Tagesdosis 11.1.2018 – Gemeingut in BürgerInnenhand

Ein Kommentar von Bernhard Loyen.

Gemeingut in BürgerInnenhand, kurz GiB, nennt sich eine Organisation aus Berlin. Heute vor einer Woche wurde die Volksinitiative – Unsere Schulen gestartet. Es werden 20.000 Unterschriften benötigt. Wofür und worum geht es?

Es gibt die medial geförderte öffentliche Politik, bei der es heutzutage selten um Inhalte geht, sondern immer öfter um Befindlichkeiten, Sympathien, Frisuren, Krawattenfarben und Halskettenwahl. Es geht um triviale Nebensächlichkeiten, geschmückt mit austauschbaren Worthülsen. Gerät ein Thema jedoch in den öffentlichen Fokus, wenn Informationen eingefordert werden, benutzt der Berufspolitiker seine berühmten verquirlten Formsätze, um zu suggerieren die Politik habe doch alles zum Wohle der Bürger im Griff.

Etwas aus dem öffentlichen Blickfeld gerutscht ist die unbekanntere Politik, die aus den Hinterzimmern, wo die eigentlichen Geschäfte und Allianzen abgeschlossen werden. Eine Variante nennt sich hierbei Öffentlich-Private-Partnerschaft, kurz ÖPP, auch bekannt als PPP, dem Public-Private-Partnership, da das 1990er England unter Tony Blair als Entwickler dieser Kooperationsidee gilt. Der Politiker nutzt schöne Worte, wie Partnerschaft, meint aber eigentlich Verkauf, oder Ausverkauf.

In dem schon 2008 erschienenen sehr lesenswerten Buch zu diesem Thema, Heuschrecken im öffentlichen Raum von Werner Rügemer[1], wird diese wieder Mal auf Steuerzahlerkosten basierende Bande exquisit offen gelegt. Es geht um die Mogelpackung einer Entlastung des vermeintlich leeren Staatssäckels. Rügemer formuliert den wahren Satz – ökonomische Lügen werden heute ebenso professionell produziert wie militärische.

Der Deal? Private Geldgeber investieren und zahlen für gewünschte, bzw. benötigte Projekte. Dafür erhalten sie auf das Ergebnis, wie ein Gebäude, eine Fläche, einen Autobahnabschnitt alleiniges Besitzerrecht und verpflichten den Staat, die Stadt, die Kommune nach ihrer Pfeife zu tanzen, wie z.b anschließend eingeforderte Mieten, Nutzungsgebühren, Kreditzinsen und individuelle Spielregeln. Oft über einen vertraglich festgelegten jahrzehntelangen Zeitraum.

Im Politiker Lügensprech klingt das dann so: ÖPP ist eine langfristige, vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft zur wirtschaftlichen Erfüllung öffentlicher Aufgaben über den gesamten Planungszyklus. Mithilfe von ÖPP, könne die öffentliche Hand trotz leerer Kassen wieder investieren und den schon lange bestehenden Investitionsstau in der öffentlichen Infrastruktur auflösen und damit Zukunft sichern.

In Berlin ist die Politik aktuell um die Zukunft der SchülerInnen besorgt. Momentan sei einfach kein Geld da, um die maroden Schulen zu sanieren. Der Tagesspiegel informierte: 5,5 Milliarden Euro für die Schulen in Berlin: Diese Summe will der Senat in nur zehn Jahren investieren in Neubauten für die wachsenden Stadtteile und in die Sanierung. So soll das eigentlich Selbstverständliche auch in dieser Stadt Standard werden: Funktionierende Toiletten und Klassenzimmer mit zu öffnenden Fenstern und akzeptabler Technik[2].

Natürlich ist Geld da, aber nicht für die Jugend, für die Bildung. Es geht um mehr Schein als Sein. Der Politik geht es nicht um Notwendigkeiten für die Bürger. Die Stadt will sich dieses benötigte Geld nun in der Privatwirtschaft besorgen, nennt diesen Plan im Politikersprech – Schulbauoffensive. Sie wissen ja, dieses eine Großprojekt am Stadtrand, was auch zur Hälfte schon ÖPP ist….die Kassen etwas klamm…aber das ist ein anderes Thema, zurück zu den Schulen.

Die Gemeingut-in-BürgerInnenhand-Organisation informiert über den anvisierten Deal: „In aller Seelenruhe treibt der Senat die Privatisierung des Schulbaus in Berlin voran, und das Abgeordnetenhaus wartet ab.  Damit ist jetzt Schluss! Wir wollen dem nicht länger tatenlos zusehen. Wenn die Abgeordneten sich nicht mit der Sache befassen wollen, müssen die Bürgerinnen und Bürger sie eben dazu zwingen. Deshalb starten wir jetzt die Volksinitiative ‚Unsere Schulen‘. Sobald wir 20.000 Unterschriften zusammen haben, müssen wir im Parlament angehört werden. Bisher hat der Senat ein Gespräch mit uns konsequent verweigert.“[3]

Werner Rügemer unterstützt diese Aktion und warnt: Die senatsunterstützte GmbH kann Kredite aufnehmen, kann die für die Zukunft vereinbarten Mieten an Investoren verkaufen, kann Unternehmen wie Coca-Cola gegen Gebühren Werbung betreiben lassen, kann in der schulfreien Zeit die Räume anderweitig vermieten, kann Auflagen für die Innenausstattung machen. Wenn die GmbH überschuldet ist, kann sie die Miete nachträglich erhöhen, kann die GmbH ganz oder teilweise verkaufen oder kann mit Insolvenz drohen und damit Nachforderungen durchsetzen[3].

Das, was sich ein CDU/FDP Senat nie getraut hätte, realisiert mittlerweile nicht wirklich mehr überraschend, ein rot-rot-grüner Senat. Wofür sorgte u.a. doch gleich die Abwahl des rot-roten Senats 2011? Verkauf an Privatinvestoren von sog. Tafelsilber in Form von landeseigenen Wohnungen und Teilen der Berliner Wasserbetriebe[4][5]. Am Ende ist es eigentlich inzwischen auch egal, welche der sechs relevanten existierenden Parteien an der Macht sind. Winkt die Privatwirtschaft mit Verträgen und ausreichend Scheinen leuchten die Augen und ehemals geheucheltes Bürgerinteresse rückt schnell in den Hintergrund. Der Bürger selbst muss seine Rechte auf anderen Wegen erkämpfen und einfordern. Alle vier Jahre ein Kreuzchen zu machen ist bequem und annähernd überflüssig geworden.

Die zentralen Forderungen der Initiative sind daher:

„Schulen endlich sanieren: JA! Neue Schulen bauen: JA! Schulen in öffentlicher Hand: JA! Übertragung von Schulimmobilien in das Privatrecht: NEIN!  Gründung einer Schul-GmbH: NEIN! Unsere Schulen müssen öffentlich bleiben! Keine Übertragung von Schulimmobilien in das Privatrecht!
Bitte unterstützen – [6] [7].

Quellen

[1] – http://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-1741-2/heuschrecken-im-oeffentlichen-raum

[2] – http://www.tagesspiegel.de/berlin/sanierung-von-bildungseinrichtungen-5-5-milliarden-euro-fuer-die-schulen-in-berlin/20806012.html

[3] – https://www.gemeingut.org/finanzsenator-kollatz-ahnen-brilliert-mit-unwissen-und-fehlschluessen/

[4] – http://www.spiegel.de/politik/deutschland/berlin-rot-roter-immobiliendeal-bringt-wowereit-in-erklaerungsnot-a-743929.html

[5] – https://www.hintergrund.de/soziales/privatisierung/berlin-der-rot-rote-senat-fuettert-die-heuschrecken/

[6] – https://www.gemeingut.org/civi-public/?page=CiviCRM&q=civicrm/petition/sign&sid=23&reset=1

[7] – https://www.gemeingut.org/wp-content/uploads/2018/01/Unterschriftenliste-Volksinitiative_Unsere_Schulen.pdf

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