Ein Kommentar von Bernhard Loyen.
Die gestrige Tagesdosis betrachtete, bzw. kommentierte in schlichter Subjektivität einen Artikel auf Spiegel Online. Die kritisierte Kolumne, bzw. der Autor dieses Artikels wollte die berüchtigte deutsche Nörgelmentalität hinterfragen, dieses vermeintlich konstante Jammern und Meckern gewisser Bevölkerungsstrukturen anhand einer Auflistung von positiven Merkmalen der bundesrepublikanischen Gesellschaft und dem damit verbundenen System darlegen und in gewisser Hinsicht provokativ konterkarieren.
Die Kolumne verwies auf eine statistisch belegte Quote aus dem Jahr 2017, von 93% Zufriedenheit in unserem Land. Diese Zufriedenheit teilt sich bei genauerer Betrachtung in 32% sehr zufriedener und 61% ziemlich zufriedener Bürger(1). Wie definiert man jedoch, ziemlich zufrieden? Dieser Parameter wirkt schwammig, bzw. lässt doch recht viel Raum für eine sehr individuelle Interpretation. Zur Vollständigkeit sei erwähnt 6% sind nicht sehr zufrieden und 1% überhaupt nicht zufrieden.
Der Spiegel Autor schrieb: Ich glaube, dass die unfassbare Waschlappigkeit, mit der die deutsche Politik, insbesondere der rechte Flügel der Union und die CSU, der AfD begegnet, ein zentraler Grund für die groteske Realitätsverzerrung ist, der dieses Land kollektiv zu unterliegen scheint. Es geht uns, im Vergleich mit den meisten anderen Ländern auf dieser Welt, hervorragend.(2)
Welche Länder er beim formulieren dieses Satzes vor dem geistigen Auge hatte, verriet er seinen Lesern nicht. Meinte er Länder in Europa, oder eher im afrikanischen, bzw. arabischen Raum? Egal, kommen wir doch lieber zur realen Alltagswelt. Das Problem, die Ignoranz vieler Journalisten und Politiker liegt in der Negierung existierender Katastrophen, dramatischer Trauerspiele und schlicht aus dem Blickfeld verlorener Tragödien in diesem Land. Desinteresse, oder Borniertheit?
Was sind nun die wahren Gründe für das reale Stimmungsbild in vielen Teilen der Gesellschaft? Es ist die Kombination von politischen Vorgaben in Form von Gesetzen und den starren, bis annähernd betonierten Unflexibilitäten ausführender Beamter. Eine Politik, die sich bewußt und beabsichtigt immer mehr von den Bürgern entfernt.
Die jedoch gleichzeitig die ausführenden Kräfte mit dem dadurch verursachten Chaos alleine lässt und zudem hunderttausende Opfer mit ihrem Schicksal in eine ungewisse Zukunft schickt.
Die Sendung Frontal21 vom Dienstag dieser Woche entließ den Betrachter kopfschüttelnd in die Nachtruhe. Sie zeigte an exemplarischen Beispielen, wie diese Regierung völlig realitätsfern, durch Gesetzesvorlagen bzw. mangelnder Umsetzung, die Integration von Migranten massiv stört und völlig surreal bewußt verhindert. Ein Beitrag lautet: Warum Integration scheitert – Sprachlos in Deutschland . Der Zuschauer erfährt: Horst Seehofer ist für mehr Härte, sagt er. Härte gegenüber Flüchtlingen. Die sollen bitte schön Integrationswillen beweisen, zum Beispiel durch das Erlernen der deutschen Sprache…Wer kein Deutsch lernt, ist an Integration nicht interessiert. Dumm nur, dass der harte Bundesinnenminister auch für das Bundesamt für Migration, kurz BAMF, zuständig ist. Und auf dessen Sprachkurse müssen Flüchtlinge teils über ein Jahr warten. Wer versagt also bei der Integration?
Interview mit dem Bürgermeister von Salzgitter: Wir haben Wartezeiten von 16 Monaten für einen Alphabetisierungskurs und zwölf Monate für einen Integrationskurs. Das heißt, sie sind erst nach zwei Jahren dazu gekommen zu sagen: So jetzt kann ich mich um eine Ausbildung kümmern, um ein Praktikum kümmern. Das sind Zustände, da können Sie gar nicht eine Integration erfolgreich leisten. Die Folgen umschreibt der Politikwissenschaftler Abdel-Samad: Das hat zur Folge, dass wir die Leute, die eigentlich eine Chance für das Land hätten sein müssen, jetzt langsam zur Belastung für sich und für das Land werden. Frustrierte, enttäuschte junge Menschen, die die Sprache nicht können. Es gab kein Konzept von Anfang an.
2.Beispiel: Flüchtlinge als Pflegekräfte – Abschiebung trotz Personalmangel. Der Beitrag informiert: Sprache ist ein Integrationsfaktor, genauso wie Arbeit. Viele Flüchtlinge wollen arbeiten. Und viele Pflegeeinrichtungen suchen händeringend Personal. Die Idee: Geduldete Asylbewerber werden während ihrer Pflegeausbildung und anschließender Tätigkeit nicht abgeschoben. Dame Ndow, aus Gambia lernte hier Altenpflegehelfer. Seine Ausbildung sollte zwei Jahre dauern. Für die Ausländerbehörden keine qualifizierte Ausbildung, die vor Abschiebung schützt. Nur wer einen dreijährigen Lehrvertrag hat, kann vorerst bleiben.
Später im Beitrag: Auch in Berlin sind die Personal-Probleme in der Pflege bekannt. Deshalb schrieben Union und SPD ein Versprechen in ihren Koalitionsvertrag: Bei kürzeren Lehrzeiten sollen Asylbewerber künftig bleiben dürfen – mit sogenannten Ausbildungsduldungen: Jedoch, das zuständige Bundesinnenministerium lässt auf Anfrage von Frontal21 mitteilen: Für die nötige Gesetzesänderung gebe es keinen Zeitplan.(3) Dame Ndow wurde abgeschoben.
Das ist bundesrepublikanischer Behördenwahnsinn, nein, nennen wir es Schwachsinn. Durch diese Tatsachen werden Realitäten erzeugt, die diesem Land und seinen Alt- wie Neubewohnern Perspektiven vorsätzlich raubt. Wer verhindert hier Integration? Wer ist verantwortlich für atmosphärische Schwankungen mit Pegelausschlag bis an die rechte Kante? Wer aus diesem mutwilligen Chaos Profit einheimst, ist bekannt und muss wenig dafür leisten. Wöchentliche Steilvorlagen kommen direkt aus der Bundeshauptstadt.
Die Realitätsverzerrung liegt bei der Politik und einer gebündelten Journaille, die sich lieber erneut mit einer Gaga Story über den vermeintlichen Bodyguard von Osama Bin-Laden als Leistungsempfänger in Deutschland beschäftigt(4). Diese Politik boykottiert die Arbeit von Millionen Beamten und Bürgern auf den Ämtern und Behörden und vor allem Millionen von ehrenamtlichen Unterstützern, desillusioniert, die eine glaubwürdige Umsetzung von Integration und ein ehrliches Interesse am Zusammenleben in diesem Land tagtäglich hart erstreiten.
Mit diesem Status Quo, wird dieses Land nicht zur Ruhe kommen. Ziemlich zufrieden sein, schaut anders aus.
(3) – https://www.zdf.de/politik/frontal-21/frontal-21-vom-24-april-2018-100.html
+++
Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
+++
KenFM bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Meinungsartikel und Gastbeiträge müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
+++
Alle weiteren Beiträge aus der Rubrik „Tagesdosis“ findest Du auf unserer Homepage: hier und auf unserer KenFM App.
+++
Dir gefällt unser Programm? Informationen zu Unterstützungsmöglichkeiten hier: https://kenfm.de/support/kenfm-unterstuetzen/
Kommentare (0)