. So wird es auch Malte F. tun. Am 30. Juni steht er selbst in Bonn vor Gericht.

»Ich werde die Bundeswehr politisch anklagen«,

sagte er im Gespräch mit der Autorin. Dafür bereite er einen Beweisantrag vor, »obwohl solche bisher regelmäßig abgewehrt wurden«. F. will darlegen, dass die Vorbereitung von Angriffskriegen gegen deutsche Grundrechte, das Strafrecht und das Völkerrecht verstößt. »Dazu möchte ich auch Zeugen einladen lassen.«

»Da geht noch mehr« 

F. denkt dabei an einen ehemaligen Richter, der Kriegsübungen wie im GÜZ Altmark öffentlich für rechtswidrig erklärt hatte. Außerdem will er beantragen, einen früheren Soldaten zu hören. Dieser hatte sich einst dem Militäreinsatz im Irak verweigert. Die Bundeswehr entließ ihn danach »in Unehren«. »Allerdings hat er sich danach erfolgreich wieder zurück geklagt«, erklärte Malte F. Dies zeige, dass es auch Gerichte für legitim erachten, wenn sich Soldaten aufgrund rechtlicher Bedenken verweigern.

Für ihn ist das deutsche Heer »nichts weniger als eine terroristische Vereinigung«. Beim Vorbereiten von Kriegen berufe sich die Politik auf einen Notstand. Der müsse aber nachgewiesen werden. Und vor allem müssten Gegenmaßnahmen erfolgreich sein. »Schaut man auf die Kriegsschauplätze der Welt, ist das definitiv nicht der Fall«, betonte er. Einschüchtern lassen will F. sich durch die »Bonner Prozesse« nicht. Längst hat er Pläne für neuen zivilen Ungehorsam in diesem Sommer. »Durch unsere Störung konnte letztes Jahr eine Woche lang keine militärische Übung auf dem Platz stattfinden – da geht noch mehr.«

Danke an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.

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